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Achtunddreißigstes Kapitel.

Mein Heimathland, gute Nacht!

Byron.

Manch bittere Thräne ward während der eiligen Flucht der Königin Maria über zerstörte Hoffnungen und erschlagene Freunde geweint. Der Tod des braven Douglas und des heftigen, aber tapferen Heinrich Seyton schien die Königin eben so sehr zu erschüttern, wie ihr Sturz von dem Throne, auf welchem sie beinahe wieder eingesetzt worden war. Katharine Seyton verschloß ihren Kummer in ihren Busen, um ihre niedergeschlagene Gebieterin aufzurichten. Der Abt richtete seinen getrübten Blick in die Zukunft, und bemühte sich vergebens, einen Plan zu ersinnen, der einen Schimmer von Hoffnung bot. Der Muth des jungen Roland hingegen, welcher ebenfalls an den flüchtigen Berathungen Theil nahm, blieb fortwährend ungebeugt.

»Ew. Majestät,« sprach er, »hat eine Schlacht verloren. Euer Ahn Bruce verlor sieben nach einander, ehe er triumphirend auf dem schottischen Throne saß, und mit Siegerstimme auf dem Schlachtfelde von Bannockburn die Unabhängigkeit seines Landes ausrief. Sind nicht diese Haiden, welche wir frei durchstreifen können, besser als das verschlossene, bewachte Lochleven mit seinem See, statt des Grabens? Wir sind frei; – in diesem einen Wort liegt Trost für alle unsere Verluste.«

Er hatte eine hohe Saite angeschlagen, aber er fand in Mariens Herzen keinen Anklang.

»Besser,« erwiderte sie, »ich wäre in Lochleven geblieben, als daß ich die Niedermetzelung meiner bis in den Tod getreuen Unterthanen durch Rebellen mit angesehen hätte. Sprich mir nicht weiter von neuen Anstrengungen; – sie würden nur meinen Freunden das Leben kosten, euch, die ihr sie anrathet. Ich möchte nicht nochmals empfinden, was ich fühlte, als ich von jener Höhe aus die Schwerter von Mortons wilden Reitern unter den treuen Seytons und Hamiltons wüthen sah, – ich möchte nicht nochmals empfinden, was ich fühlte, als des liebenden Douglas Herzblut meinen Mantel befleckte – ich möcht' es nicht, und wenn ich dadurch Kaiserin aller Lande werden könnte, welche die Meere Britanniens umschließen. Macht mir einen Platz ausfindig, wo ich mein unglückliches Haupt bergen kann, das Verderben über Alle bringt, die es lieben; das ist die letzte Gunst, welche Maria von ihren treuen Nachfolgern erbittet.«

In dieser niedergeschlagenen Stimmung setzte die unglückliche Maria ihre Flucht mit unverminderter Schnelligkeit fort. Nachdem der Freiherr Herries mit wenigen Getreuen zu ihr gestoßen, machte sie zum ersten Male Halt an der Abtei Dundrennan, fünfundzwanzig Wegstunden von dem Schlachtfelde. In diesem fernen Winkel von Galloway war die Reformation noch nicht mit Strenge durchgeführt, und einige Mönche lebten noch unbelästigt in ihren Zellen. Der Prior von Dundrennan empfing ehrerbietig und mit Thränen in den Augen die Königin am Thor des Klosters.

»Ich bring' Euch Verderben, guter Vater,« sagte sie, als man sie von ihrem Zelter hob.

»Es sei willkommen,« erwiderte der Prior, »wenn es im Gefolge der Pflicht kommt.«

Auf ihre Kammerfrauen gestützt, warf die Königin einen Blick auf ihren Zelter, der abgemattet den Kopf hängen ließ, als traure er um seine Besitzerin.

»Guter Roland,« flüsterte sie, »sorge, daß Rosabelle gepflegt wird. Dein eignes Herz wird dir sagen, warum ich in dieser Schreckensstunde eine so kleinliche Bitte stelle.«

Man führte sie in ihr Gemach. Ihre Begleiter hielten in aller Eile Rath, und faßten den unglückseligen Entschluß, sich nach England zu werfen. Am nächsten Morgen gab die Königin ihre Zustimmung dazu, und sofort wurde an den englischen Markwart ein Bote geschickt, um sicheres Geleit und Gastfreundschaft für die Königin von Schottland zu erbitten.

Tags darauf wandelte der Abt Ambrosius mit Roland in dem Klostergarten auf und ab, und drückte gegen den Jüngling seine Mißbilligung dieses Schrittes aus.

»Es ist Wahnsinn und gewisses Verderben,« sprach er. »Besser, sich den wilden Hochländern oder den eben so wilden Grenzern überlassen, als der Treue Elisabeths. Ein Weib einem eifersüchtigen Weibe, eine muthmaßliche Erbin einer kinderlosen Königin! – Roland! Herries ist ein ehrlicher Mann, aber sein Rath bringt seine Königin ins Verderben.«

»Ja wohl, Verderben folgt uns überallhin,« sprach ein alter Mann in der Kleidung eines Laienbruders mit dem Spaten in der Hand, den der Abt im Eifer des Gesprächs nicht bemerkt hatte. »Betrachte mich nur nicht so verwundert! Ich bin weiland Abt Bonifacius von Kennaquhair, weiland Gärtner Blinkhoolie am Lochleven, in der Welt herumgehetzt, bis ich endlich wieder an den Ort getrieben bin, wo ich Noviz war, und jetzt seid Ihr schon wieder da, mich aufzustören. Ein mühseliges Leben hab' ich gehabt für Einen, dem Friede immer das theuerste Gut gewesen ist!«

»Wir wollen Euch bald unserer Gesellschaft entledigen, guter Vater,« antwortete der Abt, »und die Königin wird, fürcht' ich, Euer Ruheplätzchen nicht ferner beunruhigen.«

»So habt Ihr auch früherhin gesagt,« erwiderte der zänkische Alte, »und doch bin ich von Kinroß vertrieben und unterwegs von Reitern ausgeplündert worden. Sie haben mir die Bescheinigung genommen, von der Ihr wißt – von dem Freiherrn – er war ein Moosklepper wie sie. Ihr habt mich darnach gefragt, und ich konnte sie nicht finden. Sie haben sie gefunden. Sie beurkundete die Vermählung des – des – mein Gedächtniß verläßt mich. Da seht, wie doch die Menschen verschieden sind! Pater Niclas wußte Euch hunderterlei Geschichten zu erzählen vom Abt Ingelram, dessen Seele Gott gnädig sei! Er war seine sechsundachtzig Jahre alt, und ich bin nicht mehr, als – wartet einmal – –«

»War nicht Avenel der Name, den Ihr gesucht habt, guter Vater?« fragte Roland ungeduldig, jedoch seinen Ton mäßigend aus Besorgniß, den schwachen Greis zu erschrecken oder zu reizen.

»Ja, richtig – Avenel, Julian Avenel. – Den Namen habt Ihr getroffen. Ich habe alle besondern Geständnisse aufbewahrt, weil ich glaubte, mein Gelübde erfordere es. Ich konnte das Ding nicht finden, als mein Nachfolger Ambrosius davon sprach, aber die Reiter haben es gefunden, und der Ritter, welcher den Trupp befehligte, schlug sich auf die Brust, daß ein Harnisch rasselte wie eine leere Wasserkanne«

»Heilige Maria!« rief der Abt, »wem konnte dies Papier so wichtig erscheinen? Wie sah der Ritter aus? Wie war seine Rüstung, seine Farben?«

»Ihr bringt mich von Sinnen mit Euren Fragen – ich habe kaum gewagt, ihn anzusehen. Sie beschuldigten mich, Briefe für die Königin zu tragen, und durchsuchten meinen Mantelsack. – Das kommt. Alles von Euren Streichen zu Lochleven.«

»Ich hoffe zu Gott,« sprach der Abt zu Roland, der vor Ungeduld bebend neben ihm stand, »ich hoffe, das Papier ist meinem Bruder in die Hände gefallen. Ich habe gehört, daß er mit seinen Leuten zwischen Glasgow und Stirling streifte. – Trug nicht der Ritter einen Steineichenzweig auf dem Helm? Kannst du dich nicht erinnern?«

»Erinnern – erinnern,« wiederholte der Alte ärgerlich. »Zählt Ihr einmal so viel Jahre, wie ich, wofern Euer Getreibe Euch dazu kommen läßt, und seht, was und wie viel es ist, dessen Ihr Euch erinnert. – Hm! ich erinnere mich kaum noch der Birnäpfel, welche ich vor etlichen und fünfzig Jahren hier gepfropft habe.«

In diesem Augenblick erscholl vom Ufer der Klang eines Jagdhorns.

»Da wird dem Königthum Mariens zu Grabe geblasen!« rief Ambrosius. »Des englischen Markwarts Antwort ist eingetroffen, ohne Zweifel bejahend, denn wann wurde je die Falle zugehalten vor der Beute, welcher sie gestellt war? – Verzage nicht, Roland, – diese Sache soll ergründet werden. Jetzt müssen wir von der Königin scheiden. Folge mir. Laß uns unsere Schuldigkeit thun und Gott das Weitere anheimstellen. – Lebt wohl, guter Vater; ich werde Euch bald wieder besuchen.«

Er wandte sich nach der Thür des Gartens und Roland folgte ihm zögernd. Der Ex-Abt nahm seinen Spaten wieder zur Hand.

»Ich könnte mich grämen um diese Männer,« sagte er, »und auch um diese arme Königin. Aber was soll irdischer Gram einem achtzigjährigen Manne? – Es ist ein herrlicher feuchter Morgen für den Frühkohl.«

»Er ist altersschwach,« sprach Ambrosius zu Roland, während er ihn nach dem Seeufer hinzog. »Wir müssen ihm Zeit lassen, sich zu besinnen. Jetzt können wir an nichts Anderes denken, als an das Schicksal der Königin.«

Sie kamen bald dahin, wo sie stand, umgeben von ihrem kleinen Gefolge, und neben ihr der Landrichter von Cumberland, ein Edelmann aus dem Hause Lowther, in prächtiger Kleidung und von Söldnern begleitet. An der Königin bemerkte man halb Lust und halb Widerwillen hinüberzugehen. Ihre Worte und Geberden sprachen Hoffnung und Trost gegen ihre Begleiter aus, und es schien, als wollte sie sich selber überreden, daß ihr Schritt gefahrlos, und daß die Zusicherung freundschaftlicher Aufnahme befriedigend sei. Aber ihre bebende Lippe und ihr unstetes Auge verriethen, wie peinlich es ihr war, von Schottland zu scheiden, und mit welcher Besorgniß sie sich der zweifelhaften Aufrichtigkeit. Englands anvertraute.

»Willkommen, Herr Abt, und auch Ihr, Roland Avenel!« rief sie den Ankommenden entgegen. »Wir haben fröhliche Zeitung für Euch. Der Beamte Unserer liebreichen Schwester bietet Uns Zuflucht an vor den Empörern, die Uns aus Unserem Eigenthum vertrieben haben. Leid thut es uns nur, daß Wir hier auf kurze Zeit von Euch scheiden müssen.«

»Von uns scheiden, Madame?« fragte der Abt. »Soll also Euer Willkomm in England mit der Beschränkung Eures Gefolges und mit der Entlassung Eurer Rathgeber beginnen?«

»Nehmt es nicht so,« antwortete die Königin, »der Landrichter und der Markwart, als treue Diener Unserer königlichen Schwester, finden es nöthig, ihren Weisungen im vorliegenden Fall buchstäblich nachzukommen, und können nicht mehr auf sich nehmen, als Uns mit Unserer weiblichen Dienerschaft zuzulassen. Es wird sofort ein Eilbote von London abgehen, um mir einen Wohnsitz anzuweisen, und sobald mein Hofstaat gebildet wird, werd' ich Euch Alle kommen lassen.«

»Euer Hofstaat gebildet? – in England? und während Elisabeth lebt und regiert?« entgegnete der Abt. »Das wird dann geschehen, wenn wir zwei Sonnen am Himmel sehen.«

»Entschlagt Euch solcher Gedanken,« sprach die Königin. »Wir sind der Aufrichtigkeit Unserer Schwester versichert. Elisabeth liebt den Ruhm, und aller Ruhm, den sie durch ihre Macht und Weisheit gewonnen hat, wird demjenigen nicht gleichkommen, welchen sie durch Gastfreundlichkeit gegen ihre bedrängte Schwester erlangen wird, wogegen Alles, was sie Großes, Weises und Gutes in Zukunft noch thun wird, nicht im Stande wäre, den Vorwurf zu tilgen, den sie durch Mißbrauch Unseres Vertrauens auf sich laden würde. – Leb' wohl, mein Kammerjunker, jetzt mein Ritter – lebe wohl auf kurze Zeit. Ich will Katharinens Thränen trocknen, oder ich will mit ihr weinen, bis keine von uns mehr weinen kann.«

Sie hielt Rolanden ihre Hand dar, und er warf sich auf die Kniee und küßte sie mit tiefer Rührung. Er wollte Katharinen dieselbe Huldigung erweisen, aber die Königin rief ihm mit heiterer Miene zu:

»Ihre Lippen, du einfältiger Junge! und du, Katharine, sei nicht spröde. Diese englischen Herren sollen sehen, daß auch in unserem kalten Norden Schönheit weiß Tapferkeit und Treue zu belohnen!«

»Nicht jetzt erst,« bemerkte der Landrichter von Cumberland mit Artigkeit, »lernen wir die Macht schottischer Schönheit und den Werth schottischer Tapferkeit schätzen. Ich wollte, es stände in meiner Macht, diese Geleitsmänner der Krone schottischer Schönheit in England willkommen zu heißen. Aber die Befehle unserer Königin für diesen Fall sind gemessen, und ihr Unterthan darf nicht daran mäkeln. Dürft' ich Eure Majestät erinnern, daß die Ebbe eintritt?«

Der Landrichter ergriff die Hand der Königin, und schon hatte sie den Fuß auf das Bret gesetzt, um das Boot zu besteigen, als der Abt, sich aus seiner schmerzlichen Betäubung aufraffend, in das Wasser sprang und ihren Mantel faßte.

»Sie hat es vorausgesehen!« rief er; »sie hat Eure Flucht in ihr Reich vorausgesehen, und in dieser Voraussicht hat sie Befehl gegeben, Euch auf diese Weise aufzunehmen. Verblendete, betrogene, dem Verderben geweihte Fürstin! Euer Schicksal ist unwiderruflich, wenn Ihr diesen Strand verlasset. – Königin von Schottland, du sollst dein Erbe nicht verlassen!« rief er, ihren Mantel noch fester fassend; »treue Männer sollen Empörer gegen deinen Willen werden, um dich vor Gefangenschaft und Tod zu retten. Fürchte nicht die Hellebarden und Bogen, welche dieser geputzte Mann hinter sich hat. Wir wollen ihm mit Gewalt widerstehen. O, daß ich den Arm meines kriegerischen Bruders hätte! – Roland Avenel, zieh' dein Schwert«

Die Königin stand da, erschreckt und unentschieden, den einen Fuß auf dem Bret, den andern auf dem Sand ihres heimathlichen Ufers, welches sie im Begriff stand, auf ewig zu verlassen.

»Wozu diese Gewaltsamkeit, Herr Priester?« nahm der Landrichter von Cumberland das Wort. »Ich bin hieher gekommen auf Befehl Eurer Königin, um ihr Dienst zu leisten, und auf ihren leisesten Wink entfern' ich mich, wenn sie die Hülfe, welche ich bieten kann, ausschlägt. Ist es zu verwundern, daß unsere Königin in ihrer Weisheit die Möglichkeit eines solchen Ergebnisses unter den Verwirrungen Eures unruhigen Landes voraussah, und daß sie, obwohl geneigt, ihrer königlichen Schwester Gastfreundschaft zu erweisen, es doch für gerathen hielt, den Uebertritt eines geschlagenen Heeres über die englische Grenze zu verbieten?«

»Ihr hört,« sprach die Königin, sanft ihr Gewand aus der Hand des Abtes losmachend, »daß Wir mit voller Willensfreiheit dies Ufer verlassen; und ohne Zweifel wird es Uns unbenommen bleiben, nach Frankreich zu gehen oder in Unsere Lande zurückzukehren, je nachdem Wir es für gut finden. – Uebrigens ist es zu spät. – Euren Segen, guter Vater, und Gott sei mit Euch!«

»Möge er Erbarmen mit dir haben, Fürstin, und gleichfalls mit dir sein!« erwiderte der Abt und trat zurück. »Aber mein Herz sagt mir, ich sehe dich zum letzten Mal!«

Die Segel wurden gespannt, die Ruder in Bewegung gesetzt, und das Fahrzeug fuhr rasch durch den Frith, welcher die Ufer Cumberlands von denen Galloways trennt. Besorgt und niedergeschlagen blickte ihr entlassenes Gefolge vom sandigen Ufer ihr nach, bis das Fahrzeug nicht größer mehr aussah, als ein Kinderschiffchen, und lange erblickten sie das weiße Tuch, mit welchem Maria Lebewohl winkte, – Lebewohl ihren treuen Anhängern und den Küsten von Schottland.

   

Wenn angenehme Nachrichten in Betreff von Familienverhältnissen Roland hätten trösten können über die Trennung von seiner Gebieterin und über das Unglück seiner Königin, so wäre ihm dieser Trost kurze Zeit nach der Entfernung der Königin von Dundrennan zu Theil geworden. Ein athemloser Bote – Niemand anders als Adam Woodcock – brachte Briefe von Herrn Halbert Glendinning an den Abt, der sich noch zu Dundrennan aufhielt und den alten Bonifacius vergebens mit Fragen quälte. Die Briefschaften enthielten eine dringende Einladung an Edward, für einige Zeit seinen Wohnsitz auf Schloß Avenel zu nehmen.

»Die Gnade des Regenten,« sagte der Schreiber, »hat Dir und Rolanden Verzeihung bewilligt unter der Bedingung, daß ihr einige Zeit unter meiner Aufsicht bleibt. Dem Roland habe ich in Betreff seiner Herkunft Dinge mitzutheilen, welche nicht nur er gern hören wird, sondern welche auch mir, als dem Gemahl seiner nächsten Verwandten, seine Zukunft wichtig machen müssen.«

Der Abt las diesen Brief und schien dann zu überlegen, was er thun sollte. Unterdessen nahm Woodcock den jungen Roland auf die Seite und redete ihn folgendermaßen an:

»Nun seht wohl zu, Junker Roland, daß kein papistischer Unsinn den Pfaffen oder Euch von dem richtigen Wildpret ablockt. Leset dies, und dankt Gott, der den alten Abt Bonifacius uns in die Hände führte, als zwei Knechte Seytons ihn hieher geleiteten. Wir durchsuchten ihn, um Nachweise über Euer sauberes Stücklein zu Lochleven zu finden, welches manchem Mann sein Leben und mir einige wehe Knochen gekostet hat, – und was wir gefunden haben, paßt besser in Euren Kram als in unseren.«

Das Papier, welches er überreichte, enthielt eine Bescheinigung des Pater Philipp, der sich unwürdigen Küster und Bruder des Gotteshauses von St. Marien unterschrieb, des Inhalts: daß er nach angelobtem Stillschweigen Julian, Herrn von Avenel, und Katharinen Graeme ehelich eingesegnet, daß aber nachher Julian sein Ehebündniß bereut und ihn, den Pater Philipp, bewogen habe, sündlicher Weise dasselbe zu verheimlichen und zu verleugnen, mittels eines zwischen ihm und besagtem Julian verabredeten Truges, so daß das arme Fräulein auf die Meinung gebracht worden sei, die Einsegnung wäre durch eine nicht ordinierte und zu einer solchen Handlung unbefugte Person geschehen. Welche sündliche Verheimlichung Unterzeichneter für die Ursache halte, warum er der Gewalt eines bösen Wassergeistes übergeben worden sei, dergestalt, daß er unter einem Zauber gelegen, der ihn nöthigte, auf jede Frage, selbst in den ernstesten Angelegenheiten, mit nichtssagenden Stücken aus alten Liedern zu antworten, abgesehen davon, daß er seitdem immer mit rheumatischen Uebeln heimgesucht worden sei: Derohalben habe er sothanes Zeugniß und Beichte mit Tag und Datum besagter Einsegnung bei seinem gesetzmäßigen Oberen Bonifacius, Abt von St. Marien, niedergelegt sub sigillo confessionis Unter dem Beichtsiegel..

Aus einem, der Bescheinigung sorgfältig beigeschlossenen Briefe Julians ging hervor, daß sich der Abt Bonifacius der Sache angenommen und von dem Freiherrn das Versprechen erhalten hatte, seine Ehe öffentlich anzuerkennen. Das Fernere wußte jetzt Abt Ambrosius. Der Tod Julians und seiner betrogenen Gattin, des Abtes Abdankung, seine Unwissenheit über das Schicksal des unglücklichen Kindes, und mehr noch seine Nachlässigkeit, hatte die ganze Sache in Vergessenheit gerathen lassen, bis sie ihm durch ein zufälliges Gespräch mit Abt Ambrosius über das Schicksal der Familie Avenel wieder ins Gedächtniß gerufen wurde. Auf Bitten seines Nachfolgers stellte der Ex-Abt Nachsuchungen an, allein da er nicht leiden wollte, daß ihm Jemand bei der Durchsicht seiner gewissenhaft aufbewahrten Aufzeichnungen geistlicher Erfahrungen und wichtiger Beichte zur Hand gehe, so würden die gewünschten Stücke vielleicht ewig unter den übrigen verborgen geblieben sein, wenn nicht Herr Halbert Glendinning eine schärfere Durchsicht vorgenommen hätte.

Nachdem die Papiere durchgesehen waren, nahm Adam wieder das Wort: »Also Junker Roland, habt Ihr die Aussicht, mit der Zeit Avenel zu erben, wenn unsere Herrschaft heimgegangen ist. Für diesen Fall hab' ich mir nur eine Gnade zu erbitten, und ich hoffe, Ihr werdet mir dieselbe nicht versagen.«

»Gewiß nicht, wenn es in meiner Macht steht, sie zu gewähren, treuer Freund.«

»Also ich will, wenn ich den Tag erlebe, dabei bleiben, die Nestlinge mit ungewaschenem Fleische zu füttern,« sprach Woodcock dreist, doch so, daß man merkte, er war einer günstigen Aufnahme seiner Bitte nicht ganz sicher.

»Du sollst sie füttern, womit du willst,« antwortete Roland lachend. »Ich bin noch nicht viele Monate älter als damals, wo ich das Schloß verließ, aber ich hoffe, ich habe so viel Verstand erlangt, daß ich keinen geschickten Mann mehr in seinem Geschäft meistere.«

»Nun, so tausch' ich nicht mit des Königs Falkner,« rief Adam Woodcock, »und eben so wenig mit dem der Königin. Sie wird freilich, wie man hört, selber in den Käfig kommen und keinen Falkner mehr brauchen. – Ich sehe, der Gedanke an sie schmerzt Euch und ich könnte mich zur Gesellschaft mit grämen. Doch was kann es helfen. Fortuna fliegt ihren eigenen Weg, mag ein Mensch sich auch heiser schreien, um sie zu locken.«

Der Abt und Roland reisten nach Avenel. Ersterer ward zärtlich von seinem Bruder aufgenommen, und Frau Maria weinte vor Freuden bei dem Gedanken, daß sie in ihrem geliebten Waisenkinde den einzigen noch übrigen Zweig ihrer Familie beschützt hatte. Herr Halbert Glendinning und die Dienerschaft waren nicht wenig über die Veränderung erstaunt, welche eine kurze Bekanntschaft mit der Welt in ihrem ehemaligen Hausgenossen hervorgebracht hatte, und freuten sich, zu finden, daß aus dem verhätschelten, verdrossenen und anmaßenden Edelknaben ein bescheidener junger Mann geworden war, der im Bewußtsein seiner Anwartschaft und seines Standes sich nicht mehr einfallen ließ, mit Heftigkeit und Muthwillen die Achtung zu verlangen, welche man ihm von selber erwies. Der alte Hofmeister Wingate war der Erste, sein Loblied anzustimmen, und Jungfer Lilias hallte es nach, immer mit der Hoffnung, Gott wolle ihn das wahre Evangelium lehren.

Zu dem wahren Evangelium hatte Rolands Herz schon lange insgeheim hingeneigt. Die Abreise des guten Abtes nach Frankreich zu dem Zwecke in ein dortiges Benedictinerkloster zu gehen, entfernte den hauptsächlichsten Anstand, den er bei seiner beabsichtigten Abschwörung des katholischen Glaubens hatte. Ein anderer hätte in seiner Verpflichtung gegen Magdalene Graeme, als seine Großmutter und als seine Wohlthäterin, liegen können. Allein er erfuhr bald nach seiner Rückkehr auf Schloß Avenel, daß sie an einer für ihr Alter zu schweren Bußübung, welche sie auf die Nachricht von der Niederlage bei Langside für Kirche und Königin von Schottland übernommen hatte, zu Köln gestorben sei.

Der Eifer des Abtes Ambrosius war weniger übertrieben. Er zog sich in ein Schottenkloster in Nordfrankreich zurück und zeichnete sich durch einen Wandel so sehr aus, daß die Brüderschaft geneigt war, die Ehre der Heiligsprechung für ihn in Anspruch zu nehmen. Er aber merkte ihr Vorhaben, und schärfte ihnen auf einem Todbette ein, dem Leichnam eines eben so großen Sünders, wie sie selber, keine besondere Ehre zu erweisen. Nur das erbat er sich, daß sie seinen Leichnam und sein Herz nach Kennaquhair schicken und in der Begräbnißkapelle des Hauses Avenel beisetzen lassen möchten, auf daß der letzte Abt des berühmten Gotteshauses St. Marien unter dessen Trümmern ruhen möchte.

Lange vorher, ehe dies geschah, vermählte sich Roland Avenel mit Katharinen Seyton. Katharine hatte zwei Jahre bei ihrer unglücklichen Gebieterin in England zugebracht, als sie aus Anlaß größerer Beschränkung derselben entlassen wurde. Sie kehrte in ihres Vaters Haus zurück, und da Roland jetzt als rechtmäßiger Erbe des alten Hauses Avenel anerkannt war, dessen Besitzthum sich durch Herrn Halbert Glendinnings Sorgfalt sehr vermehrt hatte, so ward von Seiten ihrer Familie kein Einwand mehr gegen die Heirath erhoben. Ihre Mutter war schon damals gestorben, als sie in's Kloster kam, und ihr Vater war in den ungewissen Zeiten nach Mariens Flucht auf englisches Gebiet einem Ehebündniß seiner Tochter mit einem jungen Mann nicht abgeneigt, der selber der Königin treu und doch auch durch Herrn Halbert Glendinning mit der herrschenden Partei verknüpft war.

Also wurden Roland und Katharine trotz ihrer Religionsverschiedenheit ehelich verbunden, und das weiße Fräulein, dessen Erscheinung selten geworden war, während das Haus Avenel erlöschen zu wollen schien, ließ sich wieder fröhlich bei seiner Lieblingsquelle erblicken, mit einem goldenen Gürtel, so breit wie das Wehrgehenk eines Grafen.

 

Anmerkung zum Kapitel:

Wie schon in der Einleitung zum Abt bemerkt ist, war es nicht das Herz des Abtes Ambrosius, sondern das Herz des Königs Robert Bruce, welches der Verfasser im Sinne hatte, als er die Einleitung zum Kloster schrieb. Es ist bekannt, daß König Robert auf seinem Todbette dem guten Herrn Jakob von Douglas auftrug, sein Herz in's gelobte Land zu bringen, und somit einigermaßen Ersatz für seine beabsichtigte Kreuzfahrt zu leisten. Douglas machte unterwegs beiläufig einen Feldzug gegen die Mauren in Spanien mit, und fand dabei seinen Tod, und darauf brachten seine Begleiter das Herz des Königs nach Schottland zurück und ließen es in der Klosterkirche zu Melrose – in unserer Erzählung Kennaquhair – beisetzen. Schon früher ist in der Anmerkung zu einem der letzteren Kapitel des Klosters der urkundliche Beweis der Vorliebe des Königs Robert für diese Abtei beigebracht. Allein das dort beschriebene Königsgericht war nicht die einzige Begünstigung der Art. Durch eine Urkunde vom 19. Mai 1326 stiftete der König zweitausend Pfund Sterling für den Wiederaufbau der durch die Engländer zerstörten Klosterkirche, und es ist kaum zu bezweifeln, daß der größte Theil der herrlichen Ueberreste gothischer Baukunst zu Melrose dieser Schenkung seinen Ursprung verdankt. – In einem Briefe desselben Königs Robert an seinen Sohn David, worin diesem die Abtei zu Melrose dringend empfohlen wird, kommt die Bemerkung vor, daß Robert verordnet habe, sein Herz in diesem Kloster beizusetzen. Der Brief ist vom 11. Mai 1329, vier Wochen vor seinem Todestage, an welchem er dem Douglas den oben erwähnten Auftrag gab. Entweder muß also Robert in diesen vier Wochen seinen Entschluß geändert haben, oder sein Auftrag ging dahin, daß Douglas sein Herz nach Palästina und von da wieder zurück nach Schottland bringen sollte, um es in Melrose beizusetzen.

 

Ende.


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