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Vierzehntes Kapitel.

Nicht wilde Wogen, brechend durch die Dämme,
Nicht wilde Wind', entstürzend ihrer Höhle,
Nicht wilde Teufel, beide sie vereinend,
Und ihre Wuth ausströmend auf die Fluren,
Sind diesem tollen Spuk da zu vergleichen,
Spaßhaft, doch furchtbar, lustig, doch zerstörend.

Die Verschwörung.

Die Mönche hielten inne mit ihrem Liede, welches, wie das der Chorsänger in dem Mährchen von der Hexe von Berkeley, in einem Triller der Bestürzung erstarb. Wie eine, durch das Erscheinen des Geiers geschreckte Heerde Küchlein wollten sie erst die Flucht ergreifen und sich nach verschiedenen Richtungen zerstreuen, dann aber drängten sie sich, mehr in Verzweiflung, als in Hoffnung, um ihren neuen Abt, welcher mit demselben stolzen, würdevollen Blicke, den er während der ganzen Handlung gezeigt, auf der obersten Stufe des Altars stand, als wünschte er das kenntlichste Ziel zu sein, auf welches die Gefahr sich entladen möchte, und als wollte er seine Genossen durch Aufopferung seiner selbst retten, da er ihnen anderen Schutz nicht gewähren konnte.

Unwillkührlich traten Magdalene Graeme und Roland von der Stelle, auf welcher sie bisher unbemerkt gestanden, nach dem Altar hin, als wollten sie das über die Mönche kommende Schicksal, sei es, welches es wollte, theilen. Beide verbeugten sich tief vor dem Abte. Magdalene schien sprechen zu wollen, Roland sah nach dem Haupteingange, wo das Getöse jetzt ganz toll geworden war, und wo heftig angeklopft wurde, und machte Miene den Dolch zu ziehen.

Der Abt gebot Beiden, von ihrem Beginnen abzustehen.

»Ruhig, Schwester,« sprach er leise, doch sehr hörbar trotz dem Lärm; »ruhig, Schwester. Laß den neuen Oberen von S. Marien selber den Zuruf der zur Feier seiner Einsetzung kommenden Unterthanen annehmen und beantworten. Und dir, mein Sohn, gebiet' ich, die Hand von der irdischen Waffe abzuziehen. Will unsere Schutzheilige, daß ihr Altar heute durch Gewaltthätigkeit entweiht und durch Blut befleckt werde, so laß es nicht durch die Schuld eines Sohnes der katholischen Kirche geschehen.«

Das Lärmen und Klopfen an der Hauptthüre wurde mit jedem Augenblicke lauter, und man hörte Stimmen, welche ungeduldig Einlaß begehrten. Mit Würde und mit festem, weder schwankendem, noch übereiltem Schritte bewegte der Abt sich nach dem Portal und fragte im gebietenden Tone, wer den Gottesdienst störe, und was sie begehren?

Es erfolgte eine augenblickliche Stille und dann ein lautes Lachen. Endlich antwortete eine Stimme:

»Wir begehren Einlaß in die Kirche, und wenn die Thüre geöffnet ist, werdet Ihr sehen, wer wir sind.«

»Auf wessen Geheiß verlangt Ihr Einlaß?« fragte Ambrosius.

»Auf Geheiß des ehrenfesten gnädigen Herrn Abtes von Unsinn,« antwortete die Stimme draußen, und das darauf folgende Gelächter schien zu beweisen, daß hinter der Antwort ein großer Spaß steckte.

»Ich weiß nicht, was Ihr meint, und bemühe mich nicht, es zu erfahren,« versetzte der Abt; »denn es ist wahrscheinlich etwas Unziemliches. Geht in Gottes Namen und laßt seine Diener in Frieden. Ich spreche dies als der, so hier zu befehlen hat.«

»Oeffnet das Thor,« rief eine andere rohe Stimme, »dann wollen wir unsere Ansprüche gegeneinander halten und Euch, Herr Mönch, einen Oberen zeigen, dem wir alle gehorchen müssen.«

»Brecht die Thüren auf, wenn er noch weitere Umstände macht,« rief ein Dritter. »Nieder mit den aasigen Mönchen, welche uns unser Recht nehmen wollen!«

Hierauf allgemeiner Ruf: »Unser Recht! unser Recht! Schlagt die Thüren zusammen und die faulen Mönche dazu, wenn sie sich widersetzen!«

An die Stelle des Klopfens traten jetzt die Schläge schwerer Hämmer, welchen die Thüren, so stark sie auch waren, nicht lange widerstanden haben würden. Der Abt, welcher sah, daß Widerstand vergeblich war, und nicht Luft hatte, die Angreifer zu erbittern, bat dringend um Ruhe und erlangte endlich mit Mühe Gehör.

»Kinder,« sprach er, »ich will euch vor Begehung einer großen Sünde bewahren. Der Pförtner wird sogleich die Thüre öffnen. Er holt eben die Schlüssel. Mittlerweile erwägt, ob ihr in einer passenden Stimmung seid, um die heilige Schwelle zu überschreiten.«

»Papperlapapp mit Eurem Gepäpfel!« war die Antwort von Außen. »Wir sind in der besten Laune, wie die Mönche, wenn sie Rindfleisch statt Fastenkohl zum Abendessen haben. Wenn also Euer Pförtner nicht die Gicht hat, so laßt ihn bald kommen, oder wir machen kurze Umstände. – Hab' ich recht gesprochen, Gesellen?«

»Wohl gesprochen, und eben so wohl soll es vollzogen werden!« rief die Menge, und wären nicht in diesem Augenblicke die Schlüssel angekommen, so daß der Pförtner in Herzensangst eilig sein Amt verrichten konnte, so würde der Haufen außen ihm die Mühe erspart haben.

Sobald er aufgeschlossen, entfloh der Thürhüter, wie Einer, der eine Schleuse aufgezogen hat und fürchtet, von den einströmenden Wogen überfluthet zu werden. Die Mönche hatten sich allesammt hinter dem Abt weggestohlen, welcher allein seinen Platz behauptete etwa vier Schritte vom Eingang, ohne irgend Furcht oder Verwirrung blicken zu lassen. Theils ermuthigt durch eine fromme Hingebung, theils sich schämend, ihn im Stich zu lassen, theils endlich angeregt von Pflichtgefühl, kamen die Patres wieder herbei und drängten sich hinter ihrem Oberen zusammen. Ein lautes Lachen und Hurrah begleitete das Aufgehen der Thüren. Aber wider Erwarten drang kein feindlicher Haufe in die Kirche. Im Gegentheil hieß es:

»Halt! Halt! Richt't Euch! Laßt die beiden hochwürdigen Väter sich gebührlich begrüßen.«

Der Haufe, welcher so zur Ordnung gerufen wurde, hatte ein höchst närrisches Aussehen. Er bestand aus verkleideten Männern, Weibern und Kindern, welche eben so mannigfaltige als wunderliche Gruppen bildeten. Ein Bursche mit einem bemalten Pferdekopfe vor sich, einem Schweife hinter sich und einem Teppich über sich, welcher eine Pferdedecke vorstellte, machte Paßschritte, Caracolen, stieg, bockte und spielte so die berühmte Rolle des Pferdchens, auf welches so oft in den alten englischen Schauspielen hingedeutet wird, und welches noch auf der englischen Bühne vorkommt in dem Gefechte, welches das Trauerspiel von Bayes schließt. Als Nebenbuhler der von dieser Maske entwickelten Geschicklichkeit und Behendigkeit, kam als furchtbarere Maske ein ungeheurer Drache mit vergoldeten Flügeln, offenem Rachen und scharlachrother gespaltener Zunge, welcher sich bemühte, einen Jungen einzuholen und zu verschlingen, der als Mädchen verkleidet, die liebliche Sabara, Tochter des Königs von Aegypten, vorstellte. Ein ritterlicher S. Georg mit einem Becher auf dem Kopf statt des Helmes und einem Bratspieß statt der Lanze, warf sich von Zeit zu Zeit dazwischen und zwang das Ungeheuer, von seiner Beute abzulassen. Ein Bär, ein Wolf und ein paar andere wilde Thiere spielten ihre Rollen mit der Verständigkeit von Eng, dem Schreiner im Shakespeares Sommernachtstraum, denn der entschiedene Vorzug, welchen sie dem Gebrauch ihrer Hinterfüße gaben, genügte ohne förmliche Ankündigung, ängstliche Zuschauer zu versichern, daß sie eigentlich Zweifüßer vor sich hatten. Ferner kam eine Gruppe von Aechtern unter der Anführung von Robin Hood und Kleinhans – das beste Stück in den Darstellungen jener Zeit, da die Meisten, welche diese Rollen spielten, wirkliche Verbannte und Räuber waren. Andere Vermummte waren weniger auffallend: Männer als Weiber, Weiber als Männer verkleidet, Kinder in den Gewändern von Alten mit Krückenstöcken, Pelzröcken und Pelzkappen, Großväter in Kinderröcken und mit Kinderstimmen. Andere hatten die Gesichter bemalt und die Hemden über die anderen Kleider gezogen; wieder Andere hatten sich mit Pappendeckel und Bändern herausgeputzt. Die, welche sich auf dem kürzesten Wege vermummen wollten, hatten ihre Gesichter geschwärzt und ihre Wämser umgewandt angezogen.

Die Pause, welche die Masken machten, wie es schien, um eine hohe Person zu erwarten, gab der kleinen Versammlung in der Klosterkirche Zeit, alle diese Verrücktheiten mit Muße zu betrachten. Die Bedeutung des Spuks war ihnen kein Räthsel.

Die meisten Leser werden wissen, daß in früheren Zeiten, während die römische Kirche noch in der Blüthe ihrer Macht stand, diese Kirche solche Ausgelassenheiten, wie die Bewohner von Kennaquhair und der Umgegend jetzt treiben, nicht nur duldete, sondern selbst ermunterte, und daß dem gemeinen Volke gelegentlich verstattet war, durch bald kindische, bald unsittliche Späße sich für die ihnen zu andern Zeiten aufgelegten Bußen und Entbehrungen zu entschädigen. Am liebsten wählte man die Bräuche der Kirche als Gegenstände aus, die man ins Lächerliche ziehen wollte, und, sonderbar genug, mit Genehmigung der Kirche.

So lange die Priesterherrschaft in voller Kraft und mit allem ihrem Glanze bestand, scheint dieselbe von der unziemlichen Vertraulichkeit des Volkes mit heiligen Dingen keine schlimmen Folgen befürchtet zu haben. Sie betrachteten die Laien etwa wie einen Karrengaul, welchem man zuweilen erlaubt, sich auf grüner Weide lustig zu machen und in plumpen Sprüngen nach seinem Herren auszuschlagen, der aber deswegen nicht weniger geduldig sich nachher wieder dem Zaume und der Peitsche seines Treibers unterwirft. Als aber die Zeiten sich änderten, als Zweifel an der katholischen Lehre und Haß gegen die Priesterschaft eine reformierte Partei bildeten, da entdeckte die Geistlichkeit zu spät die Bedenklichkeit der hergebrachten Possenspiele, in welchen sie und Alles, was sie heilig hielten, lächerlich gemacht wurde. Selbst weniger feine Köpfe, als die katholischen Priester, erkannten, daß dieselben Handlungen eine ganz andere Bedeutung haben, wenn sie im Geiste des Hohnes und Hasses als wenn sie lediglich im Uebermaß rohen und unbändigen Frohsinns verrichtet werden. Sie bemühten sich daher endlich, da, wo ihnen noch ein Rest von Einfluß geblieben war, der Erneuerung dieser unziemlichen Lustbarkeiten entgegen zu wirken. Hierin vereinigte sich mit der katholischen Geistlichkeit der größte Theil der reformierten Prediger, bei welchen der Abscheu vor der Sittenlosigkeit und Frevelhaftigkeit vieler dieser Darstellungen die Neigung überwog, von dem Umstande Vortheil zu ziehen, daß die katholische Kirche sammt ihren Bräuchen dabei ins Lächerliche gezogen wurde. Aber es dauerte lange, bis diese anstößige und sittenlose Kurzweil abgeschafft wurde. Die rohe Menge hing an ihren Belustigungen, und in England wie in Schottland mußte die Inful des katholischen, der Chorrock des reformierten Bischofs und der Mantel und Kragen des Calvinischen Predigers dem Narrenpabste, dem Kinderbischofe und dem Abte von Unsinn noch oft Platz machen Aus der anziehenden Novelle Anastasius scheint hervorzugehen, daß dieselben burlesken Gebräuche auch in der griechischen Kirche stattfanden..

Die letzte der genannten Personen näherte sich jetzt in vollem Schmucke der großen Thüre der Kirche von S. Marien, als lebendige Caricatur des geistlichen Oberen, den er am Tage seiner Einsetzung, in Gegenwart seiner Geistlichkeit, im Chor seiner Kirche zum Besten zu halten kam. Der Schein-Würdenträger war ein stämmiger, untersetzter Kerl, dessen feiste Gestalt durch einen wohlausgestopften Bauch grotesk gemacht war. Er trug eine Inful von Leder, geschmückt mit falscher Stickerei und mit zinnernen Flittern. Unter dieser Mütze sprang eine ungeheure Nase hervor, eben so reich an Karfunkeln, wie die Inful an köstlichen Zierrathen. Sein Rock war von Steifleinen, sein Chorhemd von Segeltuch wunderlich bemalt und ausgezackt. In der rechten Hand trug er den Hirtenstab, in der Linken einen Spiegel mit einem Griffe und auf der Schulter das bemalte Bild einer Eule. Durch letztere Stücke glich er einem berühmten Spaßmacher, dessen ins Englische übersetzte Geschichten einst von dem Volke mit Begierde gelesen wurden, und wovon noch Abdrücke in gothischer Schrift, der Bogen zu zwölf Gulden, zu haben sind.

Die nächsten Begleiter dieses Schein-Würdenträgers waren ebenfalls possirlich herausgeputzt, so daß sie eben so den Würdenträgern des Klosters ähnlich sahen, wie ihr Anführer dem Abte. Sie folgten ihrem Anführer in geordnetem Zuge, und hinter ihnen kam die bunte Menge in die Kirche geströmt unter dem Rufe: »Platz! Platz! für den ehrwürdigen Pater Eulenspiegel, den gelehrten Mönch von Unfug und den hochwürdigen Abt von Unsinn!«

Die mißtönenden Klänge erhoben sich wieder. Die Knaben schrieen und heulten, die Männer lachten und riefen Halloh, die Weiber kicherten und quikten, die wilden Thiere brüllten, der Drache brodelte und zischte, das Pferdchen wieherte, stieg und machte Bocksprünge, und die Uebrigen hüpften und frohlockten und sprangen mit ihren benagelten Schuhen auf den Steinplatten herum, daß man überall die Spuren ihrer Tritte glänzen sah.

Es war ein Auftritt, bei welchem einem gleichgiltigen Zuschauer hätte Hören und Sehen vergehen können. Die Mönche wußten, daß ein großer Theil des Vergnügens dieser Menge darauf beruhte, daß man sie ins Lächerliche zog; sie bedachten ferner, daß die Vermummten, welche um sie herumtanzten und heulten, beim geringsten Anlaß aus dem Scherze Ernst machen oder sich wenigstens handgreifliche Späße erlauben möchten, zu welchen der Muthwille des Pöbels allezeit geneigt ist. In dem Getümmel blickten die Mönche auf ihren Abt, wie des Meeres ungewohnte Seefahrer auf den Steuermann, wenn der Sturm am ärgsten tobt, – Blicke, welche ausdrückten, daß sie nicht die geringste Hoffnung auf ihre eignen Bemühungen und sehr geringe auf die ihres Lenkers setzten.

Der Abt selber wußte nicht, was er anfangen sollte. Furcht empfand er nicht, aber er verhehlte sich nicht die Gefahr, die mit der Aeußerung seines Unwillens verbunden war, und die er doch kaum unterdrücken konnte. Er machte mit der Hand ein Zeichen, als wollte er Stille gebieten. Die Antwort darauf war Anfangs nur vermehrtes Schreien und Lachen. Als aber derselbe Wink von Eulenspiegel gegeben war, gehorchte augenblicklich die lärmende Gesellschaft, welche neue Nahrung für ihre Lustigkeit von einem Gespräch zwischen dem wirklichen und dem Schein-Abte erwartete und großes Vertrauen auf den gemeinen Witz und auf die Unverschämtheit ihres Hauptes setzte. Es erhob sich der Ruf:

»Los, Patres! Los! Mönch gegen Hanswurst, Abt gegen Abt ist ehrliches Spiel! So auch Vernunft gegen Unsinn, Schalkheit gegen Möncherei!«

»Ruhig, Gesellen!« rief Eulenspiegel. »Können nicht zwei gelehrte Väter der Kirche sich mit einander besprechen, ohne daß ihr dazu kommt mit eurem Bärengarten-Hoh und Halloh, als ob wir einen Fleischerhund auf einen tollen Ochsen hetzten? Ich sage: Still! und lasset diesen gelehrten Pater und mich mit einander reden über Angelegenheiten, die unsern beiderseitigen Stand und Rang betreffen.«

»Meine Kinder!« – – begann Abt Ambrosius.

»Auch meine Kinder – und glückliche Kinder sind sie!« unterbrach ihn sein schnurriges Gegenbild. »Manch kluges Kind kennt seinen eignen Vater nicht, und es ist gut, wenn sie zwei haben, um wählen zu können.«

»Wenn du noch irgend etwas Anderes in dir hast, als Spotten und niedrige Possen,« versetzte der wirkliche Abt; »so erlaube mir zum Besten deiner eignen Seele, ein paar Worte zu diesen irregeleiteten Menschen zu reden.«

»Irgend etwas Anderes in mir, als Spotten, sagst du?« entgegnete der Abt von Unsinn. »Ei, hochwürdiger Bruder, ich habe Alles, was meinem Amte zukommt, Rindfleisch, Bier und Brantewein sammt anderen Würzen, so nicht der Erwähnung werth sind. Und was das Reden betrifft, ei, Alter, so rede, und wir wollen dann linksum machen, wie ehrliche Gesellen.«

Während dieses Gesprächs war der Zorn der alten Magdalene aufs Höchste gestiegen. Sie näherte sich dem Abte, stellte sich neben ihn und sprach leise, aber vernehmlich:

»Wach auf und erhebe dich, Vater! Sanct Peters Schwert ist in deiner Hand. – Schlage, und räche Sanct Peters Erbtheil! Binde sie mit den Ketten, welche von der Kirche auf Erden befestigt, auch im Himmel befestigt sind!«

»Ruhig, Schwester!« sprach der Abt. »Laß ihre Verrücktheit nicht unsere Besonnenheit zerstören. Ich bitte dich, schweige, und laß mich thun, was meines Amtes ist. Es ist das erste, vielleicht auch das letzte Mal, daß ich berufen bin, es zu üben.«

»Nein, heiliger Bruder!« sprach Eulenspiegel; »ich rathe Euch, folgt den Worten der heiligen Schwester. Nimmer gedeiht ein Kloster ohne weiblichen Rath.«

»Schweig, alberner Mensch!« versetzte der Abt, »und ihr, meine Brüder« – –

»Nichts da!« unterbrach der Abt von Unsinn; »keine Rede an die Laien, bevor Ihr Euch mit Eurem Bruder von der Kapuze verständigt. Ich schwör' bei Glocke, Buch und Kerz', daß Keiner von meiner Brüderschaft ein Wort von dem, was Ihr zu sagen habt, anhören soll. Wendet Euch also an mich, der ich hören will.«

Um ein so possenhaftes Gespräch zu vermeiden, versuchte der Abt einen Aufruf an den etwaigen Rest von Achtung bei den ihren geistlichen Oberen einst so ergebenen Stiftsleuten. Aber, ach! der Abt von Unsinn brauchte blos seinen Narrenstab zu schwingen, und das Schreien und Tanzen begann wieder mit einer Heftigkeit, welche die Lunge eines Stentor hätte angreifen können.

»Also, Gesellen,« rief der Abt von Unsinn, »haltet einmal wieder den Schnabel und laßt uns sehen, ob der Hahn von Kennaquhair kämpfen oder fliehen will.«

Abermals trat eine erwartungsvolle Stille ein, welche Pater Ambrosius benutzte, um seinen Gegner anzureden, da er sah, daß er auf keine andere Weise Gehör finden konnte.

»Elender!« sprach er, »weißt du deinen fleischlichen Verstand nicht besser anzuwenden, als dazu, diese blinden und hilflosen Geschöpfe in den Abgrund der Finsterniß zu führen?«

»Wahrlich, Bruder,« antwortete Eulenspiegel, »ich kann wenig Unterschied sehen zwischen Eurem und meinem Geschäft, ausgenommen, daß Ihr aus einem Spaß eine Predigt macht, und ich einen Spaß aus einer Predigt.«

»Unglückliches Wesen,« sprach der Abt, »der du keinen besseren Gegenstand des Scherzes weißt, als den, der dich zittern machen sollte, keinen derberen Spaß, als deine eignen Sünden, und keine bessere Zielscheibe des Spottes, als Diejenigen, welche dich von ihnen loszählen können!«

»Wirklich, hochwürdiger Bruder,« sprach der Narrenabt, »was Ihr sagt, möchte wahr sein, wenn ich bei Verhöhnung der Heuchelei die Religion zu verhöhnen beabsichtigte. – O, es ist ein köstliches Ding, ein langes Kleid zu tragen mit einem Gürtel und einer Kapuze. Da werden wir Pfeiler der heiligen Mutter Kirche, und ein Knabe darf nicht an den Wänden Ball spielen, aus Furcht, ein gemaltes Fenster zu zerbrechen.«

»Wollt ihr, Freunde,« rief der Abt, umherblickend und seine Stimme mit einer Kraft erhebend, welche ihm einige Zeit ruhiges Gehör verschaffte, – »wollt ihr einem frevelhaften Schalksnarren gestatten, mitten in der Kirche Gottes seine Diener zu verhöhnen? Viele von euch, ihre Alle vielleicht, habt unter meinen heiligen Vorfahren gelebt, welche berufen waren, in dieser Kirche zu regieren, wo ich berufen bin, zu leiden. Wenn ihr weltliches Gut habt, so ist es ihre Gabe, und wenn ihr nicht verschmähtet, bessere Gaben anzunehmen, – stand euch nicht die Gnade und die Vergebung der Kirche stets zu Gebote? Haben wir nicht gebetet, während ihr fröhlich waret? haben wir nicht gewacht, während ihr schliefet?«

»So pflegten einige alte Weiber im Stift zu sagen,« warf der Abt von Unsinn ein. Allein sein Scherz fand dies Mal nur geringen Anklang, und Ambrosius, der einen Augenblick aufmerksames Gehör gewonnen hatte, bemühte sich, dasselbe zu benutzen.

»Ist das dankbar? ist das ziemlich? ist das ehrlich?« fragte er, »mit Hohn etliche Greise zu verfolgen, von deren Vorfahren Ihr Alles habt, was ihr besitzt, und deren einziger Wunsch ist, in Frieden zu sterben unter den Trümmern dieses Gotteshauses, welches einst das Licht des Landes war, und deren tägliches Gebet ist, daß sie entrückt werden mögen, bevor die Stunde kommt, wo der letzte Funke erloschen, und das Land in der äußersten Finsterniß gelassen werden wird, die es dem Lichte vorgezogen hat? Wir haben nicht die Schärfe des geistlichen Schwertes wider euch gekehrt, um Rache zu nehmen für unsere zeitliche Verfolgung. Der Sturm eures Zornes hat uns unserer Besitzungen beraubt und uns fast das tägliche Brod entzogen. Aber wir haben dies nicht mit dem Bannstrahl vergolten. Wir bitten euch nur, uns in unserer Kirche leben und sterben zu lassen unter Anrufung Gottes, Unserer lieben Frauen und der Heiligen um Vergebung eurer und unserer Sünden, ungestört durch Schalksnarrheit und Lästerung.«

Diese Rede, so verschieden in Ton und Schluß von dem, was die Menge erwartet hatte, brachte eine, der Fortsetzung des Spaßes ungünstige, Wirkung hervor. Die Mohrentänzer standen still, das Pferdchen hörte auf zu springen, Pfeife und Trommel verstummten, und »Stille gleich der Wetterwolk« schien sich über den lärmenden Haufen zu lagern. Mehre Thiere waren augenscheinlich gerührt. Der Bär konnte sein Schluchzen nicht unterdrücken, und einen großen Fuchs sah man sich die Augen mit seinem Schwanz abwischen. Besonders aber ließ der Drache von seinen schrecklichen Bewegungen mit den Krallen ab, entrollte seine gräßlichen Ringel und knurrte in reuigem Tone aus seinem feurigem Rachen:

»Bei der heil'gen Meß, ich habe nichts Arges bei Uebung unserer alten Kurzweil gedacht. Hätte ich glauben können, daß der gute Pater es sich so zu Herzen nehmen würde, so würde ich euch eher den Teufel als den Drachen gespielt haben.«

Während dieser augenblicklichen Stille stand der Abt unter den mancherlei wunderlichen Gestalten triumphierend wie Sanct Antonius in Callots Versuchungen. Aber Eulenspiegel gab das Spiel nicht verloren.

»Heda, ihr Herren!« rief er, »heißt das ordentlich gespielt? Habt ihr mich nicht zum Abt von Unsinn erkoren? und steht es euch zu, heute auf vernünftige Reden zu hören? Bin ich nicht von euch in bester Form im feierlichen Ordenskapitel erwählt worden in Lux Martins Wechselhause? Und wollt ihr mich jetzt im Stiche lassen und euren alten Zeitvertreib aufgeben? Spielt das Spiel aus, und der Erste, der ein Wort spricht, worin Sinn und Verstand ist, oder uns denken oder überlegen heißt, oder sonst Etwas, was nicht an der Tagesordnung ist, den will ich feierlich am Mühlwehr tauchen lassen.«

Der wankelmüthige Haufe rief Hurrah, die Pfeife und Trommel spielte auf, das Pferdchen bäumte sich, die wilden Thiere brüllten, und selbst der reuige Drache ringelte sich wieder und bereitete sich zu neuen Sprüngen. Demungeachtet möchte es dem Abte gelungen sein, durch seine beredten Worte und Bitten dem Unfuge zu steuern, hätte nicht Dame Magdalene Graeme ihrem lange unterdrückten Unwillen freien Lauf gelassen.

»Spötter!« rief sie, »Söhne Belials! Lästerliche Ketzer und gräuliche Tyrannen!« – –

»Ich bitte Euch und befehle Euch, Schwester,« unterbrach sie der Abt, »Geduld, zu haben. Laßt mich meine Pflicht erfüllen; stört mich nicht in meinem Amte!«

Aber Magdalene fuhr fort zu donnern im Namen von Päpsten und Concilien und im Namen des Heiligen von St. Michael abwärts.

»Gesellen!« sprach der Abt von Unsinn. »Unter allen Worten, welche diese gute Dame gesprochen hat, ist nicht ein einziges, welches Sinn hätte, und insofern mag sie sich als straflos erachten. Aber ihre Absicht war, Etwas zu sagen, was Sinn hätte. Wofern sie also nicht eingestehet und bekennet, daß das, was sie gesagt, Unsinn ist, soll es als etwas Vernünftiges angesehen und mit der Strafe unserer Satzungen belegt werden. – Derohalben, heilige Dame, Pilgerin, Aebtissin, oder wer du sein magst, schweige mit deinen Fastnachtspossen oder gewarte des Mühldamms. Wir wollen weder geistliche noch zeitliche Keiferinen in unserem Sprengel von Unsinn dulden.«

Mit diesen Worten streckte er die Hand gegen die Alte aus. Sein Gefolge rief: »Urtel! Urtel« und machte Miene, die Alte zu ergreifen. Roland Graeme hatte mit Unwillen die Verhöhnung seiner geistlichen Lehrerin angesehen, war indes verständig genug gewesen, einzusehen, daß er ihr nicht helfen, vielmehr durch unwirksames Einschreiten nur Uebel ärger machen konnte. Als er aber seine bejahrte Großmutter mit wirklicher Gewaltthätigkeit bedroht sah, übermannte ihn der Zorn. Er trat vor, stieß dem Abt von Unsinn einen Dolch in den Leib und streckte ihn nieder.

 

Anmerkung zum Kapitel:

Wir wissen von einer nicht geringeren Autorität als der Napoleon Bonapartes, daß vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt ist. Der Uebergang von einem Aeußersten zum anderen ist hier so leicht, daß allerwärts der Pöbel aller Klassen sehr dafür eingenommen ist. So wird die Lachlust unbändig, wenn der Ernst und die Feierlichkeit des Ortes und der Zeit und der Umstände das Lachen besonders unziemlich macht. Eine Art allgemeiner Ausgelassenheit, gleich der, welche bei den Saturnalien der Alten oder beim heutigen Carneval herrscht, scheint von jeher und fast überall dem Volke verstattet gewesen zu sein. Eine Eigenthümlichkeit der römischen Kirche aber scheint es gewesen zu sein, daß die Geistlichkeit, während sie sich bemühte, ihren Gottesdienst durch alle Mittel der Pracht, der Ton- und der Baukunst ergreifend zu machen, nichtsdestoweniger bei gewissen Gelegenheiten gestattete, daß das gemeine Volk einen Festkönig ernannte, der unter den Namen: Abt von Unsinn, Kinderbischof oder Obmann der Narren, Besitz von den Kirchen ergriff, die heiligen Stätten durch Nachäffung der heiligen Gebräuche entweihte und unziemliche Parodien auf die Kirchenlieder sang. Die Gleichgültigkeit der Geistlichen hiergegen, die Duldung, ja selbst Förderung dieses Treibens, bildeten einen starken Gegensatz zu der Empfindlichkeit, mit welcher sie jeden ernstlichen Angriff auf die Lehren der Kirche durch Predigten oder Schriften aufnahmen. Jene Gleichgiltigkeit läßt sich nur mit derjenigen vergleichen, mit welcher sie die derben Novellen duldeten und oft selbst bewunderten, welche Chaucer, Dunbar, Boccaccio, Bandello und Andere auf die schlechten Sitten der Klerisei dichteten. Es scheint, da wie dort wollten die Pfaffen sich mit den Laien abfinden, und ihnen Befriedigung ihrer rohen Scherzlust in unziemlichen Spöttereien unter der Bedingung gestatten, daß sie sich jeder ernstlichen Frage über den Grund der Lehren enthielten, auf welchem der unermeßliche Bau der Kirchengewalt ruhte.

Ein ganz anderes Ding aber wurden die so gutgeheißenen Kurzweile, als die protestantischen Lehren anfingen, das Uebergewicht zu erlangen. Die Ausgelassenheit, welche die Vorfahren lediglich in Fröhlichkeit des Herzens und nicht im Entferntesten mit der Absicht, die Religion herabzuwürdigen, geübt hatten, wurde jetzt vom gemeinen Volke fortgesetzt als eine Weise, ihre Mißachtung gegen die römische Priesterschaft und ihre Bräuche an den Tag zu legen. Als Beispiel hierfür mag die Geschichte von einem Amtsboten dienen, welcher 1547 auf Schloß Borthwick geschickt wurde, um den Freiherrn vor den Primas von S. Andrews zu fordern, und über welchen ein Abt von Unsinn das Urtheil sprach, daß er seine Citation auffressen und am Mühlwehr getaucht werden solle.

In einem Prozesse zwischen Junker Georg Hay de Minzeane und dem Freiherrn von Borthwick war in Folge des Nichterscheinens einiger Zeugen ein Bannbrief gegen den Freiherrn ergangen. Wilhelm Langlands, Amtsdiener oder Stabträger des Hochstifts S. Andrews, überreichte diesen Brief dem Pfarrer zu Borthwick und ersuchte ihn, denselben beim Hochamte zu verlesen. Eben führten die Burgbewohner ihr Lieblingsspiel, den Abt von Unsinn, auf, bei welchem ein Scheinprälat (gleich dem Herrn von Unfug in England) jede gesetzliche und kirchliche Gewalt und Ordnung in's Lächerliche zog. Diese lustige Person kam mit ihrem Gefolge in die Kirche, ergriff ohne Umstände den Amtsdiener des Primas, schleppte ihn nach dem Mühldamm südlich von der Burg und nöthigte ihn, in's Wasser zu springen. Damit noch nicht zufrieden, erklärte der Abt von Unsinn, Meister Wilhelm Langlands sei noch nicht genug gebadet, und gab den Umstehenden Befehl, ihn rücklings in das Wasser zu legen und ganz gehörig zu tauchen. Nach Vollziehung dieses Spruches ward der unglückliche Amtsdiener nach der Kirche zurückgeführt und ihm eine Erquickung auf das Bad bereitet. Der Bannbrief ward zerrissen, und die Stücke wurden in einen Napf Wein gelegt, weil, meinte der Narrenabt, Pergament eine gar zu trockene Speise sei. Langlands ward genöthigt, den zerstückten Brief hinunter zu würgen und darauf den Wein zu trinken, und ward vom Abte von Unsinn mit der tröstlichen Versicherung entlassen, daß, wenn während der Dauer seines Amtes mehr dergleichen Briefe einliefen, diese denselben Weg gehen sollten.

Ein ähnlicher Auftritt zwischen einem Gerichtsboten des Bischofs von Rochester und Harpool, dem Diener des Freiherrn von Cobham, kommt in dem alten Schauspiel Herr Hans Oldcastle vor.

Harpool. Hm, Herr, ist diese Urkunde Pergament?

Gerichtsbote. Allerdings.

Harpool. Und dies Siegelwachs?

Gerichtsbote. Das ist's.

Harpool. Wenn dies Pergament und das Wachs ist, so freßt dies Pergament und das Wachs, oder ich will aus Eurer Haut Pergament machen und Euer Hirn zu Wachs schlagen. Vorwärts, Amtsbote! Friß, Kerl! friß!

Gerichtsbote. Ich bin meines gnädigen Herrn von Rochester Amtsbote. Ich komme, zu thun, was meines Amtes ist. Man wird dich zur Verantwortung ziehen.

Harpool. Ich verbitte mir alle Unarten. Setze deine Zähne in Bewegung. Du sollst nichts Schlimmeres essen, als was du mitbringt. Du bringst es für meinen Herrn. Willst du meinem Herrn etwas Schlechteres bringen, als du selbst essen magst?

Gerichtsbote. Herr, ich hab' es deinem gnädigen Herrn nicht gebracht, daß er es esse.

Harpool. So, herrst du mich jetzt. – Einerlei! Du sollst es essen, weil du es gebracht hast.

Gerichtsbote. Ich kann's nicht essen.

Harpool. Du kannst nicht. Wart', ich will dich klopfen, bis du Luft kriegst. (Schlägt ihn.)

Gerichtsbote. O, halt! halt! Herr Diener! ich will es essen.

Harpool. Würg', kau', oder ich will dich kauen, du Schuft! Zähes Wachs ist das reinste im Honig.

Gerichtsbote. Das reinste im Honig? O, guter Herr, oh! oh!

Harpool. Iß, iß; es ist gesund, Spitzbub', gesund. Kannst du nicht, wie ein ordentlicher Gerichtsbote, mit deinem Bruder, dem Teufel, herumgehen und die Zinsen des Amtmanns eintreiben? Mußt du in das Haus eines Standesherrn kommen mit einem Decrete? Wenn das Siegel so groß wäre, wie das Blei auf der Kirche von Rochester, so solltest du es auffressen

Gerichtsbote. O! ich ersticke! ich ersticke!

Harpool. Heda! Ist Niemand im Hause? Wollt ihr meinen gnädigen Herrn zu Schanden machen? Ist kein Bier im Hause? Kellermeister!

Der Kellermeister.

Kellermeister. Hier! Hier!

Harpool. Gebt ihm Bier. Altes zähes Schaffell ist eine trockene Speise.

(Herr Hans Oldcastle. Erster Theil, zweiter Aufzug, erster Auftritt.)

Das Pferdchen war ein Hauptstück der Festtagspäße. In Bezug auf dasselbe ruft Hamlet aus:

O weh! o weh! vergessen ist das Pferdchen!

In Beaumonts und Fletchers Schauspiel »Weiberlust« findet sich eine sehr komische Scene, in welcher Hoffaufgott Bombye, ein puritanischer Schuhflicker, sich weigert, mit dem Pferdchen zu tanzen. Die Bewegungen, welche das Pferdchen auszuführen hatte, waren mannigfaltig und schwierig.

Der gelehrte Diener, welcher so vieles Licht über die alte englische Schaubühne verbreitet hat, gibt eine genaue Schilderung von dieser Maske.

»Das Pferdchen,« sagt er, »wurde dargestellt von einem Manne, welcher mit Stücken Pappe in Gestalt eines Kopfes und Hintertheils von einem Pferde ausstaffiert war, und mit einem langen, fast auf die Erde reichenden Teppich zur Verhüllung dessen, was an der Vierfüßergestalt fehlte. Er entwickelte alle Künste burlesken Reitens. In Sympsons Schauspiel ›die Uebertreter‹ spielt ein Müller das Pferdchen und ist ärgerlich, daß man ihm sagt, der Bürgermeister wolle es nicht leiden. ›Laßt,‹ ruft er aus, ›den Bürgermeister das Pferdchen unter seinen Amtsbrüdern spielen, wenn er Lust hat; ich hoffe, unsere Jungen in der Stadt können ein Pferdchen nicht missen. – Hab' ich mich im Zügeln, Jagen, Stolzieren, Paßgang, falschem Trab, sanftem Paßgang, und Canterbury-Schritt geübt, und soll der Herr Bürgermeister mich vom Pferdchen absetzen? Hab' ich die Vorderroß-Schellen, die Federn, den Schmuck geborgt, die Mähne frisch geschoren und gekräuselt, und soll der Bürgermeister mich vom Pferdchen bringen?‹« (Douce's Erläuterungen, Band 2, S. 468)

Die Darstellung von Robin Hood war das beliebteste Maispiel in England und Schottland, und wurde ohne Zweifel gern aufgeführt, wenn der Abt von Unsinn oder andere Volksbelustigungen eine besondere Ausgelassenheit veranlaßten.

Die protestantische Geistlichkeit, welche früher diese Gelegenheiten benutzt hatte, um ihren Spott und den Hohn der niederen Stände gegen die katholische Kirche loszulassen, fand bald nach Erreichung ihres Zweckes, daß diese Belustigungen das Volk vom Gottesdienst abzogen und einer andächtigen Gemüthsstimmung hinderlich waren. Der berühmte Bischof Latimer gibt einen sehr naiven Bericht davon, wie er, der Bischof, vor Robin Hood und seinen Gesellen zurückstehen mußte.

»Einstmals kam ich von London heimgeritten und ließ über Nacht in der Stadt ansagen, daß ich am Morgen predigen wollte, sintemal es Feiertag war und Solches mir Feiertagswerk zu sein schien. Die Kirche war an meinem Wege, und ich nahm mein Pferd und meine Gesellschaft und ritt hin und dachte eine große Gesellschaft in der Kirche anzutreffen. Und als ich hinkam, war die Kirchenthüre fest verschlossen. Ich wartete eine halbe Stunde und länger. Endlich fand sich der Schlüssel, und Einer aus dem Kirchspiel kam zu mir und sprach: ›Herr, heute ist bei uns viel zu thun, wir können Euch nicht hören, es ist Robin Hood's Tag. Die Leute im Kirchspiel sind ausgegangen, den Zug zu bilden. Ich bitte Euch, hindert sie nicht.‹ Da mußte ich also vor Robin Hood zurückstehen. Ich hätte denken sollen, man würde meinen Chorrock achten, wenn auch nicht meine Person; aber nein, ich mußte vor Robin Hood's Leuten zurückstehen. Das ist kein Ding zum Lachen, meine Freunde, es ist ein Ding zum Weinen, ein bedenkliches Ding, ein bedenkliches Ding. Unter dem Vorwande, sich zum Zuge von Robin Hood, einem Verräther, einem Diebe, zu versammeln, unter solchem Vorwande einen Prediger zurückzusetzen! sein Amt geringer zu achten! Robin Hood der Predigt des göttlichen Wortes vorzuziehen! Alles das kommt von den Prälaten, die nicht predigten. Dies Reich ist übel bestellt gewesen, daß solch verkehrter Sinn darin herrscht, daß man Robin Hood den Vorzug gibt vor Gottes Wort.« – (Bischof Latimers sechste Predigt vor König Edward.)

Während die englischen Protestanten in dieser Weise die Darstellung des Aechters der Predigt ihres trefflichen Bischofs vorzogen, fand sich die calvinische Geistlichkeit in Schottland, mit dem berühmten Knox an der Spitze, und ungeachtet des Beistandes der seit Kurzem ganz aus ihrer Partei gewählten städtischen Behörden, außer Stand, die Wuth des Volks zu bändigen, als sie ihm das Recht nehmen wollten, seine Lieblingsvorstellung, Robin Hood, aufzuführen, wie aus folgendem Bericht eines Zeitgenossen hervorgeht.

(1561) »Am 21. Juni forderten Archibald Douglas von Kilspendie, Vogt zu Edinburg, David Sommer und Adam Fullartoun, Amtleute der Stadt, den Schuhknecht Jakob Gillon vor, welcher wegen gesetzwidriger Theilnahme an Aufführung des Robin Hood verhaftet war, und stellten ihn vor ein Gericht, welches sie aus ihren Anhängern gewählt hatten. Dies Gericht verurtheilte ihn nach kurzer Berathung, für besagtes Verbrechen gehenkt zu werden. Die Zunftmeister, einen Aufruhr befürchtend, baten dringend besagten Vogt und Amtsleute, und redeten deshalb auch mit dem Prediger Johann Knox, daß die Vollziehung des Urtheils verschoben werden möchte, bis sie dem Herzog die Sache vorgetragen hätten. Wenn dieser das Urtheil bestätige, dann wollten sie, die Zunftmeister, ihm den Schuldigen überliefern. Vogt und Leute antworteten, sie könnten den Lauf des Rechts nicht hemmen. Als nun die Zeit kam, daß der arme Mensch gehenkt werden sollte, und der Henker mit der Leiter sich dem Galgen näherte, an welchem der Schuhmacher aufgehenkt werden sollte, griffen andere Handwerksgesellen, welche mit besagtem Gillon wegen der Aufführung des Robin Hood in Untersuchung gewesen waren, zu den Waffen und rissen, unterstützt von ihren Freunden, den Galgen nieder, und jagten dann den Vogt und die Amtleute sammt Alex. Guthrie in besagten Alexanders Schreibstube und ließen sie nicht heraus. Dann zogen sie vor das Zollhaus, und da dies verschlossen war, und sie die Schlüssel nicht bekommen konnten, brachen sie vor den Augen des Vogts und der Amtleute die Thüre auf, und setzten nicht nur den Gillon, sondern auch die andern Gefangenen in Freiheit. Darauf nahmen sie mit dem befreiten Schuhmacher ihren Weg nach dem unteren Bogen, um hinauszuziehen, fanden ihn aber verschlossen und zogen wieder die Hochstraße herauf nach dem Schloßberg. Mittlerweile hatten sich Vogt und Amtleute mit ihren Leuten aus Guthries Schreibstube in das Zollhaus begeben, und schossen, als die Handwerksgesellen die Hochstraße heraufkamen, auf diese und tödteten ihnen einen Hund und verwundeten einen Gesellen. Darauf kam es zum Gefecht. Aus der Zollbude wurde geschossen und mit Steinen geworfen und von der andern Seite ward mit Hakenbüchsen gegen das Zollhaus gefeuert. So hielten die Gesellen den Vogt und die Amtleute von drei Uhr Nachmittags bis 8 Uhr Abends im Zollhause eingeschlossen, und kein Mensch aus der Stadt kam, sie zu entsetzen. Die Belagerten schickten zu den Burgmannen, daß diese die Gesellen beruhigen möchten. Die Burgmannen machten einen Versuch, aber ohne Erfolg, denn die Gesellen wollten durchaus Rache für die Verwundung des Ihrigen haben. Endlich kann der Burgvogt herunter und brachte folgenden Vertrag zu Stande. Vogt und Amtleute verzichten auf jede gerichtliche Verfolgung gegen die Gesellen für alle bisherige Vergehen derselben, und gebieten ihren Meistern, sie wieder in Dienst zu nehmen. Nachdem dies am Marktkreuz verkündet war, ging der Haufe auseinander, und Vogt und Amtleute verließen das Zollhaus u. s. w.«

Johann Knox, der diesen Aufruhr weitläufig beschreibt, berichtet, daß derselbe von den Zunftmeistern befördert wurde, welche, unzufrieden mit der Gewalt, welche die Stadtbehörden sich über sie anmaßten, Nichts zur Beruhigung der empörten Menge beitragen wollten. »Sie wollen allein Obrigkeit sein,« sprachen sie; »so mögen sie auch sehen, wie sie allein mit dem Pöbel fertig werden!« Und damit gingen sie ruhig fort, ihren Vieruhrpfennig zu holen, und überließen den obrigkeitlichen Personen, zu sehen, wie sie zurechtkämen. Viele Leute wurden wegen dieser Gewalthätigkeiten mit dem Bann belegt und nicht eher wieder in die Gemeinde zugelassen, bis sie Buße gethan hatten.


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