Joachim Ringelnatz
Die Flasche und mit ihr auf Reisen
Joachim Ringelnatz

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Erster Akt

März 1927

In der Kneipe »Zur Kiautschoubucht«. Im Lokal sitzt ein Heizer. – Hinten die Theke. Ein Grammophon spielt eine Platte aus der Zeit, also z. B. »Mein Liebling heißt Mädi« oder »Hallo, du süße Klingelfee«. – Ein Sofa, ein Schiff in einer Flasche, an der Wand eine Gitarre und ein Krokodil, Flaggen, ein Schiffsbild, Panamahut, Speere usw. eventuell ein Klavier

Mewes (stellt Grammophon ab und geht hinter die spanische Wand am Ausgang links, wo sie zu einem nicht sichtbaren Gast spricht): Trinkst du noch einen? He! Du! – Schläft wie ein Sack. – He, du! – Mußt du nicht an Bord? – Er wacht nicht auf. – Na, meinetwegen schlaf dich aus! Aber trocken! Das rate ich dir. Ich will meine Getränke aus dem Hause haben. (Kehrt zur Theke zurück.) (Kapitän, Steuermann, erstes und zweites Hafenmädchen kommen teils singend, teils pfeifend herein an die Theke.)

Alle vier: Wir Fahrensleute
Lieben die See.
Die Seemannsbräute (usw.)

Kapitän: Schnell, Mutter Mewes! Zwei Bier und zwei Köm! (Zu den Mädchen.) Was trinkt ihr?

Erstes Hafenmädchen: Dasselbe.

Zweites Hafenmädchen: Zwei Köm und Bier.

Mewes (einschenkend): Also viermal »Alt-Hamburg«.

Heizer (zu ihnen gehend): Kaptain, geben Sie einen aus für mich?

Kapitän: Meinetwegen. (Zu Mewes.) Also noch mal dasselbe. Aber rasch. Wir müssen an Bord. Wir laufen aus.

Heizer: Wenn ich Kaptain wäre, würde ich mir immer Zeit lassen.

Steuermann: So siehst du Bursche aus. (Zu den andern.) Na denn Prost.

Kapitän: Prost! (Trinkt und singt dann.)

Steuermann (fällt ein):
Wir Fahrensleute
Lieben die See.
Die Seemannsbräute
Gelten für heute,
Sind nur für to-day.

Die Mädchen, die weinen
Sind schwach auf den Beinen.
Was schert uns ihr Weh!
Das Weh, ach das legt sich.
Unsre Heimat bewegt sich
Und trägt uns in See,
Far away.

Kapitän: Wenn ich das höre, schmilzt mir das Herz.

Erstes Hafenmädchen: Ich hab' das mal im Theater gesehen.

Steuermann: Das ist doch kein Theaterstück. Das ist doch ein Lied.

Zweites Hafenmädchen: Es ist eine Operette. Das singen die Seeleute beim Abschied. –

Erstes Hafenmädchen: Ja. Und dann singen die Mädchen ihnen nach (singt).

Zweites Hafenmädchen (fällt ein):
Wir, die Bräute
Der Fahrensleute,
Lieben und küssen
Doch wissen, sie müssen
Zur Seefahrt zurück.

Und wenn sie ertrinken,
Dann – wissen wir – winken
Uns andre zum Glück.

Kapitän: Trinkt aus! So, Mutter Mewes, da ist Geld! (Gibt den Hafenmädchen Geld.) Da habt ihr auch was! – Adjüs! (Singend ab.)

Steuermann: Adjüs! (Singend ab.)

Erstes Hafenmädchen (halblaut zum zweiten Mädchen): Was hat er dir gegeben?

Heizer: Viel! Wollt ihr einen für mich ausgeben?

Zweites Hafenmädchen: Dir ist wohl die Kohle zu Kopf gestiegen! (Zur andern.) Komm, Kläre! (Beide singend ab: »Wir, die Bräute« . . .)

Heizer (auf seinen Platz zurückkehrend): Hurenpack!

Grischa (eintretend): Guten Abend, Mutter Mewes. So leer? So düster?!

Mewes: Guten Abend, Herr Musikus. Ja, es wird heute nicht viel werden. »Cap Finisterre« ist ausgelaufen, auch das englische Wochenboot. Und Kapitän und Steuermann von der »Florida« sind gerade zur Tür hinaus.

Grischa: Schade! Gestern war es so lustig.

Mewes: Wie sich das so gibt; heute werden Sie nicht wieder einsammeln können.

Grischa: Elf Mark hab ich gestern zusammengebettelt.

Mewes: Hm – Ja. Und hundertzwölf Mark und noch was darüber verzecht.

Heizer (räuspert sich höhnisch. Halblaut.) Ein fetter Junge.

Grischa: Nicht allein. Mit meinem Freund zusammen. – – Kommt das dänische Fräulein heute nicht?

Mewes: Die Petra? Hat sie dir gefallen?

Grischa: Mir auch. Aber mein Freund ist ganz verrückt auf sie.

Mewes: Der feine Matrose, der bei dir saß? Ist er scharf auf sie? – – Hütet euch vor der. Die ist klug. Und ich vertrete Mutterstelle an ihr.

Heizer: Du? Mutterstelle an der? Wieso?

Mewes: Sie hat kein Blut von mir, aber ich bin schon lange ihre Mutter. Mein ertrunkener Mann hat sie von seiner ersten Frau übernommen. Er war auch nicht ihr leiblicher Vater.

Petra (eintretend): Guten Abend. (Nimmt Platz.)

Grischa: Guten Abend, Fräulein Petra.

Mewes: Guten Abend, Petra. Ist dein gestriger Rausch verpufft?

Petra: Ja. Es war lustig gestern. Ich muß Hundehaare auflegen. Gib mir eine Flasche Whisky.

Heizer (setzt sich zu Petra).

Petra (erhebt sich und nimmt anderswo Platz).

Mewes: Eine ganze Flasche? Nein, Petra. Ein Glas. Du wolltest dir doch Schuhe kaufen. (Holt Flasche und Glas.)

Petra: Ja ja, ich weiß.

Grischa (nimmt Gitarre).

Petra: Das ist recht. spielen Sie uns wieder eins. Gestern kamen wir dabei so schön in Fahrt.

Grischa: Gestern ja, herrlich! Wunderschön!

Heizer (stellt sich zwischen Petra und Mewes): Was kostet der Dreck?

Petra (ihn beiseite schiebend): Was ich bestelle, bezahle ich selber.

Grischa (fängt an, leise zu spielen und beobachtet dabei Petra und den Heizer).

Heizer (zu Petra): Gestern hast du aber alles angenommen.

Petra: Gestern ging ich mit dir schlafen.

Heizer: Nun, und heute?

Grischa (spielt lauter und wie drohend).

Petra: Heute weiß ich, daß du ein Schwein bist.

Heizer (geht lachend zur Theke und legt Geld hin).

Mewes: Petra, trink heute nicht wieder so viel.

Petra (nimmt Grischa die Gitarre ab und spielt und singt):
Nashornida nannte ich die Kleine.
Eigentlich klingt das so mild.
Nashornida hatte Trampelbeine
Und war wild.

Nashornida hat mir einen Knochen
Alle Gläser, Porzellan und die
Linke Wand vom Kleiderschrank zerbrochen.

Doch sie hat nach Afrika gerochen,
Und das reizte meine Phantasie. –

Ich bin in bester Stimmung. – Aber beruhige dich, Mutter Mewes, (halblaut) Hans Pepper trinkt mit. Er kommt heute zurück.

Mewes: Hans Pepper kommt heute?

Petra: Ja. Sein Schiff ist schon von Oevelgönne gemeldet.

Mewes: Dann wird's heute doch noch lustig.

Heizer (geht zu Petra): Eins will ich dir sagen. Ich brauche dich nicht. Es gibt jüngere Mädchen.

Petra (zu Grischa): Hallo, Musiker, komm doch mal zu mir! Ich muß dich etwas fragen.

Grischa: Ja. Ich dich auch. (Er eilt breit zu Petra und stößt dabei den Heizer vom Stuhl.)

Heizer (sich erhebend): Was?! Du Papierfetzen! Du windiges Geklimper! (Er läuft Grischa nach, der aus dem Lokal entflieht.)

Mewes: Also Hans kommt heute? Ist das bestimmt?

Petra (nickt): Ich sagte doch: Er ist schon von Oevelgönne gemeldet. Ich habe ihm einen Aal durch den Lotsen entgegengeschickt. (Lauscht.) Hörst du? Die hauen sich jetzt da draußen.

Mewes: Draußen. Was geht's uns an? (Auf Gitarre zeigend.) Der ist ein russischer Flüchtling. – – Freust du dich sehr auf Hans? Er war diesmal lange weg. Genau – ein Jahr – laß mich nachdenken – ein Jahr und siebzehn Tage.

Petra: Einmal hat er mir in der Zeit geschrieben. Eine Ansichtskarte aus San Franzisco. (Zieht die Karte hervor und liest laut.) »Aus Liebe Hans Pepper.«

Mewes: »Aus Liebe Hans Pepper.« Ja, das ist so sein Briefstil.

Petra: »Aus Liebe Hans Pepper.« Mehr schreibt er nicht.

Mewes: Solche Flossen schreiben nie viel. Er hat sicher viel hineingelegt in diese vier Worte. Denn er ist echt.

Grischa (zurückkehrend zu Mewes): Hatte der noch was zu bezahlen?

Mewes: Der Heizer? Nein. Kommt er nicht wieder zurück? Wo ist er?

Grischa: Wahrscheinlich unter einem Wasserhahn. (Zu Petra.) Was wollten – du fragen?

Petra: Es ist nicht wichtig. Aber was wolltest du fragen?

Grischa: Nein, frag du zuerst.

Petra: Kennst du das Lied »La Paloma«? »Es zog mich an Bord, und es wehte ein kühler Wind –«?

Grischa: Ja. Es ist ein mexikanisches Lied. Wir sangen es oft auf See.

Petra: Bist du ein Seemann?

Grischa: Ich bin früher einmal als Steward gefahren. Lange vor dem Krieg. Wir sangen oft.

Petra: Also du kannst es singen?

Grischa: Nein. Ich kann nicht singen. Aber ich kenne es. Man sagt, es ist von einem Kaiser gesungen, den man mit diesem Liede erschoß.

Petra: Du kannst es also nicht singen?

Grischa: Ich kann es spielen. Soll ich es spielen?

Petra: Jetzt nicht, aber später, wenn ich dich bitte. Wie heißt du?

Grischa: Grischa.

Petra: Grischa? – Grischa, du wolltest mich auch etwas fragen.

Grischa: Ja viel. Hör zu: Reisen ist doch schön?

Petra: Reisen?

Grischa: Ja. Reisen mit Auto und Aeroplan und mit einer Luxusyacht, wo das Deck aus Magagoni ist –

Petra: Aus was?

Grischa: Aus Magagoni.

Petra: Mahagoni meinst du. Bist du ein Russe?

Grischa: Ja. Und die Treppen mit Silber beschlagen. Und zwischendurch in vornehmste Hotels wohnen. Möchtest du das?

Petra: Ja, das möchte doch jeder. Das ist doch so, als ob du fragst: »Möchtest du reich sein?«

Grischa: Möchtest du mit meinem Freunde – er hat eine eigene Yacht und ein Schloß in Frankreich – möchtest du mit ihm so reisen?

Petra: Nein.

Grischa: Er bezahlt alles.

Petra: Selbstverständlich. Aber ich möchte nicht.

Grischa: Warum nicht?

Petra: Was kümmert mich dein Freund?

Grischa: Er mußte aus Livland fliehen.

Petra: So? Das tut mir leid.

Grischa: Nein, der ist noch rechtzeitig geflohen. Der hat sein ganzes Vermögen gerettet.

Petra: Was kümmert mich das. Ich habe meinen eigenen Freund.

Grischa: Warum willst du nicht einen mehr haben?

Petra: Wenn es über mich kommt, einen mehr, einen weniger. Aber vorläufig habe ich keinen Bedarf. Ich bin in festen Händen.

Grischa: In was?

Petra: Laß! Ich kann schneller zu dir reden, als du zu mir. Ich rede besser deutsch.

Grischa: Du bist doch eine Dänin.

Petra: Ich bin dänisch. Ganz gleich. Aber ich begreife schneller. Ist es nicht so: Ein Freund von dir will mich kennenlernen?

Grischa: Ja.

Petra: Irgendein Freund von dir, der mich einmal oder zweimal gesehen hat, will mit mir in die Betten gehen?

Grischa: Davon hat er kein Wort gesagt.

Petra: Aber mit jedem Wort daran gedacht.

Grischa: Nein, du brauchst nicht. Ich schwöre es. Er wird es nie verlangen. Er will dich nur immer in seiner Nähe haben. Die Männer und Frauen, die er um sich hat, sollen alles gemeinsam mit ihm leben. Verstehst du? Auf seine Kosten. Er ist sehr reich.

Petra: Deshalb meint er, er kann alles kaufen. – – Mich nicht!

Grischa: Nein. Weil er reich ist, hat er keine Freuden.

Petra: Hat er zuviel Freuden, und weil sie ihn nicht lange freuen, sucht er immer wieder neue.

Grischa: Nein, er hat keine Freuden, wenn nicht auch möglichst viele andere mitmachen. Verstehst du?

Petra: Ich verstehe. Er möchte ein Bett so groß wie der Hopfenmarkt. Sag deinem Freund, er soll sich ein junges Mädchen suchen und ein schönes.

Grischa: Er hat junge genug und schöne genug. Er sucht etwas anderes dazu, etwas Besseres. Er sagt, du bist anders.

Petra: Nun, der hat einen guten Blick.

Grischa: Ja. Er sagt auch: du bist ehrlich.

Petra: Er kennt mich doch gar nicht.

Grischa: Du hast gestern hier mit ihm getanzt. Er ist ein schöner Herr.

Petra: War es der russische Salonmatrose?

Grischa: Der russische Matrose.

Petra: Der hat mir gar nicht gefallen. Der hat Hebammenfinger. Das ist kein Matrose. Er macht Schwindel. Er ist vielleicht ein Steward oder ein Kriminaler.

Grischa: Er ist ein Fürst.

Petra: Noch schlimmer. Er ist ein feiger Hund. Er zeigt nicht Flagge. Er geniert sich vor uns Proletariern.

Grischa: Nein.

Petra: Laß mich ausreden. Er schickt dich zu mir, weil er selbst zu feig ist, mich zu fragen, ob er mich aushalten darf.

Grischa: Nein. Ich schwöre! Er ist ein guter Herr. So gut!

Petra: Nun gut. Es ist ja gut, wenn jemand gut ist. Aber damit ist es auch gut. Sprechen wir von andern Sachen.

Grischa: Er ist für Fürst geboren – nein laß mich bitte noch einmal ausreden – er kann doch nichts dafür. Und er ist traurig, wenn die Menschen erkennen, daß er ein Fürst ist. Denn dann sind sie alle anders zu ihm.

Petra: Ich nicht.

Grischa: Doch! Auch du! Alle! Jeder anders. Die einen lecken ihm am Arsch, und die andern wollen das nicht und verachten ihn nur. Und noch andere sagen, er ist dumm. Oder sie sagen, er ist stolz. So ein Mann will doch auch einmal sein wie wir und will einfache Worte hören und ehrlich sprechen dürfen. Er hat Angst vor Mißverständnissen – verstehst du – – Falschverständnissen. Deshalb hat er mich zu dir geschickt, damit ich erst –

Petra: Bist du denn sein Diener? Ich denke, du bist sein Freund.

Grischa: Ich bin als Musiker bei ihm angestellt, aber ich bin auch sein Freund.

Petra: Warum verstellt er sich? Warum verstellst du dich?

Grischa: Wir verkleiden uns manchmal, wenn wir in einfache Kneipen gehen.

Petra: Aber ihr verkleidet euch mit Glas. Jeder durchschaut euch. Mutter Mewes hat gleich zu mir gesagt (sie flüstern. Der Schläfer hinter der Wand erwacht, zahlt und geht geräuschvoll).

Grischa (wieder laut): Du wirst dich überzeugen. Er muß jede Minute kommen.

Petra: Nein, nein, nein! Er will alles besitzen und alles kriegt niemand. Und er ist doch feig, und du bist wahrscheinlich auch feig. Ihr lügt wahrscheinlich beide.

Grischa: Willst du mit ihm sprechen?

Petra: Nein, ich will nicht. Du gefällst mir genug.

Grischa: Bitte laß ihn sprechen. Er drückt sich besser aus. Und du bist auch klug, du wirst schon heraushören. Du mußt nicht Angst haben.

Petra: Ich Angst? Auch mein Freund wird gleich kommen. Wenn der was in die falsche Kehle kriegt –

Fürst (bescheiden elegant gekleidet, geht auf Grischa zu und drückt ihm die Hand).

Grischa (vorstellend zu Petra): Das ist mein guter Freund. (Will gehen.)

Petra (reicht dem Fürsten die Hand): Ihr Kapellmeister hat mir alles gesagt. (Sie hält Grischa zurück.) Bleib hier, ich will nicht allein mit ihm sprechen. (Zum Fürsten.) Sie sollen so edel sein, daß mir ganz gruselig wird. Aber meine Antwort ist Nein.

Fürst: Es ist freundlich von Ihnen, daß Sie mich überhaupt anhören. (Er gibt Grischa einen Wink, Whisky zu bestellen.)

Petra: Gern, aber nur kurz. Denn ich kann nur Nein sagen. Ich habe einen festen Freund, den ich über alles stelle.

Fürst: Das erstaunt mich gar nicht.

Petra: Ich erwarte ihn gerade. Er wird gleich kommen. Wir sind so wie verlobt.

Fürst: Das gönne ich Ihnen.

Petra: Also was bleibt noch zu sagen?

Fürst: Eins schließt doch nicht das andere aus. Sie sollen natürlich zusammenbleiben. Er könnte doch mitreisen, bei Ihnen wohnen.

Petra: Der wird sich bedanken. Der reist sowieso. Und anders wie Sie. Der hat keine Luxusyacht. Der reist nicht zum Vergnügen. Der ist kein Faulenzer. Der ist ein Kerl. Der hat einen Beruf. Seemann ist er.

Fürst: Ich wollte, ich wäre in dieser Karriere.

Petra: Karriere! Ho, wie das klingt–das klingt wie Kavallerie. – Er ist ein einfacher Matrose und wird immer Matrose bleiben.

Fürst: Nun, immer wird er es nicht bleiben.

Petra: Immer! Der hält es an Land nicht aus.

Fürst: Immer wird er es gar nicht bleiben können.

Petra: Nun ja, er wird auch einmal zugrunde gehen.

Fürst: Von Unfällen abgesehen. Er wird sich einmal zur Ruhe setzen wollen, wenn er sich etwas erspart hat.

Petra (lachend): Erspart! Wir sparen nicht. Für uns ist Geld so wie Wellen. Schön, wenn sie kommen, schön, wenn sie gehen. Nur gefährlich, wenn sie bleiben. Wir sind Fahrensleute.

Fürst: Ich habe auch manche Seeleute gekannt. Wenn sie alt und gebrechlich wurden, sehnten sie sich doch danach, einmal auszuspannen, zu genießen, spazierenzufahren, ein Häuschen zu besitzen –

Grischa: Schön! Mit einem Gärtchen, und eine Kuh –

Petra: Und Gickelgackelhühner und Obstbäume mit Kinderwindeln – ich verstehe.

Fürst: Ich bin zufällig reich genug, euch das alles zu verschaffen.

Petra: Verdienst du soviel Geld?

Fürst: Verdienen – nein.

Petra: Hast du soviel erspart oder gestohlen?

Fürst: Ich habe es geerbt. Leider habe ich es.

Petra: Leider? Schmeiß es doch auf den Mist! Geh arm zur See wie mein Freund.

Fürst: Darf ich denn wegwerfen, was ich an gute Menschen verteilen kann?

Petra: Ach rührend. Sie wollen also nur herschenken und gar nichts verlangen?

Fürst: Verlangen werde ich nichts. Ich werde mich freuen, wenn Menschen mein Geld genießen, die es mehr verdient haben. Und ich möchte mit diesen Glücklichen dann glücklich werden . . .

Petra: Und sonst wollen Sie gar nichts? Von mir gar nichts?

Fürst: Ich will Sie genießen. Aber nicht so, wie Sie denken –

Petra: Aha, nur die Seele. Der Leib ist Ihnen gleichgültig.

Fürst: Gleichgültig?!

Petra: Sie sind wohl aus einem Märchen stehen geblieben? Lieber Freund, es ist 1927.

Fürst: Ich gebe zu: ich habe die ganze Nacht von diesem Leib geträumt. Ich bin doch nebenbei auch Mann.

Petra: Nun also. Warum umgehst du das? Rede doch wenigstens offen. Was verlangst du von mir? Wahrscheinlich bist du pervers. Was forderst du von mir?

Fürst: Ich fordere nichts. Ich bitte nur, daß ihr mit mir reist und um mich seid. Ich will dir ein eigenes Heim einrichten, wo du mit deinem Verlobten wohnen kannst. Und ich führe euch in Gesellschaften ein, wo ihr euch untereinander alle wohlfühlen sollt. – Ihr sollt Theater besuchen und Konzerte und Kinos oder Zirkus – was ihr wollt. Ihr sollt Kleider und alles haben, was du brauchst, um glücklich zu werden und gesund und frei zu sein.

Petra: Ich bin gesund und frei.

Fürst: Nein, du bist sehr elend und nicht frei. Petra, du bist noch sehr schön, aber noch viel schöner würdest du aussehen, wenn du gesünder und freier wärest. Bedenke das wohl!

Petra: Aber glücklich bin ich.

Fürst: Es ist ja schon ein Glück, wenn wir das von uns glauben. Aber wir könnten alle noch glücklicher sein. (Pause.)

Petra: Und was forderst du weiter?

Fürst: Ich bitte um weiter nichts als dies und werde dir nie zu mehr zureden.

Grischa: Ich schwöre für ihn!

Fürst (tadelnd zu Grischa): Danke. Ich kann allein schwören. (Zu Petra.) Was du darüber hinaus mir – freiwillig – im Einverständnis mit deinem Freunde schenkst, wird mich natürlich unendlich froh machen.

Petra: Und was zahlst du außer Reise, Kleidung und freier Station? (Pause.)

Fürst: Ich möchte nichts versprechen. (Pause.)

Petra: Wie lange soll es denn dauern? Einen Monat? Ein Jahr? Zwei Jahre?

Fürst: Wenn du es aushältst, zwei Jahre. Wenn du verlangst, nur drei Tage. Wenn es dir und euch beiden gefällt, länger und länger.

Petra: Welchen »euch beiden«?

Fürst: Dir und deinem Freunde.

Petra: Richtig; du willst ihn dulden.

Fürst: Dulden? Nein, nein! Wir wollen uns zusammenfinden aus allen Ständen und alles teilen. Und wenn ich zufällig Geld mitbringe: Es bringt jeder Mensch schon von Natur aus etwas mit sich.

Petra: Ah, ich verstehe. Das nennt ihr Orgie?

Fürst: Manche nennen es vielleicht Paradies.

Petra: Nein, nein, mein Freund weiß nichts von eurer Lebewelt. Der schlägt einen ganzen Palast entzwei, wenn wir mit den Beinen Skat spielen wollen.

Fürst: So meinte ich es nicht. Aber wie bist du klug! (Will ihre Hand küssen.)

Petra (Hand zurückziehend): Zwei Jahre sagtest du. Aber was du zahlen willst, sagst du nicht.

Fürst: Traust du mir nicht?

Petra: Nein. Gar nicht. – – Wenn ich nun forderte? Nach sechs Monaten zwölf Fenster und zehn Obstbäume mit reichlich Erde. Nach zwölf Monaten ein Dach und vier Mauern. Nach achtzehn Monaten das Notwendige, was noch zu solchem Hof gehört. Und nach dem zweiten Jahr die Erlaubnis, mit meinem Freunde ohne Dank von dir zu scheiden. –? (Pause.)

Fürst: Ich wäre einverstanden und glücklich. Das ist mal ein Vorschlag, der Hand und Fuß hat.

Petra: Aber wer garantiert, daß du nach dem zwölften Monat oder nach dem vierundzwanzigsten noch Wort hältst?

Fürst: Ich bürge mit meinem Leben dafür. Ich schwöre es.

Petra: Das klingt nach was. Ich will mir's überlegen. – Prosit!

Pepper (schleudert seine Mütze in die Stube): Mutter Mewes, ahoi!

Mewes (ihm entgegengehend): Na endlich zurück. Herzlich willkommen!

Pepper (schwer bepackt mit einem Kleidersack, einem Bananensack, einem ausgestopften Krokodil und einem Bastkörbchen. Hinter ihm Sitty Smile. Pepper bleibt stehen und zeigt auf Petra): Do you see, Sitty Smile? That is my Petra! Is that a wife or not?

Sitty Smile: A beautiful wife. (Laut.) Ich möchte ein große Bier.

Pepper (reicht Mewes den Bananensack): Das habe ich dir mitgebracht. Bananen aus Madeira. (Reicht ihr das Bastkörbchen.) Und das mußt du nachher allein auspacken. Es ist eine Überraschung darin.

Mewes (es in der Hand wiegend): Es ist sehr leicht. Ich trage es in die Küche. (Abgehend.) Ich danke dir später. Jetzt schieß auf dein Glück zu.

Pepper (eilt zu Petra): Hallo Petra! (Drückt ihr das Krokodil in die Arme.) Das hab' ich dir mitgebracht.

Petra: Guten Abend, geliebter Hans. (Küßt ihn auf den Kopf.) Seit mehr als einem Jahr erwarte ich dich.

Grischa (der sich mit dem Fürsten zurückziehen will, fixiert plötzlich Pepper): Bist du nicht Hans Pepper?

Pepper (sich von Petra losreißend): Was? Grischa? Der Russki?! – Mein alter Freund Grischa! (Sie umarmen und küssen sich.) Du, Petra, mit dem hab' ich gefahren! – Wir sind einmal fast abgesoffen. Vor Rio de Janeiro. – Hallo old Grischa!

Grischa: Es ist lange her. Ich war Steward an Bord.

Pepper: Ein Schweinestall hat uns gerettet.

Grischa: Das Schiff ging unter mit Mann und Maus, auch meine schöne Gitarre.

Pepper: Ja verflucht, es ging hart her! Nur wir zwei Ratten blieben übrig.

Grischa: Und konnten beide nicht schwimmen. Aber da trieb ein – wie nennt man das? – ein Holzkäfig im Wasser –

Pepper: Ein Saustall.

Grischa: Ja, ein Schweinekäfig trieb im Wasser mit einer lebenden Sau darin.

Pepper: Darauf haben wir zwei wohl acht Stunden lang balanciert, bis sie uns auffischten. Die andern sind alle abgebuddelt.

Grischa: Auch die süße kleine Pia, die Schauspielerin.

Pepper: Es war die fetteste Sau, die ich je gesehen habe. Und sie ist trotzdem ersoffen, weil wir sie durch unser Gewicht unter Wasser drückten. Und denke dir, Petra – –

Petra: Nun setzt euch doch erst mal alle. Du auch, Fürst.

Fürst: Sag doch Boris zu mir.

Petra: Gut. Also das ist Fürst Boris, und das ist Grischa, und das ist Hans Pepper.

Pepper: Der sieht auch wirklich aus wie ein richtiger Fürst.

Petra: Das ist auch ein richtiger. Und außerdem mein Freund. Also auch dein Freund.

Pepper (drückt dem Fürsten die Hand): Allright shake hands! Ich hab' auch schon mal einen Fürsten kennengelernt. Der hieß Wildenstein oder Wassermann oder so ähnlich.

Fürst: So? Den kenne ich leider nicht.

Pepper: Ja, das waren zwei Brüder, und die schulden mir jeder noch vier Dollar.

Grischa (umarmt Pepper und küßt ihn): Ach welche Freude, dich wiederzusehen. – Ich bin damals noch ein Jahr gefahren und dann wurde ich Kellner und dann wieder wandernder Musiker. Bis mich Fürst Boris von der Straße aufgelesen – –

Fürst: Aufgelesen, du Esel? –Bis ich dich entdeckt und als fleißig helfenden, treuen Freund bei mir behalten habe.

Petra: Hans, hat dir der Lotse den Aal gegeben?

Pepper: Ja, danke dir. Aber der stank schon. Und da haben wir ihn dem Steuermann Kittel in die Matratze genäht. Das Aas hat uns so schikaniert.

Petra: Das Aal?

Pepper: Nein, das Aas, sage ich. Übrigens: Ich habe eine Flasche echten Black Label durchgeschmuggelt. (Kramt sie hervor.) In der dreckigen Wäsche. Wir hatten alle furchtbar drauf gespuckt, und ich habe im Freihafen dem Zollmann gesagt: »Sieh doch selber nach, du Papagei!« Da hat er mich, ohne weiter nachzusehen, rausgeschmissen.

Petra: Hier steht schon Whisky für dich bereit. Prost Hans! (Betrachtet seine Stirn.) Du blutest ja.

Pepper: Ich habe mit Larsen geboxt. Es ist nicht der Rede wert. Skol, Petra!

Petra: Skol Hans!

Fürst: Prost Hans Pepper!

Petra: Nasdorowje Boris und Grischa! (Alle durcheinander: Prost, Skol und Nasdorowje.) Warum hast du mit Larsen geboxt?

Pepper. Ach nun – der weiß doch genau, daß du mein einziges Glück bist. Und dieses Sonofabitch läuft mir am Petersenkai vor den Bug und erzählt mir, er hätte dich zwei Nächte lang in seiner Koje gehabt.

Petra: Aber das ist wahr.

Pepper: Mag sein. Aber ich will's nicht wissen.

Petra: Das ist sehr traurig, Hans Pepper.

Pepper: Ich will sowas nicht hören.

Fürst: Bravo. Recht hat er. Prosit Hans Pepper. Du bist mein Mann.

Grischa: Ja der ist recht.

Pepper (in seinem Zeugsack kramend): Gleich! Sauft mal inzwischen allein. Ich habe für euch beide auch etwas. (Zieht ein seidenes Tuch hervor.) Da, Grischa. Echte Seide. Du kannst es so zusammenknutschen. Sieh her! – So. Und jetzt öffne ich die Hand und – bums – springt es wieder glatt. (Bückt sich und reicht dem Fürsten etwas.) Das kannst du behalten. Floridaseife.

Fürst: Danke herzlich. Oh, wie süß das riecht.

Pepper: Ja, wie Puff. Kostet mich eine Unterbüchs.

Grischa: Du bist noch immer mein liebster Freund. Besinnst du dich noch auf den gestohlenen Hammel in Buenos Aires?

Pepper: Natürlich! Wo du den Steert an die Nock gehängt hast! Ha, ha! (Sie fallen sich in die Arme und küssen sich.)

Petra: Hans, nun küss' mich doch endlich auch einmal.

Pepper (neigt sich zu ihr. Beschnuppert plötzlich ihr Haar): Ah! Ach du! Dein Haar riecht wunderbar! Weißt du, wie dein Haar riecht? So – wie wenn nach langer Fahrt Land in Sicht kommt. – So – erst Seegras – dann Treibgut und dann – oh! Schenk ein Mutter Mewes! (Singt.) Denn was nützt denn dem Seemann sein Geld, wenn's ihm schließlich ins Wasser reinfällt.

Petra (streichelt ihn): Was soll ich denn mit dem großen Krokodil machen?

Grischa: Immer bringt er Krakadile mit.

Pepper (Grischa nachäffend): Krakadile! Krakadile! Du lernst nie deutsch. (Zu den andern.) An Bord nannten wir ihn Gorgonzola.

Fürst: Meinen Grischa? Warum Gorgonzola?

Pepper: Grischa, sag mal »Hohenzollern«.

Grischa: Hohenzollern.

Pepper: Jetzt hat er's endlich gelernt. Früher hat er Gorgonzola dafür gesagt.

Petra: Ha, ha. Gorgonzola ist ein Käse.

Pepper: Als ob ich nicht wüßte, was Käse ist. Skol Petra! Das Krokodil mußt du aufhängen. Mutter Mewes hat auch mal eins von mir bekommen. Das dort.

Mewes: Ja, ein schönes Tier. Aber das hast du damals erst in Hamburg gekauft.

Petra: Mich hätten die Bananen viel mehr gefreut.

Mewes: Tauschen wir doch.

Petra: Gern. (Sie tun's.)

Pepper: Prost Borisfürst! Nasdorowje Petra! – Du, ich habe schon eine neue Chance, einen Motorschoner nach Grönland. Olaf heißt er.

Petra: Wir werden uns vielleicht lange nicht sehen.

Pepper: Das macht gar nichts. Wenn wir nur immer wieder zusammenkommen. Hamburg ist doch meine zweite Heimat, eigentlich meine einzige. – Olaf ahoi!

Petra: Auf die Weise sehen wir uns nur alle Jahre einmal, und nun vielleicht sogar erst in zwei Jahren wieder.

Pepper: Aber wie dann! – Und das kann uns keiner nehmen.

Petra: Und wo bauen wir unser Häuschen, wenn wir einmal alt sind, und du so viel Geld gespart hast, wie du dir selber immer vorlügst? Ich will doch wissen, wo ich als alte Frau dir Strümpfe stopfe?

Pepper: Das hat noch Zeit. Wenn wir wirklich mal soviel Geld zusammensparen –

Petra: Wer? Wir?

Pepper: Ich. – Weißt du – dann fahren wir –

Petra: Fahren? Mit dem Häuschen?

Pepper: Häuschen! Häuschen! – Irgendein kleiner Gaffelschoner. Dann fahren wir zum Beispiel so – Mittelmeerküste. – Alle Tage Häfen – oder Samoa-Inseln. Hast du einmal Samoaweiber gesehen? Die schönsten Weiber auf der ganzen –

Petra: Hans, hast du heute schon an Bord getrunken? Nimm dich doch ein wenig zusammen und hör zu: Du reist nach Grönland. Wir andern hier, der und der und ich, wir reisen auch fort, und zwar auf zwei Jahre.

Pepper: Hoho! Mit der Hafenrundfähre?

Grischa: Petra spricht wahr. Der Fürst hat doch eine eigene Yacht. Notschinka heißt sie. Ein schönes großes Boot. Und du und Petra fahrt mit uns. Erst nach Frankreich, dann –

Pepper: Ich? Nein! Ich mustre morgen auf der Olaf an.

Petra (zum Fürsten): Schade. Dann muß ich allein mit euch fahren.

Fürst: Hans Pepper, laß den Olaf schwimmen! Ich zahle dich besser, und du kannst Bootsmann bei mir werden.

Pepper: Auf keinen Fall. Ich bin für Olaf angeheuert, und ich lasse den Bas nicht im Stich.

Petra: Und ich will hier nicht länger allein sitzen, ohne Abwechslung und ohne –

Pepper: Du willst wirklich mit ihm reisen?

Petra: Ja Hans. Ich sterbe hier vor Faulheit und Langeweile.

Pepper: Als was willst du denn fahren? Willst du Stewardeß spielen bei dem?

Petra: Stewardeß? Nein. Dann hätte ich ja auch hier bei meiner Mutter Kellnerin sein können.

Fürst: Wir fahren als Freunde. Ihr beiden sollt uns beiden Gesellschaft leisten.

Pepper (sich erhebend zu Petra): Weil er ein Fürst ist?! – Da scheiß einer einen Langspliß! (Ergreift Sack und Mütze und will fort.) So long! – Tjüs, Mutter Mewes.

Mewes (ihm den Weg verstellend): Ich denke, du bist ein Seemann und kannst ein offenes Wort vertragen?

Grischa: Hans Pepper, hol dich der Teufel! Sind wir zwei Freunde oder nicht?

Pepper: Ja, Grischa, das sind wir. Karacho! Diavolo! Porco dio Madonna!

Petra (zum Fürsten): Ich sagte doch gleich, daß er nicht mitmacht. Aber was tut es? Ich bin nicht anders von ihm getrennt wie sonst. Er bleibt mein Hans und ich bleibe seine Petra.

Grischa: Ja, Pepper. Und wenn wir in einem Hafen liegen, wo du bist oder hinkommen kannst, dann ißt du bei uns und trinkst bei uns –

Fürst: Und schläfst bei uns (auf Petra zeigend) in Petras eigener Kabine. Am schönsten aber wär's, wenn du ganz bei uns bliebst. Sei doch mein Freund.

Grischa: Und Bootsmann von S. S. Notschinka.

Petra: Und dabei immer mein höchstes Glück. Sag zu, Hans!

(Pause)

Pepper: Da freut man sich ein Jahr lang auf sie und kauft überall Andenken. Und sticht sich ihren Namen in den Arm und hängt ihr Bild an die Koje. Und ich sage heute früh noch zu Hein Buck: »Die wiegt mehr als tausend von deinen stinkigen Negerweibern.« – Und ich sage noch vorhin zu Sitty Smile – (zu Sitty Smile): Hallo Sitty Smile, what did I say to you, before wir hier went in?

Sitty: Oh you said: »Let us drink like hell.«

Mewes: Du bist ein Esel, Hans Pepper.

Pepper: Jawohl, das bin ich.

Mewes: Ich sage dir: die Petra hat sich mehr auf dich gefreut als du dich auf sie, und sie hat es schlimmer als du erfahren, was Warten heißt.

Fürst: Du mußt mir nicht mißtrauen. Ich will dir deine Braut nicht nehmen.

Grischa: Mich kennst du doch. Glaube mir doch, es ist eine ehrliche Sache.

Petra: Stell dir doch einmal vor, ich führe zur See, und du bliebst zurück. Und ich müßte arbeiten und erlebte Stürme und sähe fremde Länder und bin in den Häfen vergnügt mit Türken und Kreolen und Japanern. Und du solltest inzwischen hier in der Kiautschoubucht warten und warten und warten. Mit wenig Geld. Und aus Gnade von der lieben Mutter Mewes. Du würdest aus Stumpfsinn und Verzweiflung nur saufen und –

Pepper: Das geht euch aus dem Maul wie ein Wasserstrahl. – Wir Deutschen sind dumm. Und ihr Dänen seid schlau. Und die Russen sind noch schlauer.

Fürst: Sind wir falsch?

Grischa: War ich jemals falsch zu dir?

Petra: Hast du denn ein Brett vorm Kopf? Es bleibt doch alles beim alten. Nur daß du mich eine Zeitlang statt in Hamburg irgendwo anders triffst. Wahrscheinlich öfter als bisher. Und nach zwei Jahren bleiben wir dann hoffentlich einmal ganz beisammen. – Das heißt, wenn du mich dann noch magst.

Fürst: Du gibst uns deine Adressen und wir schreiben dir jeden Tag.

Grischa: Ich schwöre es.

Pepper: Ach du mit deinen Geschwüren. Damals bei Kap Horn – mit der Leberwurst, da hast du auch falsch geschworen.

Grischa: Das ist Lüge.

Pepper: Das ist keine Lüge! Du hast noch Leberwurst gehabt.

Grischa: Wie kannst du das behaupten! Es ist nicht wahr. Ich hatte keine Spitze mehr von Leberwurst.

Pepper: Das ist Lüge. Shut up!

Grischa: Das ist Wahrheit! Ich schwöre.

Petra: Nun stecht euch um Leberwurst.

Fürst: Ja, das ist wirklich kein Zank unter Männern.

Pepper: Da hat er recht.

Fürst: Also merk dir: wir werden dir täglich schreiben, was wir vorhaben, und wo du uns erreichen kannst.

Grischa: Und wenn dir ein Schiff nicht gefällt, oder wenn dir ein Steuermann so dumm kommt, wie der Steuermann Kittel –

Petra (lächelnd): Das Aal!

Grischa: Dann telegraphierst du an den Fürsten um Geld.

Fürst: Oder legst es aus, wenn du gerade Geld hast, und kommst zu uns.

Mewes: Das ist ein sauberer Vorschlag. Aber zwischendurch besuche auch mal Mutter Mewes. Du bist mein liebster Gast, und meine Petra meint es gut mit dir.

Pepper: Ja, Mutter Mewes. Ich besuche dich ewig. Und Geld haben wir auch. Das verdienen wir uns selber. (Er schmeißt Geld um sich auf den Boden.) Es ist schön, wenn's so prasselt.

Petra: Aber Hans! Warum spielst du dich jetzt auf? (Sie sammelt die Münzen auf.) Du verdienst es doch sauer. Und wenn du einmal alt und klapprig wirst oder wenn du vorher Malheur mit deinen Knochen hast –

Pepper: Das weiß ich wohl – aber ich will euch was sagen. Ganz wahrhaft. Denn ich bin nicht besoffen –

Petra: Doch du bist es. Aber du kannst auch dann manchmal sehr schön reden.

Pepper: Ich will euch wahrhaft sagen: – Ich kann das mit der Leberwurst nicht beweisen, aber –

Alle: (Lachen.)

Fürst: Sie läßt ihm keine Ruh.

Grischa: Denk darüber, wie du willst. Mein Gewissen ist rein.

Fürst (lachend): In einem sind die Deutschen doch wirklich dumm.

Pepper (aufspringend): Was sagst du? Wir Deutschen wären dumm! (Will auf den Fürsten eindringen.)

Grischa (ihn zurückhaltend): Das hast du doch eben selber gesagt.

Pepper: Ja, ich darf das sagen. Aber ein Ausländer darf mir das nicht sagen. (Er ringt mit Grischa und wirft Tisch und Stühle um.)

Sitty (Flieht aus den Lokal.)

Petra (Pepper zurückziehend): Hast du nicht eben auch die Dänen und die Russen beschimpft!?

Pepper: Ja, helft euch nur zu dritt, Hand über Hand.

Fürst: Ich stamme selbst von einer deutschen Mutter. Aber ich meinte das, was ich sagte, auch ganz anders. Ich wollte sagen: in einem sind die Deutschen sonderbar. Wenn sie einmal einen anständigen Standpunkt gefunden haben, dann wollen sie ihn nie mehr verlassen und halten es für Untreue, ihn gegen bessere Einsicht umzutauschen. Aber ich drücke mich wohl zu kompliziert aus.

Petra: Ja, Boris, bei uns mußt du dich einfacher ausdrücken. Wollen doch endlich friedlich sein. (Sie tuschelt Grischa ins Ohr, der sich zur Gitarre schleicht.) Ich habe mich ein Jahr lang auf Hans gefreut. Und nun ist er da, und es gibt Streit. Und er glaubt nicht mehr an mich.

Fürst (zu Pepper): Laß mich noch ein letztes Wort sagen. – Liebst du Petra aufrichtig?

Pepper: Ja, das meine ich wohl! Bis heute war sie mein einziges Glück. Überall, bei jedem Wetter und bei jeder See.

Fürst: Gut, Hans Pepper. Ich glaube es dir. Nun schau dir einmal deine Petra an. Siehst du nicht, wie nervös, wie blaß sie ist, wie dringend sie Erholung braucht?

Petra: (Winkt lachend ab.)

Pepper: Wenn sie so säuft und mit jedem Kerl loszieht –

Petra: Pfui, das ist gemein von dir.

Pepper: Warst du nicht bei Larsen? Und warst du nicht bei dem Araber? Und bei Jonny Bay?

Petra: Ich war bei vielen und ich hab' dir's immer gesagt, damit du mir vertraust.

Pepper: Ich habe dir vertraut wie der Ankerkette von einem Feuerschiff.

Petra: Ich bin gar nicht mit so vielen losgezogen, wie du meinst, weil ich es so sagte. – Ich war auch nicht bei Larsen. Ich war auch nicht bei Jonny Bay.

Pepper: Warum schwindelst du dann? Warum hast du mir erst so gesagt?

Petra: Weil ich darauf wartete, daß du einmal sagen würdest: »Petra, du gehörst mir, und darfst dich nicht an alle andern hingeben.«

(Pause)

Pepper: Ich habe gedacht – ja wie soll ich das sagen – in allen Häfen habe ich Mädchen gehabt. Es kann sogar sein, daß in vielen Ländern Kinder von mir herumkröpeln, von denen ich gar nichts weiß. Und ich weiß auch, daß du so allein in Hamburg festliegst. Und da habe ich gedacht, man kann nicht verlangen, daß sie in der langen Zeit nicht auch sich amüsiert und –

Petra (ihn streichelnd): Und auch Kinder kriegt –

Fürst: So denken sich Menschen vorbei, die zusammengehören. Ihr wußtet beide nicht, wie gut es eines mit dem andern meint. (Reicht Pepper die Hand hin.) Schlagt doch meine Freundschaft nicht aus. Ich meine es gut mit euch. Deine Braut soll sich bei mir erholen und nicht mehr so lange nachts hier herumlungern. Sei mein und ihr Freund, und bleibe Grischas Freund. Komm als Bootsmann zu mir und reise einmal mit deiner Petra zusammen.

Mewes: Schlag ein, Hans. Ich habe dir noch niemals schlecht geraten.

Grischa (beginnt leise La Paloma zu spielen.)

Pepper: Ja, sie darf nicht mehr so viel saufen, und sie muß auch mal raus aus dieser Wirtschaft.

Fürst: Ja. Sie soll doch gesund leben. Schlag ein, Hans Pepper!

Pepper (einschlagend): Aber sie muß immer zu mir gehören.

Petra (küßt Pepper): Immer.

Fürst: Dein Heimathafen soll immer Petra heißen. (Küßt Pepper.)

Mewes: Seid ihr endlich einig um eine so schöne und reelle Sache? (Sie knipst Lichter an.) So jetzt sehe ich mir die Überraschung an. (Ab.)

Petra: Prost alle ihr Versöhnten!

Pepper: Pst! Still! (Lauscht.) La Paloma. – Das ist mein Lieblingslied. – Das hat er sich gemerkt. (Singt und summt dann weiter.) Es zog mich an Bord und es wehte ein kühler Wind . . . (Die andern schweigen. – – Plötzlich in der Küche ein Schrei und dann Radau.)

Mewes' Stimme: Das ist ein ganz übler Spaß! – Solch ein Höllenvieh! – Hans Pepper! Hans Pepper!

Pepper: (Lacht.)

Mewes (aus der Küche stürzend und die Tür hinter sich zuschlagend): Hans Pepper, fang mir sofort das Biest wieder ein! Das kannst du einem andern schenken. Ich bin eine alte Frau und will sowas nicht. Das tobt da herum und zerschlägt mir alle Töpfe.

Pepper: Nicht wahr, das ist ein tolles Luder? Und dabei so lütt. (Läuft in die Küche.)

Petra (ihm folgend): Was hat er denn da gebracht?

Mewes (folgend): Einen lebendigen Affen. Der springt wie besessen umher.

Fürst (folgend): Das muß ich sehen! (Draußen Radau. Gelächter. Grischa spielt inzwischen unaufhörlich immer wilder La Paloma und lacht dabei in sich hinein. – Die drei andern kehren zurück.)

Pepper (das Bastkörbchen tragend): Ein tolles Luder. Aber sie will ihn gar nicht. Borisfürst, willst du ihn haben?

Fürst: Ja Hans, gern. Ich danke dir. Er wird Bord-Affe auf Notschinka. Und wir gehen jetzt an Bord von Notschinka und wollen dort feiern.

Mewes: So!? Bei mir macht ihr's aus, und besaufen wollt ihr's wo anders.

Fürst: Du sollst nicht zu kurz kommen. Was wir trinken, nehmen wir von hier mit.

Mewes: Das geht in Ordnung. Dann trinkt aus und geht. Wir kommen alle hier wieder zusammen.

Fürst (zieht Mewes beiseite und zahlt).

Pepper: Hallo, Boys, trinkt aus! Prost alle! Prost Grischa! Ich danke dir für La Paloma. Daß du dir das gemerkt hast –

Grischa: Petra hat das bestellt. Jetzt sind wir eine crew, ein Herz und eine Seele.

Petra: Ja, wir halten alle ewig zusammen. Prosit mit dem letzten Schluck!

Fürst: Und kommen auch immer wieder zusammen.

Petra: Ja. Allerspätestens in zwei Jahren.

Pepper: Ja! Wir kommen wieder zusammen.

Petra: Spätestens in zwei Jahren! Am selben Tag! Also am –

Mewes: Ja. Also spätestens am 21. März 1929 – ich schreib es an die Wand unter das Krokodil.

Fürst: Spätestens in zwei Jahren hier. Aber hoffentlich zwischendurch früher.

Grischa: Ja, ganz gleich, ob wir uns früher sehen oder nicht. Aber bestimmt am 21. März 1929. Wir alle.

Mewes (setzt sich die Brille auf. Unters Krokodil schreibend): 21. März 1929.

Petra: Am 21. März 1929 treffen wir uns hier wieder.

Pepper: Jawohl als treue Freunde.

Mewes: Bei mir in der Kiautschoubucht.

Petra: Selbstverständlich. Bei Mutter Mewes. Als fünf treue Freunde.

Fürst: Fünf treue Freunde.

Mewes: Abgemacht. Ich danke euch. Dort steht der Whisky. Und nun laßt euch nicht halten.

Grischa: Warte noch. Wir müssen es ernst nehmen. Also hört alle: Am –

Fürst: Am 21. März 1929 ist jeder von uns fünf, wenn er noch lebt, hier.

Alle: Ja!

Grischa: Wir schwören es!

Fürst (sich erhebend): Ich schwöre es!

Grischa: Ich schwöre es nochmals.

Petra: Ich schwöre es auch. Am 21.März in zwei Jahren. Vergeßt den Tag nicht.

Fürst: Spätestens dann.

Mewes: Dort steht es an der Wand. Ich vergesse es nicht. Ich bin dann ja sowieso da. Und sollte das Haus inzwischen abgebrannt sein, dann stehe ich in der Asche und erwarte euch.

Grischa: Hans Pepper, du mußt auch schwören. Wir sind doch jetzt alle Freunde.

Pepper. Ja, Grischa. Jetzt glaube ich dir auch wegen der Leberwurst. – Aber ich kann nicht schwören in diesem Fall. Denk mal, wenn ich nun dann gerade auf See bin –

Mewes: Sagen wir so: Wer ernsthaft verhindert ist, muß wenigstens rechtzeitig eine Nachricht senden.

Fürst: Jawohl. Und muß schreiben, wann er spätestens nach bestem Willen hier eintreffen kann. Wir andern bleiben dann solange hier, bis er eintrifft.

Grischa: Bis wir alle beisammen sind.

Mewes: Abgemacht. Nun redet nicht mehr darüber. Wie ihr das einhaltet, zeigt ihr, wie ihr seid und wer ihr seid.

Pepper: Das geht in Ordnung. Ich schwöre auch. Also am 21. Mai –

Alle: März!! März!

Pepper: März 1929. Ahoi! Der 21. März 1929.

Mewes: Das ist gerade Frühlingsanfang. (Aufbruch. Alle küssen sich immer wieder.)

Fürst: Auf! Wir besiegeln das jetzt auf der Notschinka! Wer hilft mir den Whisky tragen?

Alle: Alle!

Mewes: Auf Wiedersehen!

Petra (küßt Mewes): Ich danke dir, Mutter Mewes. Du hast mir immer alles leicht gemacht. Aber diesmal ist mir so schwer ums Herz.

Mewes: Auf Wiedersehen, Kind, mach dein Glück und bleibe ehrlich.

Grischa: Auf Wiedersehen, Mutter Mewes!

Fürst: So komm doch, Hans Pepper!

Pepper: Ja, heute müßt ihr euch heiß saufen. – Aber ich kann nicht mitkommen. Ich muß jetzt an Bord der Olaf. Ich habe heute Hundswache.

(Ende des ersten Aktes)


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