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Dierkhof, 13. November 19 ..

Heut' traf ich Vadder Sleef, meinen guten »Exzellenz-Schwieger« im Stall.

»Muß man sich beim Viehzeug treffen?« fragte er barsch. Ich stamerte ein paar Wörters, nicht gehaun und nicht gestochen. Um den Hals hätt' ich ihm fallen mögen, dem aufrechten Ehrenmann, dem stolzen Soldaten. – Aber die Hemmung war wieder da.

»Es ist gut, daß du dich nie verleugnest, Wien, mein Junge«, sagte der General jetzt gütig. » Ein rocher de bronce muß in meiner Umwelt sein unter all den Waschlappen ... Komm mal näger ran, Dickkopp – setzen wir uns auf die Futterkiste. – Auf so einer hab' ich mich mal verlobt. Mit dem besten, goldensten Weib der ganzen Welt. – Die Amei gleicht ihr nicht, artet nach mir, taugt nichts ...«

Ich griff nach seiner Hand und drückte sie heftig. »Laß das, Wien! Das ist sentimental. Steht dir gar nicht. Meinst du, weil ich den Pour le mérite habe, müßt' ich was taugen? Das steht auf einem andern Blatt. Und wir müssen erst mal sehen, wie der da oben ihn wertet, und ob er nicht mal den geringsten Orden am höchsten stellt. – Kommt auf den Kerl an, der drinsteckt.«

Ich merkte lange, daß der General redete, um sich zu verstecken. Und dann kam er endlich selbst zum Vorschein: »Wien, mein Junge, trägst du schwer an der Enttäuschung, die dir die Amei, meine Tochter gebracht hat?«

»Ich breche drunter zusammen«, hab' ich gestöhnt und die Hände vor mein Gesicht geschlagen. Als ich sie heruntertat, weil ich mich der elenden Tränen schämte, klappte schon die Stalltür, und ich war allein.

Am Nachmittag kam Muhme Kordula zu mir. Man denkt sich eine so alte Frau nur gütig und mild. Aber sie ist eine Sleef. Und die echteste von allen.

»Es ist gut, daß du da bist, Dickschädel«, eröffnete sie den Kampf. Ich hab' geschwiegen. Ich dacht' nur: Die Seelensgute, die Gerechte ist auch wider mich.

»Ja, schweig nur, schweig nur, Heidjer du! Schweig alles Gute in dir tot! Meinst, wenn du nur deine Eigenart nicht aufgibst – vielmehr ihr Frondienst tust, dann wärst du ein Mann. Bist auch was Rechtes – wenn du weiter nix bist. Ein Mensch sollst sein, du – du – hörst, Wien?« Sie schüttelte mich, ihre schwachen Frauenhände versuchten das Riesentrumm in Gang zu bringen. Denn ich hatte schlapp gemacht. – Zum Schämen erbärmlich.

Sie schlang ihre Arme um meinen Hals, ihre alten Augen weinten. Weinten über den schlappen Kerl, der doch die verfluchte Schuldigkeit hatte, die Greisin zu stützen, in ihren Augen Lichter anzuzünden.

Ja, so ist der Wien geworden! Durch das furchtbarste Unglück seines Lebens. Man hat mir meinen Anerben gemordet! – – –

Hatte ich das alles laut gesagt? Es ist wohl anzunehmen, denn ich war ja ganz durchhin.

»Jesus – Wien!« hört' ich die Muhme rufen. »Komm zu dir! Denk' an den Sleefkamp! Büst jo mien olen leeven Sleef! Büst viel mehr ›Sleef‹, als der Doktor, viel mehr als die Amei! Wir beid', Wien, wir müssen an den Sleefkamp denken!«

Ihre beschwörende Stimme weckte mich und hielt mich auch wach.

Wie ein Messer fuhr der Name Sleefkamp ins Herz. »Was ist's mit ihm?« hab' ich gestöhnt.

»Verkommen tut er, Wien. Tetje Bur hält ihn noch aufrecht. Aber unser Kamp ist ja zu groß, weißt ja selbst, wie viel Hände, Füß' und Köpf' er braucht ... Jochen arbeitet männigmal fieberhaft. – Dann aber holt er sich irgendeine alte Maschine, bastelt dran herum, baut was aus, verbessert eine Schraube – wahrscheinlich die, die bei ihm selbst los ist ... Er scheint ganz ›durchhin‹ zu sein.«

»Was soll ich tun, Muhme Kordula? Vom Sleefkamp hat er mich verjagt – – nun will ich wenigstens die Sach' von seinem Kind zusammen halten, damit ich sie ihm übergeben kann in Ordnung und Recht.«

»Der Dierkhof gedeiht und der Sleefkamp verkommt«, sagte Muhme Kordula bitter. »Deine Frau, Wien, ist Tag und Nacht bei Lütt-Birgitt – hat das Kind ganz zu sich genommen – sie ist die geborene Mutter – Wien.«

Da hab ich laut aufgelacht. Gewiß hat's häßlich geklungen. Aber was soll ich tun, wenn mein Weib fremde Soggerpupps aufzieht und ihr eigen Fleisch und Blut zernichtet? Und dann gepriesen wird? Frauen halten zusammen.


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