Joseph Roth
Hotel Savoy
Joseph Roth

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XXVII

Eines Morgens fehlen Bloomfield, Bondy, der Chauffeur und Christoph Kolumbus.

In Bloomfields Zimmer lag ein Brief für mich, Ignatz brachte ihn.

Bloomfield schreibt:

»Geehrter Herr, ich danke Ihnen für Ihre Hilfe und erlaube mir, Ihnen ein Honorar zu übergeben. Meine plötzliche Abreise wird Ihnen verständlich sein. Wenn Ihr Weg Sie nach Amerika führen sollte, so werden Sie hoffentlich nicht verfehlen, mich zu besuchen.«

Ich fand ein Honorar in einem besonderen Umschlag. Es war ein königliches Honorar.

In aller Stille ist Henry Bloomfield geflüchtet. Mit abgeblendeten Scheinwerfern, auf lautlosen Rädern, ohne Hupenschrei, im Dunkel der Nacht floh Bloomfield vor dem Typhus, vor der Revolution. Er hat seinen toten Vater besucht, er wird nie mehr in seine Heimat kommen. Er wird seine Sehnsucht unterdrücken, Henry Bloomfield. Nicht alle Hindernisse kann das Geld aus dem Weg räumen.

Am Abend kamen die Gäste in der Bar zusammen, sie tranken und sprachen von der plötzlichen Abreise Bloomfields.

Ignatz brachte ein Extrablatt aus der Nachbarstadt. Dort kämpften die Arbeiter gegen Militär aus der Hauptstadt.

Der Polizeioffizier erzählt, man hätte schon dringend um Militär telephoniert.

Alexanderl Böhlaug wollte in den nächsten Tagen nach Paris reisen. Frau Jetti Kupfer läutete gerade. Die nackten Mädchen sollten auftreten.

Da geschah ein Knall.

Ein paar Flaschen kollerten vom Büffet herunter.

Man hörte das Klirren zersplitterter Fensterscheiben.

Der Polizeioffizier rannte hinaus. Frau Jetti Kupfer riegelte die Tür ab.

»Machen Sie auf!« schreit Kanner.

»Glauben Sie, wir wollen bei Ihnen krepieren?« ruft Neuner, und die Schmisse brennen auf seiner Backe, als wären sie mit Karmin aufgemalt.

Neuner stößt Frau Jetti Kupfer fort und öffnet die Tür.

Der Portier liegt blutend auf seinem Fauteuil.

Ein paar Arbeiter stehen im Flur. Einer hat eine Handgranate geworfen.

Draußen drängt sich eine große Menge in der schmalen Gasse und schreit.

Hirsch Fisch kam in Unterhosen herunter.

»Wo ist Neuner?« fragt der Arbeiter, der die Handgranate geworfen hat.

»Neuner ist zu Hause!« sagt Ignatz.

Er wußte nicht, ob er zum Militärarzt laufen sollte oder zurück in die Bar, um Neuner zu warnen.

»Neuner ist zu Hause!« sagt der Arbeiter zu den Leuten draußen.

»Zu Neuner! Zu Neuner!« schreit eine Frau.

Die Gasse wird leer.

Der Portier ist tot. Der Militärarzt sagt nichts. Ich habe ihn nie so bleich gesehn.

Die ganze Bargesellschaft flüchtet. Neuner läßt sich vom Polizeioffizier begleiten.


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