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XII.
Eine Pilgerfahrt

Es kam die Zeit des berühmten Passionssspiels im Hochland; das Gebirge war auf Tagesreisen weit in Bewegung.

Auch in Dobbl regte sich die Sehnsucht, die Person und das Leben des Erlösers gleichsam von Angesicht zu Angesicht zu sehen und die Weringerin ratschlagte viel mit der Nachbarin Mainhard, ob sie, da die Reise einige Tage in Anspruch nahm, ihren Wunsch nach dem heiligen Spiele zu erkennen geben sollten. Die Weringerin hatte ihren Mann in den letzten Tage wieder sehr verstimmt gesehen und äußerte starke Bedenken; aber endlich gestand sie ihm doch, wonach sie Verlangen trage, und war nicht wenig überrascht, den Weringer freundlich und bereitwillig zu finden. Er besprach sich sofort mit dem Mainhard, und als dieser sich entschloss, an der Reise teilzunehmen, so spannte er eines Morgens das leichteste Paar seiner Pferde vor ein Wägelchen und kutschierte selbst die kleine Pilgerschar.

Es hatte kurz vorher tüchtig gewittert, die Wege waren trocken, ohne zu stauben, eine angenehme Sommerkühle wehte von den Bergen; in der besten Stimmung von der Welt ging es vorwärts, und der Weringer war nicht bloß ein sicherer Fuhrmann, sondern unterzielt auch seine Gesellschaft wie ein angenehmer Hauswirt seine Gäste.

Man musste einmal über Nacht bleiben und kam erst gegen Abend des zweiten Tages in die Nähe des berühmten Dorfes. Da es von festlichen Pilgern auf Wegen und Stegen wimmelte, auch das heilige Spiel erst am folgenden Sonntagmorgen zu sehen war, so stellte man Pferde und Wagen in einer benachbarten Ortschaft ein und blieb daselbst über Nacht.

Am folgenden Morgen war die Sonne noch nicht am Himmel, als unsere Pilger schon rüstig ihrem Ziel zuschritten. Sie verrichteten eben, durch einige Frühglöcklein angeregt, ihre Morgenandacht, als sich ihnen, entblößten Hauptes daherkommend ein Mann anschloss, der sie nach Beendigung seiner Andacht mit den Worten ansprach:

»Gelobt sei Jesus Christus!«

»In Ewigkeit. Amen«, sagten der Weringer und der Mainhard mit den Weibern zugleich.

Der Grüßende war ein Mann von etwa vierzig Jahren, der Kleidung nach Landgeistlicher, und gewann unsere Pilger bei dem ersten Blick durch sein gerades biederes Wesen.

Er fragt sie, woher sie kämen, und als sie dies gestanden, fragte er auch, ob sie von dem heutigen Festspiel eine rechte Vorstellung hätten; die verneinten sie, und er nahm jetzt Anlass, sie über den Sinn und Zusammenhang des heiligen Spieles auf das Anschaulichste zu belehren.

Der Weringer und seine Begleiter hörten mit dankbaren Mienen zu und gaben nicht undeutlich zu verstehen, wie lieb es ihnen wäre, wenn der Fremde noch manches zu ihrer Belehrung sagen wollte; in Folge dessen erweiterte derselbe wirklich den Kreis seiner Betrachtung und gab in leichten und klaren Umrissen ein Bild von den Religionen des Altertums, kennzeichnete die großen Vorzüge und Mängel des Judentums, aus welchem als notwendige Folge das Christentum hervorgehen musste, Jesum Christum als Ziel und Spitze der ganzen heiligen Geschichte.

So durchdrungen auch unsere Pilger von dem Werte und der Heiligkeit ihrer Religion schon waren, so atmeten sie doch jetzt tief und erleichtert auf, da ihnen das erste Mal ein aufrichtiger und klarer Zusammenhang in ihre Vorstellungen gebracht wurde. Sonst gewöhnt, von den Heiden nur immer das Verwerflichste zu hören, wurde ihnen heute auch das Große und Gute ihrer hervorragenden Männer angedeutet, und anstatt ihren Glauben dadurch beeinträchtigt zu sehen, erfreuten unsere Pilger sich erst recht desselben, da sie merkten, wie das Christentum nicht bloß Mängel und Verirrungen, sonder alles Erhabene und Höchste des gläubigen Altertums überrage.

In einer für sie neuen und ergreifenden Weise brachte der Fremde ihnen die Person Jesu, abgesehen von seiner göttlichen Herrlichkeit, auch menschlich nahe, indem er ihnen mit anderen Worten etwa Folgendes bemerkte:

Ein jeder Mensch, sagte er, trage mehr oder weniger bewusst das Ideal menschlicher Vollkommenheit in sich, das er durch sein eigenen Leben darzustellen bestrebt sein solle; wenn er einer edlen Tat, dem erhabenen Zuge eines Charakters freudig Beifall spende, so geschehe das eigentlich aus angenehmer Überraschung, dass ein Zug des hohen Sittenbildes in ihm selbst leibhaftig sichtbar geworden. Je besser der Mensch sei und je weiter die ihn umgebende Welt hinter dem Ideale des Herzens zurückbleibe, desto lebhafter werde das Verlangen, in einer menschlichen Gestalt das vollkommene Bild jenes sittlichen Ideals verkörpert vor Augen zu haben. Gehe man die ganze bekannte Geschichte vor Christus durch, so bemerke man, dass die größten und reinsten Menschen des Heidentums wie die Propheten und Märtyrer des Alten Testamentes bis auf Johannes den Täufer herauf nur teilweise zu einer Vollkommenheit gelangt seien, wie wir sie in Christus im ganzen Umfange sehen; und betrachte man die vortrefflichsten Menschen, welche seit Christus sich den Ruf der Vollkommenheit erworben haben, so erscheinen sie höchstens als gute Menschen, auf die ein sanfter Abglanz der unerreichbaren Heiligkeit Christi falls. In Christus sei die sittliche Vollendung persönlich geworden, ich ihm, »welcher keine Sünde getan hat, in dessen Munde kein Betrug erfunden worden, welcher wie Petrus weiter sagt, nicht wieder schalt, wenn er gescholten ward, nicht drohte, da er litt; in ihm war keine Sünde, sagt sein Lieblich Johannes, und der Verfasser des Hebräerbriefes nennt ihn heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert und höher denn der Himmel ist«; deshalb wirke die Erscheinung Christi also unvergleichlich, weil sie das vollkommenste Ideal eines sittlichen Menschen darstelle.

Unsere Pilger sollten nun in Kurzem diese göttliche Menschenbild vor Augen haben; es mochte dem Fremden daher geraten scheinen, unsern Pilgern, welche sich eben die verklärteste Vorstellung ihres Heilandes machten, die menschliche Gestalt desselben so zu schildern, dass die jedenfalls unvollkommene Darstellung im Passionsspiele keine empfindliche Enttäuschung hervorbringen konnte. Er führte daher die ältesten Berichte, namentlich die Schilderung eines angeblichen Briefes von Lentulus, einem Vorgänger des Pilatus, an den römischen Senat und hierauf die Berichte des Johannes von Damaskus und Nikophorus an.

Bei dem Berichte des Johannes von Damaskus an den Kaiser Theophilus blickten unser Pilger groß auf, denn er lautete:

»Jesus sei gewesen von stattlichem Wuchse, habe zusammengewachsene Augenbrauen gehabt, schöne Augen, große Nase, krauses Haupthaar und schwarzen Bart; von Farbe sei er gelbbraun gewesen wie das Weizenkorn, gleich seiner Mutter; das Haupt etwas vorgebogen.«

Näher ihrer Vorstellung kam die Schilderung des Nikophorus.

»Christus hatte ein sehr blühendes Gesicht. Der Wuchs seines Körpers war sieben volle Palmen hoch, sein Haupthaar war gelblich, nicht sehr stark und näherte sich dem Krausen. Seine Augenbrauen waren schwarz und nicht sehr gewölbt, seine Augen dunkel und etwas gelblich. Sein Blick war schön, die Nase ziemlich groß, das Barthaar blond und nicht sehr lang. Sein Haupthaar war lang, denn kein Schermesser war über sein Haupt gekommen, auch keine menschliche Hand, mit Ausnahme seiner Mutter in seiner Kindheit. Sein Hals war etwas gebogen, daher die Haltung seines Körpers eben nicht sehr schlank und gerade war. Er hatte eine gelbliche Gesichtsfarbe, kein rundes Gesicht, sondern seiner Mutter ähnlich, von ovaler Gestalt und rötlicher Farbe. Der Ausdruck desselben war Ernst und Verstand mit Milde verbunden und die höchste Sanftmut …«

Diese Mitteilungen über die körperliche Erscheinung Christi waren kaum gegeben, als unsere Pilger den Schauplatz des berühmten Passionsspieles selbst betraten. Ein festliches Gedränge von Menschen wogte auf und ab und gewährte das angenehmste, bunteste Bild, denn der größte Teil der Gäste bestand aus Alpenbewohnern in ihren malerischen Trachten.

»Lebet wohl und habet Freude an dem, was ihr sehen werdet«, sagte jetzt der geistliche Herr freundlich und verlor sich unter der Menge.

Der Weringer und seine Begleiter folgten nun den Strömungen der Menschen dorfauf und ab, freuten sich des festlichen Ausdrucks auf allen Gesichtern und gewahrten zu nicht geringer Überraschung, wie es den Fremden vollkommen frei stand, in dies oder jenes Haus zu treten und den Theaterstaat zu bewundern, der bald hernach den Abraham oder Joseph, Pilatus oder Johannes kennzeichnen sollte. Gerne hätten sie sich auch dem Hause genähert, wo der würdige Darsteller Christi sich aufhielt, allein es war von neugierigen Zuschauern bereits so umstellt, dass kein Durchkommen möglich war.

Es war sechs Uhr morgens geworden; feierliches Glockengeläute kündigte die Feier des hohen Tages an; in der Kirche wurde jetzt ein feierliches Hochamt gesungen, alles suchte in und nächst der Kirche Platz zu erhalten, um sich für die Teilnahme eines so heiligen Schauspieles zu reinigen. Nach dem Gottesdienste hielt eine Musikbande mit klingendem Spiele einen Umzug durch das Dorf – Böllerschüsse verkündeten den nahen Anfang der weihevollen Darstellung aus der Lebens- und Leidensgeschichte Christi, und der Weringer mit den Seinen war nicht der Letzte, um in dem Theater Platz zu finden.

Die Wirkung des oft beschriebenen Schauspieles war auch auf unsere Pilger eine mächtige und tiefe. Der Weringer, der schweigsam und regungslos da saß, wurde ein über das andere Mal leichenblass, und als Jesus Christus zum ersten Male auftrat (es war bei seinem Einzug in Jerusalem: Kinder, Frauen, Männer, Greise mit Palmzweigen in den Hängen sangen: »Hosiannah! Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn!«), da brachen die Weiber Mainhards und Weringers geradezu in heftiges Schluchzen aus. Denn wenn auch die Erscheinung des Heilands den großen Anforderungen eines geläuterten Geschmackes nicht entsprechen konnte, so war sie doch jedenfalls sehr würdig und rührend und übertraf die geschnitzten und gemalten Bilder, die man in Dorf- und manchen Stadtkirchen sieht, bei Weitem. Schon die lebende Erscheinung Christi ließ mit Hilfe der überwältigenden Phantasie bei dem naiven Sinn des Volkes kaum einen Zweifel auskommen, dass man wirklich sehe, was man sah; daher denn auch die folgenden Leiden und die Kreuzigung des Herrn den unauslöschlichsten Eindruch machten.

Die Auferstehung Christi musste unsere Zuschauer erst wieder trösten und aufrichten, und sie beschäftigten sich auf dem Rückwege lebhaft mit den Erscheinungen des Heilandes nach dem Tode.

»Mich packt es immer, ich kann nicht sagen wie«, bemerkte Mainhard, »wenn ich lese, wie nach Christi Tode die elf Apostel voll Kummer und Sorgen in Jerusalem beisammen sind und Jesus steht auf einmal leibhaft vor ihnen und sagt: »Friede sei mit Euch!«

Die Weringerin erinnerte an die zwei Jünger, die nach Emaus gingen und zu denen sich Jesus gesellte, ohne dass sie ihn kannten. »Und wie sie«, sagte sie wörtlich nach der Bibel, »nahe zum Flecken kamen, da sie hineingingen, nötigten sie ihn und sprachen: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, dass er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.«

»Friede sei mit Euch!« sagte in diesem Augenblicke eine Stimme, und der freundliche Landgeistliche gesellte sich wieder zu ihnen.

»Wir haben bis zum nächsten Orte einen Weg«, bemerkte er, »wir wollen ihn mitsammen gehen.« Dann fragte er nach dem Eindruck, den das heilige Spiel auf sie gemacht hatte, und schien mit ihrer Antwort zufrieden. Er lenkte nun das Gespräch auf andere Dinge, allein er sah doch bald, dass der ganze Sinn seiner Begleiter immer wieder zu dem Heilande zurückkehrte, den sie mit so vieler Erschütterung leiden, sterben und auferstehen gesehen.

»Wie glücklich sind diese Apostel und Jünger gewesen, sie lebten zu gleicher Zeit mit dem Herrn und konnten ihm folgen; ich glaub', ich hätte auch alles liegen und stehen lassen und wäre gefolgt.«

Der Geistliche lächelte über diese naive Bemerkung Mainhards und erklärte, was zu Christi Zeiten die persönliche Nachfolge sagen wollte. Sie sei weder so angenehm und leicht, noch so gefahrlos und ohne Beschwerden gewesen, als er meinte. So mächtig auch die Person des Erlösers beim ersten Anblick schon gewirkt habe, so sei doch vieles in seinen Lehren und Werken damals noch dunkel, ja zurückschreckend gewesen, seine Feinde hätten es nicht an Verleumdungen aller Art fehlen lassen, und selbst die Wirkung der Wunder Christi wäre durch die gleichzeitigen Entstellungen der Feinde vielfach abgeschwächt worden. Und was habe erst den meisten Aposteln und Jüngern nach dem Tode des Erlösers für en Schicksal bevorgestanden!

Der geistliche Herr knüpfte nun eine gedrängte Erzählung der Apostelgeschichte an diese Bemerkung und ließ dann vor den Augen seiner Begleiter auf eine höchst natürliche und klare Weise die christliche Kirche entstehen, sich spalten, ringen und sich verbreiten. Er nannte kaum die katholische Kirche, allein er meinte sie doch unter der siegreichen, und seine Zuhörer hatten auch keine andere vor Augen. »Gebt Euch also zufrieden, Kinder, dass andere und bessere als wir Apostel und Jünger waren und als erste Helden für Christi Lehre und Reich auf Erden stritten; wir wären schwerlich so empfänglich, so mutig, so reinen Herzens gewesen als sie; wir genießen die Früchte, wozu sie in Sturm und Sonnenhitze den Samen streuten; ihr Blut hat das Wachstum des Reiches Gottes auf Erden fördern müssen, dessen Segen wir nun so unbeschwerlich genießen«, sagte der schlichte Mann jetzt, grüßte seine Begleiter freundlich und ging abwärts der Straße feldein.

Unsere Pilger hatten nie in ihrem Leben so tiefe und bleibende Eindrücke von ihrer Religion erhalten als diesen Tag. Die leibhaftige Erscheinung des Heilandes, seine Leiden und Auferstehung, verbunden mit den eindringlichen Erläuterungen des schlichten geistlichen Herrn hatten ihnen das Entstehen, Fortleben und Ausmünden des Christentums in die Kirche so klar und zusammenhängend vor Augen geführt, das Göttliche desselben ihnen so menschlich nahe gebracht, dass es ihnen vorkam, als wäre ihr Geist bisher mit halb verbundenen Augen herumgegangen.

»Was ist ein rechter Geistlicher doch wert!« sagte der Weringer ernsthaft, als er wieder auf dem Wägelchen saß und heimwärts lenkte.

Der Mainhard bemerkte, wie doch eigentlich ein rechter Mut dazu gehörte, diesem ehrwürdigen Stande sich zu widmen; man werde geradewegs ein Nachfolger der Jünger, rücke ein gut Stück näher an Christi heilige Seite und übernehme es gleichsam, als besonders gutes Beispiel und Muster anderen Menschen vor Augen zu stehen. Wenn das nun übel ausfalle, wenn einer das Zeug, den Beruf nicht recht dazu habe – Gott, welche Verantwortung.

Man kam nun ganz natürlich auf den eigenen Pfarrer daheim und die Urteile lauteten ziemlich übereinstimmend, dass er sein Lehramt nur wenig im Geiste Christi zu führen wisse. Das ganze Jahr höre man kaum etwas anderes von der Kanzel, als dass die Kirche von der Welt weniger Nutzen ziehe, als irgendwo geschrieben stehe; von der Liebe der christlichen Religion sei so gut als nie die Rede, desto fleißiger von Teufel, Verdammnis, Höllenpein; jeder Märtyrer der Kirche, jede verzückte Nonne habe mehr Raum in den Betrachtungen des Jahres als Christus, der Herr mit allen Aposteln zusammen …

Die Reise ging nun im Ganzen wohl von Statten; ein einziger Umstand störte in etwas die gehobene Stimmung unserer Pilger. Denn je näher man der Heimat kam, desto mehr hörte man von den Festlichkeiten sprechen, welche dieser Tage bei Eröffnung der Eisenbahn in Ettwangen stattgefunden.

Dem Weringer nahm dieser Umstand einen großen Teil seiner Heiterkeit.

Er hatte eben, um den Lärm indessen verrauschen zu lassen, so bereitwillig in die Pilgerfahrt zum Passionsspiele eingewilligt – und nun musste er, wo zwei Wanderer auf der Straße gingen, wo er in einer Schänke einkehrte, immer noch von nichts als dieser siegreichen Feindin seines Lebens reden hören!

Zu guter Letzt, etwa eine Stunde Weges von Dobbl, schwang sich auch noch hinten auf sein Wägelchen ein ziemlich ungerufener Gast, der weidlich dafür sorgte, dass bis nach Hause der Diskurs von der neuen Eisenbahn nicht ausging.

Der blinde Passagier war einst Postillon auf derselben Straße gewesen, welche der Weringer einst befahren hatte. Damals freilich hatte er oft gebrummt und gescholten, wenn ihm der stolze Weringer nur spärlich Raum zwischen seinem Lastwagen und einem Steinhaufen gelassen; jetzt aber hielt er sich für einen sehr verwandten Leidensgenossen des Großruhrmannes und glaubte diesem recht zu Gehör zu reden, wen er auf die Eisenbahn, diese Erfindung des Teufels, diese Pestilenz aller ehrlichen Geschäfte, diese langkrallige Fangeisen für Fuhrleute, Postillone und Wirte wie ein Heide schimpfte.

Ihm hatte freilich auch das Schicksal in Folge der Eisenbahn einen seltsamen Posten angewiesen; denn er lernte oben im Hochwalde bei einem Förster das edle Weidwerk und musste jetzt, über und über mit Geflügel und Wild beladen, nach der Eisenbahn, wo sein Herr bereits guten Absatz dafür fand.

»Ist es nicht gerade zum Totschießen«, rief er schließlich aus, »dass ich auch noch verdammt bin, dieser eisernen Kanaille wie ein Pudel den Korb zuzutragen? Weringer, macht mich zu euerm Ackerpferd, ein euerm Düngerwagen, und ich will meinen Jägerrock mit Freude an den Nagel hängen! Ach, wie gut habt Ihr's! Euer Schneckenhaus war fertig, als Ihr ausgespannt, Ihr konntet hin, wo Ihr wolltet, und seht Euch ruhig und lächelnd aus der Weite das ganze Höllenwerk mit an!«

Bei diesen Worten war man in der Nähe von Dobbl angekommen, der Redner sprang ab und schlug grüßend einen Nebenweg ein … Der Weringer aber lächelte wirklich und war vergnügter geworden; zudem kamen jetzt die Kinder, der Haushund, eine Schar Enten und Gänse vom Weringerhofe daher gerannt, und Urban stellte sich mit dem Gesinde zum Willkommen hinter der Scheuer auf; – wem lachte da nicht das ganze Herz im Busen! Wer vergäße nicht alles Übel der Welt beim frohen Anblick der Seinen.


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