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XVIII.

Suggestion.

»Hallo! ... Was gibt es? ... Erzählen Sie! ... Luvercy, dort? Ja! ... Hier Neuilly, Fräulein, ja Neuilly! ... Gräfin Prase! ... ich bin selber am Apparat ... Heut morgen hört man wieder einmal nichts! ... Wer spricht? ... Heurtebois, nicht? ... Na, so reden Sie doch endlich, Heurtebois! ... Ein Unglück ist geschehen? Was für ein Unglück? ... Ich verstehe Sie nicht! Reden Sie langsam und deutlich, um Himmels willen! ... Was? ... Eingebrochen ist worden? Heute nacht im Schloß? ... Sie vernahmen Geräusch und standen auf ... gut ... was dann? ... Im Hochparterre ... ich höre ... im Billardsaale ... um wieviel Uhr? ... Nach Mitternacht? ... Und ... Sie haben niemand gesehen? ... Hatten Sie denn kein Licht dabei ... Eine Laterne? ... Man schlug sie Ihnen aus der Hand? ... Sie glauben, daß jemand unter dem Billard versteckt war? ... Natürlich, in der Finsternis ... und bei Ihrem Rheumatismus ... ja, ja ... selbstredend! ... Kurzum, der Dieb ist entwischt, und Sie haben ihn nicht gesehen? Ist's so? So nehmen Sie doch Vernunft an, Heurtebois, und stöhnen Sie nicht so! Sie sind ja schuldlos! ... Gewiß, lieber Heurtebois, vollkommen schuldlos! ... Wie? ... Er hatte keine Zeit, etwas zu stehlen ... das heißt ›nicht viel‹? Worin besteht das ›nicht viel‹? ... Sie haben Ihre Laterne wieder angezündet, ja. Das ist mir egal. Was sagen Sie? ... Bei Tagesgrauen haben Sie alles genau inspiziert? ... Das ist mir doch egal, sagte ich Ihnen schon ... Was hat der Dieb mitgenommen? ... Ein kleines Bild aus dem Billardsaal, das über der Konsole hing? Den leeren Rahmen ließ er zurück? ... Nein, leider hat der Rahmen gar keinen Wert, mein braver Heurtebois, das Gemälde war das Wertvolle. Es scheint von einem guten Meister zu sein ... Ich soll die Anzeige erstatten? ... Ich werde darüber nachdenken, aber lassen Sie sich die Sache nicht nahegehen, verstehen Sie? Natürlich, es hätte ja viel schlimmer ausfallen können. Sonst ist nichts entwendet worden? Sind Sie dessen sicher? Gut ... aber nein, ich wiederhole Ihnen, daß der Rahmen völlig wertlos ist ... natürlich, Heurtebois, ohne Rahmen ist ja das Bild leichter mitzunehmen! – Bitte, Fräulein, unterbrechen Sie mich nicht, wir reden noch! Aber so unterbrechen Sie uns doch nicht! Ja! Neuilly hier! Sind Sie's, Heurtebois? ... So läuten Sie doch nicht so stark, Fräulein, Sie sprengen mir ja das Trommelfell! ... ... Jawohl, hier Gräfin Prase! ... Mit wem habe ich das Vergnügen? Ah, Herr Mareuil? Guten Morgen! So früh schon auf? ... Gewiß nicht, Sie stören mich gar nicht. Es ist bald acht Uhr, und ich bin längst auf. Was? bitte, wie? ... Sie machen mich neugierig! ... Na, hören Sie? Was erzählen Sie mir da für eine Räubergeschichte? ... Nicht möglich! ... Sie fanden heute früh, als Sie aufwachten, das Bild von Manet auf Ihrem Tisch liegen? ... Unfaßbar! ... Ah, nein! Das kann ich Sie versichern, weder ich noch Lionel oder Gilberte schickten es Ihnen. Wie hätte auch der Bote nachts bei Ihnen eindringen können, um sich seines Auftrages zu entledigen? ... Das glauben Sie wohl selber nicht. Übrigens hat mich eben Heurtebois, der Schloßwart von Luvercy, angerufen. Um Mitternacht brach ein Unbekannter dort ein, um den Manet zu stehlen. Nein, wir wissen nicht, ob er noch anderes zu rauben im Sinne hatte. Er wurde von Heurtebois überrascht, entkam aber samt dem Manet. Aber ich bitte Sie, Herr Mareuil, entschuldigen Sie sich doch nicht. Sie haben mir ja telephoniert, ohne eine Sekunde zu zögern, mehr konnten Sie nicht tun, und ich danke Ihnen herzlichst. Machen Sie sich keine Sorgen, es wäre nicht der Mühe wert ... die Sache selbst ist allerdings rätselhaft. Nun, die Hauptsache ist, daß der Manet wieder zutage gefördert ist. Wer, meinen Sie? ... Warum? ... Ich möchte das auch wissen, hab' aber keine blasse Ahnung. Und Sie? Auch nicht? ... Aber, bitte, das pressiert doch nicht. Sie können mir ja das Bild gelegentlich bringen ... nun, wenn Sie absolut darauf bestehen ... ich werde Sie mit dem größten Vergnügen empfangen ... aber sagen Sie, jetzt bietet sich Ihnen die schönste Gelegenheit, Ihren Scharfsinn leuchten zu lassen, Mann der Schlüssel und der Lampen ... Warum dieser melancholische Ton? Habe ich Sie verletzt? Nein? Gott sei Dank ... Also gut, auf Wiederseihen, Herr Mareuil!«

Die Gräfin hängte leise den versilberten Hörer des Apparates wieder ein. Stillvergnügt gab sie sich eine Weile dem Gefühle triumphierender Befriedigung hin und streichelte mit der Hand mechanisch den Apparat, der ihr so Günstiges übermittelt hatte, wobei sie den verlorenen Blick auf eine glänzende Bronze richtete, deren Vergoldung in der Morgensonne schimmerte.

Eine Rohrpostkarte in der Hand, trat Lionel sorgenvoll ein.

»Einfach ekelhaft«, sagte er, »Stelle dir vor, Mama, daß ich wahrscheinlich meinen Späherposten vor Mareuils Palais werde von neuem beziehen müssen. Aubry schickt mir das! ...«

Die Gräfin las die Rohrpostkarte:

Hochgeborener Herr Graf!

Freddy ist heute nacht nicht in die Bar gekommen. Ich weiß auch nicht, ob er sein Heim verließ. Glauben Hochdieselben nicht, daß es gut wäre, wieder die Avenue de Bois zu beobachten, während ich die Bar der Kumpanei im Auge behalte?

Euer Hochgeboren untertänigster

Tournon.

Statt aller Antwort wandte die Gräfin Lionel ihr stummes, rätselhaftes und nichtssagendes Gesicht zu, aus dessen Zügen jedoch eine keimende Befriedigung aufleuchtete.

»Was?« knurrte der Graf übelgelaunt.

»Rege dich nicht auf, mein großer Junge. Wenn mich nicht alles täuscht, nähern wir uns dem Ziele.«

»Wieso?«

»Freddy konnte heute nacht nicht in der Bar sein, weil er einen kleinen Ausflug unternahm ... er hat sich nach Luvercy begeben, um den Manet zu stehlen. Und heute morgen fand er zu seiner grenzenlosen Verblüffung das Bild auf seinem Nachttisch, als er in der Person Jean Mareuils erwachte.«

»Nicht möglich! Den Manet, den er gestern nachmittag so bewunderte?«

»Ja. Verstehst du jetzt, warum unsere Plage nun bald zu Ende sein dürfte?«

»Noch nicht ganz ...«

»Na, Lionel? Unser Mann ist ein Dieb. Das steht jetzt fest. Aber was noch viel wertvoller ist ...«

»Wäre? ...«

»Daß seine zwei Naturen miteinander korrespondieren und daß Freddy ein Gemälde stiehlt, das Jean Mareuil begehrt. Warum verübte Freddy gestern in Luvercy einen Einbruch? Weil Jean Mareuil gestern nicht nur von der Existenz des Manet etwas erfuhr, sondern auch die Örtlichkeiten und die Möglichkeit, wie man in das Schloß gelangen könne, kennenlernte.«

»Das alles konnte Freddy schon von früher her kennen«, warf Lionel ein, »und aus eigenem Erinnerungsvermögen schöpfen, denn die Episode mit der Quelle beweist, daß er schon einmal in Luvercy gewesen sein muß.«

»Sie beweist auch, daß Jean Mareuil sich zuweilen mit dem Erinnerungsvermögen Freddys auf etwas zurückbesinnt – erster Punkt. Zweiter Punkt: Zur Zeit des Todes deiner Tante, damals also, wo Freddy, wie du annimmst, vielleicht nach Luvercy gekommen ist, befand sich der Manet noch droben auf dem Speicher unter altem Gerümpel vergraben. Ich erkläre daher, daß Jean Mareuils Augen gestern das Bild zum ersten Male sahen, als Jean Mareuil in seinem ›Kavaliers-Ich‹ stak und nicht in seiner Apachenperson ›Freddy‹, welche das Gemälde raubte.«

»Und?«

»Er wird herkommen. Ich erwarte ihn. Er will mir das Bild, das ihn ganz wirr gemacht hat, persönlich zurückgeben. Dann ist der Augenblick des Handelns, der vorbereitenden Schritte da!«

Lionel rieb sich vergnügt die Hände.

»Verstehe, Mama, du brauchst nicht weiter zu reden.«

»Hier«, flüsterte die Gräfin, »geht die Geschichte leichter, wegen Gilberte!«

Die Hausglocke ertönte. Lionel legte sein Ohr an die Tür.

»Er ist es«, sagte er leise.

Mit entschlossener Gebärde öffnete er rasch die Tür und ging Mareuil entgegen, den eben der Livreediener nach dem Salon geleitete.

»Potztausend, lieber Freund, guten Morgen! Zu lieb von Ihnen, sich persönlich zu inkommodieren! Meine Mutter berichtete mir von dem Koboldmärchen. Unglaublich! Bitte, treten Sie doch ein, Verehrter. Hier bitte, da ist es gemütlicher, und wir können ungestörter über die fabelhafte Begebenheit miteinander plaudern.«

Lionel nötigte den Besuch in das Arbeitszimmer der Gräfin, wo diese, angelehnt an den Panzerschrank, der Dinge harrte, die da kommen würden.

Einfach aber tadellos wie immer und hübscher denn je, küßte Mareuil der alten Dame ehrerbietig die Hand.

»Hier bringe ich Ihnen den Manet zurück, gnädigste Gräfin!«

»Nicht für lang,« lächelte Lionels Mutter, »denn er gehört Gilberte, und was ihr gehört, wird auch bald das Ihrige sein.«

Der junge Mann machte eine liebenswürdige, verbindliche Verbeugung, aber im Geiste schien er fernab zu weilen und geheimnisvolle und düstere Pfade zu wandeln.

»Was halten Sie von der Geschichte?« wandte er sich an Lionel. »Ich zerbreche mir umsonst den Kopf ... ich bring's nicht heraus.«

»Ich auch nicht.«

»Denn schließlich und endlich muß der Spaßvogel, der uns diesen losen Streich spielte, gewußt haben, daß der Manet mein Interesse erregte. Wir waren aber in Luvercy alle vier allein, man müßte somit annehmen, daß jemand uns belauerte.«

»Was die Untersuchung ergeben wird«, erklärte Lionel. »Meiner Ansicht nach muß man unverzüglich die polizeiliche Anzeige erstatten, denn ob Witz oder nicht, Diebstahl bleibt Diebstahl.«

»Sicherlich«, nickte die Gräfin.

»Gewiß«, ließ sich der arme Junge, der immer noch irgendeinem nebelhaften Gedanken nachjagte, schwach vernehmen. »Doch wäre es vielleicht nicht besser, die Sache vor Gilberte geheimzuhalten? Es könnte sie von neuem aufregen und ihr einen Aufenthalt in Luvercy verekeln?«

Die Gräfin, die ohnehin gar nicht daran dachte, die polizeiliche Anzeige zu erstatten, tat, als bekehre sie sich zu Mareuils Ansicht.

»Was Sie da sagen, ist ganz logisch«, meinte sie.

»Nun, wir werden ja sehen«, schnitt Lionel alle weiteren Erörterungen ab. »Man wird nachdenken und sich dann schlüssig werden. Aber eines muß unbedingt geschehen. Du mußt absolut Vorbeugungsmaßregeln gegen einen größeren Einbruchsdiebstahl treffen, Mama. Denn wissen Sie, lieber Freund, meine hochverehrte Frau Mutter ist einfach zum Staunen. Bisher lebte sie der ständigen Überzeugung, daß man sie nicht bestehlen würde. Ein Leichtsinn, eine Unvorsichtigkeit, die keinen Namen hat.«

Die Gräfin blickte erstaunt auf. Sie wußte nicht recht, worauf ihr Sohn hinauswollte, ließ ihn jedoch ruhig seinen Speach fortsetzen.

»Stellen Sie sich vor, Mareuil,« ereiferte sich Lionel, »daß sich hier in diesem Geldschrank für über eine Million Wertpapiere befinden, die alle auf den Überbringer lauten, und daß meine Mama nicht einmal die Nummern irgendwo aufgezeichnet hat und nicht gegen Diebstahl und Einbruch versichert ist.«

»Allerdings etwas ...«, pflichtete Mareuil bei, ohne den Satz zu vollenden.

»Jawohl, für eine Million auf den Überbringer ausgestellte Wertpapiere! ... Da drinnen!« – Lionel klopfte mit der flachen Hand gegen die Seiten des Panzerschrankes. »Ist das nicht irrsinnig? Und bietet ein Geldschrank wie dieser irgendwelche Sicherheit gegen die Kunst eines halbwegs routinierten Schränkers? Mit einem Sauerstoffgebläse ist das Ding innerhalb dreißig Minuten offen. Und das Arbeitskabinett ist auch so gewählt, daß niemand einen Einbrecher stören würde. Kein Mensch, hören Sie, kein Mensch schläft im Parterre. Die Mauern sind dick und verschlucken jedes Geräusch. Schöner könnte es ein Gauner sich gar nicht wünschen. Wenn ich nur daran denke, schaudert's mich. In das Palais einzudringen, ist ein Kinderspiel. Bitte überzeugen Sie sich selbst ... doch, doch ... bitte, kommen Sie! Sie müssen doch selbst sagen, daß meine Mutter Vorsichtsmaßregeln treffen muß, und ich bitte Sie, unterstützen Sie mich in meinen Bemühungen darin. Kommen Sie!«

Er öffnete die Tür in das Vorzimmer.

»Diese Tür ist nie abgesperrt, ich glaube sogar, daß der Schlüssel verlorengegangen ist. Was die Glastür im Entree anbelangt, werden Sie lachen. Abends wird sie allerdings abgeschlossen und der Schlüssel abgezogen ... aber es ist ein Trick dabei, den ich genau kenne, denn als Schüler erhielt ich keine Nachterlaubnis, und da mußte man sich zu helfen wissen, wie es eben ging.«

Die Gräfin und Mareuil hatten Lionel bis zum Entree begleitet und sahen jetzt, als er von außen auf die Flügel der Glastür einen gewissen Druck ausübte und die zu kurzen Riegel aus ihren Nuten sprangen, wie die Tür sich öffnete.

»Kein großes Kunststück, was? Versuchen Sie es selber. Doch, probieren Sie es, bitte, damit meine Mama sieht, wie leicht es ist!«

Mareuil tat dem jungen Grafen seinen Willen.

»Um in den Hof zu gelangen, ist allerdings ein wenig Gymnastik erforderlich«, fuhr der sonderbare Cicerone weiter fort. »Welcher Einbrecher aber vermöchte nicht ein noch dazu so niedriges Gitter zu überklettern? Straße öde, fast ländlich; Hund keiner; ein Hausmeister, der wie ein Sack schläft – weiß das aus eigenster Erfahrung. Die Chose ist also spotteinfach. Und wenn meine Mama nicht darin Wandel schafft, wird sie eines schönen Morgens ihren Kassenschrank aufgesprengt finden, und sämtliche Wertpapiere hat ein verwegener Bandit mitgehen lassen.«

Die Gräfin erkannte die Achillesferse an Lionels Ausführungen und scheute, um die Sache wieder gutzumachen, nicht vor einer Lüge zurück.

»Mein Sohn hat ganz recht«, sagte sie. »Sie müssen jedoch nicht glauben, Herr Mareuil, daß die fraglichen Wertpapiere Gilberte gehören. Sie bilden vielmehr mein persönliches Vermögen. Und daher hielt ich es für nicht notwendig, sie auf der Bank zu hinterlegen. Wäre es das Gut anderer, würde ich es sorgsamer hüten.«

Jean Mareuil erhob die Hand, um zu beteuern, daß er nie daran gezweifelt habe.

»Es ist wahr, daß ich mich niemals vor Dieben fürchtete«, fuhr die Gräfin fort. »Aber das Abenteuer von heute nacht gibt mir zu denken. Hör mal, Lionel, ich komme ohnehin morgen vormittag mit meinem Bankier zusammen. Wenn du willst, werden wir ihm alle diese Wertpapiere bringen.«

»Morgen vormittag? Gut! Ich schreib' es mir auf« – er zog sein Notizbuch und schrieb, Wort für Wort nachsprechend, auf: »Morgen vormittag Wertpapiere Bankier bringen! ... Also, morgen vormittag wird diese Million nicht mehr hier sein. Endlich! Der Tag hat sich bezahlt gemacht, und ich segne den Einbrecher von Luvercy, den Urheber dieser glücklichen Entschließung.«

»Gilberte kommt, ich höre sie!« sagte die Gräfin.

»Wegen des Manet sagen wir wohl nichts?« fragte Lionel.

»Ja, es ist besser, man sagt ihr nichts«, pflichtete Jean Mareuil eher gleichgültig bei.

Die Gräfin ließ das kleine Gemälde in der Schublade ihres Empire-Schreibtisches verschwinden. Gilberte trat ein.

»Was, Sie sind da, Jean?« rief sie erfreut. »Ich habe Sie ja gar nicht den Hof überschreiten sehen? Herz, mein Herz, bist du denn taub geworden? Guten Morgen, Tante! Guten Morgen, Lionel. Ich gehe aus. Wollen Sie mich begleiten, Jean? Was hatten Sie da in dem Arbeitskabinett zu schaffen? Geschäftliche Gespräche vermutlich. Das ist nicht mein Ressort. Also, kommen Sie mit?«

»Mit größtem Vergnügen, Gilberte!«

Als sie draußen waren, wandte sich die Gräfin an ihren Sohn.

»Bravo, mein Junge, das hast du großartig gemacht ... aber an eines dachtest du nicht! Welches Interesse hätte Mareuil an Papieren haben können, die seiner Verlobten gehören?«

»Stimmt, Mama, aber viel Zeit zum Überlegen hatte ich nicht. Woraus bestehen in Wirklichkeit die Wertpapiere da im Geldschrank?«

»Alles auf den Namen Gilbertes ausgestellte Effekten.«

Lionel lachte.

»Gottlob wird er den Einbruch nicht durchführen, weil wir seine Arbeiten unterbrechen werden, und somit niemals erfahren, daß wir ihn anschwindelten.«

»Nein, niemals«, nickte die Gräfin siegesstolz. »Wenn er die Nase in Gilbertes Konto stecken will, wird er sich den Schädel einrennen.«

»Hoffentlich scheitert nicht unser Plan,« bemerkte Lionel nachdenklich, »sonst müßten wir auf meine Idee, das Drama von Luvercy betreffend, zurückkommen.«

»Darüber werden wir noch heute abend Gewißheit bekommen«, erwiderte die Gräfin. »Du hast ihm ja deutlich unter die Nase gerieben, daß morgen die Wertpapiere nicht mehr hier sein würden.«

In gehobenster Stimmung spazierte Lionel in dem Zimmer auf und ab und gab im Vorübergehen dem dicken Geldschrank, dessen Inhalt eines schönen Tages sein Eigentum sein würde, freundschaftliche Klapse.

»Alles geht gut, alles wickelt sich richtig ab«, wiederholte er mit tiefer, befriedigter Stimme. »Aber ich muß Aubry sprechen. Das Ganze muß auf das sorgfältigste vorbereitet werden wie ein Sohützengrabenangriff ... Heute abend also!«

»Gilberte übernehme ich«, erklärte die Gräfin.

»Einverstanden, Mama. Aber du darfst erst im entscheidenden Moment mit ihr reden. Die Zeitfrage müssen wir erörtern, denn wenn es losgeht, geht die Geschichte im Galopp. Man muß unbedingt treffsicher und rasch handeln. Reden wir also.«

»Ja, reden wir«, nickte die Gräfin.


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