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§ 8.

Das Ich läßt sich anders nicht, als bloß insofern es unbedingt ist, bestimmen, denn es ist bloß durch seine Unbedingtheit, bloß dadurch, daß es schlechterdings nicht zum Ding werden kann, Ich. Es ist also erschöpft, wenn seine Unbedingtheit erschöpft ist. Denn, da es bloß durch seine Unbedingtheit ist, so würde es eben dadurch aufgehoben, wenn irgend ein von ihm denkbares Prädikat anders als durch eine Unbedingtheit denkbar wäre, also dieser entweder widerspräche, oder noch irgend etwas Höheres, in dem sie beide, das Unbedingte und das vorausgesetzte Prädikat, vereinigt wären, voraussetzte.

Das Wesen des Ichs ist Freiheit, d.h. es ist nicht anders denkbar, denn nur insofern es aus absoluter Selbstmacht sich, nicht als irgend Etwas, sondern als bloßes Ich setzt. Diese Freiheit läßt sich positiv bestimmen, denn wir wollen keinem Ding an sich, sondern dem reinen, durch sich selbst gesetzten, sich allein gegenwärtigen, alles Nicht-Ich ausschließenden Ich Freiheit zuschreiben. Dem Ich kommt keine objektive Freiheit zu, weil es gar kein Objekt ist; sowie wir das Ich als Objekt bestimmen wollen, zieht es sich in die beschränkteste Sphäre und unter die Bedingungen der Wechselbestimmung zurück – seine Freiheit und Selbständigkeit verschwindet. Objekt ist nur durch Objekt, und nur insofern, als es an Bedingungen gefesselt ist, möglich – Freiheit ist nur durch sich selbst, und umfaßt das Unendliche.

Wir sind also in Ansehung objektiver Freiheiten nicht unwissender, als wir es in Rücksicht auf jeden Begriff sind, der sich selbst widerspricht. Unfähigkeit aber, einen Widerspruch zu denken, ist keine Unwissenheit. Jene Freiheit des Ichs läßt sich also auch positiv bestimmen. Sie ist für das Ich nichts mehr und nichts weniger, als unbedingtes Setzen aller Realität in sich selbst durch absolute Selbstmacht. – Negativ bestimmbar ist sie als gänzliche Unabhängigkeit, ja sogar als gänzliche Unverträglichkeit mit allem Nicht-Ich.

Ihr verlangt, daß ihr euch dieser Freiheit bewußt seid? Aber bedenkt ihr auch, daß erst durch sie all euer Bewußtsein möglich ist und daß die Bedingung nicht im Bedingten enthalten sein kann? Bedenkt ihr überhaupt, daß das Ich, insofern es im Bewußtsein vorkommt, nicht mehr reines absolutes Ich ist, daß es für das absolute Ich überall kein Objekt geben, und daß es also noch viel weniger selbst Objekt werden kann? – Selbstbewußtsein setzt die Gefahr voraus, das Ich zu verlieren. Es ist kein freier Akt des Unwandelbaren, sondern ein abgedrungenes Streben des wandelbaren Ichs, das, durch Nicht-Ich bedingt, seine Identität zu retten und im fortreißenden Strom des Wechsels sich selbst wieder zu ergreifen strebt; Der Charakter der Endlichkeit ist, nichts setzen zu können, ohne zugleich entgegenzusetzen. Diese Form der Entgegensetzung ist ursprünglich bestimmt durch die Entgegensetzung des Nicht-Ichs. Es ist nämlich dem endlichen Ich notwendig, indem es sich als sich selbst absolut gleich setzt, zugleich alles Nicht-Ich sich entgegenzusetzen: was nicht möglich ist, ohne das Nicht-Ich selbst zu setzen. Das unendliche Ich würde alles Entgegengesetzte ausschließen, ohne es sich entgegenzusetzen: es würde überhaupt alles sich schlechthin gleich setzen, also, wo es setzt, nichts als seine Realität setzen, es würde also in ihm auch kein Streben vorhanden sein, seine Identität zu retten, also keine Synthesis des Mannigfaltigen, keine Einheit des Bewußtseins usw. Das empirische Ich ist daher nur durch die ursprüngliche Entgegensetzung bestimmt, also außer dieser schlechterdings nichts. Es verdankt also auch seine Realität, als empirisches Ich, nicht sich selbst, sondern einzig und allein seiner Einschränkung durch ein Nicht-Ich. Es kündigt sich nicht durch das bloße: Ich bin, sondern durch das: Ich denke, an, d.h. es ist nicht durch sein bloßes Sein, sondern dadurch, daß es Etwas, daß es Objekte denkt. Um nämlich die ursprüngliche Identität des Ichs zu retten, muß die Vorstellung des identischen Ichs alle anderen Vorstellungen begleiten, um so die Vielheit derselben in bezug auf Einheit denken zu können. Das empirische Ich existiert also nur durch und in bezug auf die Einheit der Vorstellungen, hat also außer dieser schlechterdings keine Realität in sich selbst, sondern verschwindet, sowie man Objekte überhaupt und die Einheit seiner Synthesis aufhebt. Seine Realität als empirisches Ich, ist ihm also durch etwas außer ihm Gesetztes, durch Objekte bestimmt, sein Sein wird ihm nicht schlechthin, sondern durch objektive Formen – als ein Dasein – bestimmt. Jedoch ist es selbst nur in dem unendlichen Ich, und durch dasselbe; denn bloße Objekte könnten niemals die Vorstellung vom Ich, als einem Prinzip ihrer Einheit, hervorbringen. (oder fühlt ihr euch wirklich frei beim Selbstbewußtsein?). Aber jenes Streben des empirischen Ichs, und das daraus hervorgehende Bewußtsein wäre selbst ohne Freiheit des absoluten Ichs nicht möglich, und die absolute Freiheit ist als Bedingung der Vorstellung ebenso notwendig, wie als Bedingung der Handlung. Denn euer empirisches Ich würde niemals streben, seine Identität zu retten, wenn nicht das absolute ursprünglich durch sich selbst aus absoluter Macht als reine Identität gesetzt wäre.

Wollt ihr diese Freiheit als eine objektive erreichen, so schlägt euch dies immer fehl, ihr mögt sie dadurch begreifen oder widerlegen wollen; denn eben darin besteht sie, daß sie alles Nicht-Ich schlechthin ausschließt.

Das Ich kann durch keinen bloßen Begriff gegeben sein. Denn Begriffe sind nur in der Sphäre des Bedingten, nur von Objekten möglich. Wäre das Ich ein Begriff, so müßte es etwas Höheres geben, in dem er seine Einheit – etwas Niedereres, in dem er seine Vielheit erhalten hätte, kurz: das Ich wäre durchgängig bedingt. Mithin kann das Ich nur in einer Anschauung bestimmt sein. Aber das Ich ist nur dadurch Ich, daß es niemals Objekt werden kann, mithin kann es in keiner sinnlichen Anschauung, also nur in einer solchen, die gar kein Objekt anschaut, gar nicht sinnlich ist, d.h. in einer intellektualen Anschauung bestimmbar sein. – Wo Objekt ist, da ist sinnliche Anschauung, und umgekehrt. Wo also kein Objekt ist, d.i. im absoluten Ich, da ist keine sinnliche Anschauung, also entweder gar keine, oder intellektuale Anschauung. Das Ich also ist für sich selbst als bloßes Ich in intellektualer Anschauung bestimmt.

Ich weiß es recht gut, daß Kant alle intellektuale Anschauung geleugnet hat; aber ich weiß auch, wo er dies getan hat, in einer Untersuchung, die das absolute Ich überall nur voraussetzt, und aus vorausgesetzten höheren Prinzipien nur das empirisch-bedingte Ich, und das Nicht-Ich in der Synthesis mit dem Ich, bestimmt. Ich weiß es ebenso, daß diese intellektuale Anschauung, sobald man sie der sinnlichen verähnlichen will, durchaus unbegreiflich sein muß, daß sie überdies ebensowenig als die absolute Freiheit im Bewußtsein vorkommen kann, da Bewußtsein Objekt voraussetzt, intellektuale Anschauung aber nur dadurch möglich ist, daß sie gar kein Objekt hat. Der Versuch also, sie aus dem Bewußtsein zu widerlegen, muß ebenso sicher fehlschlagen, als der Versuch, ihr durch dasselbe objektive Realität zu geben, was nichts anderes hieße, als sie schlechterdings aufheben.

Das Ich ist nur durch seine Freiheit, mithin muß alles, was wir vom reinen Ich aussagen, durch seine Freiheit bestimmt sein.


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