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Brief an seine beiden Kinder

Im Nankingerland grünt das Maulbeerlaub,
Und dreimal sind die Seidenraupen schlafen gegangen.
Mir geht im Kopf herum, wer dort in Schantung,
Wo meine Lieben wohnen, das Feld besät.
Ich kann nicht beizeit zurück sein für die Lenzbestellung.
Noch irgend helfen, denn ich reise auf dem Fluß.
Der Südwind weht und fährt in meinen heimwehsiechen Sinn
Und führt ihn fort, hinauf vor unsre traute Bleibe.
Da sah ich einen Pfirsichbaum zuost des Hauses,
Mit fetten Blättern an den Zweigen, die im blauen
Nebel nicken.
Es ist der Stamm, den ich vorm Fortgehn pflanzte.
Drei Jahr' sinds her; er wuchs zur Höhe unsres Hausdachs auf,
Dieweil ich, ohne heimzukehren, umgewandert bin.
Ping-yang, mein niedlich Töchterchen, ich seh, du stehst
Beim Pfirsichbaum und pflückst dir einen Blütenzweig.
Du pflückst die Blüten, und ich bin nicht da –
Wie deine Tränen fließen, ein Wasserstrom!
Po-chin, mein Söhnchen, aufgeschossen zu der Schwester
Schulter,
Du kommst heraus mit ihr unter den Pfirsichbaum.
Doch wer ist dort, dir den Rücken zu tätscheln?
Die Sinne schwinden mir, denk ich an diese Dinge,
Und eine scharfe Pein schneidet mein Herz jeden Tag.
Nun trenn ich ein Stück weiße Seide ab, diesen Brief
zu schreiben,
Und send ihn euch mit meiner Liebe, langen Wegs flußauf.


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