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Berlin, den 9. Juli 19 ..

Mein lieber Neffe Wien! Du hast mir einen närrischen Brief versetzt. Aber ich merkte, daß Dein gutes Herz dahinterstand. Wolltest mir Nachricht zukommen lassen von meiner Deern, wenn Du sie auch mit keinem Wort erwähnst. Du siehst, mir geht das »Du« großartig von der Feder, trotzdem Du ein alter Herr von sechsunddreißig bist. Und Du bist ein doller Kerl, daß Du mich hinten und vorne »beexzellenzst«.

Aber ich komm' heute zu Dir recht im Vertrauen, und frage, ob Du weißt, ob die Amei Briefe von ihrem Bräutigam erhält. Brautleute pflegen sich nämlich jeden Tag dreimal zu schreiben, und bedauern, daß die Nacht zum schlafen da ist. Manchesmal ändert sich ja so eine verrückte Liebe, manchmal aber ist sie waschecht, das weiß ich aus Erfahrung.

Meine Deern schreibt nie etwas von ihrer Verlobung, oder wann die beiden an Hochzeit denken. Und die Mutter Kordula schreibt auch nichts. Aber ich weiß, wie praktisch sie denkt, und weiß, daß Truhen und Schränke voll Leinenzeug stecken, also daß das junge Paar über und über eingewickelt werden kann. Und daß die Amei ihren eigenen, großen Leinenschrank von ihrer Mutter selig gar nicht braucht.

Wien – diese Mutter hat der Deinen geglichen. Du mußt eine ganz unvergleichliche Kinderstube gehabt haben! Und Deiner Mutter wegen, die ich nie gekannt, aber von der die ganze Sippe immer erzählt hat, hab' ich Dich auf den ersten Hieb lieb gehabt. – Lachen Sie nicht, Unteroffizier Sleef, wenn ein alter General tühnt wie 'ne alte Jungfer! Muß auch mal sein. – Und nun setz' Dich hin und schreibe mir mal 'n ordentlichen Brief. Laß mal wen anders die Kühe melken. Und wenn das nicht geht, dann krieg' die Amei beim Kanthaken und bring' ihr Mores bei als älterer Vetter, und sie müßte sofort einen Brief an ihren Vater abfassen. Wer aber auch von euch zweien schreibt, der soll von Jochen Sleef berichten. Hört Ihr? Mich interessiert jetzt hauptsächlich der Herr Schwiegersohn. Meine Deern kenne ich. Die ist verdreht von Grund auf und muß es von mir haben, denn meine Frau war ein Engel. – Man kann sich auf allerhand von ihr gefaßt machen und kann nie sicher sein vor den unglaublichsten Möglichkeiten. Aber wenn ein Mann sich verlobt hat, nachdem er bis über beide Ohren verliebt war, und wenn sich das Mädchen den Mann vom Vater ertrotzt hat mit der Versicherung, nie einen anderen haben zu wollen (dabei kannte sie nur Puppen, Hunde und Pferde), dann geht nicht der Eine nach Norwegen und die Andere in die Heide, wo sie am wildesten ist.

Du sollst mir Auskunft geben, Wien, in Deiner verläßlichen Art. Muhme Kordula behauptet, Du selbst seist nie verliebt, alias unzurechnungsfähig gewesen. Also bist Du vertrauenswürdig. Und da gegen Deine Jahre die Amei das halbe Kind ist, so darfst Du sie als Kind behandeln und ihr den Kopf zurechtsetzen.

Ich grüße Dich als Dein getreuer
Onkel Ernst Sleef.

Nachschrift ... wie ein Backfisch.

Es genügt auch, wenn Du mir schreibst, daß Ihr das Haus voll Nähterinnen habt, die zur Aussteuer sticheln. Dann weiß ich Bescheid. Amei würde so was nie schreiben, die berichtet nur getreulich, wenn eins von Euren Pferden die Kolik hat. –


Ich verstehe nicht viel aus dem Briefe Seiner Exzellenz. Weiß auch bei der Nachschrift keinenfalls, was der »Backfisch« bedeutet. Natürlich habe ich schon manch einen in der Pfanne gehabt, aber was er hier am Briefende soll, ist mir unklar. Und daß ich die Amei als »Kind« behandeln soll, und ihr befehlen an den Vater zu schreiben über Hochzeit und Aussteuer und Nähmamsells – – ich glaube, wenn berühmte tapfere Generäle aus ihrem von Gott gegebenen Metier herausgetan werden, dann sind sie »tüderig«, und wissen nicht mehr, was sie von einem alten Unteroffizier verlangen dürfen.

Ich faßte mich deshalb kurz: »Exzellenz, Ihr Brief ehrt mich. Meinen Dank! Fräulein Tochter Amei spricht mit mir weder von Doktor Jochen Sleef, der mein Vetter ist und, früher mein Freund war, noch von Aussteuer und Nähterinnen. Sie spricht überhaupt nicht mit mir. Nicht mal von Kolik. Ich bitte, mich deshalb von all diesen Berichten zu entbinden.

Gehorsamster Neffe
Wien Sleef.

Vielleicht ist dieser Brief verrückt. Ich fühle, daß ich bei klein verrückt werde. Ich möchte Ruhe haben. Ich möchte vom SIeefkamp fort, einmal muß es ja doch sein. Wozu also noch Wiederkehr des Hoferben, Hochzeit und Kindtaufen (bei welchem Gedanken man schon alles zusammenschlagen möchte), abwarten? Das kann auch einen Riesen zermartern, diese fortgesetzten Fragen und Anspielungen auf ein bevorstehendes, unsinniges Glück, an dem ich keinen Anteil habe. – Wenn meine Nachfahren diesen Satz lesen, werden sie denken, daß der Wien Sleef ein neidzerfressener Kerl war. Bün ik ok. Häßlich. Häßlich innen und außen. – Und dabei hat mir der Oheim General doch wieder einen Orden umgehängt. Und ich könnt' zufrieden sein. Worauf ich manchesmal scheel sah – auf die gute Kinderstube des Dr. phil. et rer. pol., des Vetters Jochen Sleef – die soll mein sein? Besteht sie denn nicht in dem, daß man ganz »feiner Hund« ist? Ist in mir, dem groben, einfachen Knecht inwendig etwas, was den Herrn General mich so ehren läßt? Wien, sag's nur – das freut dich bannig. – Das löscht so viel aus, womit man dich kränkte.


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