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Siebenunddreißigstes Kapitel.

O Herr! in dieser wilden Zeit stand oft
Die Kron' auf einem Wurf. Des Spielers Gulden,
So oft gewagt, verspielt, gewonnen wieder,
Erfuhr kaum so viel Wechsel.

Der spanische Vater.

Es ist nicht unser Geschäft, auf den rein geschichtlichen Theil des Lebens der Königin Maria einzugehen und zu berichten, wie in der Woche nach ihrer Entweichung von Lochleven ihre Anhänger sammt Gefolge sich um die sammelten und so ein stattliches Heer von sechstausend Mann bildeten. Durch Chalmers schätzbare Geschichte der Königin Maria sind in der letzten Zeit die kleinsten Einzelnheiten dieser Begebenheiten so sehr in's Klare gesetzt, daß man unbedenklich den Leser, welcher vollständigen urkundlichen Aufschluß über jene interessante Zeit wünscht, auf genanntes Werk verweisen kann. Für unsern Zweck genügt es zu sagen, daß, während Mariens Hauptquartier sich zu Hamilton befand, der Reichsverweser und seine Anhänger zu Glasgow ein Heer versammelt hatten, welches zwar geringer an Zahl war, als das der Königin, aber furchtbar durch die Feldherrngaben Murrays, Mortons, des Herrn von Grange und Anderer, die sich von Jugend auf in fremden und einheimischen Kriegen gebildet hatten.

Unter diesen Umständen war offenbar, daß auf Seiten der Königin Maria eine gesunde Politik erforderte, den Kampf zu vermeiden. Denn war einmal ihre Person in Sicherheit, so mußte die Zahl ihrer Anhänger täglich wachsen, während die Macht ihrer Gegner, wie früher oft geschehen war, schwinden und ihr Muth sinken durfte. Dies war ihren Räthen so einleuchtend, daß sie übereinkamen, für's Erste die Königin in die feste Burg von Dunbarton in Sicherheit zu bringen, und dort den Lauf der Begebenheiten und die Ankunft französischer Hülfstruppen sowohl wie der von ihren Anhängern in allen Theilen Schottlands aufgebotenen Mannschaften abzuwarten. Demgemäß wurden Befehle ertheilt, daß Jedermann gerüstet, zu Roß oder zu Fuß, sich bereit halten sollte, der Fahne der Königin zu folgen, um sie, ihren Feinden zum Trotz, nach Dunbarton zu geleiten.

Die Musterung fand statt auf der Hamiltoner Haide, und der Marsch begann in aller Herrlichkeit der Ritterzeiten. Kriegsmusik ertönte, Banner und Fähnlein wehten, weit und breit schimmerten Rüstungen und blitzten Speere in der heitern Luft. Das prächtige kriegerische Schauspiel war verherrlicht durch die Gegenwart der Königin, mit einem stattlichen Gefolge schöner Frauen und Hofdiener und einer Garde von Edelleuten, darunter der junge Seyton und Roland. Stolz und zuversichtlich im Bewußtsein ihrer Nähe zogen die Reihen der Krieger vor ihr, hinter ihr und ihr zur Seite einher.

Viele Geistliche schlossen sich dem Zuge an, von denen die meisten kein Bedenken getragen hatten, die Waffen zu ergreifen und ihren Entschluß zu erklären, dieselben zur Vertheidigung der Königin und der Kirche zu gebrauchen. Nicht so der Abt von St. Marien. Roland hatte ihn seit der Flucht von Lochleven nicht mehr gesehen, und jetzt erblickte er ihn in seinem Ordenskleide in der Nähe der Königin. Er beeilte sich, den Helm abzunehmen und ihn um seinen Segen zu bitten.

»Empfange ihn, mein Sohn!« sprach der Priester. »Jetzt sehe ich dich unter deinem wahren Namen und in deinem gebührenden Schmuck. Der Helm mit dem Eichenzweig steht deinem Haupte wohl; ich habe lange auf die Stunde gewartet, wo du ihn aufstecken solltest.«

»Also kanntet Ihr meine Herkunft, guter Vater?« fragte Roland.

»Allerdings,« antwortete der Abt; »aber unter dem Beichtsiegel durch deine Großmutter. Es war mir nicht verstattet, das Geheimniß auszusprechen, bis sie selber es offenbaren würde.«

»Und ihr Grund für solches Geheimthun?« fragte Roland.

»Vielleicht Furcht vor meinem Bruder – eine unbegründete Furcht; denn Halbert würde einem Waisen Nichts zu Leide gethan haben, hätte er sich dadurch auch ein Königreich sichern können. Uebrigens würde in ruhigen Zeiten, auch wenn Euer Vater Eurer Mutter hätte Gerechtigkeit widerfahren lassen, was er hoffentlich gethan hat, Euer Anspruch haben zurückstehen müssen vor dem der Gemahlin meines Bruders, der Tochter von Julians älterem Bruder.«

»Sie brauchen mich nicht als Nebenbuhler zu fürchten,« erwiderte Roland. »Schottland ist groß genug, und manches Rittergut ist darin zu gewinnen, ohne daß ich meinen Wohlthäter zu berauben nöthig hätte. Aber beweiset mir, ehrwürdiger Vater, daß mein Vater gegen meine Mutter gerecht gewesen ist, zeigt mir, daß ich mich einen ehelichen Sprößling von Avenel nennen darf, und ich bin Euch für immer mit Leib und Leben eigen!«

»Ach!« sprach der Abt, »ich höre, die Seytons achten dich gering wegen des Fleckens auf deinem Schild. Ich habe jedoch Etwas vom Abt Bonifacius gehört, das, wenn es sich bewährt, diesen Vorwurf beseitigen kann.«

»Theilt mir die Segenskunde mit,« rief Roland, »und mein Leben ist fortan – –«

»Unbesonnener Knabe!« erwiderte der Abt, »ich würde deine Ungeduld nur zum Wahnsinn steigern, wenn ich Hoffnungen erweckte, welche vielleicht nie in Erfüllung gehen. Denke, welchen Gefahren wir entgegen gehen, und wenn du noch eine Sünde auf dem Gewissen hast, so benutze die Zeit, vielleicht die letzte, welche der Himmel dir zur Beichte und Absolution gewährt.«

»Für Beides wird hoffentlich noch Zeit genug sein, wenn wir Dunbarton erreicht haben,« versetzte der Jüngling.

»Ja wohl!« sprach der Abt. »Du krähst so laut wie die Andern. Wir sind noch nicht zu Dunbarton, und auf dem Wege liegt ein Löwe.«

»Meint Ihr Murray, Morton und die andern Rebellen zu Glasgow? Psch! Sie werden es nicht wagen, ihre Augen gegen das königliche Banner zu erheben.«

»Gerade so,« erwiderte der Abt, »sprechen Viele, welche älter sind und weiser sein sollten, als du. Ich komme aus den südlichen Gauen, wo ich manchen bedeutenden Häuptling gesehen habe, der für die Königin rüstete. Die Herren hier hatte ich als weise und besonnene Männer verlassen, und bei meiner Rückkehr finde ich, sie sind toll geworden. Lediglich aus Stolz und Eitelkeit wollen sie dem Feinde Trotz bieten und die Königin, wie im Triumphe, unter den Mauern von Glasgow und vor der Nase der gerüsteten Feinde vorbeiführen. Selten hat der Himmel Wohlgefallen an solch unzeitiger Zuversicht. Man wird uns begegnen, und nicht ohne Erfolg.«

»Desto besser!« sprach Roland. »Das Schlachtfeld war meine Wiege.«

»Sieh dich vor, daß es nicht dein Todtenbett wird,« versetzte der Abt. »Doch was hilft es, jungen Wölfen von den Gefahren der Jagd zu reden? Vielleicht werdet Ihr, noch ehe dieser Tag vergangen ist, gewahr werden, was das für Leute dort sind, die Ihr so unbesonnen verachtet.«

»Nun, was sind sie denn?« nahm Heinrich Seyton das Wort, der eben herbeigeritten kam. »Haben sie Sehnen von Drath und Fleisch von Eisen? Wird Blei sie durchbohren und Stahl sie durchschneiden können? Wenn das der Fall ist, ehrwürdiger Vater, dann haben wir wenig zu fürchten.«

»Es sind schlechte Menschen,« antwortete der Abt. »Aber das Kriegshandwerk erfordert keine Heilige. Murray und Morton sind als die besten Heerführer in Schottland anerkannt. Niemand hat je Lindesay's oder Ruthven's Rücken gesehen. Kirkaldy von Grange ist von dem Connetable von Montmorency für den ersten Kriegsmann Europa's erklärt worden. Mein Bruder, ein zu guter Name für eine solche Sache, ist weit und breit als ein tüchtiger Führer bekannt.«

»Desto besser! desto besser!« rief Seyton triumphierend. »Wir werden alle diese Verräther von Rang und Ruf in einem offenen Felde vor uns haben. Unsere Sache ist die beste, unsere Zahl ist die stärkste, unser Muth und unsere Knochen sind den ihrigen gleich. – Sanct Bendix und setzt an!«

Der Abt erwiderte Nichts und schien in Nachdenken verloren zu sein. Seine Besorgniß theilte sich einigermaßen seinem Begleiter Roland Avenel mit, so daß dieser jedesmal, wenn der Weg über eine Anhöhe führte, einen ängstlichen Blick auf die Thürme von Glasgow warf, als erwarte er ein Zeichen des Ausrückens der Feinde zu erblicken. Nicht, als ob er das Gefecht gefürchtet hätte; aber der Ausgang war von solcher Wichtigkeit für sein Vaterland und für ihn selbst, daß sein natürliches Feuer weniger heftig aufloderte, aber dafür auch um so heißer glühte. Liebe, Ehre, Ruhm, Alles schien von dem Ausgang der einen Schlacht abzuhängen, welche vielleicht unbesonnen gewagt ward, jetzt aber unvermeidlich schien.

Als der Heerzug so weit gekommen war, daß er fast der Stadt Glasgow parallel stand, bemerkte Roland, daß die vorliegenden Höhen zum Theil schon von einer Streitmacht besetzt waren, welche, wie die seiner Partei, das königliche Banner entfaltet hatte, und daß Schaaren zu Fuß und zu Roß, welche aus der Stadt ausgerückt waren, rasch vorwärts eilten zur Unterstützung jener, welche den Truppen der Königin den Weg verlegten. Ein Reiter nach dem andern kam von der Vorhut herangesprengt mit der Meldung: Murray sei mit seiner ganzen Macht ins Feld gerückt; seine Absicht sei, den Marsch der Königin aufzuhalten, und sein Vorhaben ohne Zweifel, eine Schlacht zu wagen.

Jetzt ward plötzlich der Muth der Männer auf eine schwere Probe gestellt. Diejenigen, welche in ihrer – Vermessenheit vorschlugen, man solle ohne Kampf vorüberziehen, geriethen in einige Verlegenheit, als sie plötzlich und so, daß ihnen fast keine Zeit zur Berathung blieb, sich einem entschlossenen Feinde gegenüber befanden. –

Die Häupter versammelten sich augenblicklich um die Königin und hielten in Eile Kriegsrath. Mariens bebende Lippe verrieth die Angst, welche sie unter einer kühnen und würdevollen Haltung zu verbergen suchte. Ihr Muth sank bei der Erinnerung an ihr letztes bewaffnetes Auftreten bei Carberryhill, und als sie Rath zur Anordnung der Schlacht fordern wollte, fragte sie unwillkürlich, ob kein Weg sei, ohne Gefecht zu entkommen?

»Entkommen?« wiederholte der Freiherr von Seyton. »Wenn ich als Einer gegen Zehn vor Ew. Hoheit Feinden stehe, dann kann ich an's Entkommen denken, aber nie, wenn ich mit Dreien gegen Zwei stehe.«

»Schlacht! Schlacht!« riefen die versammelten Großen. »Wir wollen die Rebellen aus ihrer vortheilhaften Stellung werfen, wie ein Hund den Hasen vom Berge herunterstürzt.«

»Mich däucht, edle Herren,« bemerkte der Abt, »es wäre eben so gut, wenn man ihn hinderte, die vortheilhafte Stellung zu gewinnen. Unser Weg gebt durch jenen Weiler am Abhang. und wem es gelingt, ihn mit seinen Gärten und Gehägen zu besetzen, der gewinnt damit einen Punkt, wo er sich sehr gut halten kann.«

»Der hochwürdige Pater hat Recht,« sprach die Königin. »Eilt, Seyton, eilt und macht, daß Ihr vor ihnen hinkommt; sie stürmen daher wie der Wind!«

Seyton verbeugte sich tief und wandte sein Roß. »Ew. Hoheit erweiset mir eine Ehre,« sprach er. »Ich will augenblicklich vordringen und den Paß besetzen.«

»Nicht vor mir, gnädiger Herr!« bemerkte der Freiherr von Arbroath. »Mir ist die Anführung des Vortrabs zugetheilt.«

»Vor Euch und vor jedem Hamilton in Schottland, sobald ich Befehl dazu von der Königin habe,« versetzte der Seyton. »Folgt mir, ihr Herren, Mannen und Magen – Sanct Bendix und seht an!'

»Und folgt mir, edle Magen und wackere Lehenleute!« rief Arbroath. »Wir wollen sehen, wer zuerst den gefährlichen Posten erreicht. Für Gott und die Königin Maria!«

»Unglückverkündende Hast und verderblicher Wettstreit!« sprach der Abt, als er sie eilig und wetteifernd fortsprengen sah, um die Höhe zu erklimmen, ohne sich Zeit zu nehmen, ihre Mannschaft zu ordnen. »Und ihr, Herren,« redete er zu Roland und Heinrich Seyton, welche sich anschickten, dem wilden Haufen zu folgen. »Wollt ihr die Person der Königin unbewacht lassen?«

»O, verlaßt mich nicht, ihr Herren!« rief die Königin; »Roland und Seyton, verlaßt mich nicht. Es sind Arme genug da, um in diesem grimmigen Kampfe zu schlagen; zieht nicht diejenigen ab, auf welche ich für meine Sicherheit rechne!«

»Wir können Ihre Majestät nicht verlassen,« sprach Roland zu Seyton, indem er sein Pferd wandte. »Ich habe mir's doch gedacht, daß du so etwas ersinnen würdest,« erwiderte der hitzige Jüngling. Roland schwieg, biß sich aber in die Lippe, bis sie blutete, ritt zu Katharinen hin und flüsterte ihr zu: »Ich habe mir noch nicht einfallen lassen, daß ich Etwas gethan hätte, um Eure Liebe zu verdienen. Aber heute habe ich zugehört, wie mir Feigheit vorgeworfen ward, und mein Schwert blieb in der Scheide – lediglich Euch zu Liebe.«

»Wahnsinn hat uns Alle ergriffen,« erwiderte das Fräulein. »Mein Vater, mein Bruder und Ihr habt, Einer wie der Andere, den Verstand verloren. Ihr solltet lediglich an diese arme Königin denken, und ihr seid Alle von einer albernen Eifersucht eingenommen. Der Mönch ist der einzige Krieger und besonnene Mann unter Euch Allen. – Gnädiger Herr Abt,« rief sie, »wär' es nicht besser, wir zögen uns westwärts und warteten dort den Erfolg ab, den Gott uns zu Theil werden läßt, anstatt hier auf der Heerstraße zu bleiben, die Königin der Gefahr auszusetzen und die Truppen am Vorrücken zu hindern?«

»Ihr habt Recht, meine Tochter,« antwortete der Abt. »Hätten wir nur Einen, der uns an eine Stelle führen könnte, wo die Königin in Sicherheit wäre. – Die großen Herren stürmen zum Kampfe, ohne an Die zu denken, für welche gestritten wird.«

»Folgt mir,« sagte ein wohlberittener Reisiger in schwarzer Rüstung mit geschlossenem Visier ohne Helmschmuck und ohne Wahlspruch auf dem Schilde.

»Wir folgen keinem Unbekannten, ohne daß wir Bürgschaft für seine Aufrichtigkeit haben,« versetzte der Abt.

»Ich bin ein Unbekannter und bin in Euren Händen,« sprach der schwarze Reiter. »Wollt Ihr mehr von mir wissen, so wird die Königin selber Euch Bürgschaft geben.«

Die Königin war, wie von Furcht gelähmt, auf der Stelle halten geblieben, mechanisch lächelnd, sich verbeugend und winkend, während die Fahnen und Speere der, nach Seytons und Arbroaths Vorgang wetteifernd zum Kampfe sich drängenden Schaaren im Vorbeiziehen vor ihr sich senkten. Kaum hatte aber der schwarze Reiter ihr Etwas zugeflüstert, so drückte sie ihre Zustimmung aus, und als derselbe im befehlenden Tone rief: »Ihr Herren, es ist der Wille der Königin, daß Ihr mir folgt,« – sprach sie mit einer gewissen Freudigkeit: »Ja!«

Augenblicklich setzte sich das Gefolge der Königin in Bewegung. Der schwarze Reiter gab seine bisherige Unbeweglichkeit auf, trieb sein Roß zu Sprüngen und kurzen Wendungen, welche seine Sattelfestigkeit bewiesen, brachte das kleine Gefolge in Marschordnung und führte dasselbe links ab in der Richtung nach einer Burg auf einem sanften Abhang, von wo aus man die Aussicht auf die Gegend und namentlich auf die Höhen hatte, welche beide Heere zu besetzen eilten, und welche, wie man sah, augenblicklich der Schauplatz des Kampfes werden mußten.

»Wem gehören die Thürme dort?« fragte der Abt den schwarzen Reiter. »Sind sie jetzt in Freundes Hand?«

»Sie sind unbewohnt,« antwortete der Unbekannte, »oder wenigstens hausen keine Feinde darin. Aber treibt diese jungen Leute an, Herr Abt, daß sie mehr eilen. Dies ist keine Zeit ihre leere Neugier zu befriedigen durch Gucken nach der Schlacht, an welcher sie nicht Theil zu nehmen haben.«

»Schlimm genug für mich,« erwiderte Heinrich Seyton, der seine Worte gehört hatte. »Es wäre mir lieber, in diesem Augenblicke unter meines Vaters Banner zu stehen, als die Kammerherrnstelle zu Holyrood damit zu gewinnen, daß ich hier geduldig und treulich meinen Dienst als friedlicher Wächter versehe.«

»Euer Platz unter Eures Vaters Banner wird in Kurzem recht gefährlich werden,« bemerkte Roland Avenel, welcher rasch nach Westen zu ritt, dabei aber immer zurück nach den Heeren sah. »Ich fürchte jene Reiterschaar, die von Osten hergesprengt kommt, wird das Dorf eher erreichen, als Herr Seyton.«

»Es sind bloß Reisige,« entgegnete Seyton, aufmerksam hinsehend. »Sie können das Dorf nicht behaupten ohne Hakenschützen.«

»Seht nur genauer zu,« sprach Roland, »und Ihr werdet finden, daß jeder der Reisigen, die aus Glasgow hervorsprengen, einen Fußknecht hinter sich hat.«

»Bei Gott, er hat Recht!« rief der schwarze Reiter. »Einer von euch Beiden muß hinreiten und den Herren Seyton und Arbroath die Meldung machen, damit sie mit ihren Reisigen dem Fußvolk nicht zu weit voraneilen und in besserer Ordnung vorrücken.«

»Der Auftrag kommt mir zu,« sprach Roland; »ich habe zuerst die List des Feindes bemerkt.«

»Mit Gunst,« versetzte Seyton, »dort ist meines Vaters Banner am Feind, und mir kommt es am ersten zu, Rettung zu bringen.«

»Ich lasse es auf die Entscheidung der Königin ankommen,« sagte Roland.

»Wieder eine Berufung? wieder ein Streit?« fragte Maria. »Hat Maria Stewart in jenem schwarzen Schwarm nicht Feinde genug? müssen auch ihre Freunde Feinde gegen einander werden?«

»Nein, Madame,« erwiderte Roland Avenel. »Junker Seyton und ich streiten bloß darum, wer Eure Person verlassen sollte, um eine dringend nöthige Meldung zum Heer zu bringen. Er meinte, sein Rang berechtige ihn dazu, und ich behauptete, die minder wichtige Person, welche ich bin, könnte füglicher der Gefahr ausgesetzt werden.«

»Nein,« sagte die Königin, »wenn Einer mich verlassen muß, so sei es Seyton.«

Heinrich Seyton verbeugte sich, daß die weißen Federn seines Helmes sich mit der flatternden Mähne seines Streitrosses vermischten, setzte sich dann fest in den Sattel, schwang triumphierend seine Lanze, gab dem Pferde die Sporen und jagte über Stock und Stein davon nach seines Vaters Banner hin, welches sich noch immer die Höhe hinauf bewegte.

»Mein Bruder! mein Vater!« rief Katharine mit dem Ausdrucke qualvoller Angst. »Sie schweben in Gefahr, und ich bin in Sicherheit.«

»Wollte Gott,« sprach Roland, »ich wäre bei ihnen, und könnte jeden Tropfen ihres Blutes mit zweien von dem meinigen loskaufen!«

»Weiß ich nicht, daß du es möchtest?« entgegnete Katharine. »Kann ein Weib zu einem Manne sagen, was ich dir beinahe gesagt habe, und dabei glauben, er hege Furcht oder Mattherzigkeit? In jenem fernen Getöse der bevorstehenden Schlacht ist.Etwas, das mir behagt, während es mich erschreckt. Ich wollte, ich wäre ein Mann, um diese wilde Lust ohne Beimischung von Schrecken zu empfinden.«

»Reitet herbei, reitet herbei, Fräulein Katharine Seyton!« rief der Abt, als die kleine Schaar dicht unter den Mauern der Burg ansprengte. »Reitet herbei, und helft der Frau Fleming die Königin halten; sie sinkt um.«

Es wurde Halt gemacht und Maria aus dem Sattel gehoben. Man wollte sie in die Burg tragen; sie aber sagte mit schwacher Stimme: »Nicht dahin, nicht dahin. – In diese Mauern will ich nimmermehr eintreten!«

»Seid eine Königin, Madame,« redete der Abt ihr zu, »und vergeßt, daß Ihr ein Weib seid.«

»O, ich muß viel, viel mehr vergessen,« antwortete die unglückliche Königin leise, »ehe ich mit festem Blicke diese wohlbekannten Oertlichkeiten betrachten kann! – Ich muß die Tage vergessen, die ich hier als die Braut des Verlornen, Gemordeten verlebt habe.«

»Das ist die Burg Crookstone, in welcher die Königin ihren ersten Hoftag nach der Vermählung mit Darnley hielt,« fügte Frau Fleming erklärend hinzu.

»Gott, deine Hand liegt auf uns!« rief der Abt. – »Doch ermannt Euch, Madame, Eure Feinde sind die Feinde der heiligen Kirche, und Gott wird heut entscheiden, ob Schottland katholisch oder ketzerisch sein soll.«

Ein heftiges anhaltendes Geschütz- und Kleingewehrfeuer bildete den Chor zu diesen Worten, und schien weit mehr als diese den Muth der Königin wieder aufzufrischen.

»Kommt zu dem Baum dort,« sprach die Königin, nach einem Eibenbaum auf einem kleinen Hügel dicht an der Burg deutend. »Ich kenne ihn. Von ihm aus habt ihr eine eben so weite Aussicht wie von den Spitzen von Schehallion.«

Von ihren Dienerinnen sich losmachend ging sie entschlossenen, doch etwas hastigen Schrittes auf den Stamm der herrlichen Eibe zu. Der Abt, Katharine und Roland Avenel folgten ihr, während Frau Fleming die geringeren Personen des Gefolges fern hielt. Auch der schwarze Reiter folgte der Königin wie ihr Schatten, blieb aber immer in der Entfernung von drei oder vier Schritten von ihr, die Arme übereinandergeschlagen, den Rücken der Schlacht zugekehrt, und, wie es schien, lediglich beschäftigt die Königin durch die Stangen seines Visirs zu betrachten. Die Königin beachtete ihn nicht, sondern heftete ihre Augen auf den Eibenbaum mit seinen ausgebreiteten Aesten.

»Schöner, herrlicher Baum,« sprach sie, als ob der Anblick sie an einen andern Ort versetzt und den Schauder überwunden hätte, den sie bei der Annäherung an Crookstone empfunden. »Da stehst du, lachend wie immer, obwohl du Kriegsgetümmel hörst, statt Liebesschwüre! Alles ist hin, seitdem ich dich zum letzten Male begrüßt habe: Liebe und Geliebter – Gelöbniß und Verlobter – König und Königthum. – Wie steht die Schlacht, gnädiger Herr Abt? Zu Unsern Gunsten hoff' ich, – doch was anders als Unglück können Mariens Augen von hier erspähen!«

Die Leute des Gefolges blickten spähend nach dem Schlachtfelde, konnten aber Nichts weiter erkennen, als daß der Kampf hartnäckig war. An der Stelle der kleinen Gehäge und Gärtchen des Dorfes, welche mit ihren Reihen von Maulbeerfeigen und Eschen noch kurz vorher so friedlich in der Maisonne dagelegen hatten, erblickten sie jetzt nur noch Feuerstreifen überwölbt von Rauchwolken. – Das ununterbrochene Donnern und Knallen des Geschützes und der Handbüchsen, vermischt mit dem Feldgeschrei der Kämpfer, bewies, daß noch kein Theil gewichen war.

»Manche Seele findet unter diesem erschütternden Donner ihren Weg zum Himmel oder zur Hölle,« sprach der Abt. »Mögen Die, so an die heilige Kirche glauben, ihre Gebete um Sieg in diesem schrecklichen Kampfe mit den meinigen vereinen.«

»Nicht hier, nicht hier!« rief die unglückliche Königin. »Betet nicht hier, Vater, oder betet im Stillen. Mein Gemüth ist zu sehr zerrissen durch Gedanken an Vergangenheit und Gegenwart, als daß es wagen dürfte sich dem Himmelsthron zu nahen. Oder wenn Ihr beten wollt, so betet für Eine, deren zärtlichste Neigungen ihre größten Verbrechen gewesen sind, und die bloß darum aufgehört hat, Königin zu sein, weil sie ein betrogenes liebevolles Weib war.«

»Wär' es nicht gut, ich ritte etwas näher zu den beiden Heeren und sähe, wie die Entscheidung sich gestaltet?« fragte Roland Avenel.

»Thue das in Gottes Namen,« antwortete der Abt. »Denn wenn unsere Freunde zersprengt werden, müssen wir auf eilige Flucht denken. Hüte dich aber, dem Kampfe zu nahe zu kommen. Es hängt mehr als dein eigenes Leben an deiner glücklichen Rückkehr.«

»O, gehe nicht zu nahe hinzu,« sprach Katharine. »Unterlaß aber nicht, zu sehen, wie die Seytons fechten und sich halten.«

»Fürchtet Nichts,« antwortete Roland; »ich will auf meiner Hut sein.«

Und damit ritt er dem Kampfplatze zu, hielt sich aber immer auf der Höhe und auf freiem Raume, und sah sich stets sorgfältig um, ob er nicht unter einen feindlichen Trupp gerathen möchte. Je mehr er sich näherte, desto lauter drang das Krachen der Büchsen, desto wilder das Kriegsgeschrei zu seinen Ohren, und sein Herz schlug heftig vor natürlicher Besorgniß, reger Neugier und ungeduldiger Erwartung des Ausganges, wie dies auch bei den Tapfersten der Fall ist, wenn sie sich einem Schauplatze der Gefahr, bei welcher sie betheiligt sind, allein nähern.

Endlich war er so nahe herangekommen, daß er von einer durch Gebüsch geschützten Anhöhe deutlich dahin sehen konnte, wo der Streit am heftigsten tobte. Es war dies in einem zu dem Dorfe führenden Hohlwege, in welchem der Vortrapp der Königin mit mehr Muth als Umsicht vorgedrungen war, um diesen vortheilhaften Posten zu besetzen. Die Feinde unter Anführung des berühmten Kirkaldy von Grange und des Grafen von Morton waren ihnen zuvor gekommen, und sie litten schweren Verlust, bis sie dazu kamen, mit den Reisigen dieser beiden Herren handgemein zu werden. Die Angreifer waren meist große Herren mit ihren Verwandten und Dienern, und achteten weder Hindernisse noch Gefahren. Als Roland anlangte, waren sie eben beim Ausgange des Hohlwegs auf die Vorhut des Reichsverwesers gestoßen und bemühten sich, dieselbe mit dem Speere aus dem Dorfe zu werfen, während die Feinde hartnäckigen Widerstand leisteten und sich anstrengten, die Angreifer in den Hohlweg zurückzudrängen.

Beide Theile waren zu Fuß und geharnischt. Die langen Spieße der vordersten Glieder bohrten sich in die Schilde und Panzer der Gegner ein, und der Kampf glich dem zweier Stiere, welche mit den Stirnen wider einander gerannt sind und so stundenlang fest gegeneinander stehen, bis die größere Stärke oder Hartnäckigkeit des einen den andern in die Flucht treibt oder niederwirft. So aneinander hängend schoben sich beide Theile einander langsam vorwärts und rückwärts, und wenn ein Theil auf Augenblicke die Oberhand erhielt, wurden die Gefallenen von Freunden wie von Feinden unter die Füße getreten. Diejenigen, deren Waffen zerbrochen waren, zogen sich aus dem ersten Gliede zurück und wurden durch Andere ersetzt. Die hinteren Glieder, welche nicht zum Handgemenge kommen konnten, feuerten ihre Pistolen ab und schleuderten ihre Dolche und die Klingen und Schäfte der zerbrochenen Gewehre wie Wurfgeschosse gegen den Feind.

»Gott und die Königin!« erscholl es von der einen Seite, – »Gott und der König!« von der andern, während die Kinder eines und desselben Landes im Namen ihrer Herrscher wechselseitig ihr Blut vergossen und im Namen ihres Schöpfers sein Ebenbild schändeten. In dem wilden Getümmel vernahm man oft die befehlenden Stimmen der Führer und die Schreie und das Aechzen der Fallenden und Sterbenden.

Der Kampf hatte fast eine Stunde gedauert. Die Kräfte schienen auf beiden Seiten beinahe erschöpft zu sein, aber ihre Wuth war ungesättigt und ihre Hartnäckigkeit ungebeugt. Da erblickte Roland, der für Alles um ihn her Auge und Ohr hatte, eine Schaar Fußvolk, die mit einigen Reisigen an der Spitze um den Fuß der Anhöhe, auf welcher er hielt, herumschwenkte und mit gefälltem Speer dem Vortrab der Königin in die Flanke fiel. Auf den ersten Blick sah er, daß der Leiter dieser Bewegung sein ehemaliger Herr, der Ritter von Avenel sei, und im nächsten Augenblick war er überzeugt, daß die Wirkung dieses Angriffs entscheidend sein müßte. Den frischen Truppen konnten die durch den langen, hartnäckigen Kampf ermüdeten Streiter der Königin nicht lange widerstehen.

Die Heersäule der Angreifer, welche bisher von oben herab gesehen eine geschlossene, von Federn überwogte Eisenmasse gezeigt hatte, ward jetzt plötzlich da und dort durchbrochen und in wilder Verwirrung die Höhe hinab geworfen, welche sie so lange zu gewinnen gestrebt hatte. Vergebens erscholl der Ruf der Führer, Stand zu halten, vergebens warfen sie selber sich auf den Feind. Sie sanken unter den Streichen der siegreichen Gegner oder wurden im Strudel der Flucht und Verfolgung mit fortgerissen.

Wie mochte es Rolanden zu Muthe sein, bei diesem Anblick und bei dem Gedanken, daß ihm Nichts übrig blieb, als umzuwenden und für die Rettung der Königin zu sorgen! Er wollte vergehen vor Schmerz und Scham; doch Schmerz und Scham waren vergessen, als er dicht unter sich den jungen Heinrich Seyton zu Fuß, von den Seinigen getrennt, mit Staub und Blut bedeckt, verzweifelt gegen mehre Feinde kämpfen sah, deren Aufmerksamkeit durch seine schmucke Rüstung auf ihn gelenkt worden war. Roland besann sich keinen Augenblick, jagte die Höhe hinab, stürzte sich unter die Feinde, führte drei oder vier Streiche, welche zwei der Angreifer niederstreckten und die andern zurücktrieben, faßte den Junker und ermahnte ihn, sich an die Mähne seines Pferdes anzuklammern.

»Heute leben oder sterben wir zusammen,« rief er. »Haltet Euch fest, bis wir aus dem Gedränge sind, und dann gehört mein Pferd Euch.«

Seyton hörte ihn, raffte seine letzte Kraft zusammen und gelangte so mit Hülfe Rolands hinter die Anhöhe, von welcher aus dieser dem Gefechte zugesehen hatte. Kaum aber waren sie hier hinter einigen schützenden Bäumen angelangt, als Seyton seine Hand losließ und ungeachtet der Anstrengungen Rolands, ihn aufrecht zu erhalten, der Länge nach auf den Rasen fiel.

»Macht Euch weiter keine Mühe mit mir,« sagte er. »Dies ist meine erste und letzte Schlacht; und ich habe schon zu viel davon gesehen, als daß ich das Ende erblicken möchte. Eilt die Königin zu retten, empfehlt mich Katharinen – sie wird fortan nicht mehr mit mir verwechselt werden – der letzte Schwertstreich hat uns für alle Ewigkeit unterschieden.«

»Laßt mich Euch auf mein Pferd setzen,« sprach Roland dringend. »Ihr seid wohl noch zu retten; ich kann meinen Weg zu Fuß finden. Haltet nur die Richtung nach Westen ein, das Thier wird Euch schnell und leicht wie der Wind dahin tragen.«

»Ich besteige kein Roß mehr,« erwiderte der Jüngling. »Lebe wohl! Ich liebe dich im Sterben mehr, als ich im Leben zu thun gedachte. – Ich wollte dieses alten Mannes Blut wäre nicht an meinen Händen! – Sancte Benedicte, ora pro me! Heiliger Benedict, bitte für mich! Halte dich nicht auf mit Betrachtung eines Sterbenden, sondern eile, die Königin zu retten!«

Er sprach diese Worte mit der letzten Anstrengung seiner Stimme, und mit ihnen endete sein Leben. Sie erinnerten Rolanden an seine Obliegenheit, die er beinahe vergessen hatte. Aber sie wurden nicht bloß von ihm vernommen.

»Die Königin! – wo ist die Königin?« rief Herr Halbert Glendinning, der in diesem Augenblick mit zwei oder drei Reitern herangesprengt kam.

Roland, anstatt zu antworten, wandte ein Roß und jagte mit verhängtem Zügel über Höhen und Gräben auf Burg Crookstone zu. Schwerer gerüstet und schwerfälliger beritten, setzte Herr Halbert ihm mit gefällter Lanze nach, unter dem Ruf:

»Herr mit dem Eichenzweig, haltet und beweiset Euer Recht, dies Kennzeichen zu tragen! Flieh' nicht so feigherzig und entehre nicht den unverdienten Schmuck! Halt, Feigling! oder, bei Gott, ich schlage dir mit dem Spieß das Kreuz ein und lasse dich wie eine Memme sterben! Ich bin der Ritter von Avenel, ich bin Herr Halbert Glendinning.«

Aber Roland, in dessen Absicht es nicht lag, sich mit seinem alten Herrn zu messen, und der überdem wußte, daß die Rettung der Königin von seiner Eile abhing, erwiderte kein Wort auf die Herausforderungen und Scheltworte des Ritters, sondern gebrauchte eine Sporen und ritt nur um so schärfer zu. Er hatte einen Vorsprung von hundertundfünfzig Schritt, als er in der Nähe des Eibenbaums, bei welchem er die Königin verlassen hatte, anlangte und fand, daß sie und ihr Gefolge eben aufstiegen. Aus Leibeskräften rief er:

»Der Feind! der Feind! – Reitet zu, schöne Frauen! Edelleute, thut Eure Pflicht in Beschützung derselben!«

Mit diesen Worten warf er sein Pferd herum, wich dem Stoß Herrn Alberts aus und rannte auf einen von dessen Begleitern mit solcher Heftigkeit an, daß er Roß und Mann niederwarf. Darauf zog er sein Schwert und griff den Zweiten an. Der schwarze Reisige hatte sich dem Ritter von Avenel entgegengeworfen, und Beide rannten mit solcher Heftigkeit wider einander, daß ihre Rosse stürzten und die Reiter auf dem Boden hinrollten. Keiner von Beiden war im Stande sich aufzurichten. Der Schwarze war von Glendinnings Lanze durch bohrt, und der Ritter von Avenel, der unter seinem Pferde lag und eine schwere Quetschung erlitten hatte, schien in nicht viel besserer Verfassung zu sein, als sein Gegner, den er tödtlich verwundet hatte. Roland hatte unterdessen seinen zweiten Gegner ebenfalls niedergeworfen, sprang vom Pferde, um den Ritter Glendinning an Erneuerung des Kampfes zu verhindern, und rief ihm zu:

»Ergib dich, Herr Ritter von Avenel, auf Lösung oder Nichtlösung!«

»Ich muß mich wohl ergeben, da ich nicht mehr fechten kann,« erwiderte Herr Halbert; »aber ich schäme mich, ein solches Wort gegen einen Feigling wie du auszusprechen.«

»Nennt mich nicht feige,« rief Roland, sein Visir aufschlagend und seinem Gefangenen die Hand zum Aufstehen reichend. »Wenn ich nicht dir und mehr noch deiner Gemahlin für frühere Wohlthaten verpflichtet wäre, würde ich dir die Spitze geboten haben, wie es einem braven Manne geziemt.«

»Der begünstigte Edelknabe meines Weibes!« rief der erstaunte Ritter. »Ah! elender Bube, ich habe von deinem Verrath zu Lochleven gehört.«

»Schilt ihn nicht, Bruder,« nahm der Abt das Wort. »Er war bloß ein Werkzeug in der Hand Gottes.«

»Zu Roß! zu Roß! oder wir sind Alle verloren!« rief Katharine, da jetzt Alle wieder abgestiegen waren. »Ich sehe stundenweit das Feld mit den Flüchtlingen unseres schönen Heeres bedeckt. Zu Pferd, Herr Abt! zu Pferd, Roland! Gnädigste Fürstin, zu Roß! Wir sollten schon eine halbe Stunde weit weg sein.«

»Betrachtet dies Gesicht,« erwiderte Maria auf den sterbenden Reiter deutend, dem eine mitleidige Hand den Helm abgenommen hatte. »Sieh' hin und sprich, ob Die, welche Jeden ins Verderben bringt, der sie liebt, einen Fußbreit weiter fliehen sollte, um ihr elendes Dasein zu fristen!«

Der Leser wird schon längst dasselbe errathen haben, was die Königin durch ihr Gefühl entdeckt hatte, ehe ihre Augen es bestätigten. Es war das Gesicht des unglücklichen Georg Douglas, auf welches der Tod sein Siegel drückte.

»Sieh' her, betrachte ihn genau,« fuhr die Königin fort. »So ist es Allen ergangen, die Maria Stewart geliebt haben! Die Königswürde Franzens, der Geist von Chastelar, die Kraft und der Muth Gordons, die Töne Rizzios, die jugendlich schöne hohe Gestalt von Darnley, die Zuversicht und Artigkeit Bothwells und jetzt die schwärmerische Leidenschaft des edlen Douglas – Nichts konnte sie retten. Sie schauten die elende Maria an, und sie zu lieben war hinlänglich einen frühen Tod zu verdienen! Kaum hatte das Opfer einen freundlichen Gedanken gegen mich gefaßt, so waren Giftbecher, Axt und Block, Dolch, Mine bereit sie dafür zu strafen, daß sie ihre Liebe an ein solches Geschöpf wie ich verschwendet hatten! Dränge mich nicht – ich will nicht weiter fliehen – ich kann nur ein Mal sterben und ich will hier sterben.«

Während dieser Worte flossen ihre Thränen reichlich auf das Gesicht des sterbenden Mannes, welcher fortwährend seinen Blick auf sie geheftet hatte mit einer Gluth der Leidenschaft, welche kaum der Tod verlöschen konnte.–

»Klagt nicht um mich,« sprach er mit schwacher Stimme, »sondern sorgt für Eure Rettung. Ich sterbe in meiner Rüstung, wie ein Douglas soll, und ich sterbe beweint von Marien Stewart.«

Mit diesen Worten und ohne die Augen von ihr abzuwenden gab er den Geist auf. Die Königin, deren Herz von einer Weichheit war, welche sie im häuslichen Leben und mit einem passenderen Gatten als Darnley glücklich gemacht haben würde, blieb weinend bei dem Todten, bis sie endlich durch den Abt wieder zur Besinnung gebracht wurde, der es nöthig fand, eine ungewöhnlich nachdrückliche Sprache zu reden.

»Auch wir Ew. Durchlaucht ergebene Nachfolger, haben Freunde und Verwandte, um die wir weinen könnten. Ich lasse einen Bruder in Lebensgefahr. Der Gemahl der Frau Fleming, der Vater und Bruder von Fräulein Katharine liegen vermuthlich auf dem Blutfeld dort erschlagen oder sind in Gefangenschaft. Wir vergessen das Schicksal Derer, die uns am nächsten stehen und am theuersten sind, um unserer Königin zu Diensten zu stehen, und sie ist zu sehr mit ihrem eigenen Kummer beschäftigt, um nur einen Augenblick an den unseren zu denken.«

»Ich verdiene Eure Zurechtweisung nicht, Pater,« erwiderte die Königin, den Lauf ihrer Thränen hemmend, »aber ich bin folgsam gegen dieselbe. Wohin sollen. Wir gehen? Was sollen Wir thun?«

»Wir müssen fliehen und das augenblicklich,« antwortete der Abt. »Wohin, das läßt sich nicht zu leicht sagen; unterwegs können wir darüber reden. – Hebt sie in den Sattel und reitet zu.«

Das Häuflein setzte sich in Bewegung. Roland blieb einen Augenblick zurück, um den Begleitern Glendinnings zu gebieten, ihren Herrn in die Burg Crookstone zu bringen, und um von dem Ritter als Bedingung seiner Freilassung sein Wort zu verlangen, daß er und seine Begleiter die Richtung der Flucht der Königin geheim halten wollten. Als er eben ein Pferd zum Wegreiten wandte, glotzte ihn Adam Woodcocks ehrliches Gesicht mit einem Ausdruck der Verwunderung an, über welchen er unter andern Umständen herzlich gelacht haben würde. Er war einer der Knechte, welche die Wucht von Rolands Arm empfunden hatten, und jetzt, wo Roland sein Visier in der Höhe und Adam sein Baret mit der Maske von Eisenstangen weggeworfen hatte, um desto leichter seinem Herrn Beistand leisten zu können, erkannte Einer den Andern. Roland ließ ein Paar Goldstücke in das Baret fallen, rief ihm Freundesgruß zu, und setzte sein Roß in gestreckten Galopp, um die Königin einzuholen, hinter deren Gefolge schon weit unten am Fuß der Höhe der Staub aufwirbelte.

»Es ist kein Hexengeld,« sprach der ehrliche Adam, das Gold in der Hand wägend. »Und es war der leibhaftige Meister Roland, das leidet keinen Zweifel, – dieselbe offene Hand und, bei Unserer lieben Frauen, dieselbe schlagfertige Faust. Wie wird meine gnädige Frau sich freuen, wenn sie das hört, denn sie trauert um ihn, als wär' er ihr Sohn! Und wie er so schmuck ist! So geht's. Solche leichte Jungen kommen so sicher empor, wie der Schaum in einem Bierkrug. Der solide Mann bleibt ewig ein Falkner!« –

So sprechend ging er hin, seinen in größerer Anzahl herbeigekommenen Kameraden zu helfen, ihren Herrn in die Burg Crookstone zu tragen.

 

Anmerkung zum Kapitel:

Herr MacVean von Glasgow hat mich auf die höflichste Weise wissen lassen, daß sich in meiner Beschreibung der Schlacht bei Langside eine Ungenauigkeit in Betreff der Oertlichkeit findet. »Burg Crookstone,« bemerkt er, »liegt fast eine geographische Meile westlich vom Schlachtfeld und im Rücken von Murrays Heer. Der wahre Platz, von welchem aus Maria die Niederlage ihres letzten Heeres sah, ist Schloß Cathcart, eine halbe Stunde östlich von Langside und im Rücken des Heeres der Königin.« – Ich bin im vorliegenden Falle irre geleitet worden durch den Vorgang meines verstorbenen Freundes Jakob Grahame (des trefflichen Verfassers des Sabbath) in seinem Schauspiel, worin die Königin Maria vorkommt, und durch die Sage, daß Maria der Schlacht von Burg Crookstone aus zugesehen habe. Da diese Oertlichkeit der Darstellung ein erhöhtes Interesse verleiht, so habe ich keine Lust gehabt, hier die Dichtung der Wahrheit aufzuopfern, welche Herr MacVean für sich hat.

Es ist sonderbar, wie die mündliche Ueberlieferung, welche zuweilen auf die rechte Spur leitet, uns in andern Fällen irre führt. Auf dem berühmten Schlachtfelde von Killiecrankie fällt dem Reisenden einer jener rohen Pfeiler auf, welche den Schauplatz alter Kämpfe bezeichnen. Ein mit den Einzelnheiten der Schlacht bekannter Freund des Verfassers stand in der Nähe dieses Steines und betrachtete den Schauplatz, als ein hochländischer Schäfer von dem Berg herabgelaufen kam, um seine Dienste als Cicerone anzubieten, und ihm sofort berichtete, daß Dundee in der Nähe dieses Steines umgekommen, und daß der Stein zu seinem Gedächtniß aufgerichtet worden sei. »Pfui, Donald,« erwiderte mein Freund, »wie mögt Ihr einem Fremden ein solches Mährchen erzählen? Ich weiß recht gut, daß Dundee in ziemlicher Entfernung von hier in der Nähe des Hauses von Fascally getödtet worden ist, und daß dieser Stein schon lange vor der Schlacht im Jahre 1688 hier stand.« – »Ach! ach!« sprach Donald, ohne sich beschämen zu lassen, »Ew. Gestrengen hat Recht, und ich sehe, Ihr wißt von der Sache. Er war auch nicht auf der Stelle todt, sondern lebte bis zum nächsten Morgen; aber all die sächsischen Herren hören am liebsten, daß er bei dem großen Stein getödtet worden sei.« – Aus demselben Grunde behalte ich meinen Lesern zu Gefallen Burg Crookstone bei, statt Cathcart.

Wenn der Verfasser übrigens sich eine Freiheit erlaubt hat, indem er das Schlachtfeld etwas weiter nach Osten verlegte, so ist er dagegen ziemlich genau gewesen in den Einzelnheiten der Schlacht selbst, wie aus der Vergleichung der betreffenden Stellen im Roman mit folgendem Bericht eines alten Geschichtsschreibers hervorgehen wird.

»Der Regent war zu Fuß mit seiner ganzen Gesellschaft, ausgenommen der Herr von Grange, Alexander Hume von Manderstone und etwa zweihundert Grenzer. Der Herr von Grange hatte schon die Gegend in Augenschein genommen und mit aller Sorgsamkeit Befehl gegeben, daß jeder Reiter einen Fußknecht hinter sich nahm, und ritt eilends auf die Spitze des Langsider Berges und setzte die Fußknechte mit ihren Büchsen ab am Ende einer hohlen Gasse, wo einige Häuschen und Höfe waren, die großen Vortheil gewährten. Dieselbigen Söldner tödteten mit ihrem anhaltenden Schießen Manche aus dem Vortrab, den die Hamiltons führten, und der herzhaft herausstürmend schon außer Athem war, als er mit dem Vortrab des Reichsverwesers zusammentraf. Da focht der würdige Freiherr Hume gar mannhaft zu Fuß mit seinem Spieß, unterstützt von einem Schwager, dem Herrn von Ceßford, der ihm wieder aufhalf, als er zu Boden geworfen war durch viele Würfe mit Pistolen, die man ihm in's Gesicht schleuderte, nachdem sie abgeschossen waren. Er wurde auch mit Stangen verwundet und bekam mehrere Stiche mit Spießen durch die Beine, denn er und Grange hatten beim Zusammentreffen ihren Leuten zugerufen, sie sollten die Feinde zuerst ihre Spieße fällen lassen und die ihrigen hoch halten, und diese Spieße waren so dicht in die Jacken der Anderen eingebohrt, daß man Pistolen und große Stangen, die von den Hinteren geworfen waren, auf den Spießen liegen sah.
Auf Seiten der Königin hatte der Graf von Argyle den Befehl über die Hauptmacht, und der Freiherr von Arbroath führte die Vorhut. Der Regent dagegen übertrug dem Herrn von Grange, als einem erfahrenen Feldherrn, das Geschäft, auf jede Gefahr Acht zu haben, und von einem Flügel zum andern zu reiten, um zu ermuthigen und zu helfen, wo es Noth that. Derselbe bemerkte, daß beim ersten Zusammentreffen der rechte Flügel des Regenten, meist gemeines Volk aus der Freiherrschaft Renfrew, sich zur Flucht neigte. Er ritt hin, sagte ihnen, der Feind habe schon den Rücken gewandt, und bat sie, Stand zu halten und zu kämpfen, bis er ihnen aus dem Haupttreffen Verstärkung brächte. Darauf sprengte er allein fort, sagte dem Regenten, der Feind sei schon geworfen und fliehe hinter dem Dörfchen, und erbat sich einige frische Mannschaft. Es ließen sich genug bereitwillig finden, wie der Freiherr Lindesay, der Herr von Lochleven, Herr Jakob Balfour und alle Diener des Reichsverwesers, die ihm freudig folgten und den zur Flucht geneigten Flügel verstärkten. Diese neue Mannschaft schoß auf die Fronte und auf die Flanke der Feinde, und brachte sie damit sogleich zum Weichen, nachdem dieselben vorher sich und die Andern lange mit den Spießen hin und her geschoben hatten. Es waren nicht viele Reiter vorhanden, um sie zu verfolgen, und der Reichsverweser rief, man solle schonen und nicht tödten, und Grange war kein grausamer Mann. Also wurden nur Wenige erschlagen und gefangen genommen. Nur beim ersten Zusammentreffen kamen Viele um durch die Kugeln der Söldner, welche Grange am oberen Ende der hohlen Gasse hinter Gräben aufgestellt hatte.«

Es verdient noch bemerkt zu werden, daß im Städtchen Renfrew Parteigänger des Hauses Lennox der fliehenden Königin den Weg verlegen wollten, und daß ihr Gefolge ihr mit dem Schwerte den Weg bahnen mußte.


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