Felicitas Rose
Kerlchen als Anstandsdame
Felicitas Rose

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Brief von Fritz von Rumohr an Kerlchen.

Liebes Kerlchen!

Konnt ich Dir damals im Hammerhäuschen eine große Freude machen, als ich Dir Deines Väterchens Bild schickte, so muß ich Dir heute weh tun, – – Onkel Liskow ist tot. Liebes, liebes Kerlchen!

Du wirst ihn von Herzen betrauern, den Edlen, Guten, der so wenig Glück im Leben gehabt hat.

Gestern haben wir ihn eingebettet in Buchenwalder Erde, und wir haben Dir aus bester Absicht, nichts von seinem Hinscheiden gesagt.

Die Reise ist weit und kostspielig, Du hättest Dich gesorgt und gegrämt und hättest ihm doch nichts sein können, da er niemand mehr erkannte. Sein Tod war schön, denn seine Phantasien hatten ihn auf sein altes Schiff geführt; laut rief und befehligte er seine blauen Jungens mit ungebrochener Kraft und heller Stimme, so daß wir alle glaubten, er werde uns noch eine Spanne Zeit erhalten bleiben, wenn das Fieber vorüber sei.

In der letzten Nacht, als ich bei ihm wachte, plauderte er mir alle Seemannsgeschichten vor, lachte dazwischen herzlich auf, aber dann wurde seine Stimme matter, und er klammerte sich an mich an, voll Angst, als suche er etwas und könne es nicht finden.

Ich beruhigte ihn, da sah er mich liebreich an und fing plötzlich leise an zu summen, zu singen, unser Lied, Kerlchen, unser trautes Lied:

»Kiel, du Stadt in Deutschlands Norden!«

Nur diese eine Zeile, – er wiederholte sie mühsam ein paar Mal, – dann war alles vorbei – –. Nun bin ich noch einsamer geworden!

– Aber mir ist's eine liebe Beruhigung, daß das brave Seemannsherz nicht in einem der Friedhöfe der Weltstadt ruht, sondern daß wir es in Schleswig-Holstein einsenken durften, unter den hohen Buchenstämmen.

Sie werden im nächsten Sommer mit vollen, grünen, rauschenden Blättern ein Schlummerlied über seinem Hügel singen, und die nahe Ostsee wirft dazu donnernd ihre Wellen an den Strand, das sind die Ehrensalven über das Seemannsgrab.

Onkel Liskow hat mich zu seinem Erben eingesetzt. Das einst so stattliche Vermögen ist freilich verloren, aber der Rest erleichtert mir das Abzahlen der Ehrenschuld um ein Bedeutendes. Von den Möbeln im lieben »Schiff« in der Kleiststraße will ich mir auch einige zurückbehalten, die unserm Toten besonders wert waren, denn wenn jetzt auch mein Zukunftshimmel noch grau in grau ist – o liebes Kerlchen, es könnte ja doch möglich sein, daß noch einmal ein lichter Sonnenblick kommt, daß ich nicht immer der einsame Sonderling bleiben muß.

Gott segne Dich, Kerlchen, liebes Kerlchen, Schutzengel – – –

Dein Fritz von Rumohr.

*


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