Abbé Prévost d'Exiles
Geschichte der Donna Maria und andere Abenteuer
Abbé Prévost d'Exiles

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Geschichte Cidal Achmeds, eines reichen Edelherrn aus Konstantinopel

Der Handel führt so viele Fremde nach London, dass die Gewohnheit, ihrer täglich neue ankommen zu sehen, dafür sorgt, ihrer ungewöhnlichen Kleidung, ihren Gebräuchen und Sitten keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Die Mehrzahl von ihnen verweilt nicht länger dort, als es ihre Geschäfte eben erfordern. Andere nehmen dort ständigen Aufenthalt, sei es, dass sie sich von den Reizen der Freiheit fesseln lassen, sei es, dass sie es für richtig erachten, sich hier zum Nutzen ihrer Geschäfte niederzusetzen, und vor allem, um von London aus günstige Verbindungen mit ihrem eigenen Lande anzuknüpfen. Letzterer Grund ist so üblich, dass mit ihm gewöhnlich alle anderen Absichten verschleiert werden, dergestalt, dass ein Fremder, der sich länger in London aufhält, für einen Kaufmann durchgeht, der durch irgendwelche Handelsbeziehungen dort zurückgehalten wird.

Solcher Meinung war man auch seit einigen Jahren über einen Türken, der sich Herby nennen liess und in dem Rufe stand, aussergewöhnlich reich zu sein. Er liess sich zwei Meilen von der Stadt in einem prächtigen, aber entlegenen Hause nieder, welches er von einem Direktor der Südgesellschaft gekauft und durch ständige Ausgaben sehr verschönert hatte. Dessen Gärten breiteten sich weit aus und die Gebäude nahmen einen grossen Raum ein. Da es dort keine anderen Häuser in einem Umkreise von zwei Meilen gab und Mister Herby keinen Verkehr mit Engländern pflog, kannten nur wenige Leute das Innere dieser schönen Solitüde. Er hatte eine grosse Dienerschaft, doch waren die Mehrzahl von ihnen Türken, die er aus seinem Lande mitgebracht, und die sehr an ihm zu hängen schienen. Er gebrauchte ihre Dienste nur für seine Gemächer und seine Gärten. Denen, die er in England in seine Dienste genommen, waren Grenzen gezogen, die ihnen zu überschreiten verboten war, worein sie sich um so leichter fügten, als sie bei der geringsten Zudringlichkeit unbarmherzig fortgejagt wurden; sie fürchteten, eine Stellung zu verlieren, die im übrigen sehr angenehm und sehr einträglich für sie war.

Während sich Mister Herby in solcher Zurückgezogenheit hielt, die er nur aufgab, um sich dann und wann in der Börse und am Hafen blicken zu lassen, hatten mehrere Londoner Familien sehr liebenswürdige Töchter aus ihren Häusern verschwinden sehen, deren Flucht man mit Liederlichkeit oder Verführung durch ihre Liebhaber begründet hatte. In einer Stadt von der Grösse Londons erregen solche abenteuerliche Zufälle kein so grosses Aufsehen, um lästige Nachforschungen zur Folge zu haben. Der Eltern grösste Sorge besteht darin, ihren Verlust zu verheimlichen; die Unmöglichkeit, ihn wieder wettzumachen, sorgt schliesslich dafür, dass sie sich seiner trösten. Wer hätte überdies so viele englische Schönheiten in der Gewalt eines Türken geargwöhnt? Nichtsdestoweniger befand sich ein Dutzend der reizendsten bei Mister Herby; und wenn auch die Mehrzahl von ihnen durch List, und ohne zu wissen, welchem Lose sie bestimmt, dort hingelockt waren, hatte er doch Mittel gefunden, ihr Sklaventum so angenehm zu machen, dass sie dessen Ende als ein Unglück angesehen haben würden.

Sie waren von keiner sehr vornehmen Herkunft. Doch mussten sie schön sein; und für einen Türken, der sich zweifelsohne nicht einer solchen Geschmacksfeinheit rühmt, die höfliches Benehmen und angeborene edle Sitten für den verführerischsten Reiz des schönen Geschlechts hält, genügte es, dass sie schön waren, um ihm liebenswert zu erscheinen, ohne der anderen Reize zu bedürfen, welche die Frucht der Erziehung und Lebensart bilden. Die erste, die er in sein Haus gezogen, war eine Weissnähterin. Er hatte sie durch Geschenke gewonnen. Diese hatte dafür gesorgt, ihm andere Mädchen zu verschaffen, denn die Furcht, seine Liebe teilen zu müssen, hatte weniger stark auf sie gewirkt, als das Missvergnügen, sich zu einer ständigen Einsamkeit verdammt zu wissen. Man weiss, dass junge Mädchen, die mit ein bisschen Schönheit zur Welt gekommen sind, sich natürlicherweise suchen und miteinander befreunden. Die Weissnähterin hatte mehrere Freundinnen, die ebenso hübsch wie sie waren. Die Lust, sie zu Gefährtinnen zu haben, liess sie mit Freuden auf Mister Herbys Pläne eingehen. Anfänglich schrieb sie an die, welche sie als die fügsamsten kannte, und, ohne ihnen den Ort ihres Verweilens, dessen Namen sie selber nicht wusste, zu nennen, malte sie ihnen ihr Los so anziehend aus, dass sie sie leicht bestimmte, ihr zusammen einen Besuch zu machen und sich durch die Person, welche ihren Brief überbracht, führen zu lassen. Eine Kutsche, die Mister Herby bis vor die Mauern Londons geschickt hatte, nahm sie auf und brachte sie zu ihm. Sie waren zu dritt. Er hatte seinen prächtigen Hausrat und alles, was sie von seinem Reichtum überzeugen konnte, zur Schau gestellt. Tatsächlich wird man im Laufe dieser Geschichte sehen, dass er unermesslich war. Kleinodien und prunkvolle Seltenheiten, welche ein Frauenauge blenden, schienen dort in Ueberfluss ausgestreut. Vor allem hatte die Weissnähterin Sorge getragen, die kostbarsten Gewänder anzulegen. Solcherart empfing sie ihre drei Freundinnen und die Beschreibung, die sie von ihrem angeblichen Glücke machte, übertraf noch alles, was ihre eigenen Augen ihnen bezeugten.

Drei kleine Bürgerinnen, die vielleicht nie etwas Schöneres als ihre armselige Wohnung gesehen haben, liessen sich leicht von soviel Pracht überrumpeln. Eifersucht folgte zweifelsohne der Bewunderung, sie fragten sich im Herzensgrunde, was sie dem Glücke angetan hätten, dass es ihnen nicht die gleiche Gunst gewähre. Solche Gedanken aber quälten sie nicht lange; denn nachdem man sie alle Schönheiten dieses köstlichen Aufenthaltsortes hatte blicken lassen, teilte ihnen die Weissnähterin mit, sie würde sich sehr glücklich schätzen, wenn sie die Herrlichkeiten mit ihr teilen wollten. Und erklärte ihnen, dass sie sie aus keinem anderen Grunde zum Besuche hergebeten habe, als um ihnen dies Anerbieten zu machen; es anzunehmen hänge von ihnen ab, sie hätten nur ein Zeichen der Zustimmung zu geben, um ebenso unumschränkte Herrinnen wie sie vom Hause und all den geschauten Reichtümern zu sein. Diesen Worten folgte eine Lobesrede auf den Herrn, der tatsächlich ein gut aussehender und von Natur liebenswürdiger Mann war. Er hatte allen Vorgängen ein Ohr geliehen, so dass er zu einer Zeit erschien, wo die drei Mädchen schon schwankend geworden waren und er sie durch seine Artigkeiten und Versprechungen leicht zu gewinnen vermochte.

Also begann Mister Herby sich zu versorgen. Es würde zu weitschweifig sein, mich mit gleichen Einzelheiten über die anderen Gefährtinnen seiner Einsamkeit auszulassen. Einige von ihnen verführte er selber, andere seine Sendlinge, und er brachte es dank seiner Wohlgefälligkeit und dem herrlichen Leben, welches er sie führen liess, dahin, dass er sie zufrieden mit ihrem Schicksale machte. Er musste eben so reich sein, wie er war, um so grossen Aufwand ständig bestreiten zu können. Die Verpflichtungen, welche er seinen zwölf Geliebten gegenüber hatte, nahmen bald noch grösseren Umfang an. Er sah sich wie gezwungen, für den Unterhalt ihrer Familien zu sorgen; und die Furcht, entdeckt zu werden, wenn er sich weigere, darauf einzugehen, machte ihm eine unumgängliche Notwendigkeit daraus. Dieser Umstand aber verdient mit all seinen Einzelheiten angeführt zu werden.

Eines seiner Mädchen, dem vielleicht die Einsamkeit lästig zu werden begann, drängte ihn eines Tages, ihr die Freiheit einzuräumen, ihren Vater und ihre Mutter zu sehen, die sie über ihre Abwesenheit sehr betrübt wähnte. Sie brachte diese Bitte einer Laune oder natürlichen Zärtlichkeit mit so viel Flehensworten und Tränen, dass, wenn sie auch nicht die Erlaubnis erhielt, das Haus zu verlassen, ihr auf andere Weise Befriedigung zuteil wurde. Mister Herby entwarf selber den Plan zu dieser Zusammenkunft und nahm sich vor, ebensoviel Vergnügen wie seine Geliebte daraus zu ziehen. Er beschloss, ihren Vater und ihre Mutter, welche Leute von sehr bescheidenem Stande waren, zu ihr zu bringen und dies wie bei seinen ersten drei Mädchen ins Werk zu setzen, will sagen, ihnen, soweit es anginge, den Namen und Ort seiner Wohnung zu verbergen, indem er sie auf Umwegen zu sich bringen liess, und sie mit so viel Ehren und solcher Pracht zu empfangen, dass ihre Ueberraschung und Verwirrung ihm ein Vergnügen bereiten würde. Er fügte einen Umstand hinzu, der noch dazu diente, die Ausführung dieses Planes leichter zu gestalten; der bestand darin, die Zeit durch Umwege, die man sie auf der Fahrt machen liesse, so lange hinzuziehen, dass sie erst bei Anbruch der Nacht in seinem Hause ankommen würden. Nichts liess sich leichter ausführen. Die guten Leute, die über den Verlust ihrer Tochter wahrlich betrübt gewesen waren, hatten kaum ihre Hand in dem Briefe, den sie ihnen geschrieben, erkannt, als sie vor Lust brannten, sie wiederzusehen. Ausserdem schilderte sie ihnen ein Glück, als ob sie die erste Königin der Welt sei, und bat sie, zu kommen und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen. Der Ueberbringer des Briefes legte ihnen nur Schweigen und Zurückhaltung auf, und, mit ihnen die Zeit ihres Kommens abmachend, versprach er, sie in einer Kutsche abzuholen. Es war vielleicht das erste Mal in ihrem Leben, dass sie eine solche bestiegen. Der Befehl, erst in der Dunkelheit anzukommen, ward streng durchgeführt. Inzwischen hatte Mister Herby den Empfang, den er ihnen bieten wollte, vorbereitet. Er hatte seine Gemächer durch den außergewöhnlichsten Prunk verschönert. Besonders war, um den Glanz des Hausrates zu heben und um die Einbildungskraft seiner Gäste noch lebhafter zu reizen, nicht an Kerzen gespart worden. Da er für ihre Tochter solch ein Fest feierte, hatte er gewünscht, dass ihre elf Gefährtinnen zu allem beitrügen, was ihr Ehre machen könnte. Sie wurden einfacher als sie gekleidet, wiewohl diese Einfachheit selbst herrlich war, damit man sie für ihr Gefolge halte. Sie selber trug das reichste und prächtigste Gewand. Und ward unter einem Thronhimmel auf einen goldenen Stuhl gesetzt, während alle anderen, und auch Mister Herby selber, der für ihren ersten Diener gehalten zu werden wünschte, in einigem Abstände hinter ihr in ergebener und ehrfurchtsvoller Miene harrten. Die türkischen Kammerdiener hielten sich in den Vorzimmern auf, wo sie ebenfalls eine Rolle zu spielen hatten, die dem Plane ihres Herrn entsprach.

Die Szene, die Mister Herby aufführen wollte, musste nach so vielen Vorbereitungen sehr prächtig wirken. Sie fiel über all seine Erwartungen erfolgreich aus. Die beiden Londoner Bürgersleute glaubten sich in einem Königsschloss und bildeten sich ein, ihre Tochter sei zum allermindesten Prinzessin von England geworden. Man setzte ihnen ein herrliches Mahl vor. Sie wurden mit ebensoviel Ehrfurcht wie ihre Tochter bedient, und um ihrer Freude die Krone aufzusetzen, empfingen sie beim Abschiede einen Beutel voll Geldstücke von ihr, der ihnen klärlich bewies, dass alles Geschehene kein Traum gewesen sei.

Man trug Sorge, sie vor Ende der Nacht wegfahren und sie noch einen Umweg machen zu lassen, der sie daran hinderte, sich wieder herzufinden. Welche Vorsicht man indessen auch immer obwalten liess, man täuschte des Vaters Verdacht nicht völlig, der ein verständiger Mann war. Er hatte bereits auf der Herfahrt bemerkt, dass die Kutsche auf Umwegen fuhr. Die Gedanken, welche er sich beim Verlassen dieses schönen Hauses über den Glanz machte, in dem er seine Tochter erblickt, und die geringe Aufklärung, welche er von ihr über die Ursache des Glücks erlangt hatte, liessen ihn leichtlich einen Teil der Wahrheit erraten. Er war daher voll Aufmerksamkeit bestrebt, den Weg, auf dem man ihn fuhr, zu behalten. Die Nacht war nicht so dunkel, dass er nicht bestimmte Merkmale behielt. Er entdeckte ihrer genug, um ihn am anderen Tage sicher wieder erkennen zu können, und als er in den Strassen Londons unauffällig aus der Kutsche gestiegen war, beschloss er, den folgenden Tag nicht verstreichen zu lassen, ohne sich über das Los seiner Tochter aufzuklären. Seine Nachforschungen hatten glücklicherweise Erfolg. Er vernahm, dass Mister Herby ein Türke sei, der grosse Reichtümer besitze. Zweifelsohne hatte der seine Tochter verführt. Nachdem er ein wenig dem Zorn über solche Beleidigung nachgehangen, beruhigte er sich bei dem Gedanken, dass es für dies Uebel keine Heilung gebe und er keinen anderen Entschluss zu fassen habe, als den grössten Nutzen für sein Glück daraus zu ziehen. Ein Fest, das nur eine Nacht gewährt hatte, und ein Beutel voll Geldes dünkten ihn ein zu massiger Preis für die Ehre seiner Tochter. Wiewohl er noch nicht wusste, dass Mister Herby ausser seiner Tochter noch elf andere Mädchen verführt hatte, was ihm noch mehr Oberhand über den verschafft haben würde, glaubte er ihm der Sache wegen, bei der er beteiligt war, hinreichend Unruhe verursachen zu können, um ihn zu einem Vergleiche mit ihm zu zwingen. So, ohne Zeit zu verlieren, eine Feder hervorkramend, schrieb er ihm nicht nur mit großem Ehrgefühl, daß er ihn als Entführer seiner Tochter kenne, sondern auch, dass er entschlossen sei, wenn er nicht eine der Beleidigung entsprechende Entschädigung von ihm bekomme, ihn mit aller Strenge des Gesetzes verfolgen zu lassen. Friedensliebe, Unkenntnis der Landesgesetze und andere Besorgnisse liessen Mister Herby alsogleich wünschen, diese Angelegenheit still aus der Welt zu schaffen. Er machte mit dem Vater ab, ihm so lange eine Jahrespension zu zahlen, als seine Tochter bei ihm zu leben einwilligte.

Andererseits wünschten die anderen Mädchen, denen dies Ereignis nicht verborgen blieb, und die nicht ohne Eifersucht die Ehre gesehen hatten, die ihrer Gefährtin zuteil ward, für sich und ihre Eltern die gleiche Gunst. Herby fürchtete die Folgen ihrer Unzufriedenheit und ihr Murren. Er glaubte sich verloren, wenn die Geschichte seiner Liebe bekannt würde. Kurz, da er viel Geld verausgaben konnte, ohne sich an den Bettelstab zu bringen, beschloss er, allen seinen Geliebten zu Willen zu sein; und so ward er ebenso der Vater von zwölf Töchtern wie der von zwölf Familien.

Als einige Zeit danach einer von Mister Herbys Dienern seines Herrn Zimmer zur Stunde, wo er ihn wecken sollte, betrat, fand er in seinem Bette nur einen blutigen Leichnam, dem man den Kopf abgeschnitten hatte. Ein Mädchen, welches die Nacht bei ihm verbracht, war ebenfalls durch mehrere Hiebe getötet. Nachdem dieser tragische Zwischenfall alle Mädchen und alle Diener in das Zimmer gelockt hatte, merkte man, dass zwei türkische Kammerdiener fehlten, die man seitdem nicht wiedergefunden hat, welche Mühe man sich auch gab, sie zu entdecken. Man bemerkte ebenso, dass die Geheimgemächer geöffnet worden und die Goldhaufen und Geschmeide, die, wie die türkischen Diener selber wussten, dort verschlossen gewesen, verschwunden waren. Die Bestürzung aller, welche die ersten Zeugen dieses Schauspiels waren, liess klar erkennen, dass man die Schuldigen nicht unter ihnen zu suchen hatte, und die Flucht der beiden Kammerdiener war ein Beweis, der für sich selber sprach. Indessen war es unverständlich, wie zwei Männer in so kurzer Zeit alle Schätze Mister Herbys hatten fortschaffen können. An Gold allein war, nach Aussage eines seiner türkischen Sklaven, der stets sein Vertrauen gehabt, trotz aller Ausgaben, die er seit ungefähr zehn Jahren gemacht, noch mehr als eine Million vorhanden gewesen. Das Gericht, das auf der Stelle herbeigerufen wurde, war sehr betroffen über die Erzählung, die man sich von all den Einzelheiten machen liess; doch da man in England die Leute nicht auf blossen Verdacht und auf einfache Wahrscheinlichkeiten hin verhaftet, stand es den Mädchen und Dienern frei, sich zu entfernen. In welches Dunkel diese Geschichte auch anfangs gehüllt schien, erhielt man doch noch am gleichen Tage vor Nacht einige Aufklärungen, die dazu dienten, die Wahrheit teilweise erraten zu lassen. Als die türkischen Sklaven keine Ursache mehr hatten, den Namen und die Angelegenheiten ihres Herrn zu verheimlichen, erklärten sie natürlich alles, was sie von seinem Glück wussten. Mister Herbys wirklicher Name war Cidal Achmed. Er stammte aus Konstantinopel und war einer der grossen Herrn des ottomanischen Kaiserreichs. Eine ehrgeizige Liebe hatte all sein Unglück zur Folge. Nachdem seine Wünsche sich bis zu einer Sultanstochter erhoben, hatte er die Kühnheit besessen, sie als Gattin zu erhalten zu hoffen, und einige Jahre über alle Anstrengungen gemacht, um in ihren Besitz zu kommen. Ein glücklicherer Pascha hatte den Sieg über ihn davongetragen. Aber von der Liebe ebenso begünstigt, wie es sein Nebenbuhler vom Glücke war, hatte er die junge Sultanin in sich verliebt gemacht und sich in einen galanten Handel mit ihr eingelassen. Als er schliesslich irgendwelchen Grund zur Annahme hatte, dass er von den Mitwissern seiner Ränke verraten worden sei, erlangte er von seiner Geliebten, um sich und sie der Rache des Grossherrn und des Paschas zu entziehen, die Einwilligung zur Flucht. Ein Schiff ward mit seinen Schätzen beladen. Die Sultanin ihrerseits hatte ihres Gatten Wertsachen beiseite gebracht. Als das glücklichste Liebespaar der Welt hatten sie sich nach Venedig begeben, wo sie bis zum Tode der Sultanin, der nach Verlauf von einigen Monaten eingetreten war, in Frieden lebten. Der Kummer über seinen Verlust und die Furcht, in einer der Türkei so nahegelegenen Stadt früher oder später erkannt zu werden, veranlassten ihn schliesslich, seinen Zufluchtsort zu verändern. Er hatte von den Vorteilen reden hören, die ein Fremdling in England, welches für einen Türken am Ende der Welt liegt, findet. Er bestieg dasselbe Schiff, welches ihn nach Venedig getragen, und kam mit all seinem Reichtum unbehelligt nach London. Diese Angaben, die seine Person anlangen, sind gewiss.

Hinsichtlich seines Todes weiss man durch die Erklärungen mehrerer in London lebender türkischer Kaufleute, dass sechs Wochen vor diesem Geschehnis drei ihrer Landsleute dort angekommen wären, mit denen sie sich einige Male unterhalten hätten, ohne den wahren Grund ihrer Reise entdecken zu können. Sie liessen einzig durchblicken, dass sie einen wichtigen Auftrag übernommen hätten, und erkundigten sich mit sehr grosser Neugierde nach Namen und Stand aller in London weilenden Türken. Es fand sich, dass sich diese drei Türken am gleichen Tage, wo Cidal Achmeds Mord geschah, von ihrem Wirt beurlaubt hatten, um ihren Worten nach in ihr Vaterland zurückzukehren. Dieser Umstand, dazu die Flucht der beiden Diener, die Unmöglichkeit, dass zwei Leute eine Million in Gold und eine solche Menge Geschmeide allein fortschaffen könnten, und die Kenntnis, die man ausserdem von der Entführung der Sultanin und dem Groll, den Grossherr und Pascha über diese Beleidigung verspüren mussten, alle diese Gründe erweckten den Glauben, dass die Ursache von Achmeds Unglück in weiterer Ferne als in London zu suchen sei, und dass seine Mörder Sendlinge aus Konstantinopel gewesen, die zwei seiner Hauptdiener gewonnen hätten, um ihren Anschlag leicht ausführen zu können. Sein abgeschlagenes Haupt war noch ein Umstand, der für diese Mutmassung sprach. Sie nahmen es zweifelsohne mit sich, um den Erfolg ihrer Sendung zu beweisen und deren Rache völlig genugzutun, die sie ausgesandt hatten, indem sie den Gegenstand ihres Hasses in ihre Hände legten. Man erzählt tausend ähnliche Geschichten, die solche Annahme bekräftigen. Es ist oft vorgekommen, dass türkische Sklaven, von ihrem Herrn beauftragt, einen Feind aus dem Wege zu räumen, oft zwanzig Jahre mit dessen Verfolgung oder eine Gelegenheit suchend, ihm sein Leben zu nehmen, hingebracht und nimmer wieder zurückgekehrt sind, ohne diesen Befehl ausgeführt zu haben. Kurz, dies war Cidal Achmeds Schicksal. Man würde auf andere Aufklärungen haben rechnen können, wenn man genugsam Anteil an seinem Tode genommen hätte, um seinen Mördern mit einigem Eifer nachzuspüren, doch jedes einzelne seiner Mädchen dachte zweifelsohne nicht mehr daran als das ganze Dutzend, die Diener aber waren ausserstande und alle Schätze verschwunden.


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