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Phöbus Böhlaug sitzt vor einem glänzenden, kupfernen Samowar, ißt ein Rührei mit Schinken und trinkt Tee mit Milch. »Der Doktor hat mir Eier verschrieben«, sagt er, wischt sich mit der Serviette den Schnurrbart und streckt mir vom Stuhl aus sein Gesicht zum Kusse entgegen. Sein Gesicht riecht nach Rasierseife und Kölnischem Wasser, es ist glatt, weich und warm. Er trägt einen weiten Bademantel, muß eben aus der Wanne gestiegen sein, eine Zeitung liegt auf einem Stuhl, und ein herzförmiger Ausschnitt seiner behaarten Brust wird sichtbar, da er noch kein Hemd trägt.
»Gut siehst du aus!« stellt er fest, für alle Fälle.
»Wie lange bist du schon da?«
»Seit gestern!«
»Warum kommst du heute?«
»Ich war gestern hier, hörte, daß bei euch Gesellschaft war, und wollte nicht in diesem Anzug –«
»Ach, was – ein ganz schöner Anzug! Heutzutage schämt man sich nicht. Heute tragen Millionäre auch keinen besseren Anzug! Ich hab' auch nur drei Anzüge! Ein Anzug kostet ein Vermögen!«
»Ich wußte nicht, daß es so ist. – Ich komme aus der Kriegsgefangenschaft.«
»Da ist es dir doch gutgegangen? Alle Menschen sagen, in der Gefangenschaft ist es gut.«
»Es war manchmal auch schlecht, Onkel Phöbus!«
»Nun, und jetzt willst du weiterfahren?«
»Ja, ich brauche Geld!«
»Geld brauch' ich auch«, lachte Phöbus Böhlaug. »Wir brauchen alle Geld!«
»Du hast es ja wahrscheinlich.«
»Ich hab'? Wie weißt du, daß ich hab'? Man ist von der Flucht zurückgekommen und hat sein Vermögen zusammengeklaubt. Ich hab' in Wien deinem Vater Geld gegeben – seine Krankheit hat mich ein schönes Geld gekostet, und deiner seligen Mutter hab' ich einen Grabstein gesetzt, einen schönen Stein – er hat schon damals zwei runde Tausender gekostet.«
»Mein Vater ist im Siechenhaus gestorben.«
»Aber die selige Mutter im Sanatorium.«
»Was schreist du so? Reg dich nicht auf, Phöbus!« sagt Regina. Sie kommt aus dem Schlafzimmer, hält ein Korsett in der Hand, mit baumelnden Strumpfbändern.
»Das ist Gabriel«, stellt Phöbus vor.
Regina bekam einen Handkuß. Sie bedauerte mich, meine Leiden in der Gefangenschaft, den Krieg, die Zeiten, die Kinder, den Mann.
»Alexanderl ist hier, sonst hätten wir Sie gebeten, bei uns zu schlafen«, sagt sie.
Alexanderl kommt in einem blauen Pyjama, verbeugt sich und scharrt mit den Pantoffeln. Er war im Krieg rechtzeitig von der Kavallerie zum Train gekommen, studiert jetzt in Paris »Export« – wie Phöbus sagt – und feiert seinen Urlaub zu Hause.
»Sie wohnen im Hotel Savoy?« sagt Alexander mit weltmännischer Sicherheit. »Dort wohnt ein schönes Mädchen« – und er zwinkert mit einem Aug' gegen seinen Vater. »Sie heißt Stasia und tanzt im Varieté – unnahbar, sag' ich Ihnen – ich wollte sie nach Paris mitnehmen« – er rückt nahe heran – »aber sie geht allein, wenn sie will, sagt sie mir. – Ein feines Mädchen!«
Ich blieb zum Mittagessen. Phöbus' Tochter kam mit dem Mann. Der Schwiegersohn »half im Geschäft«, war ein robuster, gutmütiger, rotblonder, stiernackiger Mensch, löffelte brav seine Suppe, sorgte für Tellersäuberung, schweigsam, unberührt von rollenden Gesprächen.
»Ich denke grade nach«, sagt Frau Regina, »dein blauer Anzug wird Gabriel passen.«
»Ich hab' noch blaue Anzüge?« fragt Phöbus.
»Ja«, sagt Regina, »ich bring' ihn.«
Ich versuchte vergeblich Abwehr. Alexander klopfte mir auf die Schulter, »ganz richtig«, sagte der Schwiegersohn, und Regina brachte den blauen Anzug. Ich probiere ihn in Alexanders Zimmer, vor dem großen Wandspiegel – er paßt.
Ich sehe ein, sehe die Notwendigkeit eines blauen, »wie neuen« Anzugs ein, die Notwendigkeit braungetupfter Krawatten, einer braunen Weste, und scheide am Nachmittag mit einem Pappkarton in der Hand. Ich werde wiederkommen. Leise noch singt in mir eine Hoffnung auf Reisegeld.
»Siehst du, jetzt hab' ich ihn ausgestattet«, sagt Phöbus zu Regina.