Arthur Schnitzler
Therese
Arthur Schnitzler

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Die nächsten Wochen verbrachte sie in Enzbach bei ihrem Kind. Die ländliche Atmosphäre beruhigte, ja beglückte sie anfangs so sehr, daß ihr der Gedanke kam, sich vorläufig um Lektionen bei den Sommerparteien zu bemühen und sich später vielleicht in dem Orte ansässig zu machen. Es war ihr diesmal, als müßte sie sich innerhalb der einfachen und ihr gegenüber meist freundlichen Menschen immer viel wohler fühlen können als in der Stadt unter den Leuten, deren Kinder sie aufziehen mußte und die sie dann vor die Türe setzten.

Es gab unter den Einheimischen gar manche, mit denen sie zuweilen zu reden pflegte und die ihr wie auch ihrem Buben eine gewisse Sympathie entgegenbrachten. Schon vor längerer Zeit hatte sie einen Vetter der Frau Leutner kennengelernt, Sebastian Stoitzner, einen noch ziemlich jungen Menschen, der vor kurzem Witwer geworden war. Er sah nicht übel aus, war wohl gewachsen, befand sich in auskömmlichen Verhältnissen und suchte nach einer zweiten Gattin, die seinem Hof und seinem Hauswesen vorstehen könnte. Es fügte sich, nicht eben zufällig, daß er öfters bei den Leutners vorsprach und auf Therese durch seine ungezwungene, manchmal humorvolle Art erfrischend wirkte und sich auch mit dem Buben in einer ungeschickten und dabei rührenden Weise beschäftigte. Seine wachsende Neigung zu Therese war unverkennbar; Frau Leutner ließ es an überdeutlichen Anspielungen nicht fehlen, und es gab Stunden, in denen Therese ernstlich eine Verbindung mit ihm in Erwägung zog. Aber je öfter er sich 162 sehen ließ und je unverhohlener er seine Gefühle zum Ausdruck brachte, insbesondere, als er sie einmal auf einem Spaziergang mit unerwartet brutaler Leidenschaft an sich riß, fühlte sie, daß es hier eine dauernde Gemeinschaft niemals geben könne, und sie ließ es ihn so deutlich merken, daß er seine Bemühungen ein für allemal einstellte. Als nun nach seinem Verzicht wieder die Langeweile über sie kam, machte sie sich anfangs Vorwürfe darüber, daß das Beisammensein mit ihrem Kind nicht vermochte, ihr Dasein völlig auszufüllen. Aber bald sagte sie sich, daß sie bei aller Liebe zu dem Buben einfach nicht fähig war, die Untätigkeit länger zu ertragen, daß sie überdies gar nicht das Recht hatte, ein müßiges Leben auf dem Lande zu führen, ohne an ihren Beruf und vor allem ohne ans Geldverdienen zu denken.


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