Saadi
Bostan
Saadi

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Vorwort.

Saadi, der größte Lehrdichter der Perser, wurde zu Schiras im letzten Viertel des zwölften Jahrhunderts n. Chr. geboren (s. Bostan 2, 17 und 220, 1), studierte, nachdem er seinen Vater früh verloren (das. 47, 11), in dem von Nisam elmulk zu Bagdad gegründeten Colleg (das. 187) und trat dann, noch sehr jung, große Reisen an. Eine seiner ersten Wanderungen führte ihn nach Syrien, wo er den Kreuzfahrern in die Hände fiel und von diesen gezwungen wurde, mit anderen Gefangenen an den Befestigungen von Tripoli zu arbeiten (Gulistan, übersetzt von Graf, S. 83). Von einem Gönner in Aleppo für zehn Goldstücke losgekauft, heiratete er dessen Tochter; doch war diese Ehe sehr unglücklich (das.), und der Mangel an häuslichem Behagen scheint es gewesen zu sein, welcher den Dichter bald von neuem in das Wanderleben trieb. So machte er, wie sich aus verschiedenen Stellen seiner Werke ergibt, nicht nur wiederholt die Pilgerfahrt nach Mekka und Medina, sondern besuchte auch fast alle muhammedanischen Länder Asiens; nur seinen angeblichen Aufenthalt in Indien (Bostan 219), dessen Schilderung mancherlei Unwahrscheinlichkeiten enthält, scheint Saadi erdichtet zu haben. Nach seinen Reisen in seine Heimat Schiras, welche sich unter dem Atabek Abu Bekr ben Saad (reg. 1226–1261 n. Chr.) einer ruhigen und glücklichen Zeit erfreute, zurückgekehrt, begann er erst jetzt, seine reichen Erfahrungen und die durch dieselben gewonnenen Anschauungen und Grundsätze dichterisch zu verwerten. Aus seiner beschaulichen Ruhe von neuem durch Einfälle der Mongolen gestört, nützte er seiner bedrängten Vaterstadt durch seine gewichtige Fürsprache bei dem Kaiser Abaka Chan, einem Enkel des Dschingischan, und dessen Statthalter Ankianu, und starb daselbst, als Heiliger verehrt, in ungewöhnlich hohem Alter im Jahre 1291 oder 1292 n. Chr. IV

Unter den zahlreichen Werken Saadi's sind die beiden bedeutendsten und deshalb mit Recht berühmtesten das Gulistan und das Bostan.Ich folge Rückert, indem ich beide Wörter als Neutra behandle. Sonst pflegen dieselben im Deutschen als Masculina betrachtet zu werden, indem man ihnen dasjenige Geschlecht gibt, welches die ihnen entsprechenden deutschen Wörter haben. Das Neupersische selbst hat kein grammatisches Geschlecht. Der erste Titel bedeutet »Rosengarten«; der zweite pflegt mit »Frucht-« oder»Baumgarten« übersetzt zu werden, wie ich glaube nicht mit Recht. Wörtlich heißt Bostan »Stätte des Wohlgeruches«, und die persischen Lexikographen erklären hiernach das Wort als 1) synonym mit Gulistan, und 2) einen Ort bedeutend, an welchem wohlriechende Früchte wachsen. Daß Saadi das Wort als Titel seines Werkes in ersterem Sinne aufgefaßt wissen wollte, ergibt sich aus dem Verse 2, 29:

O Saadi, hast du hier nicht Rosen ins Bostan
Getragen, thöricht wie Gewürz nach Hindostan?

Diesem Verse zufolge dachte sich also Saadi das Bostan nicht mit Früchten, sondern, ebenso wie das Gulistan, mit Rosen bereits so reichlich angefüllt, wie Hindostan mit Gewürzen. Graf, von dessen Ausgabe und Verdeutschung des Bostan unten die Rede sein wird, übersetzt nicht unpassend »Lustgarten«.

Über die Zeit der Entstehung seiner beiden Werke, des Gulistan und des Bostan, gibt uns Saadi selbst die bündigste Auskunft. Das Bostan wurde nach 2, 17 im Jahre 655 der Flucht, welches fast genau dem christlichen Jahre 1257 entspricht, das Gulistan, wie gleichfalls der Dichter in diesem Werke selbst angibt, nur ein Jahr später verfaßt. Saadi war damals ungefähr 70 Jahre alt (s. Bostan 220, 1). Rückert findet diese rasche Aufeinanderfolge zweier so bedeutender Werke »kaum glaublich« (s. die Anmerkung zu 2, 17); die Thatsache, an welcher nicht zu zweifeln ist, wird vielleicht begreiflicher durch die Annahme, daß Gulistan und Bostan in dem genannten kurzen Zeitraume nicht sowol verfaßt, als vielmehr nur abgeschlossen und veröffentlicht sein dürften. V Dem zeitlichen Zusammenhange im Entstehen beider Werke entspricht ihr nahe verwandter Inhalt: beide verfolgen einen durchaus didaktischen Zweck und suchen denselben zu erreichen, indem sie an häufig recht kurze und triviale Erzählungen Lehren und Betrachtungen anknüpfen. Das Bostan läßt die lehrhafte Seite den Erzählungen gegenüber in noch weit stärkerem Grade hervortreten, als das Gulistan, welches seine Erzählungen etwas mehr entwickelt und dagegen seine Lehren in etwas knapperer Form gibt; und diesem Umstande, neben dem anderen, daß das Bostan durchaus in dem gleichen, etwas ermüdenden Versmaße, das Gulistan dagegen in einer zwischen Prosa und Versen angenehm wechselnden Form abgefaßt ist, mag es zuzuschreiben sein, daß das Gulistan, obgleich eigentlich, wie schon die Zeitfolge andeutet, nur eine Art Supplement zum Bostan, doch im Orient viel weiter verbreitet, im Occident seit weit längerer Zeit bekannt ist, als das Bostan. In Sammlungen persischer Handschriften pflegen noch einmal so viele Exemplare des Gulistan, als des Bostan vorhanden zu sein, und was Ausgaben und Übersetzungen anlangt, so ist das Gulistan bereits im Jahre 1651 zu Amsterdam persisch und lateinisch gedruckt und nur drei Jahre später in das Deutsche von Adam Olearius übersetzt worden, welcher als ein Mitglied der von dem Herzoge Friedrich von Schleswig-Holstein nach Persien geschickten Gesandtschaft, der auch Paul Fleming angehörte, Gelegenheit gehabt hatte, die persische Sprache zu erlernen. Seitdem ist das Buch vielmals herausgegeben und in fast alle Sprachen Europa's übersetzt worden.Die beste deutsche Übersetzung ist die von K. H. Graf (Leipzig 1846. 8°), die beste französische die von Defrámery (Paris 1858. 8°), die beste englische die von Eastwick (Hertford 1852. 8°), welche zugleich mit geschmackvollem und stilhaftem Luxus ausgestattet ist. Weniger Berücksichtigung fand das Bostan. Zwar erschien bereits im Jahre 1696, als Anhang zu einer erneuten Auflage der Reisebeschreibung des Olearius, neben der Übersetzung des Gulistan auch eine VI angebliche Übersetzung des Bostan (»Persianischer Baumgarten«); doch ist diese, nicht nach dem persischen Originale, sondern nach einer (ungedruckten) holländischen Übersetzung verfertigte Arbeit kaum im Stande, auch nur eine schwache Vorstellung von den Vorzügen des Gedichtes zu geben. Fast volle hundert Jahre lang geschah nun für das Bostan nichts, bis im Jahre 1791 zu Calcutta der erste Band der von J. H. Harington besorgten Gesammtausgabe der Werke Saadi's und in ihm (Fol. 94–199) der erste Druck das Bostan erschien. Eine stattliche Reihe von Ausgaben, welche zum Teil mit persischen oder türkischen Commentaren versehen sind, folgte dieser ersten. Was deutsche, aus dem Originale geflossene Übersetzungen des Bostan betrifft, so möge zunächst die von dem österreichischen Orientalisten O. v. Schlechta-Wssehrd veröffentlichte Auswahl Erwähnung finden (Wien 1853. 8°); sie ist in gewandten Versen verschiedener Form abgefaßt, trägt jedoch mehr den Charakter einer Umdichtung, als den einer dem Originale Vers für Vers folgenden Verdeutschung. Bereits zwei Jahre früher (Jena, 1850. 12°) hatte der schon als Übersetzer des Gulistan genannte K. H. Graf, welchem wir auch eine Ausgabe des Bostan verdanken, die erste und bis jetzt einzige vollständige, dem Originale sich eng anschließende, poetische Übersetzung dieses Werkes erscheinen lassen. Von englischen Übersetzungen ist die (mir nicht bekannte) von E. Clarke (London, 1879. 8°), von französischen die sehr empfehlenswerthe von Barbier de Meynard (Paris, 1880. 8°) zu erwähnen. Die beiden letztgenannten sind in Prosa abgefaßt.

Die Übersetzung von Graf ist eine durchaus anerkennenswerte Leistung, sowol was die Wiedergabe des Sinnes, als was die dichterische Form anbelangt. Trotzdem wird es nicht der Entschuldigung bedürfen, wenn jetzt eine Übersetzung Fr. Rückert's, in welchem sich der Gelehrte und der Dichter zu seltener Vollkommenheit vereinigten, der Öffentlichkeit übergeben wird. An vielen Stellen seiner Übersetzung wird man den wirklichen, dem Verfasser VII ebenbürtigen Dichter erkennen, und es ist nur zu bedauern, daß Rückert, wie sich aus mancherlei Schreib- und sonstigen kleinen Versehen erkennen läßtm. vgl. 61, 3; 119, 14; 176, 3; 191, 6; 218, 6; die Überschrift der neunten Pforte (S. 252); 246, 3; 249, 8. Kleinere Schreibfehler sind hie und da stillschweigend verbessert worden., es verschmäht hat, seine Übersetzung einer Revision und abschließenden Überarbeitung zu unterwerfen: er würde dann gewiß mit Leichtigkeit manche Härte entfernt haben, die so hat stehen bleiben müssen. Aus eben dem Umstande, daß Rückert, nachdem er seine Übersetzung – sauber und nur mit wenigen Correcturen – niedergeschrieben, dieselbe nicht noch einmal durchgelesen hat, wird man vielleicht schließen dürfen, daß sie ein Werk seiner letzten Lebensjahre ist. Ein fester Anhalt zur Bestimmung der Zeit, in welcher sie entstand, fehlt mir.

Was den Text betrifft, welchem Rückert bei seiner Übersetzung folgte, so ist als sicher anzunehmen, daß er die von Harington besorgte editio princeps vor sich hatte. Entscheidend hierfür ist schon allein der Umstand, daß denjenigen Abschnitt, welchen Rückert als Nr. 53 übersetzt hat, von den sieben mir vorliegenden Drucken nur eben der Harington's (Fol. 126a) genau in der von der Übersetzung befolgten Fassung enthält.vgl., neben andern Stellen, besonders auch die Anmerkungen zu 231, 8 und 232, 17. Daß Rückert daneben auch hier und da Lesarten durch Conjectur,nicht sowol auf einer Conjectur, als vielmehr auf einem Lesefehler scheint die Variante zu beruhen, nach welcher Rückert den Vers 156, 1 übersetzt hat. vielleicht auch aus Handschriften oder anderen Ausgaben haben mag, ist wahrscheinlich; zur genaueren Nachprüfung war mir die für die Drucklegung der Übersetzung bestimmte Zeit zu knapp zugemessen.

Daß Rückert in seiner Übersetzung dem sechsfüßigen Jambus vor dem von Graf gewählten fünffüßigen den Vorzug gab, ist gewiß zu billigen: der sechsfüßige, von Rückert auch in seiner »Weisheit des Brahmanen« angewandte ist getragener, deshalb für ein Lehrgedicht geeigneter und kommt auch dem Versmaße des Originals (Mutakarib): VIII

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näher. Zur Probe hat Rückert den Abschnitt 174 auch in diesem Versmaße übersetzt (s. die Anmerkung auf S. 205), und dieser Probe in seinem Manuscripte die Bemerkung beigefügt: »Vielleicht findet man diesen Ton angemessener, und vielleicht gibt sich ein anderer die nicht geringe Mühe, ihn in einer neuen Übersetzung durchzuführen.« Schwerlich! hat es doch auch der formgewandte Platen dabei bewenden lassen, die acht ersten Doppelverse von Nisami's Iskandernameh in diesem, der deutschen Sprache wenig angemessenen Versmaße nachzubilden (Werke, Ausgabe in einem Bande, Stuttgart 1839, Fol., S. 156.)

Aus den von Rückert sehr flüchtig niedergeschriebenen, oft nur skizzierten Anmerkungen habe ich, dem berechtigten Wunsche des Herrn Verlegers folgend, nur diejenigen für den Druck ausgewählt, welche zum Verständnisse des Gedichtes, hauptsächlich für Nichtorientalisten, nötig schienen. Einige Anmerkungen habe ich zu gleichem Zwecke auch selbst beigefügt; diese sind dadurch kenntlich gemacht, daß sie in eckige Klammern eingeschlossen sind.

Was endlich die deutsche Orthographie betrifft, so habe ich mich beim Abdrucke des Rückert'schen Manuscripts wohl im allgemeinen, nicht aber mit Ängstlichkeit an die in demselben befolgte Schreibung gehalten. Ich glaubte mich zu einzelnen Abweichungen berechtigt, da Rückert, wie sein Sohn Heinrich sagt, »niemals einen dauernden Frieden mit der deutschen Orthographie geschlossen hatte, aber doch auch sich der einmal zur Regel erhobenen Willkür in derselben niemals ganz entschlagen konnte«; ja, es fehlt nicht an Beispielen, daß im Manuscripte des Bostan selbst ein und dasselbe Wort an verschiedenen Stellen verschieden geschrieben wird.z. B. Athem und Atem, Mähre und Märe (beides im Sinne von »Erzählung«) und wohl noch a. m.

Gotha, November 1882.

W. Pertsch.

 


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