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§ 14.

Die höchste Idee, welche die Kausalität der absoluten Substanz (des Ichs) ausdrückt, ist die Idee von absoluter Macht.

Kann man das Reine mit empirischem Maße messen? Könnt ihr euch nicht von allen empirischen Bestimmungen jener Idee, die eure Imagination euch zuführt, losreißen, so suchet die Schuld eures Mißverständnisses nicht in der Idee, sondern in euch selbst. Diese Idee ist so ferne von allem Empirischen, daß sie sich nicht nur darüber erhebt, sondern es sogar vernichtet. – Auch für Spinoza war sie einzige Bezeichnung der Kausalität der absoluten Substanz. Die absolute Macht der einigen Substanz ist ihm das Letzte, ja vielmehr das Einige. In ihr ist, nach Spinoza, keine Weisheit, denn ihr Handeln selbst ist Gesetz; kein Wille, denn sie handelt aus der Selbstmacht ihres Wesens, aus der Notwendigkeit ihres Seins. Sie handelt nicht zufolge einer Bestimmung, durch irgend eine außer ihr vorhandene Realität (ein Gut, eine Wahrheit); sie handelt nach ihrem Wesen, nach der unendlichen Vollkommenheit ihres Seins aus unbedingter Macht. Ihr Wesen selbst ist nur diese Macht. Eth. Lib. I, Prop. XXXI. – Prop. XXXII: Deus non agit ex ratione boni, sed ex naturae suae perfectione. Qui illud statuunt, videntur aliquid extra Deum ponere, puod a Deo non dependet, ad quod Deus tanquarn ad exemplar in operando attendat, vel ad quod tanquam ad certum scopum collimat, quod profecto nihil aliud est, quam Deum fato subjicere. – Prop. XXXIII: Dei potentia est ipsius essent a..

Diese erhabenste Idee im Systeme Spinozas fand man nicht nur theoretisch falsch, sondern auch durch praktische Gründe widerlegbar. Diese Idee, sagte man, hebe alle Begriffe von freier, obwohl durch Gesetze bestimmter Weisheit auf, weil man sich nämlich einerseits nicht zu der reinen Vorstellung einer absoluten Macht, die nicht nach Gesetzen außer sich, sondern nur durch die Gesetze ihres Seins, durch ihr Sein selbst, als solches, handelt, erhoben hatte, und andererseits, weil man nicht bedachte, daß jener Begriff von Weisheit, da er nur unter Voraussetzung einer Einschränkung denkbar ist, selbst ein Unding sein müßte, wenn nicht als das letzte Ziel ihres Strebens absolute Macht, die aus innerer Notwendigkeit ihres Wesens schlechthin handelt, die nicht mehr Wille, nicht mehr Tugend) nicht mehr Weisheit, nicht mehr Glückseligkeit, sondern Macht schlechthin ist, vorausgesetzt wird.

Anmerkung. Freilich hat Kant von Moralität und verhältnismäßiger Glückseligkeit als dem höchsten Gut und dem letzten Endzwecke gesprochen. Aber er wußte es selbst am besten, daß Moralität ohne höheren Endzweck selbst keine Realität habe, daß sie Einschränkung, Endlichkeit voraussetze und nicht als letztes Ziel selbst, sondern nur als Annäherung zu demselben denkbar sei. Ebenso vermied er überall, sich über das Verhältnis von Glückseligkeit zur Moralität bestimmt zu erklären, unerachtet er wohl wußte, daß Glückseligkeit als bloßes Ideal der Einbildungskraft nichts als ein Schema sei, durch welches die praktische Vorstellbarkeit des Nicht-Ichs vermittelt werde, Da das Nicht-Ich Gegenstand eines durch Freiheit bestimmten Strebens des Ichs werden soll, so muß es von der Form der Bedingtheit zur Form der Unbedingtheit gesteigert werden. Allein, da das Nicht-Ich als Nicht-Ich Gegenstand dieses Strebens sein soll, so kann dadurch nur sinnliche, d.h. imaginierbare Unbedingtheit, d.h. Erhebung des Nicht-Ichs selbst zu einer Form, die durch keine Form des Verstandes oder der Sinnlichkeit erreichbar ist, entstehen.

Eine solche Vermittlung des Bedingten und Unbedingten ist nur durch die Einbildungskraft gedenkbar. Die Idee von Glückseligkeit entsteht also ursprünglich durch eine bloß theoretische Operation. Praktisch vorgestellt aber ist sie nichts als notwendige Zusammenstimmung des Nicht-Ichs mit dem Ich, und da diese Zusammenstimmung eine unendliche Aufgabe für das Ich ist, bleibt sie selbst in praktischer Bedeutung eine Idee, die nur in unendlichem Fortschritt realisiert wird. Aber in praktischer Bedeutung ist sie auch ganz identisch mit dem letzten Endzweck des Ichs, und insofern, da Moralität stufenweise Annäherung zum letzten Endzweck ist, kann sie freilich als das, nur durch Moralität realisierbare, mit Moralität immer in gleichem Verhältnis stehende, vorgestellt werden. Und in dieser Bedeutung allein kann Kant Glückseligkeit im Verhältnis mit Moralität gedacht haben. Man kann empirische Glückseligkeit als zufällige Übereinstimmung der Objekte mit unserm Ich erklären. Empirische Glückseligkeit kann also unmöglich als im Zusammenhang mit Moralität gedacht werden. Denn diese geht nicht auf zufällige, sondern auf notwendige Übereinstimmung des Nichts-Ichs mit dem Ich. Reine Glückseligkeit besteht also gerade in Erhebung über die empirische Glückseligkeit, die reine schließt die empirische notwendig aus. Aber es ist sehr begreiflich, warum man bei Kant, so oft von Glückseligkeit die Rede war, immer empirische Glückseligkeit verstand; aber zu verwundern ist, daß, soviel ich weiß, noch niemand die moralische Verderblichkeit eines solchen Systems gerügt hat, das empirische Glückseligkeit als mit Moralität, nicht durch inneren Zusammenhang, sondern bloß durch äußere Kausalität verbunden vorstellt.
also nicht zum letzten (Endzweck) gehören könne, da dieser auf Identifikation des Nicht-Ichs mit dem Ich, d.h. auf gänzliche Zernichtung desselben als Nicht-Ichs, geht, daß demnach das Streben nach empirischer Glückseligkeit (als einer durch Natur bewirkten Übereinstimmung der Objekte mit dem Ich) selbst unvernünftig sei, ohne vorauszusetzen, daß das letzte Ziel alles Strebens nicht sie selbst, sondern gänzliche Erhebung über ihre Sphäre sei, Wäre nicht der letzte Endzweck alles Strebens des Ichs Identifizierung des Nicht-Ichs mit sich selbst, so würde die zufällige, durch Natur bewirkte Übereinstimmung der Objekte mit unserem Ich gar keinen Reiz für uns haben. Nur indem wir eine solche Übereinstimmung in bezug auf unsere ganze Tätigkeit (die vom untersten Grade an bis zum höchsten auf nichts anderes denn Übereinstimmung des Nicht-Ichs mit dem Ich geht) denken, betrachten wir jene zufällige Übereinstimmung als Begünstigung (nicht als Belohnung), als ein freiwilliges Entgegenkommen der Natur, als eine unerwartete Unterstützung, die sie unserer gesamten (nicht nur unserer moralischen) Tätigkeit angedeihen läßt. daß wir also ins Unendliche fort streben müssen, nicht glückselig zu werden, sondern der Glückseligkeit gar nicht mehr zu bedürfen, ja ihrer ganz unfähig zu werden, und unser Wesen selbst zu einer Form zu erheben, die der Form der Glückseligkeit sowohl, als der ihr entgegengesetzten Form geradezu widerspricht.

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Das absolute Ich nämlich fordert schlechthin, daß das endliche Ich ihm gleich werde, d.h. daß es alle Vielheit und allen Wechsel in sich schlechthin zernichte. Was für das endliche, durch ein Nicht-Ich beschränkte, Ich moralisches Gesetz ist, ist für das unendliche Naturgesetz, d.h. es ist zugleich mit und in seinem bloßen Sein gegeben. Das unendliche Ich ist bloß insofern, als es sich selbst gleich, als es durch seine bloße Identität bestimmt ist; es soll nicht erst sein Sein bloß durch Identität mit sich selbst bestimmen. Das unendliche Ich also kennt gar kein Moralgesetz, und ist seiner Kausalität nach bloß als absolute, sich selbst gleiche, Macht bestimmt. Aber moralisches Gesetz, obgleich es bloß in bezug auf Endlichkeit stattfindet, hat doch selbst keinen Sinn und Bedeutung, wenn es nicht als Endzweck alles Strebens Unendlichkeit des Ichs und seine eigene Umwandlung in ein bloßes Naturgesetz Man kann also auch sagen, der letzte Endzweck des Ichs sei, die Freiheitsgesetze zu Naturgesetzen, und die Naturgesetze zu Freiheitsgesetzen zu machen, im Ich Natur, in der Natur Ich hervorzubringen. des Ichs aufstellt. – Das moralische Gesetz im endlichen Wesen ist also vorerst Schema des Naturgesetzes, wodurch das Sein des Unendlichen bestimmt ist; was durch dieses als Seiend vorgestellt wird, muß jenes als Gefordert vorstellen. Da nun das höchste Gesetz, wodurch das Sein des unendlichen Ichs bestimmt ist, das Gesetz seiner Identität ist (§ 7), so muß das Moralgesetz im endlichen Wesen diese Identität nicht als Seiend, sondern als Gefordert vorstellen, und das höchste Gesetz für das endliche Wesen ist demnach dieses: Sei absolut – identisch mit dir selbst. Dieses Gesetz läßt sich durch alle der Urform der Identität untergeordneten Formen verfolgen. Der Quantität nach ausgedrückt heißt es: sei schlechthin Eines. Der Qualität nach: setze alle Realität in dich, d.h. alle Realität dir gleich. Der Relation nach: sei von aller Relation, d.i. von aller Bedingtheit, frei. – Der Modalität nach: setze dich außer aller Sphäre des Daseins, setze dich in die Sphäre des reinen absoluten Seins (unabhängig von aller Form der Zeit usw.).

Allein insofern dieses Gesetz auf ein moralisches Subjekt, d.h. auf ein durch Wechsel und Vielheit bedingtes Ich angewandt werden soll, widerstrebt dieses jener Form der Identität schlechthin, und das Gesetz wird nur durch einen neuen Schematismus anwendbar auf dasselbe. Dem moralischen Urgesetz des endlichen Ichs: Sei identisch, widerstrebt nämlich das Naturgesetz desselben Ichs, kraft dessen es nicht identisch – d.h. Vielheit – nicht sein soll, sondern – ist. Dieser Widerstreit zwischen dem Moral- und zwischen dem Naturgesetz der Endlichkeit kann nur durch ein neues Schema, nämlich das des Hervorbringens in der Zeit vermittelt werden, so daß nun jenes Gesetz, das auf eine Forderung des Seins geht, zu einer Forderung des Werdens wird. Das moralische Urgesetz, in seiner ganzen Versinnlichung ausgedrückt, lautet daher so: werde identisch, erhebe (in der Zeit) die subjektiven Formen deines Wesens zu der Form des Absoluten. (Das reine moralische Urgesetz schließt schon alle subjektiven Formen [alle Formen, die nur dem durch Objekte bedingten Ich angehören] aus, und fordert geradezu: sei identisch! Diesem Gesetz aber widerstreben eben jene Formen schlechthin, mithin ist eine Synthesis notwendig, in die sie selbst, aber nicht mehr als Formen des Subjekts [des Endlichen], sondern als Formen des Absoluten aufgenommen werden). Verfolgen wir dieses schematisierte Gesetz wiederum durch die untergeordneten Formen, so erhält man folgende Gesetze: der Quantität nach: werde schlechthin Eines. (Was erst Einheit wird, setzt Vielheit in sich voraus, und wird es nur durch Erhebung derselben zur Einheit; also ist jener Ausdruck: identisch mit diesem: erhebe die Vielheit in dir zur Einheit, d.h. werde eine in dir selbst beschlossene Totalität). Der Qualität nach: werde Realität schlechthin. (Was Realität wird, wird es im Streit gegen Negation, also kann es auch so ausgedrückt werden: erhebe die Negation in dir zur Realität, d.h. gib dir eine Realität, die ins Unendliche fort [in der Zeit] nie aufgehoben werden kann). – Der Realität nach: werde absolut unbedingt, strebe nach absoluter Kausalität – abermals Ausdruck. eines ursprünglichen Widerstreits, also ebensoviel als: mache die passive Kausalität in dir identisch mit der aktiven (bringe Wechselwirkung hervor, mache, daß, was passive Kausalität in dir ist, zugleich aktive, und was aktive ist, passive werde). Der Modalität nach: strebe, dich in die Sphäre des absoluten Seins, unabhängig vom Zeitwechsel, zu setzen. Streben ist nur in der Zeit möglich, mithin ist ein Streben, sich außer alles Zeitwechsels zu setzen, ein Streben in aller Zeit. Also kann jenes Gesetz auch so ausgedrückt werden: Werde ein notwendiges Wesen, ein Wesen, das in aller Zeit beharrt.

(Durch diesen Schematismus des moralischen Gesetzes wird die Idee von moralischem Fortschritt, und zwar von Fortschritt ins Unendliche möglich. Das absolute Ich ist das einige Ewige, aber eben deswegen muß das endliche Ich, da es strebt identisch mit ihm zu werden, auch nach reiner Ewigkeit streben, also, da es das, was im unendlichen Ich als Seiend gesetzt ist, in sich als Werdend ausdrückt, in sich selbst auch werdende, d.i. empirische Ewigkeit, unendliche Dauer setzen. Das letzte Ziel des endlichen Ichs ist also Erweiterung bis zur Identität mit: dem Unendlichen. Im endlichen Ich ist Einheit des Bewußtseins, d.h. Persönlichkeit. Das unendliche Ich aber kennt gar kein Objekt, also auch kein Bewußtsein und keine Einheit des Bewußtseins, Persönlichkeit. Mithin kann das letzte Ziel alles Strebens auch als Erweiterung der Persönlichkeit zur Unendlichkeit, d.h. als Zernichtung derselben vorgestellt werden. – Der letzte Endzweck des endlichen Ichs sowohl als des Nicht-Ichs, d.h. der Endzweck der Welt ist ihre Zernichtung, als einer Welt, d.h. als eines Inbegriffs von Endlichkeit (des endlichen Ichs und des Nicht-Ichs). Zu diesem Endzweck findet nur unendliche Annäherung statt – daher unendliche Fortdauer des Ichs, Unsterblichkeit.

Gott in theoretischer Bedeutung ist Ich = Nicht-Ich, in praktischer absolutes Ich, das alles Nicht-Ich zernichtet. Insofern das unendliche Ich schematisch als letztes Ziel des endlichen, also außer demselben vorgestellt wird, kann Gott in der praktischen Philosophie zwar als außer dem endlichen ( schematisch), aber nur als identisch mit dem unendlichen vorgestellt werden.[)]

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Aus diesen Deduktionen erhellt, daß die Kausalität des unendlichen Ichs schlechterdings nicht als Moralität, Weisheit usw., sondern nur als absolute Macht, die die ganze Unendlichkeit erfüllt, und nichts Widerstrebendes, selbst nicht das als unendlich vorgestellte Nicht-Ich, in ihrer Sphäre duldet, vorgestellt werden kann: daß also auch das Moralgesetz, selbst in seiner ganzen Versinnlichung, nur in bezug auf ein höheres Gesetz des Seins, das, im Gegensatz gegen das Gesetz der Freiheit, Naturgesetz heißen kann, Sinn und Bedeutung erhalte. Freilich werden diejenigen mit diesen Deduktionen nicht zufrieden sein, die das Ziel unseres moralischen Strebens so nah und so tief als nur immer möglich zu stecken bemüht sind – auch nicht diejenigen, die an den kantischen Buchstaben und an den einzigen Punkt ihres empirischen Systems, den er scheinbar noch übrig ließ, schon wieder eine so große Menge von Postulaten der Glückseligkeit angehängt haben, da doch, wenn Glückseligkeit nicht als identisch mit dem letzten Endzweck, d.h. als gänzliche Erhebung über alle Sphäre empirischer Glückseligkeit, gedacht wird, sie selbst nicht einmal zu den Forderungen der moralischen Vernunft gehören kann, und doch nur dieser Forderungen erlaubt sind; – ebensowenig diejenigen, die glauben konnten, daß Kant eine Erkenntnis, die er in der theoretischen Philosophie für unmöglich hielt, in der praktischen für möglich halten, und also in dieser die übersinnliche Welt (Gott usw.) wieder als etwas außer dem Ich, als Objekt aufstellen könne, als ob nicht, was Objekt ist, möge es nun zum Objekt geworden sein wodurch es wolle, auch für die theoretische Philosophie Objekt) d.h. erkennbar, werden müßte. (Was nur Objekt ist, muß auch erkennbar sein im kantischen Sinne des Wortes, d.h. sinnlich anschaubar und durch Kategorien denkbar. – Siehe unten). – Freilich führt nach Kant das Übersinnliche in der theoretischen Philosophie auf Widersprüche, weil diese alles Absolute (alles Ich) zernichtet; freilich führt nach eben demselben die praktische Philosophie ins übersinnliche Gebiet, weil sie umgekehrt alles Theoretische vernichtet, und das, was allein intellektual angeschaut wird (das reine Ich), wiederherstellt, aber da wir nur durch Wiederherstellung des absoluten Ichs in die übersinnliche Welt kommen, was wollen wir dann in ihr anders, als nur das Ich, wieder finden? – also keinen Gott als Objekt, überhaupt kein Nicht-Ich, keine empirische Glückseligkeit usw., bloßes reines absolutes Ich!


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