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Worin bestand nun aber sein eigentlicher Wert? Jener, der zunächst einmal vorhanden sein mußte, um sowohl zur allgemeinen Wertschätzung wie zur »Veronkelung« Anlaß zu bieten?
Er bestand, mit wenig Worten gesagt, darin, daß er mit allem, was er empfand und zeit seines Lebens in Gestaltung zu verwandeln willens blieb, durchaus ursprünglich war.
Wilhelm Busch war ein Naturgewächs der niederdeutschen Landschaft und in seinem Wesen von Überlieferungen urzeitlicher Gebräuche, von deren Lied- und Märchenhaftem, so sehr bestimmt, daß er der neuzeitlichen Umwelt gegenüber hilflos dagestanden hätte, wenn er ihr nicht mit den Mitteln des Spottes gewachsen gewesen wäre.
Auch seine Vorliebe für Grausamkeiten, über die man vielfach den Kopf geschüttelt hat, sofern man sie nicht gerade herrlich fand, weil man sie gründlich mißverstand, – geht auf den Urborn des Niederdeutschen zurück, von dem sein Wesen durchdrungen war, auf das Sagen- und Märchengut unserer norddeutschen Heimat. Da wird gefoltert, gehauen und gestochen. Da rollen die abgeschlagenen Köpfe der ertappten Bösewichte wie Kohlrüben über den Anger, da werden Augen ausgebohrt und Herzen mit glühenden Zangen herausgezwickt. Aber alles dennoch nur, weil in grauen Vorzeiten, und vielleicht in noch nicht einmal so grauen, Gut und Böse derart streng geschieden und in den Zeitläuften der geschonten Nerven das Verlangen nach sinnfälligster Bestrafung des Verpönten und also Schlechten ebenso natürlich war wie die Freude an der Belohnung des Erwünschten und also Guten. In dieser Welt ist der Ursprung der Grausamkeit Wilhelm Buschs zu suchen. Nur wirkte bei ihm alles viel stärker, weil in seinen Gegenwartsgestaltungen die Grausamkeiten dem Möglichen viel näher stehen als in der Überlieferung des Märchens aus vergangenen Tagen, wo sie gerade durch die Häufung und Steigerung ins Kolossalische so groteske erscheinen, daß sie für unbefangene Gemüter schon wieder harmlos geworden sind.
Als ein Weiteres kam bei Busch hinzu, daß seiner elementaren Grundanlage von frühauf, wie wir sahen, eine Skepsis zuwuchs, die beim Jüngling durch Schopenhauer-Lektüre noch verstärkt und für das ganze Leben untermauert worden war. Aber selbst dies hätte nicht entscheidend werden müssen bis zu dem Grade, der den Bruch im Menschlichen wie im Schöpferischen des Künstlers herbeiführen sollte, wenn Busch eine stärkere Natur und somit fähig gewesen wäre, ungeachtet der zweiflerischen Grundeinstellung zur Welt so mit ihr fertig zu werden, daß zum Schluß statt des »Nöckergreises«, als den er ehrlich, wie er bis ins letzte blieb, sich selbst bezeichnete, ein wenn auch nachdenklicher, so doch versöhnlich lächelnder Betrachter dabei herausgekommen wäre.
Aber so stark war er eben nicht, und da wir als Lebewesen auf dieser Erde schließlich immer nur mit dem zu rechnen berechtigt sind, was ist, so sollen wir froh sein, einen »verhinderten Dichter« wie ihn zu besitzen, dessen Verhinderungen noch von höherer Bedeutung für uns sind als die Erfüllungen anderer, die nur darum Dichter geheißen werden, weil sie aus der Not ihres Mangels an dämonischen Kräften und deren Verwicklungen die Tugend einer kaltherzigen und darum unanstößigen Glätte gemacht haben.
Es ist die Tragikomödie im Leben Wilhelm Buschs, daß er aus einer Art von Ehrlichkeitspedanterie immer wieder darauf verfällt, dem Bösen in sich nachzuspüren:
»Man sagt wohl so hin: Sei nur ein Mensch und du bist gut! O lügenhafter Dünkel! Bei den besten Menschen, die mir begegnet sind, habe ich noch immer die Reißzähne von den Schneidezähnen ganz deutlich unterscheiden können. Der Wille ist das Starke, Böse, Wirkungsvolle, Erste. Der Intellekt ist Nummer zwei. Nicht wollen, Ruhe wär das Beste. Wie soll das kommen? Da steckt's Mysterium.«
Indessen möchte das noch hingehen, denn die Selbstkontrolle könnte heilsam sein für sein philosophisches Gemüt. Aber sein unglückselig junggeselliger, verknurrter und verbiesterter – man möchte manchmal fast sagen altjüngferlicher – Hang, die Nutzanwendung davon auf die Menschen im allgemeinen zu erstrecken und ihnen anzukreiden, was ihm selbst ein Dorn im Auge war, macht sich immer wieder auch in der Gestaltung geltend. Wie anders hätte alles kommen können, wenn es ihm möglich gewesen wäre, weit weg von Bitterkeit mit einem Lächeln aus der Höhe, oder auch mit einer gelegentlichen herben Grimasse, zum Ausdruck zu bringen: Was hätte ich mit meiner Begabung, Fehler und Schlechtigkeiten aufzuspüren, eigentlich anfangen sollen, wenn die Menschen besser wären als sie sind?
Der Satiriker, der jeden Abend zum lieben Gott betet: Unsere tägliche moralische Entrüstung gib uns morgen, damit wir zu essen haben!, ist in diesem Falle unzweideutiger.
Allerdings: Daß er zu wirklicher Überlegenheit nicht fähig war, brauchte noch lange kein Beweis für Schwäche zu sein, sondern könnte eher von übergroßer charakterlicher Kraft des Beharrens zeugen, denn selbst der größte aller Wilhelme, Shakespeare, dem die Menschheit ja wohl ein für allemal bescheinigt hat, daß er eine der stärksten Seelen war, die sich je herabließen, auf diesem licht-grauen Erdenball menschliche Gestalt anzunehmen, – selbst dieses unbegreifliche Wundergeschöpf ist unversehens in der Einsamkeit eines Dörfchens, dessen Namen niemand weiß, verschollen. Aber dies – und darauf kommt es an – drückte sich nicht und nimmermehr in seinem Lebenswerk aus. Doch unser Meister machte leider, wenn auch mit dem Shakespeare in der Tasche, sein dörfliches buen retiro zu einem etwas säuerlichen und verknitterten Idyll. Zwischen biederem Wurmisieren (wie Gottfried Keller das einmal so entzückend nennt) und manchmal fast an Swift heranreichendem Gallenfluß zahlte er der Welt heim, daß die Heiterkeit, die er ihr auf Wunsch geboten und immer wieder geboten hatte, mit dem Verlust des eigenen Lachens allzu teuer erkauft worden war.
Er ist in Wahrheit nie ein Satiriker gewesen – auch dort nicht, wo seiner Darstellung das »Aktuelle« aufgeklebt war wie im »Heiligen Antonius«, der von übertriebenen Frömmlern sogar vor den Staatsanwalt gebracht, wenn auch freigesprochen wurde. Busch hat diese Verkennung mit dem späteren bayrischen Schriftsteller Ludwig Thoma gemeinsam, der ebenfalls – allerdings mit einem stärkeren Anschein des Rechts, weil er gegen erhöhte Unduldsamkeit von gewisser Seite auch stärker dreinfuhr – für einen Satiriker gehalten wurde, obgleich er, wie sich bei der Probe aufs Exempel, im Weltkrieg, erwies, ein geradezu liebevoller Schilderer bajuvarischen Wesens und im weiteren sogar ein leidenschaftlicher deutscher Patriot war, dem lediglich die Zornader schwoll und die Faust auf den Tisch niederfuhr, wenn ihm die Dummheiten der Umwelt gar zu sinnfällig schienen. Ach, was hatten die Leutchen für eine Vorstellung von einem Satiriker! Man braucht nur an eine Erscheinung wie Swift zu denken, um zu wissen, daß es dergleichen alle paar Jahrhunderte nur einmal gibt.
Es steht außer jedem Zweifel, daß Wilhelm Busch nicht nur in weiser Selbsterkenntnis verzichtete, das zu tun, was ihm handgelenksmäßig ein Leichtes gewesen wäre: die Serie seiner Bilder- und Reimbücher ins Endlose fortzusetzen. Vielleicht war diese noble Bescheidung auch bestimmender für die Beschränkung in seiner äußeren Lebenshaltung und den Verzicht auf Ehe und Familie als die ihm wohlmeinend aber ahnungslos angedichtete Herzensgeschichte von einer nicht geglückten Verlobung. Denn was seine Einstellung zur Ehe betrifft, so muß man schon sagen: Liebevoll war sie nicht unbedingt. In den »Haarbeuteln« erblickt Frau Zwiel, als sie morgens vor der Tür die Milch entgegennehmen will, ihren in der Rächt erfrorenen und zu einem Eismann erstarrten Gatten, worauf sich Folgendes ereignet:
»Schau schau!« ruft sie in Schmerz versunken,
»Mein guter Zwiel hat ausgetrunken!
Von nun an, liebe Madam Pieter,
Bitt ich nur um ein Viertel Liter!«
Er scheint im Hinblick auf die Frauen und die Liebe nach wie vor eines Sinnes zu bleiben mit dem aus seiner Gefühlswelt trotz gelegentlicher spöttischer Ablehnung nicht mehr hinwegzudenkenden Schopenhauer, jenem Unverbesserlichen, »dem das Schweifwedeln seines Pudels mehr sagte als die natürlich mimisierten Gebärden der Liebe«.
Wenn man sich eine Vorstellung von der Tragik im Leben eines wider Willen zum Humoristen erklärten Idyllikers machen will, kommt man von Wilhelm Busch ganz natürlich zu Wilhelm Raabe, der ebenso wie jener aus übergroßer Empfindsamkeit zum Pessimisten veranlagt oder sagen wir gleich geboren war. Beide haben denselben seelischen Nährgrund. Aber in Raabe ist trotzdem zur Entfaltung gekommen, was in Busch verknorpelt und verbiestert stecken blieb und nur alle heiligen Zeiten einmal in der Form schwermütig-lyrischer Bekenntnisse zum Ausdruck kam: Humor, der ungeachtet bitterster Einsichten mit der Welt fertig wird, indem er nicht abschließend, ja sogar »Zu guter Letzt« noch »nöckert«, sondern als ausklingendes Melos das jubilierende Frühlingslied einer Amsel im Blütengarten alle Trübsal und Finsternis des polternden Schüdderumps, dem jeder einmal überantwortet wird, endlich doch übertönen und seine Sonne über Gerechte und Ungerechte scheinen läßt.
Das Versöhnliche aber und im tiefsten menschlich Ansprechende bei Wilhelm Busch ist andrerseits, daß er weiß, wie unzweideutig er sich als ein im Leben zu kurz Gekommener empfindet, und daß in dieser Erkenntnis zuweilen ein Klang bei ihm in Erscheinung tritt, der besagt: wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich nicht nur in meinem Leben, sondern viel mehr noch in meinem Denken und Dichten darauf ausgehen, statt des lachenden Beifalls die große Liebe zu erwecken. Verzeiht mir darum meine Bitterkeit; ich leide an ihr selbst am meisten.
In solchen Augenblicken klingen zarte lyrische Töne an, die sich der Leser, der gewöhnt ist, Äußerungen wie:
Es ist ein Brauch von altersher:
Wer Sorgen hat, hat auch Likör
als echten Wilhelm Busch durchs Leben mit sich zu tragen, nicht zusammenreimen kann, die aber dennoch oder eben darum nicht weniger echter Busch find:
Immerfort
Das Sonnenstäubchen fern im Raume,
Das Tröpfchen, das im Grase blinkt,
Das dürre Blättchen, das vom Baume
Im Hauch des Windes niedersinkt –
Ein jedes wirkt an seinem Örtchen
Still weiter, wie es muß und mag,
Ja, selbst ein leises Flüsterwörtchen
Klingt fort bis an den Jüngsten Tag.
Auch das an die Mutter gerichtete kleine Gedicht gehört hierher:
O du, die mir die Liebste war,
Du schläfst nun schon so manches Jahr.
So manches Jahr, da ich allein,
Du gutes Herz, gedenk ich dein.
Gedenk ich dein, von Nacht umhüllt,
So tritt zu mir dein treues Bild.
Dein treues Bild, was ich auch tu,
Es winkt mir ab, es winkt mir zu.
Und scheint mein Wort dir gar zu kühn,
Nicht gut mein Tun,
Du hast mir einst so oft verziehn,
Verzeih auch nun.
Bei alledem ist nicht zu verkennen – und muß ungeachtet aller Sympathie zur Schattierung und Abrundung einer Persönlichkeit immer wieder betont werden –, daß er dem Leben gegenüber doch eigentlich ein Undankbarer blieb, der über dem ewigen selbstgenießerischen Nabelbeschauen ganz vergaß, daß er es schließlich doch recht gut getroffen hatte.
Zwar fällt ihm gelegentlich ein, wie seltsam, fast märchenhaft es ist, daß er für eine Tätigkeit, die ihm Spaß macht, auch noch Geld bekommt, noch dazu genau so viel oder mehr, als er braucht, um behaglich und ohne Anstrengung leben zu können. Aber auch das wird nur in Form von Reflexion geäußert und nie mit jener lebensvollen und warmen Dankbarkeit, die den schöpferischen Menschen selbst dann zum Jubilieren bringen kann, wenn er nicht weiß, woher er morgen das Allernotwendigste nehmen soll. Das bürgerliche Zeitalter hatte eben soviel Fett angesetzt, daß selbst die Ideale einen Zug nach Pensionsberechtigung nicht leugnen konnten. Aus der Perspektive unserer stürmischen Gegenwart gesehen, ging es den Leuten äußerlich so gut, daß sie entweder gar nicht dahinter kamen, wie schlecht es ihnen innerlich ging – oder aber zu sehr, indem sie aus dem pessimistischen Nabelbeschauen einen Sport machten, dem sie mit Zähigkeit anhingen, denn Tennis, Intellektualismus, Fußball, Psychoanalyse und so weiter waren ja als Ablenkungsmöglichkeiten noch nicht erfunden.
Als sich 1870, da Busch Ende der Dreißig stand, das gewaltige Geschehen der Einigung Deutschlands vorbereitete, war man im partikularistischen Bayern noch so weit zurück, daß der König nur durch Bismarcks dämonische Klugheit zu diesem großen Gedanken überredet werden konnte. Die gemütliche Spießerei in München vermochte sich mit so aufregenden Dingen nur allmählich abzufinden, und es war schon ein Ausdruck lebhafter Anteilnahme, wenn sich ein Verleger im Kaffeehaus den Kopf darüber zerbrach, ob es vielleicht doch angebracht sei, den fälligen heiteren Bilderbogen einmal auf dem Kriegsschauplatz spielen zu lassen.
Ein solches Abseitsleben von dem großen Werden, das sich überall auf die deutlichste Art ankündigte, mußte natürlich ein Verkümmern und ein immer nachhaltigeres Begrenztsein aufs Idyllische und Kleinbürgerliche zur Folge haben.
Warum aber war Busch, den man doch gewiß nicht als eine dürre und hockerische Natur bezeichnen konnte, ängstlicher als andere seiner Zeit- und Zunftgenossen darauf bedacht, sich vor dem Sturm des Lebens in Sicherheit zu bringen?
Weil er bei all seiner Begabung – oder gerade mit ihr – ein weicherer Mensch war als viele Minderbegabte, denn er trug die Last der Enttäuschung, zum Maler nicht so befähigt zu sein, wie es ihm von je vorgeschwebt hatte, zu der anderen: der Realität auch empfindungsmäßig nicht gewachsen zu sein. So bastelte und bosselte er mit tiefer Skepsis am Einzigen, dessen er sich sicher wußte: am Ulkbild des äußeren Lebens, und auch da immer mit allen Zweifeln und emsig besorgt, seine geliebte Skepsis selbst im Bilderbogen des Alltags nur ja nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Allerdings kommt es dazwischen immer wieder zum stillen reinen Sagen des unmittelbaren Dichtens, dem die Zartheit persönlichen Empfindens so eigen ist, daß die Reflexion unter dem Glanz der Anmut des Vortrags den Charakter einer frischgepflückten Frucht gewinnt, die noch den Hauch des Morgens trägt. Ein solches kleines Kunstwerk scheint mir das folgende zu sein:
Ich weiß ein Märchen hübsch und tief.
Ein Hirtenknabe lag und schlief.
Da sprang heraus aus seinem Mund
Ein Mäuslein auf den Heidegrund.
Das weiße Mäuslein lief sogleich
Nach einem Pferdeschädel bleich,
Der da schon manchen lieben Tag
In Sonnenschein und Regen lag.
Husch! Ist das kleine Mäuslein drin,
Läuft hin und her und her und hin,
Besieht sich all die leeren Fächer,
Schaut listig durch die Augenlöcher,
Und raschelt so die Kreuz und Quer
Im alten Pferdekopf umher. –
Auf einmal kommt ne alte Kuh,
Stellt sich dahin und macht Hamuh!
Das Mäuslein, welches sehr erschreckt,
Daß da auf einmal wer so blöckt,
Springt, Hutschi, übern Heidegrund
Und wieder in des Knaben Mund –
Der Knab erwacht und seufzte: Oh,
Wie war ich doch im Traum so froh!
Ich ging in einen Wald hinaus,
Da kam ich vor ein hohes Haus,
Das war ein Schloß von Marmelstein.
Ich ging in dieses Schloß hinein.
Im Schloß sah ich ein Mädchen stehn,
Das war Prinzessin Wunderschön.
Sie lächelt freundlich und bekannt,
Sie reicht mir ihre weiße Hand,
Sie spricht: »Schau her, ich habe Geld,
Und mir gehört die halbe Welt;
Ich liebe dich nur ganz allein,
Du sollst mein Herr und König sein.«
Und wie ich fall in ihren Schoß,
Ratu! Kommt ein Trompetenstoß.
Und weg ist Liebchen, Schloß und Alles
Infolge des Trompetenschalles.
Aber gerade aus diesem ewigen Widerstreit wurde er zu dem Wilhelm Busch, den die Deutschen als Gesamtheit vermutlich eben darum zu ihrem Humoristen erklärten, weil er sogar noch im Humor ein Abbild der Zerrissenheit des deutschen Wesens gab.
Summa summarum: »Das Leben ist schön, aber teuer. Man kann es auch billiger haben, aber dann ist es nicht mehr so schön.«
Dies wäre, auf ihn angewendet, etwa so zu variieren: Wenn sein Humor wirklich ein goldener gewesen wäre – vorausgesetzt, daß es den überhaupt je gegeben hat – und wenn ihn eine Kraft gehalten hätte, die er nicht besaß, und ihn in den Stand gesetzt hätte, ein herrliches Gelächter über Welt und Menschen Gestaltung werden zu lassen, – dann wären wir zwar um einen Shakespeare oder Cervantes oder Franz Hals reicher, aber um einen Wilhelm Busch ärmer – und daran hätte uns auch wieder nicht viel gelegen. Wir wollen also gern das Billigere und weniger Schöne, aber in seiner Art Einmalige für das Allzuteure in Kauf nehmen und uns damit abfinden, daß sein Schicksal dieses Leben in seiner Mitte nach der nöckerischen Seite abzubiegen für richtig hielt. Warum? Darum, daß wir sähen: auch aus einer Summe von Enttäuschung und Ablehnung kann sich etwas zusammenfinden und kristallisieren, das zur Erhaltung seiner selbst genau der Elemente bedarf, die erforderlich sind, um der Gesamtheit einen Wert zu geben – zwar nicht den ganzen, vollinhaltlichen eines großen Humoristen für die ganze Nation (der sollte uns Deutschen, wie den Spaniern der Don Quichotte, nicht beschieden sein), wohl aber einen, der für unseren Bedarf besser war als alle vor ihm.
Es kam, wie es kommen mußte. Der erfolgreiche Zeichner und Dichter Wilhelm Busch erlitt genau den Rückschlag, der einer stillen Natur nicht erspart bleiben kann, wenn sie durch den lauten Trubel der allgemeinen Anerkennung in Widerspruch zu sich selbst gesetzt wird.
War es schon eine Tragikomödie, daß Wilhelm Busch nicht wie Wilhelm Raabe die Blüten eines zum Schluß doch triumphierenden Humors auf dem verworrenen und finsteren Untergrund elementaren Welterlebens (auch im kleinsten Umkreis) wie Blumen über Sumpfgebieten erblühen lassen konnte, so wurde es völlig eine Pein für diese zwischen Mörikes Schalkhaftigkeit und Storms herb-süße Lyrik mitten hineingeratene widerborstige Häkelsucht, sich in Selbstbesinnung und Selbstgenuß von der lauten Welt loszulösen und zu bescheiden, aber dennoch »Liebling des Volks zu sein«. Des Volks, das nicht entfernt ahnen konnte, weshalb ein Mensch mit einer Franziskusseele Qualen ausstehen mußte, weil der andere in ihm mit Hilfe einer zeichnerischen Begabung, die in Anbetracht des menschlichen Formats und Charakters fast als eine nebensächliche Spielerei erschien, den heiligen Antonius auf der Gasse zu verulken gezwungen wurde.