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§ 1.

Wer etwas wissen will, will zugleich, daß sein Wissen Realität habe. Ein Wissen ohne Realität ist kein Wissen. Was folgt daraus?

Entweder muß unser Wissen schlechthin ohne Realität – ein ewiger Kreislauf, ein beständiges wechselseitiges Verfließen aller einzelnen Sätze ineinander, ein Chaos sein, in dem kein Element sich scheidet, oder –

Es muß einen letzten Punkt der Realität geben, an dem alles hängt, von dem aller Bestand und alle Form unsers Wissens ausgeht, der die Elemente scheidet und jedem den Kreis seiner fortgehenden Wirkung im Universum des Wissens beschreibt.

Es muß etwas geben, in dem und durch welches alles, was da ist, zum Dasein, alles, was gedacht wird, zur Realität, und das Denken selbst zur Form der Einheit und Unwandelbarkeit gelangt. Dieses Etwas (wie wir es für jetzt problematisch bezeichnen können) müßte das Vollendende im ganzen System des menschlichen Wissens sein, es müßte überall, wo unser letztes Denken und Erkennen noch hinreicht – im ganzen kosmos unseres Wissens – zugleich als Urgrund aller Realität herrschen.

Gibt es überhaupt ein Wissen, so muß es ein Wissen geben, zu dem ich nicht wieder durch ein anderes Wissen gelange, und durch welches allein alles andere Wissen Wissen ist. Wir brauchen nicht eine besondere Art von Wissen vorauszusetzen, um zu diesem Satze zu gelangen. Wenn wir nur überhaupt etwas wissen, so müssen wir auch Eines wenigstens wissen, zu dem wir nicht wieder durch ein anderes Wissen gelangen, und das selbst den Realgrund alles unseres Wissens enthält.

Dieses Letzte im menschlichen Wissen kann also seinen Realgrund nicht wieder in etwas anderem suchen müssen, es ist nicht nur selbst unabhängig von irgend etwas Höherem, sondern, da unser Wissen nur von der Folge zum Grund aufsteigt und umgekehrt vom Grund zur Folge fortschreitet, muß auch das, was das Höchste und für uns Prinzip alles Erkennens ist, nicht wieder durch ein anderes Prinzip erkennbar sein, d.h. das Prinzip seines Seins und das Prinzip seines Erkennens Man verstatte diesen hier in der allgemeinsten Bedeutung gebrauchten Ausdruck, solange das Etwas, das wir suchen, nur noch problematisch bestimmt ist. (Anmerkung der ersten Auflage.) muß zusammenfallen, muß Eines sein, denn nur, weil es selbst, nicht weil irgend etwas anderes ist, kann es gedacht werden. Es muß also gedacht werden, nur weil es ist, und es muß sein, nicht weil irgend etwas anderes, sondern weil es selbst gedacht wird: sein Bejahen muß in seinem Denken enthalten sein, es muß sich durch sein Denken selbst hervorbringen. Müßte man, um zu seinem Denken zu gelangen, ein anderes denken, so wäre dieses höher als das Höchste, was sich widerspricht: um zum Höchsten zu gelangen, brauche ich nichts, als dieses Höchste selbst – das Absolute kann nur durchs Absolute gegeben werden.

Unsere Untersuchung wird also nun schon bestimmter. Wir setzten ursprünglich nichts, als einen letzten Grund der Realität alles Wissens: nun haben wir durch das Merkmal, daß er letzter, absoluter Grund sein müsse, schon zugleich sein Sein bestimmt. Der letzte Grund aller Realität nämlich ist ein Etwas, das nur durch sich selbst, d.h. durch sein Sein denkbar ist, das nur insofern gedacht wird, als es ist, kurz, bei dem das Prinzip des Seins und des Denkens zusammenfällt. Unsere Frage läßt sich nun schon ganz bestimmt ausdrücken, und die Untersuchung hat einen Leitfaden, der sie niemals verlassen kann.


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