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27

Harry zuckte erschrocken zusammen. Wer mochte so spät noch der Garage einen Besuch abstatten? Er drehte die matte elektrische Birne aus, die zur Vorsicht noch von dickem grünem Papier beschirmt wurde. Dann nahm er eine Taschenlampe zur Hand und schlich hinter die Tür, die sich knarrend öffnete.

Eine Hand tastete nach dem Schalter, eine rauhe Stimme knurrte einen Fluch, dann wurde es hell. Mason stand im Türrahmen und suchte mit unruhigen Blicken den Raum ab.

»Du bist's?« atmete der Komplize erleichtert auf, »ich dacht schon der Forster leibhaftig – na, der wird nicht mehr bei uns herumspuken, denk ich!« Der andere warf ihm einen finsteren Blick zu. Die Idee, die ihm in der Trunkenheit gekommen, saß im Hirn und ließ sich nicht forttäuschen. Sein Mißtrauen war erwacht.

»Was machst du hier?« wollte er wissen.

»Was ich mach? Drucken – wir haben doch keinen Drucker im Augenblick – denkst, ich bin ein Händelfänger, daß ich dir von deinem falschen Geld was nehm'?« Er war ehrlich beleidigt.

Mason setzte sich schwer auf eine umgestürzte Kiste und sah vor sich hin. Was war das nur – war er denn ganz verwirrt? Warum war er denn hierher gekommen? Der Teufel mochte wissen, wie er seine Gedanken in dieser Nacht einordnen sollte – Forster, überall Forster, der sprach von Forster und der hieß Forster und Miß Glaid nannte den jungen Burschen auch Forster – wo hatte er ihn schon früher gesehen, wo war es doch – ach, der Teufel sollte es wissen, was ging es ihn an!

Es pochte. Dreimal, kurz, kurz – lang! Harry ging hinaus und öffnete, mehrere Männer betraten die Garage, sie hatten die Mäntel hochgeschlossen und die Hüte tief in die Stirn gedrückt. Harry übergab ihnen die Notenbündel, manche hatten besondere Wünsche, die Pressen standen bereit – ein Handgriff, und das noch druckfeuchte Falschgeld kam heraus.

Alles wickelte sich unter größter Vorsicht ab, kaum einer sprach ein unnötiges lautes Wort, es schien, als drücke das unheimliche Fluidum der abgelegenen Garage, in dieser düsteren Vorstadtstraße am Rande der Stadt, der nächtlichen Zusammenkunft den Stempel auf.

Nur die Katzen schrien von den Baugruben her.

»Was war das?« fragte einer der Leute unruhig und horchte auf. Harry machte eine wegwerfende Handbewegung, »'n Kater und 'ne Katz – hundert – fünfhundert – sechshundert –«

»Aber das war keine Katze, das waren Menschenstimmen«, beharrte der Mann und ließ sein Geldpaket sinken. Er griff in die Manteltasche und holte den Revolver heraus. »Mach den Hinterausgang auf, Harry!« Der Österreicher widersprach wütend: »Aber geh! Denk net dran – Memme!« Aber jetzt waren auch die anderen unruhig geworden. Keiner hatte Lust, sich auf frischer Tat abfangen zu lassen, sie wiederholten drohend: »Aufmachen, Harry!«

»Mach schon!« winkte Mason gleichgültig. Er war todmüde und dachte an Mrs. Glaid. Man mußte ihr etwas Kostbares schenken, die Weiber flogen auf sowas, das war nun mal so!

Harry schickte sich mürrisch an, die Männer aus dem zweiten Ausgang hinauszulassen, und stieß die Tür auf, die sich an der Rückseite der Garage befand.

Grelles weißes Licht blendete herein, draußen standen Kriminalbeamte, hinter ihnen war ein Automobil der Schutzpolizei aufgefahren und ließ den elektrischen Scheinwerfer spielen.

»Halt, oder wir schießen!«

*

Die Tür flog krachend wieder zu, einer der Leute in der Garage hatte sie entschlossen mit dem Fuß zugestoßen. Alle wichen entsetzt zurück und flüchteten dem andern Ausgang zu. Mason war aufgesprungen, in seinen Augen glomm ein wildes Feuer,» Damned!« stammelte er und riß den Browning heraus, »wie ist das möglich, Harry?«

Der Gefragte lehnte aschfahl an einer der Pressen, er zitterte am ganzen Körper wie im Frost. »Weiß net – weiß net – muß uns jemand verpfiffen haben –!« Er schielte angstvoll nach der hinteren Tür hinüber, gegen die schon in dumpfen Stößen die Brechwerkzeuge hämmerten.

»Weiß net«, brüllte er verzweifelt.

»Wir müssen versuchen, durch den Hof zu entkommen!« sagte Mason wieder ganz ruhig und schritt entschlossen auf die zweite Tür zu. »Sowie ich aufmache, alle mir nach, nur so kommen wir hier raus!« Seine Stimme war heiser, es war überhaupt kein Klang mehr darin. Die Männer stellten sich hinter ihm auf, alle griffen in die Taschen und entsicherten ihre Revolver, sie hatten die Wahl zwischen dem Zuchthaus und dem Tod.

»Warten!« kommandierte Mason.

Er näherte sich dem Tor und schob leise den Riegel zurück. Er und die anderen, die mit ihm in der Garage waren, wußten nicht, daß alle Fenster im Hof aufstanden und die Hausbewohner entsetzt dahinter drängten und hinuntersahen.

Denn auch der Hof war von Kriminalbeamten beseht, Grant und der alte Forster instruierten ihre Beamten: »Wenn die Kerle einen Ausbruch wagen, kein Pardon, nach einmaligem Anruf sofort scharf schießen, es geht nicht anders!«

Das Garagentor knarrte.

»Einer müßte ihnen jetzt zuvor kommen und die Tür aufreißen, dann hätten wir sie!« überlegte Grant und sah den alten Forster an.

»Das will ich besorgen, Herr Kommissar!« antwortete der Alte straff und kurz und schickte sich an hinüberzugehen.

Michael riß den Vater förmlich zurück: »Du wirst das doch nicht tun – denk' an Mutter!«

»Laß mich sein – ich weiß, was ich zu tun habe!«

»Lassen Sie, sind Sie des Deubels?« versuchte ihn Grant erschrocken zurückzurufen. Aber der alte Beamte blieb starrköpfig. Was lag ihm am Leben, wenn er nicht seine Charge hatte. Michael sah keinen anderen Ausweg – er mußte ihm zuvorkommen – es mußte sein! Er lief an dem Vater vorüber auf die Tür zu, griff fest an den eisernen Türknopf und riß das von innen geöffnete Tor weit auf.

»Drei!« zählte in diesem Augenblick Mason in der Garage und stieß mit dem Fuß nach vorn. Die Gegner standen sich gegenüber. Michael sprang vorwärts und schlug mit der Faust nach der Hand, die die drohende Revolvermündung entgegenhielt. Im Nu war der Hof von wüsten Schreien erfüllt, die Beamten versuchten, mehrere der Männer festzuhalten und rangen in wüstem Handgemenge mit den Banditen.

Michaels Aufschrei ging in dem tollen Lärm der Verbrecherschlacht unter. Er hatte das Gefühl, die Faust, die er eben noch kraftvoll erhoben hatte, nicht mehr bewegen zu können. Er taumelte und fiel schwer nach vorn, als habe ihm jemand einen Sack übergeworfen. – Ich kann nichts mehr sehen! empfand er wirr, dann schlug er lang hin zwischen stoßende, tretende Beine, zwischen fallende, schwebende Geldscheine und zu Boden krachende Waffen. Er sank in einen feinen, webenden rötlichen Schleier hinein, der ihn trostreich umhüllte und jedes Geräusch erstickte. Anna winkte von fern und ein Gesicht lächelte aufmunternd – war es nicht Mrs. Glaid – Mrs. Glaid – wer war Mrs. Glaid?


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