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Sleefkamp, den 16. Mai 19 ..

Diesen folgenden Brief hefte ich nun dem Folianten bei. Er war schon am 14. Mai von einem fremden Manne hier abgegeben worden. Aber erholen daran konnt' ich mich erst heute. Nicht ganz richtig, aber doch so, daß ich schreiben kann. – Jesus! Ein hart' Ding! Zu Tode will ich mich arbeiten für den Sleefkamp, aber nicht wieder solchen Brief lesen. An den Oberknecht Wien Sleef im Sleefkamp.

Liebster Wien, wenn du nich warst dazumalen vom Herrgott droben abgesandt zu üs, wären verbronnen mein Mann selig und ich, die Unterzeichnete. Und ist mein Mann jetzt in der Ewigkeit, denn ihn hat der Schlag gerührt von einer Botschaft. Ausgelitten hat er. Aber noch vorm Verscheiden hat er gelallt: »Wien Sleef.« Woraus ich spürte, er hatte dieselben Gedanken wie ich, und das große Vertrauen und auch die brennend Frage: »An wen soll man sich wenden in höchster Not, wenn nicht an seinen Lebensretter? Der bist Du, Wien Sleef. Und ich wende mich an Dich, weil ich nicht unsern Knecht und Magd sehen lassen will in Dunkles aus unsrer Familie. Ist dann gleich Respekt und Disseplin hin. Aber Du gehörst zu den »Unbekannten und doch bekannt« aus der Bibel, was mir allstunds so ein schönes Wort war. Und ich will Dich in Schweres einweihen, was die Jugend leicht nimmt, aber Du wirst es nie leicht genommen haben, weil Du sauber bist. Erinnerst Du an die lüttje Birgitt, uns' Enkeltochter? Uns' Ein und Alles? Tochter von unserm verstorbenen Sohn und Schwiegertochter. Beide tot. Gesehen hast sie niemalen, aber geredt haben wir Dir von der Birgitt, daß sie leibhaftig stehen muß vor Dir. War feingliedrig und paßte gar nicht recht auf unsern Hof. Hatte auch immer nur Wunsch nach der Stadt. Taten ihr den Gefallen. Hatte aber dort ungute Stelle, wollt's aber nicht uns kundtun. Denn es hielt sie was dort. Ein feiner Herr. Was soll das? fragten wir Großeltern. Bauer gehört zum Bauern. Aber versuch's mal, Wien, und sag' so was an Jugend heran ... Umsonsten ist alls. Schrieb' aber verständige Briefe, die Deern, nur kein Wort mehr vom schönen, feinen Herrn. Und brav wär er, gut und arg gescheidt. Das hatte sie aber vördem getühnt, dann aber nimmermehr, weil sie wußt, wir litten das nicht. Wien, ich schreib mich hart. Vor einer Wochen ist die Birgitt mit einem Soggerpupp gekommen. Zu us. Hat der feine Herr gar lang nichts mehr von sich hören lassen. Wie es so vielen armen Deerns geht, die sich die Krone rauben lassen. Und soll er gar ins Afrika sein, oder sonst was Heidnisches. Ist mein guter, alter Mann umgefallen auf dem Fleck. Uns' Enkelin, uns' Einzigst! So was überlebt kein Heidjer. Aber ich überlebs. Mütter und Großmütter können vieles. Weil die Sorg doch nun erst anhebt. Um zwei Leben. Denn die Birgitt ist wie von sich. Den Dienst hatte sie schon gewechselt, weil die ungute Herrschaft sie verschimpfiert hat. Hat das Kind Birgitt ihren Soggerpupp in einer Herberg geboren, schier in einer Krippen wie der Heiland. Gott verzeih mir die Sünde. – Wien! In einer Herberg! Und wir haben einen schönen Hof, der ihr dermaleinst gehört zu eigen. Wien – kumm her! Ein Angst hab ich. Die Deern ist fort, mit dem Säugling, und mein Bauer liegt auf dem Schragen. Und nüms solle wissen mit der Birgitt. Es ist kein Heimbericht gekommen. Das ist gut. – Hilf mir Wien! Such mein Enkeltochterl Du findst sie schön. Und dann hilf mir den liebesten Mann eingraben, bist gut Wien, ich dank Dir! Mir ist sehr wirr im alten Kopf.

Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.

Dierkhofmutter.

Das ist schon ein Brief, und man kann verrückt bei werden. Aber ich muß alle Sinne beisammen haben. Gehab' dich wohl, Sleefkamp, auf etwelche Zeit!


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