Johannes Scherr
Rosi Zurflüh
Johannes Scherr

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Achtes Kapitel. Wetterleuchten.

Der Sommer verstrich und der Herbst hatte droben auf den Bergen schon deutlich genug die weißen Vorboten des Winters mehr und mehr talwärts vorrücken lassen, aber noch immer verzögerte sich Ruodis Heimkehr. Mit dem Wechsel der Jahreszeit wurde Rosis Sehnsucht nach dem Abwesenden wieder quälender, als sie sommerlang gewesen. Denn während der guten Zeit hatten doch allerhand Beschäftigungen im Freien willkommene Ableitung und Zerstreuung geboten. Es gehörte ein kleines »Feldg'werb« zum Rütli, und wenn auch den Sommer über zwei von den drei Kühen, welche den Viehstand ausmachten, mit der Herde aus der Zwihl auf die Alpen gingen, so gab es doch in Haus und Feld für eine so arbeitsame Hausfrau, wie Rosi war, genug zu schaffen. So oft sie abends mit ihrer Magd, dem Mareili, einer stillen und anhänglichen Person, ermüdet heimkam, sagte sie immer: »Gottlob! schon wieder ein Tag weniger!« und es braucht nicht erklärt zu werden, was sie damit meinte. Die Zwihlbäurin, obgleich die Rüstigkeit und Tätigkeit selbst, sagte zuweilen: »Los', Rosi, du brauchst dir's gäng nit so sauer z'machen. Hast's ja nit nötig.« Aber die Tochter war gleich mit der Entgegnung bei der Hand, 's Arbeiten tät' ihr wohl und sie hielt' was darauf, daß ihr Ruodi, wenn er heimkam', Haus und Heime in bester Ordnung vorfand'.

Ruodi schrieb fleißig, recht fleißig – bis in den Herbst hinein. Er war wohlauf und es ging ihm nach Wunsch. Seine Briefe waren anfangs der süßeste Trost für Rosi: es war darin ganz der herzliche Ton, die ungezwungene Wärme und unerkünstelte Zärtlichkeit, wie er stets zu seiner Frau gesprochen hatte. Traf es sich, daß der Postbote so einen Brief an einem Samstag brachte, so gab es immer eine Sonntagsfreude in der Zwihl. Denn Rosi aß dann nach dem vormittäglichen Kirchgang im väterlichen Hause zu Mittag, und nach dem Essen las sie im Oberstübli den eingelangten Brief der Mutter und Schwester vor. Im Oktober schrieb Ruodi zum erstenmal eine kürzere Epistel als bisher, und er sagte darin, seine Arbeit würde noch bis zum Neujahr, ja vielleicht bis zum Hornung oder März währen, denn der Herr Baron, welcher ihn übrigens sehr freundlich behandle, wisse immer wieder diese oder jene Erweiterung des ursprünglichen Planes in Vorschlag zu bringen. Das war freilich ein leidiger Umstand. Rosi zählte an den Fingern ab, wie viel Monate, Wochen, Tage es noch währen könnte, bis sie ihren Mann wiedersehen sollte. Es war noch lange, lange. Aber noch viel leidiger war es doch, daß die arme Frau zu fühlen glaubte, es hauche sie etwas – sie wußte nicht was – aus dem Briefe kühl an. Mit unsäglicher Spannung sah sie dem nächsten Briefe entgegen. Es dauerte zwei volle Wochen länger als gewöhnlich, bis er eintraf. »O, gottlob! er ist doch nicht krank!« sagte Rosi schwer aufatmend, als sie das Schreiben überflogen hatte. Dann las sie es genauer und las es zum dritten und viertenmal. Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, wie um etwas abzuwischen oder abzuwehren. War der kühle Hauch wieder da? Vielleicht stärker, anfröstelnder sogar? »Was ich mir nur wunderlich's einbilde!« dachte sie. »Da steht es ja: My lieb's Rosi – und da wieder und noch einmal!«

Und doch – was war das nur? – fühlte sie dunkel, daß etwas, vieles, alles an und in diesem Briefe, wie schon im vorhergehenden, nicht war, wie es eigentlich sein sollte. Sie konnte sich mit dem besten Willen dieses Gefühls nicht erwehren und doch auch nicht weiter darüber ins klare kommen. Hätte sie das gekonnt, würde sie vielleicht erkannt haben, daß zwischen den Zeilen Ruodis ein Verschweigen zu lesen war, ein Verschweigen von bedrohlichem oder gar von schon eingetroffenem Unglück. Aber der Ruodi schien ja ganz heiter zu sein. Freilich auch in einer gewissen Unruhe und Hast. Der Brief sprang so unstet, fast zappelig von einem zum andern. Da eine abgebrochene Beschreibung von einer großen Militärparade, dort die nur zur Hälfte vollendete Schilderung einer Vorstellung im Opernhause, in welcher von einem »gesungenen« und »getanzten« Tell die Rede war. Rosi wußte nichts von Rossini, sie hatte überhaupt von einer Oper keine Vorstellung und sagte sich naiv, das müßten »apartige« Leute sein, da draußen im Dütschland, die den Wilhelm Tell so auf dem Theater singen und herumspringen ließen. Es waren in dem Briefe noch andere Vorgänge aus dem Leben einer großen Residenzstadt beschrieben oder vielmehr angedeutet, welche sich die junge Frau nicht zurechtzulegen wußte. Soviel aber entnahm sie daraus, daß ihr Mann neuestens mehr in der Stadt verkehren müßte als draußen in der schnarrbitzschen Schweiz, welche er ihr in seinen früheren Briefen so greifbar anschaulich und mit soviel Humor geschildert hatte, daß sie und das Vreneli oft mitsammen über das »Schreckhorn« und die »Jungfrau« und den »Brienzersee« in der Schnarrbitz herzlich gelacht hatten, während die Zwihlbäurin über die Schnarrbitz und deren Beherrscher das Konklusum abgab: »Große Herre dürfet gäng so baggäugelig sein, als es ihnen g'fällt.«

Die folgenden Briefe Ruodis hielten sich im nämlichen Ton. Wenn sich Rosi nur zu sagen gewußt hätte, warum denn eigentlich dieser hastige, fahrige Ton sie so tieftraurig machte! Ihr Mann ließ es doch an Liebesbeteuerungen, an zärtlichen Worten wahrhaftig nicht fehlen. Ja – aber gerade das war es! Diese Zärtlichkeiten, diese Beteuerungen, sie klangen doch so ganz anders als früher, so fremd, so frostig! Früher brauchte er ja seine Frau seiner Liebe gar nicht zu versichern, die verstand sich ja von selbst, und er hatte es auch nicht getan, wenigstens nicht so, nicht so! Wenn Rosi das Theater gekannt hätte, würde sie die Zärtlichkeitsergüsse in den späteren Briefen ihres Mannes theatralisch gefunden und gemeint haben, das sei in den großen Städten so Mode. In ihrer ländlichen Einfachheit jedoch wußte sie mit den hochtrabenden Redensarten gar nichts anzufangen. Aber nein, etwas doch. Aus der unklaren Beängstigung, in welcher sie schwebte, entwickelte sich ein bitterer Zweifel, nicht gegen Ruodi, o nein, aber gegen sie selbst. »Wird er,« fragte sie sich mit Schrecken, »der so viele Dinge gesehen, von denen du nichts weißt und verstehst, er, der jetzt soviel mit den Herrenleuten umgegangen ist und sich, scheint's, ihre Art angeeignet hat, wird er dich noch gern haben können? O, ich hätt' ihn nicht gehen lassen sollen, ich hätt' ihn nicht gehen lassen sollen!«

Das »Zu spät!« ist ein Alltagswort in den Familiengeschichten so gut wie in den Staatsgeschichten, aber dort gerade von so wenig Belang wie hier. Man gedenkt seiner überall erst dann, wenn es eben zu spät ist.

Indessen da droben im Rütli schien alles wieder gut zu werden, alles wieder ins alte glückliche Geleise zu kommen, als zu Ende des März der Ruodi heimkehrte, volle vierzehn Tage früher, als seinem letzten Briefe zufolge Rosi ihn hatte erwarten dürfen.

Aber sie hatte ihn das Tal heraufkommen sehen, im Zwielicht von der Hügelhalde spähend, wie sie seit Wochen allabendlich zu tun pflegte. Das Mareili drinnen am Küchenherd hörte ihre Frau draußen einen lauten Schrei ausstoßen, und als es hinausging, zu sehen, was es gäbe, sah es die Rosi schon unten am Seeufer hineilen.

Wie stürmisch sie den Kommenden bewillkommte! Es war etwas rührend Wildes in ihrer Freude. So heiß hatte sie den geliebten Mann nie geküßt, nie, selbst in den Tagen und Nächten des Honigmonds nicht.

Das war ein Jubel!

In der Unschuld ihres Entzückens übersah es die Glückliche, daß Ruodi vermied, ihr in die Augen zu sehen.

Sie fand auch nichts Besonderes, nichts Störendes darin, daß er, kaum in seinem Hause angelangt, mit einer fast prahlerischen Eile und Wichtigkeit seine Reisetasche auftat und in Gold und Silber den bedeutenden Nettoertrag seines glücklich abgetanen Geschäftes auf den Tisch hinzählte. Nur sollte er nicht verlangen, daß sie sich gar zu viel daraus machte. Was war ihr das alles gegen das eine, daß sie ihn wieder hatte? Ihren Ruodi!

Ihren Ruodi?

So glaubte sie.

Sie nahm keinen Anstoß daran, nein, sie fand es ganz in der Ordnung, daß der Heimgekehrte mit einer gewissen Hast noch an demselben Abend nach der Zwihl hinaufbegehrte. Hätte sie doch in ihrer Seligkeit eher an den plötzlichen Einsturz des Glanzhorns gedacht als daran, daß in den ersten Stunden des Wiedersehens für den geliebten Mann in dem Alleinsein mit ihr etwas Drückendes, Beängstigendes liegen könnte. Sie war sogleich bereit, mit ihm zu gehen, und bis tief in die Nacht hinein saßen sie mit der Mutter und der Schwester im Oberstübli der Zwihl, dem Reiseberichte Ruodis lauschend.

Was hatte der Mann inzwischen nicht alles gesehen, und wie wußte er davon zu erzählen! »Ma könnt's ahsograd drucken,« meinte die gute Zwihlbäurin. 's Vreneli war zwar etwas abweichender Meinung. Sie dachte: »Der Ruodi ist gäng ein g'scheiter Mann, aber was er da erzählt, ist doch lang' nit so schön, wie wenn der Herr Pfarrer vom Dütschland redet, wo er auf Hochschulen gewesen.« Aber sie hütete sich wohlweislich, diesen Gedanken zu äußern. Der Rost war alles recht, und sie hing mit Aug' und Ohr an den Lippen ihres Mannes. In ihrer freudigen Aufregung nahm sie jedes Wort, das er sprach, wie ein Orakel hin, und wo sie seine vornehm tuende Redeweise nicht immer ganz verstand, so war ja nicht er, sondern nur sie daran schuld.

Ja, sie fühlte sich glücklich, endlich wieder so ganz glücklich. Alles Leid, alles Bangen war vorüber, war vergessen, für den Augenblick – nein, für eine ganze Woche.

Eine ganze Glückswoche ist aber schon viel im menschlichen Leben. Hat nicht der siebzigjährige Goethe, den man vor und nach seinem Tode mit Grund als einen der glücklichsten Menschen pries, gesagt, wenn er alles zusammenzählte, so ergäbe sein ganzes Leben kaum die Summe von vier Wochen reinen Glückes?

Ruodi war in den Freudensturm, welcher Rosis Seele bewegte, mit hineingerissen worden. Sehr bald jedoch mußte die arme Frau die Bemerkung machen, daß aus seinem ganzen Gebaren sie etwas so Fremdes, Kühles anhauche, wie damals aus seinen Briefen. Sie glaubte sich zu täuschen und, o, wie gab sie sich Mühe, sich wirklich zu täuschen! Aber es ging nicht, es ging nicht! Der wochenlange Glückstraum zerrann wie ein Regenbogen, wie der Schatten eines Regenbogens.

Sie bemerkte, daß ihr Mann, der sonst so rastlos und fröhlich Tätige, halbe und ganze Stunden lang müßig an seinem Werktisch im Erker saß, nachdenklich, träumerisch vor sich hinsehend. Wenn sie ihn ansprach, schrak er auf, heftig, fast wie zornig. Gewahrte er dann ihr Befremden, so versuchte er sie anzulächeln wie sonst. Aber, o, dieses Lächeln, es war nicht mehr wie sonst, so gar nicht mehr wie sonst.

Es kam ihr auch vor, Ruodi sei abgemagert, und gewiß, seine früher so hellen Augen waren trübe. Er hatte auch keinen rechten Appetit.

»Ruodi,« fragte sie ihn liebevoll, »bist du krank?«

»Krank? Ich? Rosi, was fällt dir ein? Ich bin mein' Lebtag' nie krank gewesen.«

»Aber du magst nicht essen, bist mager und müde –«

»O, das hat gar nichts zu sagen. Die Luftveränderung und der plötzliche Wechsel der Lebensweise – weißt du? Laß nur erst noch ein paar Wochen um sein, so wird unsere Bergluft alles wieder in Ordnung gebracht haben.«

Alles? Rosi meinte, ihr Mann habe das Wort so ganz eigen betont. Was wollte er nur damit sagen?

Zweifelnd äußerte sie:

»Aber los', lieb's Manni, wenn ebbis nit in Ordnig sein sollt', so war' es gäng –«

»Ei was, Rösli! Das war ja nur so 'ne Redensart von mir. Ich bin ganz wohlauf. Aber da fällt mir ein, daß ich nach meinem Holzvorrat sehen muß, der jedenfalls einer Erneuerung bedarf.« Damit ging er rasch zur Stube hinaus und die Treppe hinunter.

»Was ist denn das?« fragte sich Rosi. »'s ist neime, wie wenn er ungern mit mir würd' reden. 's kann ihn doch nit verzürnen, wenn er sieht, daß ich um ihn b'sorgt bin? G'wiß und sicherli ist er nicht wohlauf.«

Es ließ ihr keine Ruhe, sie mußte nach einer Weile ihm nachgehen und traf ihn hinter dem Hause in dem Gaden, wo das Material seiner Kunst aufbewahrt war. Da kramte er unter den Hölzern und Brettern herum, so in Gedanken verloren, daß er seine Frau lange dastehen ließ, ohne sie anzureden. Endlich sagte er:

»Mit dem Zeug da ist nicht mehr viel zu machen, 's muß je bälder je besser neuer Vorrat beschafft werden. Ich will drum noch heut' in d' Höllenschwärz zum Strobelchäpi.«

»Zum Strobelchäpi? Aber du wolltest ja nichts mehr mit dem Mann zu tun haben, seit er dir vor zwei Jahren das versprochene und zur Hälfte schon vorausbezahlte Holz nicht lieferte.«

Sie sprach das arglos so hin und dachte sich dabei nicht um ein Haar mehr, als sie sagte. Dennoch schien ihr Einwurf den Ruodi unangenehm zu berühren. Er warf ihr einen forschenden Seitenblick zu und entgegnete:

»Das verstehst du nicht, Rosi. Ihr Weiber versteht überhaupt nichts von Geschäften. Der Strobelchäpi ist ein Bränntsludi, ein Schlufi, ja, das ist er; aber daneben hat er wie kein zweiter centum 'nen Blick und Schick, 's best' Holz z' finden und herbeiz'schaffen. Wie gesagt, das verstehst du nicht.«

Das mochte nun wohl so sein, und Rosi gab in ihrer Bescheidenheit unbedenklich zu, daß ihr Mann recht habe. Aber so kurzweg, fast barsch hatte er bis zum heutigen Tag noch nie zu ihr gesprochen. Es traf sie hart, und sie fühlte, daß ihr die Tränen in die Augen stiegen; aber sie bezwang sich und schwieg. Sie wollte ihn nicht reizen, um keinen Preis, jetzt, da er augenscheinlich krank war. Denn wie hätte er sich sonst gegen sie so unfreundlich bezeigen können?

Er schwieg ebenfalls eine Weile, Hölzer und Bretter zwecklos von ihren Stellen rückend und dann wieder hinwerfend. Dann begann er wieder:

»Ei, Rosi – ja, das hab' ich dir noch gar nicht erzählt. Denk dir, ich hab' z' Berlin auch eine Bekanntschaft von Windgellen getroffen.«

Er sagte das so leichthin, wie man von einer reinen Bagatellsache zu sprechen pflegt. Aber es war keine natürliche, sondern eine gemachte Leichtigkeit in seiner Stimme und Betonung.

»Einen Bekannten von Windgellen?« fragte Rosi mit unbefangener Neugier.

»Ich sage nicht: einen Bekannten.«

»Was meinst?«

»Keinen Er, aber eine Sie.«

»Ja so! Aber was könnt' denn das für eine sein?«

»Rat mal!«

»Ich rat' schon, aber ich errat's gäng nit.«

»Wirklich nicht?«

»Wahrli, nein.«

»Ja, du wirst Augen machen, wenn ich dir sag', daß ich z' Berlin 's Schwarzelsi aus der Höllenschwärz getroffen.«

Rosi machte jedoch zu dieser großen Neuigkeit gar keine besonderen Augen, sondern fragte ohne großen Anteil:

»Was, Ruodi? 's Elfi, das wegg'laufen wild Chind aus der Höllenschwärz?«

»Eben 's Elsi. Du würdest 's aber nicht mehr erkennen. Aus dem Chind ist 'ne staatsmäßige Dam' worden.«

»Was du nit sagst, Ruodi! 'ne Dam? Das hätt' man wahrli dem wilden Baggäugel nit ang'sehen. Aber wie ging denn das zu?«

»Ja, siehst du, 's muß ihr »anfangs da draußen im Dütschland recht knapp gegangen sein. Sie will auch davon nicht viel wissen oder wissen lassen. Soviel merkt' ich, daß sie eine Zeitlang beim Theater gewesen sein muß.«

»Beim Theater? Unter den Komödianten? Da hat sie gang nit viel Guts g'sehen und g'lernt. Nit drum, sie war ja von klein auf ein leichtsinniges Dingli. Aber ich will ihr damit kein Unrecht tun. 's hat mich oft verbarmet, daß es unter Leuten wie der Strobelchäpi und 's Strobelbäbi aufwachsen mußt', 's kann sich gäng in der Fremde draußen auch gebessert haben. Hat doch, mein' ich, der Herr Pfarrer mal in der Zwihl g'sagt, daß es neime auch unter oem Komödienvolk rechtschaffene Leut' gab'.«

»Jawohl, jawohl. Du mußt dir die Komödianten bei den großen Theatern nicht vorstellen wie die, welche auf unsern Jahrmärkten herumziehen. Das sind Künstler und Künstlerinnen, Rosi, ja, Herren sind's und Damen.«

»Und so 'ne Dam' ist 's Elsi? Drum wollte der Strobelchäpi nit sagen, was für eine, als er gäng vorm Jahr um die Zeit mit sei'm Töchterli so schüli großtat im Dorf!«

»Nein, sie ist keine Theaterdam' mehr.«

»Was denn?«

»Sie ist Haushälterin bei unserem Freund, dem Herrn Baron von der Schnarrbitz.«

»Haushälterin? Das ist gäng g'späßig. Wie sollt 's Elfi so 'nen Haushalt führen können?«

»O, sie hat damit nicht viel zu tun. Ihr Hauptgeschäft ist, dem Baron vorzulesen.«

»Vorz'lesen? Kann er denn nit selber lesen?«

»Freilich, aber weißt, große Herren wollen's bequem haben.«

»Und bei dem Herrn Baron hast du 's Elfi getroffen?«

»Wo sonst? Sie hatte eine große Freude, wieder mal einen Landsmann zu sehen – und daß ich's nicht vergess', sie läßt dich schön grüßen.«

»Mich schön grüßen? Ei, als sie noch daheim war, hat sie mich ja nit ausstehen können und hat mir, obschon ich ihr mit Wissen nie ebbis z'leid tat, mit ihrem losen Mundstück manchen Schlötterlig a'g'hängt.«

»Ja, sie hat mich daran erinnert und, indem sie hellauf lachte, gesagt, es sei aus purer Eifersucht geschehen.«

»Aus Eifersucht? Das Ding war ja noch ein Kind. Das ist wirkli zum lachen. – Aber los', Ruodi, der Herr Baron hat doch eine Frau?«

»Nein, er hat nie eine gehabt.«

»Er hat keine Frau und lebt mit so 'nem jungen Meitschi im Haus? Pfüdi!«

»Oh, jetzt tust du dem Baron und dem Elfi unrecht! Ei ist ja so alt, daß er ihr Großvater sein könnt'.«

Wie eifrig er das sagte! Viel zu eifrig, als daß Rosi der Sache nicht größere Beachtung als bisher hätte schenken sollen.

Sie schaute verwundert auf und nach ihrem Gatten hin. Aber der war, von ihr abgewendet, wieder in seinem zwecklosen Herumkramen begriffen.

»'s ist neime wunderli!« dachte sie mehr nur laut, als sie es sagte oder sagen wollte.

»Was?«

»Daß du mir nie von dem Elfi geschrieben.«

» Ei, was denkst? Das schien mir gäng zum Schreiben gar nicht wichtig genug.«

Er stockte und setzte nach einer Weile, in ein gezwungenes Lachen ausbrechend, hinzu: »Am End' bist gar jetzt du eifersüchtig, Rosi? Aber komm', sei kein Närrli! Gib mir's Vesperbrot, 's ist Zeit dazu, und ich will dir zeigen, daß ich essen mag. Hernach muß ich in d' Höllenschwärz.«


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