Felicitas Rose
Kerlchen als Anstandsdame
Felicitas Rose

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Brief von Bümi an Kerlchen.

Liebe Kindermuhme!

Muß man »Tante« zu Dir sagen? Gehst Du eigentlich ins achtzehnte Jahr, oder trägst Du bereits lilaseidene Kleider, schwarzweißbebänderte Hauben und einen Pompadour, der nach Lavendel riecht und in dem sich nur Gummischnuller und Wickelbänder befinden?

Kerlchen! Verdrehtes, gemütliches, lustiges Schelmenkerlchen, dichtendes Parnaßkerlchen, hofluftatmendes Fürstenpatenkind, Buchenwalder Herzenstrost a. D., was ist aus Dir geworden? Erst eine Anstandsdame und nun Kindermuhme? Man hört so ernsthafte Dinge von Dir, daß man im Geiste immer mit abgezogenem Hute dasteht, was eine große Unbequemlichkeit und Anstrengung ist, aber eine noch größere Anstrengung verursacht es, täglich mit anzuhören, wie der Vater, die Schwäger, ja der eigene Ehemann am lautesten ausrufen: »Das is en Frauenzimmer! Nein, das is eben kein Frauenzimmer, das is en Kerlchen!

Nehmt euch allesamt ein Beispiel!«

Das tun wir ja auch, Donnerja!

Luttewete weicht Tag und Nacht nicht von ihrer Rösi, um gegen Dich nicht abzustechen, denn Schwager Helsa ist noch genau so vernarrt in Dich, als am ersten Tage, da Du in Buchenwalde Deinen Einzug hieltest, aber was sollen Munke und ich tun, die wir nicht den Schatten eines Sprößlings besitzen?

Aber warte nur, das soll schon noch anders werden!

Und damit Du nicht zu übermütig wirst, teile ich Dir heute eine Trauerbotschaft mit:

Du bist Witwe geworden.

Borby ist verblichen.

Noch ehe er »dritter Ehemann« werden konnte, hat er sich empfohlen, niemand weint ihm eine Träne nach, denn sein Testament ist gerade so greulich, wie er es all sein Lebtag war.

Unsere gute Stadt S., die ihn ein Menschenalter lang ertragen hat, bekommt nichts, kein Waisenhaus, kein armer Dienstbote, niemand von seiner Umgebung besitzt einen roten Heller.

Nur das hiesige Hundeasyl bekommt 1000 Mark, damit es seinen abscheulichen Pinscherdackelterrier zu Tode pflegt und ihn dann »angemessen« beerdigt. (Nicht den Borby, sondern den Hund.)

Sein ganzes übriges Millionenvermögen kommt – und das ist die Gemeinheit – nach England. Ein ganz entfernter Onkel-Vetter-Neffe von ihm wohnt dort, gleichfalls ein Scheusal (er war zur Beerdigung hier und bleibt hier, bis er die Millionen flüssig mit herübernehmen kann), der erbt alles und nimmt alles grinsend an, nur für die Braut, die alte Baronin Brockhorst, dankt er bestens.

Kerlchen, Kerlchen, ich möchte wirklich wissen, ob Du – wenn Du – – ob Du dann jetzt eine reiche Witwe wärst, oder derselbe arme Schlucker von vordem. Denn Borbys Tod kam sehr plötzlich, – einen Sohn und Erben hättet Ihr unmöglich schon haben können. »Weib Du rasest«! ruft mir eben Franz zu, der natürlich wieder alles gelesen hat. Liebes, süßes Kerlchen, verzeih' mir! Gib' mir bald Nachricht über Dein Tun und Treiben, sinke nicht unter in Milch und ersticke nicht in Windeln, sondern schmücke Dein Heim, koche mit Gas und behalte lieb

Deine Bümi.

*


 << zurück weiter >>