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Zwanzigstes Kapitel.

Ihr habt beraubt mich meines Stabs, des Führers,
Der mich gelehrt, wie Menschen Falken lehren,
Verständigen Gebrauch der Kraft. – Ich bin
Beraubt des Raths und Beistands!

Altes Schauspiel.

In der Dämmerung des nächsten Morgens erscholl ein lautes Klopfen an dem Thor der Herberge zum St. Michael. Auf den Ruf der Außenstehenden: »Im Namen des Regenten!« ward augenblicklich geöffnet, und nicht lange, so stand am Bett unserer Reisenden Michel Flieg-im-Wind.

»Auf! auf!« rief er. »Da gilt kein Schlummern, wenn Murray Etwas zu thun hat.«

Beide Schläfer sprangen auf und kleideten sich an.

»Ihr, alter Freund,«sprach Michel, ihm zwei Päckchen übergebend, »müßt augenblicklich aufsitzen. Dies ist an die Mönche von Kennaquhair, und dies an den Ritter von Avenel.«

»Das heißt ein Befehl an die Mönche, ihre Abtswahl umzustoßen, und eine Weisung an meinen Herrn, zu sorgen, daß es geschehe« – sprach Adam Woodcock, indem er die Päckchen in seine Falkentasche schob. – »Einen Bruder mit dem andern zu baizen, das ist doch, mein' ich, ein Bischen arg.«

»Bekümmere dich nicht darum, alter Junge,« sprach Michel, »sondern mach', daß du in den Sattel kommt. Denn wenn diese Befehle nicht befolgt werden, gibt's kahle Wände zu St. Marien und vielleicht auch auf Schloß Avenel. Ich habe gehört, wie der Herr von Morton mit dem Regenten scharf geredet hat, und wir sind jetzt in einer Lage, daß wir uns nicht um Kleinigkeiten mit ihm überwerfen dürfen.«

»Aber,« fragte Adam, »wie ist es von wegen dem Abt von Unsinn? Was sagen sie zu dem Streich? Wenn sie übel darauf zu sprechen sind, dann thät' ich besser, die Pakete dem Teufel aufzuhängen und mich auf die andere Seite der Grenze in's Trockne zu bringen.«

»Ach, das ist als ein Spaß behandelt worden, weil wenig Schaden gestiftet worden ist. – Aber horch, Adam, wenn auf deinem Weg ein Dutzend Abteien, von Spaß oder Ernst, von Sinn oder Unsinn erledigt sein sollten, hüte dich wohl, die Inful von irgend einer aufzusetzen. Die Zeit ist nicht darnach, Alter! – Ueberdem ist unsere Jungfer lüstern, den Hals eines fetten Pfaffen zu umfassen.«

»Den meinen soll sie mir in dieser Eigenschaft nicht zwicken,« erwiderte der Falkner, sein Tuch mehrfach um seinen sonnverbrannten Stiernacken schlingend, – und rief dabei: »Meister Roland! Meister Roland! wir müssen wieder zurück zu Stange und Käfig, und wir mögen Gott danken – mehr als unserm Verstand – daß wir mit gesunden Knochen und ohne einen Stich im Wanst davon kommen.«

»Ei nein,« sprach Michel, »der Edelknabe geht nicht mit Euch zurück; der Regent hat andere Beschäftigung für ihn.«

»Gott's schwere Noth!« rief der Falkner. »Meister Roland Graeme soll hier bleiben, und ich soll nach Avenel zurück? Es ist nicht möglich. Das Kind kann in der weiten Welt nicht ohne mich zurechtkommen. Ich bezweifle, ob er auf eine andere Pfeife hört, als auf die meine. Er hat Zeiten, wo ich selbst meine Noth habe, ihn anzuludern.«

Roland hatte eine Bemerkung auf der Zunge über ihr gemeinschaftliches Bedürfniß, sich gegenseitig mit ihrer Klugheit auszuhelfen. Allein die Luft zu solchem Spott verschwand, als er bemerkte, daß es dem Falkner wirklich wehe that, von ihm zu scheiden. Ganz ungerupft kam jedoch Adam nicht davon. Denn als er sein Gesicht nach dem Fenster kehrte, fiel Michels Blick darauf und derselbe rief:

»Ei Adam, was hast du denn mit deinen Augen angestellt? Die sind ja geschwollen, als wollten sie aus dem Kopf herausspringen!«

»Schlechterdings nichts,« antwortete Adam mit einem bittenden Blick auf Roland. »Es ist lediglich die Folge davon, daß ich in diesem verfluchten Rollbett ohne Pfühl geschlafen habe.«

»Ei, Adam Woodcock, du mußt dich gewaltig verzärtelt haben,« entgegnete ein alter Bekannter. »Ich weiß doch, daß du manche Nacht keinen besseren Pfühl gehabt hat, als einen Busch Haidekraut, und am Morgen standest du mit der Sonne auf, frisch wie ein Falk. Aber jetzt sehen ja deine Augen aus – –«

»Psch! Alter, was liegt daran, wie meine Augen aussehen? Wir braten einen Holzapfel, schütten eine Flasche Bier darüber, schwenken die Gurgel damit, und du wirst eine wundersame Veränderung an mir wahrnehmen.«

»Dergestalt, daß du aufgelegt bist, dein lustiges Lied vom Papst zu fingen?«

»Ja,« antwortete Adam, »das heißt, wenn wir diese ruhige Stadt eine Meile weit hinter uns haben. Ihr könnt Euch überzeugen, wenn Ihr Euren Klepper nehmen und so weit mit mir reiten wollt.«

»Das geht nicht,« sprach Michel Flieg-im-Wind. »Ich habe nur so viel Zeit, um an deinem Morgentrunk Theil zu nehmen und zuzusehen, daß du aufsitzest. Ich will bestellen, daß gesattelt wird, und will den Holzapfel für dich braten lassen.«

Als der Jäger sich entfernt hatte, nahm der Falkner den Edelknaben bei der Hand und sprach:

»Ich will in meinem Leben keinen Habicht mehr behauben, wenn mir die Trennung von Euch nicht so sehr zu Herzen geht, als ob Ihr mein leibliches Kind wäret. Nehmt mir's nicht übel; – aber ich weiß nicht, was mir eine solche Zuneigung für Euch einflößt, es müßte denn derselbe Grund sein, warum ich den bitterbösen braunen Teufel von Klepper so gern hatte, den der Ritter Satan nannte, bis Meister Warden seinen Namen in Seyton verwandelte, weil es Vermessenheit sei, ein Thier nach dem König der Finsterniß zu benennen.«

»Und von ihm war es Vermessenheit, ein bösartiges Vieh nach einer hohen Familie zu nennen,« fiel Roland ein.

»Also Seyton oder Satan,« fuhr Adam fort; »ich hatte den Klepper lieber, als jedes andere Pferd im Stall. An Schlafen war nicht zu denken, wenn man ihn zwischen den Beinen hatte; das ging ewig hin und her mit ihm; bald schoß er vorwärts, bald hufte er, bald biß er, bald schlug er aus, daß man seine Noth mit ihm hatte und am Ende dazu kam, der Länge nach auf das Haidekraut hingeworfen zu werden. Und ich glaube, um derselben Eigenschaften willen hab' ich Euch lieber als irgend einen andern Jungen im Schlosse.«

»Danke, danke, guter Adam. Sehr verbunden für diese gute Meinung.«

»Nein, unterbrecht mich nicht,« sprach der Falkner. »Satan war ein guter Klepper. Aber, was ich sagen wollte, ich gedenke die zwei Nestlinge nach Euch zu nennen, den einen Roland, den andern Graeme, und so lange Adam Woodcock lebt, rechnet auf einen Freund. Kommt, lieber Sohn.«

Roland erwiderte mit Herzlichkeit den Händedruck, und Woodcock fuhr nach einem herzhaften Schluck folgendermaßen in seiner Abschiedsrede fort:

»Drei Dinge sind es, Roland, vor denen ich Euch warne, jetzt, wo Ihr diese Welt voll Beschwerden betreten sollt ohne den Beistand meiner Erfahrung. Erstlich, zieht nicht den Dolch um jeder Kleinigkeit willen; nicht Jedermanns Wams ist so gut gefüttert wie das eines gewissen Abtes, den Ihr kennt. Zweitens, fliegt nicht jedem hübschen Mädchen nach wie ein Schmerling einer Drossel; nicht immer werdet Ihr eine goldene Kette dafür kriegen. – Hier, beiläufig gesagt, habt Ihr Eure Fanfarona wieder; hebt sie wohl auf, sie ist schwer und kann Euch im Fall der Noth auf mehr als eine Weise dienen. – Zum Dritten und Letzten, wie unser würdiger Prediger sagt, hütet Euch vor dem Gluckgluck. Er hat den Verstand weiserer Menschen ersäuft, als Ihr seid. Ich könnte Beispiele anführen, allein ich bin überzeugt, es ist nicht nöthig; denn wenn Ihr Eure eigenen Unfälle vergessen solltet, so werdet Ihr doch schwerlich verfehlen, Euch der meinigen zu erinnern. – Also lebt wohl, lieber Sohn.«

Roland erwiderte seinen Segenswunsch und vergaß nicht, ihm eine gehorsamste Empfehlung an die gnädige Frau aufzutragen, nebst der Erklärung seines Bedauerns, daß er sie beleidigt, und der Versicherung seines Entschlusses, sich so in der Welt zu verhalten, daß sie sich des ihm zugewandten großmüthigen Schutzes nicht zu schämen brauche.

Der Falkner umarmte seinen jungen Freund, bestieg seinen kräftigen, wohlgenährten Klepper, den der Knecht an der Hausthür bereit hielt, und schlug den Weg nach Süden ein. Dumpf und schwermüthig klang Rolanden der Hufschlag, als drücke er das Herzeleid des gutmüthigen Reiters aus, der so still und niedergeschlagen von dannen ritt; und abermals fühlte der Jüngling sich allein in der Welt.

Michel Flieg-im-Wind ließ ihm nicht lange Zeit dieser Empfindung nachzuhängen, sondern erinnerte ihn, daß er ihm augenblicklich in den Palast folgen müsse, da der Regent früh Morgens in die Sitzung zu gehen pflege. Also kehrte Roland nach Holyrood zurück, und Michel, ein beliebter alter Diener, der leichteren Zutritt bei dem Reichsverweser hatte, als Manche, die höhere Stellen bekleideten, führte den Jüngling in ein kleines, mit Matten belegtes Gemach zur Audienz bei dem Oberhaupt des unruhigen schottischen Reiches.

Der Graf von Murray war in einen dunkelfarbigen Schlafrock gehüllt und in Mütze und Pantoffeln von demselben Stoff. Aber selbst in dieser nachlässigen Kleidung hielt er sein Rappier in der Hand, wie er immer beim Empfang von Fremden zu thun pflegte, mehr aus Nachgiebigkeit gegen die dringenden Vorstellungen seiner Freunde und Anhänger, als aus eigner Besorgniß. Er erwiderte mit einem stillschweigenden Kopfnicken die tiefe Verbeugung des Edelknaben und ging einigemal im Zimmer auf und ab, seinen durchdringenden Blick auf Roland heftend, als wolle er seine innersten Gedanken ergründen. Endlich brach er das Schweigen.

»Euer Name ist, denk' ich, Julian Graeme?«

»Roland Graeme, gnädiger Herr, nicht Julian,« erwiderte der Jüngling.

»Richtig, ich war im Irrthum – Roland Graeme aus dem Streitigen Land. – Roland, du kennst die Pflichten des Dienstes bei einer Frau von Stande?«

»Ich muß sie wohl kennen, gnädiger Herr,« antwortete Roland, »da ich bei der Person meiner gnädigen Frau von Avenel erzogen worden bin. Aber ich gedenke nicht mehr in den Fall zu kommen, sie zu üben, da der Ritter versprochen hat – –«

»Schweige, junger Mensch,« fiel der Regent ein. »Ich habe zu sprechen, du hast zu hören und zu gehorchen. Du mußt, wenigstens für einige Zeit, wieder in den Dienst einer Frau treten, welche im Rang in Schottland nicht ihres Gleichen hat. Wenn dieser Dienst beendigt ist, so geb' ich dir mein Wort als Ritter und Fürst, daß deinem Ehrgeiz eine Laufbahn eröffnet werden soll, wie sie den hochstrebenden Wünschen eines Solchen entsprechen dürfte, den seine Verhältnisse zu bedeutenderen Aussichten berechtigen, als dich. Ich will dich in meinen Haushalt und in die Nähe meiner Person nehmen, oder wenn du es vorzieht, will ich dir ein Fähnlein Fußknechte geben. Die eine wie die andere Beförderung würde der stolzeste Landherr sich glücklich schätzen für einen zweiten Sohn zu erlangen.«

»Darf ich so frei sein, gnädiger Herr, zu fragen, wem meine geringen Dienste zunächst bestimmt sind?« sprach Roland, als er sah, daß Murray auf eine Antwort wartete.

»Das wird Euch später gesagt werden,« antwortete der Reichsverweser, und fügte dann, als hätte es ihm Ueberwindung gekostet weiter zu sprechen, die Worte hinzu: »Doch warum sollte ich es Euch nicht selber sagen, daß Ihr in den Dienst einer erlauchten, unglücklichen Frau eintreten sollt, – in den Dienst Mariens von Schottland.«

»Der Königin, gnädiger Herr?« fragte Roland, außer Stande, eine Bewegung zu unterdrücken.

»Der gewesenen Königin!« versetzte Murray mit einer eigenen Mischung von Mißfallen und Verlegenheit in seinem Tone. »Ihr müßt Euch merken, junger Mensch, daß Ihr Sohn an ihrer Stelle König ist.« Dabei seufzte er mit einer Rührung, die halb natürlich und halb erzwungen sein mochte.

»Und hab' ich den Dienst bei Ihrer Majestät am Orte ihrer Gefangenschaft zu versehen, gnädiger Herr?« fragte Roland mit einer Einfalt und Geradheit, welche einigermaßen den klugen und mächtigen Staatsmann außer Fassung brachte.

»Sie ist nicht gefangen!« antwortete Murray ärgerlich. »Da sei Gott vor! Sie ist nur von den öffentlichen Geschäften entfernt bis zu dem Zeitpunkt, wo die Ruhe und Ordnung insoweit gesichert ist, daß sie ihre natürliche unbeschränkte Freiheit genießen kann, ohne daß ihr königliches Gemüth den Ränken verworfener und arglistiger Menschen ausgesetzt wäre. Darum, und weil sie auf der andern Seite doch eine Dienerschaft haben muß, natürlich wie sie ihrer gegenwärtigen abgeschlossenen Lage angemessen ist, erscheint es als nothwendig, daß die Personen in ihrer Nähe solche sind, auf deren Klugheit ich mich verlassen kann. Ihr seht also, daß Ihr zu einem Dienste berufen seid, der an sich höchst ehrenvoll ist, und durch dessen treuliche Erfüllung Ihr Euch den Regenten von Schottland zum Freund machen könnt. Es ist mir gesagt worden, daß Ihr ein junger Mensch von ausgezeichneter Fassungskraft seid, und Euer Blick verräth mir, daß Ihr mich versteht. In diesem Zettel sind die Einzelheiten Eures Dienstes weitläufig auseinander gesetzt. Das Wesentlichste aber, was von Euch gefordert wird, ist Treue – Treue gegen mich und den Staat. Ihr habt darum ein wachsames Auge zu richten auf jeden Versuch und auf jede geäußerte Neigung, einen Verkehr mit einem der großen Herren anzuknüpfen, welche im Westen eine Partei gebildet haben – mit Hamilton, Seyton, Fleming und dergleichen. Allerdings hat meine durchlauchtigste Schwester in Berücksichtigung der Unfälle, welche dieß arme Königreich durch Schuld übler, ihre königliche Güte mißbrauchender Rathgeber betroffen haben, sich entschlossen, für die Zukunft sich von Staatsgeschäften fern zu halten. Nichtsdestoweniger ist es Pflicht für Uns, die Wir an der Stelle und im Namen Unseres königlichen Neffen handeln, Vorsorge zu treffen wider die Uebel, welche aus einer Aenderung oder aus einem Schwanken in ihrer königlichen Entschließung entspringen könnten. Demnach wird es Eure Schuldigkeit sein, Acht zu haben und Unserer Frau Mutter, deren Gast gegenwärtig Unsere Schwester ist, Alles zu melden, was auf ein Vorhaben schließen läßt, ihre Person von ihrem sicheren Wohnort wegzubringen oder einen Verkehr mit Auswärtigen zu eröffnen. Solltet Ihr übrigens etwas Wichtiges entdecken, Etwas, das mehr als bloßen Verdacht veranlassen könnte, dann unterlaßt nicht, mich unmittelbar davon zu benachrichtigen durch einen eigends abgesandten Boten. Dieser Ring berechtigt Euch, Roß und Mann zu solchem Dienste zu entbieten. – So geht denn. Wenn in Eurem Kopfe halb so viel Verstand ist, wie Euer Blick verräth, dann muß Euch das Gesagte klar sein. Dient mir treu, und, so wahr ich ein gegürteter Graf bin, Euer Lohn soll groß sein.«

Roland verbeugte sich und wollte sich entfernen.

Der Graf winkte ihm zu bleiben und sprach weiter: »Ich habe dir großes Vertrauen geschenkt, junger Mensch, denn du bist der Einzige in ihrem Gefolge, welcher ihr auf meine Empfehlung geschickt wird. Ihre Kammerfrauen hat sie selber ernannt, – es wäre zu hart gewesen, ihr dies Recht streitig zu machen, obwohl einige die Gestattung desselben für unpolitisch gehalten haben. Du bist jung und hübsch. Nimm Theil an ihren Thorheiten und habe Acht, daß sie nicht ernste Pläne unter dem Scheine weiblichen Leichtsinns verbergen. Wenn sie minieren, so mache du Gegenminen. Im Uebrigen beobachte allen Anstand und alle Ehrerbietung gegen deine Gebieterin. Sie ist eine Fürstin, obwohl eine höchst unglückliche, – sie ist Königin gewesen, obwohl sie es leider nicht mehr ist. Erweise ihr demnach alle Ehre und Achtung, die sich mit der Treue gegen den König und gegen mich verträgt. Und nun, lebe wohl! – Noch ein Wort. Du reisest mit dem Freiherrn Lindesay, einem Manne von der alten Welt, rauh und ehrlich, aber ungebildet. Hüte dich, ihn zu reizen, denn er versteht keinen Spaß, und du bist, wie ich höre, ein Galgenstrick.« Er begleitete die letzteren Worte mit einem Lächeln, und bemerkte dann noch halb für sich: »Ich hätte gewünscht, Herrn Lindesay's Sendung wäre einem andern, sanfteren Herrn aufgetragen worden.«

»Und warum das, gnädiger Herr?« fragte Morton, in das Zimmer eintretend. »Der Staatsrath hat sehr wohlgethan, ihn zu ernennen. Wir haben zu viele Beweise von der Hartnäckigkeit dieser Frau. Das Eichenholz, welches der feingeschärften stählernen Art widersteht, muß mit dem rauhen eisernen Keil gespalten werden. – Und das hier soll ihr Kammerjunker werden? – S. Gnaden, der Herr Regent, hat Euch ohne Zweifel unterwiesen, wie Ihr Euch in diesem Geschäfte zu verhalten habt. Ich meines Theils will nur eine kleine Bemerkung hinzufügen. Ihr geht nach dem Schlosse eines Douglas, wo Verrath nimmer gedeiht. Der erste Augenblick des Verdachts wird der letzte Eures Lebens sein. Mein Verwandter, Wilhelm Douglas, versteht keinen Spaß. Sollte er je Ursache haben, Euch für falsch zu halten, dann werdet Ihr eher über den Zinnen seiner Burg baumeln, ehe die Sonne über seinem Zorne untergeht. – Soll die Dame auch einen Almosenier haben?«

»Von Zeit zu Zeit,« antwortete der Regent. »Es wäre hart, ihr den geistlichen Trost zu verweigern, den sie zum Heil ihrer Seele nöthig erachtet.«

»Ihr seid immer zu weichherzig gewesen, gnädiger Herr! – Wie? Einen falschen Priester, der ihre Klagen nicht nur unseren Widersachern in Schottland hinterbringt, sondern auch den Guisen, Rom, Spanien und Gott weiß, wem!«

»Seid unbesorgt,« erwiderte der Regent. »Wir wollen unsere Maßregeln so nehmen, daß keine Verrätherei stattfinden soll.«

»Seht Euch wohl vor,« bemerkte Morton. »Ihr wißt, was ich von der Dirne denke, die Ihr ihr als Kammerfrau zugestanden habt. Sie ist aus einer Familie, die vor allen andern ihr stets ergeben gewesen ist und uns feindselig. Wären wir nicht behutsam gewesen, so würde sie mit einem Kammerjunker versehen worden sein, der ihr eben sowohl in ihren Kram gepaßt hätte, wie ihr Kammerfräulein. Ich höre, eine alte verrückte katholische Pilgerin, welche mindestens für eine halbe Heilige unter ihnen gilt, war ausgesandt, ein passendes Subject ausfindig zu machen.«

»Dieser Gefahr wenigstens sind wir entgangen,« sprach Murray, und haben dieselbe in Vortheil verwandelt, indem wir ihr diesen Jungen von Glendinning senden. Was das Kammerfräulein betrifft, so könnt Ihr nicht scheel dazu sehen, daß man ihr ein armseliges Mädchen zuläßt statt ihrer vier hochgeborenen Marien mit ihrem Schweife von Dienerschaft in Sammt und Seide.«

»An der Kammerfrau liegt mir weniger,« erwiderte Morton; »aber der Almosenier will mir nicht gefallen. Ich denke, Priester jedes Glaubens gleichen sich so ziemlich einander. Da ist Johann Knox, einst ein so trefflicher Zerstörer, jetzt geizig nach dem Ruhme ein Erbauer zu werden und ein Gründer von Schulen und Hochschulen aus den Stiftsgütern und bischöflichen Abgaben und anderem Raube, den Schottlands hoher Adel mit Schwert und Bogen Rom abgenommen hat, und womit er jetzt neue Nester ausstatten will, worin die alte Leier gesungen werden soll.«

»Johann ist ein Mann Gottes,« sprach der Regent, »und sein Unternehmen ist ein frommes.«

Das ruhige Lächeln, mit welchem diese Worte begleitet waren, machte es unmöglich, zu erkennen, ob sie als Lob oder als Spott auf die Bestrebungen des schottischen Reformators gemeint waren. Mit einer Miene, welche besagte: Du bist lange genug Zeuge dieser Unterredung gewesen, – wandte sich der Reichsverweser zu Roland und hieß ihn augenblicklich aufsitzen, da der gnädige Herr von Lindesay bereits zu Pferde sei. Der Kammerjunker machte seine Verbeugung und verließ das Gemach.

Geführt von Michel Flieg-im-Wind, fand er am Schloßthore sein Pferd gesattelt und in der Nähe etwa zwanzig Reisige, deren Anführer deutliche Zeichen mürrischer Ungeduld gab.

»Ist das der Hansaff von Kammerjunker, auf den wir so lange gewartet haben?« brummte er dem Jäger zu. »Der Herr von Ruthven wird lange vor uns die Burg erreichen.«

Michel erwiderte: der Junge sei von dem Regenten aufgehalten worden, um noch einige letzte Anweisungen zu erhalten. Der Anführer brummte einen unartikulierten Laut, welcher ein mürrisches: »Gut!« ausdrücken sollte, rief einem seiner Knechte und sprach:

»Edward, nimm den Junker da in deine Obhut und laß ihn mit Niemandem sprechen.«

Darauf wandte er sich an einen ältlichen Mann von achtbarem Aussehen, den er Herr Robert anredete, und welcher allein in dem ganzen Zuge über dem Range eines Knechtes zu stehen schien, und sagte:

»Wir müssen rasch vorwärts.«

Während des Aufsitzens und während des langsamen Rittes durch die Vorstadt hatte Roland Zeit, die Gestalt des Freiherrn zu betrachten, der den Zug anführte. Herr Lindesay of the Byres war bejahrt, aber nicht vom Alter gebeugt. Seine aufrechte Gestalt und sein starker Gliederbau verrieth, daß er noch allen Mühseligkeiten des Krieges gewachsen war. Seine buschigen, halb ergrauten Brauen überschatteten große Augen voll düsteren Feuers, und diese Augen erschienen um so düsterer, da sie ungewöhnlich tief im Kopfe lagen. Die angeborne Härte seiner Züge war noch vermehrt durch etliche Schrammen. Diese Züge, ganz geeignet, die unsanfteren Leidenschaften auszudrücken, waren beschattet von einem offenen Helm mit vorspringendem Schirm ohne Visir, über dessen Halsstück der schwarze, mit Grau untermischte Bart des finsteren alten Freiherrn herabfiel, den ganzen unteren Theil seines Gesichtes verhüllend. Seine Kleidung bestand hauptsächlich in einem weiten Rock von Büffelleder, einst gestickt und mit Seide gefüttert, jetzt aber fleckig und hin und wieder zersetzt, was vermuthlich von Gefechten herrührte. Unter demselben sah ein Brustharnisch von poliertem Stahl mit schöner Vergoldung hervor, der aber jetzt etwas verrostet war. Ein Schwert von alter Form und ungewöhnlicher Größe, welches mit beiden Händen geschwungen werden mußte – eine Art Waffe, welche damals anfing außer Gebrauch zu kommen, – hing über seinen Rücken und über seine Beine herunter, so daß das Ortband bis zur Ferse herabreichte und beim Gehen wider die Sporen klirrte, während der gewaltige Griff über seiner Schulter herausstand. Dies schwerfällige Gewehr ließ sich nicht anders ziehen, als in dem man über die linke Schulter griff, denn kein menschlicher Arm wäre lang genug gewesen, es aus der Scheide zu bringen, wenn es, wie andere Seitengewehre, dicht an der Hüfte gehangen hätte. Die ganze Ausstaffierung des Freiherrn war die eines rauhen Kriegsmannes, der mit sauertöpfischem, fast menschenfeindlichem Sinn sein Aeußeres vernachlässigte, und der kurze, barsche Ton, in welchem er mit seinen Leuten redete, stimmte zu seinem ganzen übrigen ungeschlachten Wesen.

Die Person, welche mit Herrn von Lindesay an der Spitze des Zuges ritt, war ein vollkommenes Widerspiel in Haltung, Bau und Gesichtszügen. Sein dünnes, seidenweiches Haar war schon weiß, obwohl er nicht über fünf und vierzig oder höchstens fünfzig Jahre alt zu sein schien. Seine Stimme klang sanft und einschmeichelnd, seine Gestalt war schmächtig, mager und durch stetes Bücken gekrümmt. Auf seiner bleichen Wange bemerkte man die Züge der Schlauheit; sein Blick war lebhaft aber sanft, und sein ganzes Wesen mild und versöhnlich. Er ritt einen Paßgänger, – wie Frauen, Geistliche und andere Leute von friedlichen Geschäften pflegten,– trug ein Reitkleid von schwarzem Sammet, eine Mütze und Feder von derselben Farbe – die Feder mit einem goldenen Schaustück befestigt, – und war, mehr zum Zeichen seines Ranges, als um es zu gebrauchen, mit einem Spazierdegen oder einem kurzen leichten Rappier umgürtet, ohne weitere Angriffs- oder Schutzwaffen.

Die Gesellschaft hatte die Stadt hinter sich und trabte frisch nach Westen zu. Auf diesem Wege hätte Roland gar gern Etwas über Zweck und Ziel desselben erfahren; allein das Gesicht des Burschen, neben dem er reiten mußte, schreckte von jedem vertraulichen Worte ab. Der Freiherr selber sah nicht grimmer und unzugänglicher aus, als sein Knecht, dessen grauer Bart über seinen Mund herabhing, wie das Fallgatter über den Thorweg einer Burg, als sollte er das Entschlüpfen jedes Wortes verhindern, das nicht schlechterdings nothwendig wäre. Die übrigen Reiter schienen unter demselben Bann der Schweigsamkeit zu liegen, und ritten dahin, ohne ein Wort zu wechseln, mehr gleich einem Truppe Karthäuser als einem Zuge reisiger Knechte von Kriegern. Roland Graeme war erstaunt über diese außerordentlich strenge Zucht. Denn selbst in dem Haushalte des Ritters von Avenel, der doch so ausgezeichnet war durch die Genauigkeit, mit welcher auf Anstand gehalten wurde, selbst dort war eine Reise die Zeit der Freiheit, wo Sang und Scherz und jede nicht gerade unschickliche Lust und Kurzweil verstattet war. Diese ungewohnte Stille war ihm indeß insofern angenehm, als sie ihm verstattete, seine geringe Ueberlegung zu Rathe zu ziehen über seine Lage und seine Aussichten, welche jedem vernünftigen Menschen höchst gefährlich und bedenklich hätten vorkommen müssen.

Es war augenscheinlich, daß er unter dem Einfluß von Umständen, die er nicht beherrschen konnte, widersprechende Verbindungen mit den beiden Parteien, welche das Land zerrissen, angeknüpft hatte, ohne eigentlich der einen oder der andern anzuhängen. Eben so schien es unzweifelhaft, daß die Stelle in dem Haushalte der abgesetzten Königin, zu welcher ihn der Regent befördert hatte, ihm auch von seiner schwärmerischen Großmutter zugedacht war. Dies bewiesen die Worte, welche Murray bei der ersten Zusammenkunft gegen Morton hatte fallen lassen. Eben so unzweifelhaft war es aber auch, daß jene beiden Personen – er, der erklärte Feind, sie, die begeisterte Anhängerin des katholischen Glaubens, er, das Haupt der neuen Regierung des Königs, die, welche diese Regierung als eine verbrecherische Anmaßung betrachtete – ganz entgegengesetzte Erwartungen von ihm hegten und widersprechende Forderungen an ihn stellten. Es gehörte sehr wenig Ueberlegung dazu, um einzusehen, daß diese widersprechenden Anforderungen ihn bald in eine Lage bringen dürften, wo seine Ehre sowohl wie ein Leben in Gefahr stand.

Allein Rolands Art war es nicht, an das Schlimme zu denken, ehe es da war, oder sich zum Kampfe gegen Schwierigkeiten zu rüsten, ehe sie eintraten.

»Ich will,« dachte er, »diese reizende und unglückliche Maria Stewart sehen, von der wir so viel gehört haben, und dann wird noch Zeit genug sein, mich zu entscheiden, ob ich für den König oder für die Königin sein will. Keinem von beiden Theilen hab' ich mein Wort gegeben oder ein Versprechen abgelegt. Sie haben mich hin und her geführt, wie eine Blindekuh, ohne mir eine Aufklärung zu geben über das, was ich thun sollte. Es war ein Glück, daß der grimme Douglas diesen Morgen in des Regenten Zimmer kam, sonst wär' ich nicht losgekommen ohne das feierliche Versprechen, Alles zu thun, was der Graf von mir haben wollte, was am Ende doch auf ein schmähliches Verfahren gegen die arme gefangene Frau hinausläuft, nämlich ihren Kammerjunker den Spion bei ihr machen zu lassen.«

So leicht über einen so wichtigen Punkt weghüpfend, ließ er seine Gedanken bei angenehmeren Gegenständen weilen. Bald bewunderte er die gothischen Thürme von Barnbougle, die sich auf dem Felsen am Meere erheben, bald überlegte er, welch' herrliche Kurzweil mit Hunden und Habichten die Verschiedenheiten des Bodens gewähren mußten, über welchen sie hinritten, bald endlich verglich er den einförmigen, langweiligen Trab auf dieser Reise mit dem lustigen Schweifen über Berg und Thal bei seinen früheren Lieblingsbeschäftigungen. Angeregt durch diese frohen Erinnerungen, gab er seinem Pferde die Sporen und ließ es einen Satz machen. Allein diese Handlung zog ihm augenblicklich eine Strafrede von einem Nebenmann zu, der ihm andeutete, er solle Schritt halten, dafern er nicht wolle, daß seine abschweifenden Bewegungen in einer Weise vermerkt würden, die für ihn sehr unangenehm sein dürfte.

Diese Zurechtweisung und der Zwang, unter welchem er sich befand, ließen ihn an seinen gestrigen gutmüthigen und nachgiebigen Gefährten und Führer Adam Woodcock denken, und von ihm machte seine Einbildungskraft einen kurzen Flug auf Schloß Avenel, zu dem ruhigen, zwanglosen Leben seiner Insassen, zu der Güte seiner Beschützerin, zu den Bewohnern der Ställe, Hundehütten und Falkenkäfige. Bald wichen alle diese Bilder vor dem Gedanken an das räthselhafte weibliche Wesen Katharine Seyton, welche vor dem Auge seiner Seele bald in ihrer weiblichen Gestalt erschien, bald in Mannstracht, bald unter beiden Gestalten zugleich – wie es oft im Traume geschieht, daß Einem dasselbe Wesen als zweierlei in demselben Augenblick vorkommt. Er dachte an ihr geheimnißvolles Geschenk, an das Schwert, welches er jetzt an der Seite trug und welches er nicht anders ziehen sollte, als auf Befehl seiner rechtmäßigen Herrscherin. Den Schlüssel zu diesem Geheimniß hoffte er am Ziel seiner jetzigen Reise zu finden.

Mit solchen Gedanken ritt Roland Graeme in Gefolge des Herrn von Lindesay dahin. An der Königin-Ueberfahrt fanden sie Fahrzeuge bereit zum Uebersetzen. Dies geschah ohne weiteren Unfall, ausgenommen, daß ein Pferd beim Einsteigen das Bein brach – ein Fall, der sehr häufig vorkam, bis vor wenigen Jahren, wo die Ueberfahrt in Ordnung gebracht wurde. Bezeichnender für die Zeit war das Abfeuern einer Feldschlange auf den Trupp von den Zinnen der alten Burg Rosythe, nördlich von der Ueberfahrt, deren Herr mit dem Freiherrn von Lindesay in Fehde lag und auf diese Weise seine feindselige Gesinnung an den Tag legte. Der Schuß traf nicht und blieb unbeachtet. Weiter fiel nichts Bemerkenswerthes vor, bis der Zug die Gegend erreichte, wo der Lochleven seinen prächtigen Wasserspiegel in den Strahlen der Sommersonne ausbreitete.

Die alte Burg auf einem Eiland fast in der Mitte des Sees erinnerte Rolanden lebhaft an Avenel, wo er aufgewachsen war. Aber der See hier war größer und geschmückt mit noch einigen anderen kleinen Inseln, und während der See von Avenel ganz in Bergen versteckt lag, hatte der Lochleven bloß im Süden die Aussicht auf den schönen Abhang eines der Lomondberge, und war sonst von der weiten, fruchtbaren Ebene von Kinroß umgeben. Roland betrachtete mit einiger Beklemmung die wasserumgürtete Feste, welche, wie noch jetzt bloß aus einem einzigen, einen Hof umschließenden, Bau bestand und aus einem äußeren Hof mit zwei runden Eckthürmen und einigen unbedeutendern Gebäuden. Eine Gruppe alter Bäume in der Nähe der Burg milderte einigermaßen das Ansehn trostloser Abgeschlossenheit, welches die Insel hatte, allein keineswegs so sehr, daß Roland die Lage einer dort zu wohnen verurtheilten Fürstin oder seine eigne Lage hätte leidlich finden sollen.

»Ich muß unter dem Stern geboren sein, der über Frauen und Wasserseen regiert,« dachte er, »denn ich mag mich stellen, wie ich will, so entgehe ich nicht dem Dienst bei jenen und dem Wohnen in diesen. Aber wenn sie mir nicht freien Spielraum geben, sollen sie es eben so schwer finden, einen guten Schwimmer dort einzusperren, wie einen wilden Enterich.«

Der Zug hatte den Rand des Wassers erreicht. Ein Knecht ritt vor, entfaltete und schwenkte die Fahne des Freiherrn von Lindesay und zu gleicher Zeit stieß der Freiherr mit Macht in sein Hifthorn. Sofort wurde als Antwort auf diese Zeichen ein Banner auf dem Dach der Burg ausgesteckt und man erblickte einige Gestalten, beschäftigt, ein Boot loszumachen, welches an dem Eiland lag.

»Es wird eine Weile dauern, bis sie mit dem Boot herüberkommen,« bemerkte der Nebenmann des Freiherrn. »Wär' es nicht gut, in die Stadt zu reiten und uns ein wenig zurecht zu machen, ehe wir vor – –«

»Ihr könnt es halten wie Ihr wollt, Herr Robert,« unterbrach ihn der Freiherr. »Ich meines Theils habe keine Zeit auf solche Narrheiten zu verwenden. Sie hat mich manchen harten Ritt gekostet, und jetzt soll sie mir meinen abgeschabten Mantel und mein beschmutztes Wams nicht übel nehmen. Es ist die Tracht, zu welcher sie ganz Schottland heruntergebracht hat.«

»Sprecht nicht so hart,« entgegnete Herr Robert. »Wenn sie Unrecht gethan hat, so hat sie es hart gebüßt, und nachdem sie die königliche Gewalt verloren hat, sollte man ihr nicht die kleine äußerliche Huldigung entziehen, die ihr als Frau und Fürstin gebührt.«

»Ich sag' Euch nochmals, Herr Robert Melville, thut was Ihr wollt,« versetzte Lindesay. »Ich bin zu alt, um mich als eine Zierde eines Frauengemaches herauszuputzen.«

»Eines Frauengemaches, edler Herr!« sprach Melville mit einem Blick auf das plumpe, alte, thurmähnliche Gebäude. »Wollt Ihr einen so schmeichelhaften Namen jenem düsteren, vergitterten Schlosse geben, dem Kerker einer gefangenen Königin?«

»Nennt es, wie Ihr wollt,« versetzte Lindesay. »Hätte der Regent einen Botschafter senden wollen, der im Stande wäre, zu einer gefangenen Königin zu sprechen, dann hätten sich viele seine Herren an seinem Hofe gefunden, welche Reden aus Amadis von Gallia oder aus dem Spiegel der Ritterschaft halten können. Aber indem er den derben, alten Lindesay schickte, wußte er, daß dieser zu einem irregeleiteten Weibe so sprechen würde, wie es ihre früheren Missethaten und ihr jetziger Zustand erfordern. Ich habe mich nicht um dies Geschäft beworben, es ist mir aufgeladen worden, und ich will mich bei Vollziehung desselben mit nicht mehr Umständen belästigen, als schlechterdings nöthig sind.«

Mit diesen Worten sprang der Freiherr vom Pferd, wickelte sich in seinen Mantel und streckte sich gemächlich auf den Rasen bis zur Ankunft des Bootes, welches man jetzt von der Burg aus dem Ufer zurudern sah. Herr Robert Melville stieg gleichfalls ab, und ging auf einer kurzen Strecke am Ufer auf und nieder, die Arme über die Brust gekreuzt, oft nach dem Schloß hinüberblickend mit einer Miene von Schmerz und Unruhe. Die übrigen Reiter saßen wie Bildsäulen auf ihren Rossen, ohne auch nur die Spitzen ihrer Lanzen zu bewegen, welche senkrecht in die Höhe gerichtet waren.

Sobald das Boot sich einem kunstlosen Damm oder Landungsplatz genähert hatte, in dessen Nähe der Zug Halt gemacht, sprang der Freiherr von Lindesay von der Erde auf und fragte den Steuermann, warum er nicht ein größeres Boot zum Uebersetzen seines Gefolges mitgebracht habe?

»Verzeiht,« antwortete der Bootsmann, »es ist der ausdrückliche Befehl unserer gnädigen Frau, nicht mehr als vier Personen hinüberzufahren.«

»Deine gnädige Frau ist eine weise Dame, daß sie mich im Verdachte der Verrätherei hält,« sprach Lindesay. »Wenn ich dergleichen im Sinne hätte, was könnte mich dann hindern, dich und deine Leute in den See zu werfen und das Boot mit meinen eigenen Leuten zu besehen?«

Auf diese Worte gab der Steuermann eilends seinen Leuten ein Zeichen, umzuwenden und von dem Ufer, welchem sie sich näherten, wegzurudern.

»Du Esel!« rief Lindesay; »du wirft doch nicht meinen, ich hätte ernstlich etwas Schlimmes gegen dich im Sinne gehabt? Höre, Freund, mit weniger als drei Knechten gehe ich nirgends hin; Herr Robert Melville muß wenigstens einen Bedienten bei sich haben. Es geschieht auf deine und deiner gnädigen Frau Gefahr, wenn uns Zutritt verweigert wird, uns, die wir in wichtigen Reichsgeschäften hieher gekommen sind.«

Der Steuermann antwortete höflich aber entschieden, daß er gemessenen Befehl habe, nicht mehr als Vier überzusetzen, erbot sich aber zurückzurudern, um eine veränderte Weisung zu erhalten.

»Thut das, lieber Freund,« sprach Herr Robert Melville, nachdem er sich vergebens bemüht hatte, seinen starrköpfigen Begleiter zur Verminderung seines Gefolges zu bewegen, »rudert zurück nach der Burg, da es einmal nicht anders ist, und erwirkt den Befehl Eurer gnädigen Frau, den Freiherrn von Lindesay, mich und unser Gefolge hinüberzubringen.«

»Und horcht,« fügte der Freiherr hinzu, »nimm diesen Edelknaben mit hinüber, der als Diener für den Gast deiner gnädigen Frau kommt. – Abgestiegen!« sprach er zu Roland, »setze dich zu Jenen dort in das Boot.«

»Aber was soll aus meinem Pferde werden?« fragte Roland. »Ich bin meinem Herrn dafür verantwortlich.«

»Ich will dich dieser Sorge überheben,« antwortete Lindesay. »Du wirft in den nächsten zehn Jahren blutwenig mit Roß, Sattel und Zaum zu thun haben. Wenn du Luft hast, kannst du dafür den Strick nehmen, er ist dir vielleicht eben so gut.«

»Wenn ich das dächte –« sprach Roland, ward aber von Herrn Robert Melville unterbrochen, der ihm gutmüthig sagte:

»Widersprecht nicht, junger Freund. Widerstand kann Euch Nichts nützen, sondern nur Euch in Gefahr stürzen.«

Roland fühlte, daß der Graukopf Recht hatte, und obgleich ihm weder Inhalt noch Form von Lindesay's Rede gefiel, hielt er es doch für gut, sich zu fügen und ohne Widerrede das Boot zu besteigen. Die Ruder setzten sich in Bewegung, der Landungsplatz, mit den Reisigen in der Nähe, ward seinem Auge immer mehr entrückt, in demselben Verhältnisse schien das Eiland mit der Burg sich zu nähern und nicht lang, so hielt das Boot im Schatten eines großen alten Baumes, welcher den Ort zum Aussteigen bezeichnete. Der Steuermann und Graeme sprangen an's Land, die Ruderer blieben sitzen, bereit zu einer neuen Fahrt.


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