Abbé Prévost d'Exiles
Geschichte der Donna Maria und andere Abenteuer
Abbé Prévost d'Exiles

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Abenteuer einer schönen Muselmanin

Ein junger böhmischer Edelmann namens Werdinitz lebte seit mehreren Jahren in Sklaverei und tröstete sich darüber mit dem Glück, der Tochter seines Herrn zu gefallen, die ihm die Eroberung ihres Herzens nicht allzu schwer gemacht hatte. Ihr Aufenthaltsort hiess Hradisch, eine Stadt in Bulgarien. Unterstützt von seiner Liebe und der Hoffnung, seine Geliebte eines Tages überreden zu können, mit ihm die Flucht zu ergreifen, hatte Werdinitz alles daran gesetzt, das Vertrauen seines Herrn zu erwerben; und da er bemerkt hatte, dass diesen die Leidenschaft des Geizes völlig beherrschte, bemühte er sich insbesondere ihm eine gute Meinung von seiner Sparsamkeit einzuflössen. Und war darin so erfolgreich, dass ihn der Türke, nachdem er ihn mancherlei Prüfungen unterworfen hatte, für ebenso mässig wie treu hielt; er nahm ihn eines Tages beiseite und gab ihm ein für einen Geizigen scheinbar sehr merkwürdiges Zeichen seines Zutrauens. »Ich habe«, hub er zu ihm an, »eine bessere Meinung von Ihrer Ehrlichkeit als ich sie von der irgendeines Türken habe. Ausserdem haben Sie hier weder Freunde noch Verwandte, welchen Sie einen grösseren Reichtum als mir wünschen könnten; diese beiden Erwägungen veranlassten mich Sie zu einem Auftrage auszuersehen, von dem all meine Lebensruhe abhängt. Gestehen Sie es mir offen, ob ich mich in der guten Meinung täuschte, die ich über Ihren Eifer und Ihre Redlichkeit gefasst habe!« Werdinitz antwortete ihm in einer Weise, die sie nur noch vergrössern musste. Alsbald umarmte ihn der Greis, indem er ihm die süssesten Schmeichelnamen gab, dann ergriff er ihn bei der Hand und führte ihn, sich mehrere Male, um sich zu vergewissern, dass er von niemandem gesehen würde, umschauend, durch verschiedene Winkel an ein Gemach, welches im entlegensten Teile seines Hauses lag, und öffnete seine Türe mit einem gewichtigen Schlüssel. Der Ort war dunkel und das einzige Fenster, welches ihm Licht spenden sollte, war mit einem starken eisernen Gitter verwahrt; er schien sich wenig von einem Gefängnisse zu unterscheiden. »Hier«, hub der Geizhals an, »halte ich mein Gold und Silber verschlossen. Ich habe ihrer ungeheure Mengen, welche die Frucht meiner Arbeit und Ersparnisse sind!« Und fortfahrend, mehrere Schränke zu öffnen, liess er Werdinitz zahllose Reichtümer schauen. »Soll ich Ihnen gestehen,« sprach er weiter, »was mir zu meinem Glücke fehlt? Ich werde von der Angst gepeinigt, alles zu verlieren. Ich bedarf eines treuen Mannes, der mir die Sorge um meinen Schatz abnimmt, eines, der ununterbrochen über ihn wacht, der mich bei dem geringsten Geräusch benachrichtigt, kurz, jemandes, dessen Treue mich von meiner unaufhörlichen Unruhe befreit. Wollen Sie mir diesen Beweis Ihrer Zuneigung geben? Seien Sie versichert, dass es Ihnen an nichts gebrechen soll, und dass Sie mir nach meinem Gelde das Teuerste auf dem Erdboden sein werden!«

Werdinitz, der nicht ahnte, wozu ihn sein Versprechen verpflichten sollte, zauderte nicht sich ihm durch die fürchterlichsten Schwüre zu verbinden. Der Alte wiederholte sehr zufrieden gestellt den, welchen er bereits abgelegt hatte, ihn besser als er wünschen möchte dafür zu entschädigen; schloss sorgfältig alle Schränke ab, umarmte seinen Sklaven von neuem, bat ihn das Geheimnis wie seinen Eifer zu wahren und ging aus dem Gemache, dessen Tür er alsogleich hinter sich versperrte.

Diese Ueberraschung – vielleicht die krauseste Wirkung, welche der Geiz jemals erzeugte – würde Werdinitz furchtbar gewesen sein, wenn ihm nicht eine ihm angeborene Entschlossenheit zu Hilfe gekommen wäre; denn in der ersten Verzweiflung, die er darüber verspürte, sich so grausam haben täuschen zu lassen, kam er in Versuchung, sich selber ein Leid anzutun und seinen Kopf an der Türe, die er nicht zu öffnen vermochte, einzustossen. Andererseits besorgte er, sein Herr, der ihn im Augenblick, wo er sich zu Tisch setzen wollte, in seiner Furcht, man möchte hinter seine Schliche kommen, vielleicht nicht mitnahm, und eine günstige Stunde abwartete, um ihm, ohne beachtet zu werden, seine Leibesnahrung zu bringen, liesse ihn so lange nüchtern, dass schon allein der Mangel an Nahrungsmitteln seinen Tod verursachen müsse. Liebe, Schrecken der Einsamkeit, Furcht vor noch traurigeren Folgen, als die er sich auszumalen vermochte, alles tat sich zusammen, um ihn niederzuschmettern. In Wahrheit empfing er nach Verlauf von zwei Stunden den Besuch seines Herrn und einige ausgezeichnete Gerichte, welche ihm mit grosser Vorsicht und schräg durch die kaum halb geöffnete Tür zugereicht wurden. Gleichzeitig ermahnte man ihn zur Wachsamkeit, zur Verschwiegenheit, zur Geduld und zu tausend Tugenden, die er widerwillig ausübte. Er hätte den Augenblick erfassen können, um sich eines Zwanges zu erwehren, dem er niemals beizustimmen bereit gewesen wäre; aber sich genau sagend, dass es bereits zu spät sei, und dass er sich nimmer beklagen könne, ohne seinen Geizhals zu ängstigen und sich infolgedessen einer furchtbaren Rache auszusetzen, liessen ihn diese Erwägungen den Entschluss fassen, seine Befreiung der Güte des Himmels oder einem günstigen Umstand, der sich mit der Zeit etwa ergäbe, anheimzustellen. Tatsächlich hörte er nach mehr als vierzehntägiger Qual in der Nacht ein Geräusch vor seinem Fenster, und die Augen zu solch unerwarteter Hilfe emporhebend, bemerkte er das Licht einer kleinen Laterne, mit der man sich längs der Gitterstäbe zu schaffen machte, wie wenn man erkunden wolle, ob irgend etwas in dem Gemach eingeschlossen sei. Wiewohl man den Ton einer Stimme, die sich noch dazu bemühte vernommen zu werden, kaum hören konnte, begriff er doch, dass man zu seiner Rettung dort weile; und als er sich genähert hatte, kam seine Freude seiner Ueberraschung gleich, da er seine Geliebte, die ihn begierig zu sehen versuchte, auf der Höhe einer Leiter erblickte.

Es liess sich gut an, dass sie ihn zu sprechen und er sie zu hören vermochte, aber das Gitter trennte sie sehr wider ihren Willen; Plomby – dieser Name stand am Anfange ihrer späteren Aufzeichnungen – legte ihrem Geliebten über all die Aufregungen, die ihr seine Abwesenheit verursacht hatten, Rechenschaft ab. Anfangs hatte sie sich tausend düsteren Argwohnsregungen überlassen, und geübter sich Sorgen zu machen als Mittel zu finden, sich aufzuklären, hatte sie mehrere Tage lang in tödlichster Unruhe verbracht bis zu dem Augenblick, wo sie ihren Vater, dessen Handlungen sie sehr genau überwachte, mit den Vorsichtsmassregeln eines Menschen, der beobachtet zu werden fürchtet, nur mit einigen, sich heimlich verschafften Lebensmitteln hatte nach dem Gemach gehen sehen; da hatte sie sich gedacht, dass er aus irgendwelchen Gründen ihren lieben Werdinitz dort versperrt hielte. Darauf hatte sie, um sich eine Leiter und die anderen Mittel, die sie angewendet hatte, zu verschaffen, nur der Hilfe irgendeines Sklaven bedurft. Dieser war bei ihr, und wiewohl sie wenig auf seine Treue rechnete, wollte sie sich lieber der Möglichkeit, verraten zu werden, aussetzen, als eine Gelegenheit, sich aufzuklären, was sie auf andere Weise nicht hoffen konnte, unbenutzt zu lassen.

Werdinitz erzählte seinerseits der teuren Plomby alles, was er in der Einsamkeit erduldet hatte, und aus welchem Grunde er ihr ausgesetzt war. In ihrer Freude sich sehen zu können schmeichelten sie sich, dass die Liebe ihr Glück vollständig machen würde, und dass sie um jeden Preis ein Mittel finden würden, die Eisenstangen zu durchbrechen. Dies war ihre einzige Beschäftigung während mehrerer Nächte; doch als die Arbeit schon weit vorgeschritten war und der Liebhaber die Stunde erwartete, in der seine Geliebte die Arbeit vollenden wollte, sah er zu seiner lebhaftesten Ueberraschung an ihrer Stelle den Sklaven, der ihr Hilfe geleistet hatte, auf der Leiter erscheinen. Von ihm erfuhr er, dass seine Geliebte selbigen Tags gemäss den türkischen Sitten, das heisst, ohne darauf vorbereitet zu sein, verheiratet worden wäre; sie sei soeben ihrem Gatten, welcher der Gouverneur von Hradisch wäre, zugeführt worden. Trotzdem liesse sie Werdinitz beim Verlassen des Hauses sagen, nur mit tödlichem Missbehagen sähe sie sich gezwungen, der Gewalt zu weichen, sie würde immer nur ihn lieben, sie würde dem Gouverneur lange Zeit die Erfüllung der Ehepflichten versagen, sie bäte ihn mit Hilfe des Sklaven seine Flucht aus dem Gefängnis zu beschleunigen und ihr selber zu helfen, die Freiheit zu gewinnen, welches er vielleicht eher in ihrer neuen Behausung als in ihrem Vaterhause ermöglichen könnte, wenigstens sei das jetzt sehr viel notwendiger und müsse eiliger geschehen.

Es bedurfte keiner Ueberredung, um Werdinitz zur Ausführung all dieser Unternehmungen zu veranlassen. Die Eisenstäbe widerstanden den durch Liebe und Eifersucht beseelten Kräften nicht länger. Im Augenblick, wo er sich frei wusste und bereit war, fortzueilen, ward er durch missliche Gewissenszweifel aufgehalten. Er sah sich inmitten einer verschwenderischen Fülle Goldes und Silbers, die ihm in Wahrheit ja nicht gehörte, welche eines Tages aber seiner Geliebten durch die Rechte ihrer Geburt zukommen musste. Von ihr selber war er beauftragt, ihre Flucht ins Werk zu setzen, und ohne Geld konnte man in solchen Unternehmungen nicht erfolgreich sein. Kurz, er wollte es für sie verwenden; war es ihm da nicht erlaubt, eine beträchtliche Summe mit sich zu nehmen, um sie aus ihrer Aufregung zu befreien und sie für alle Hoffnungen zu entschädigen, welchen sie entsagen musste, wenn sie die Flucht mit ihm ergriffe?

Solche Gedanken bedrückten ihn lange. Es war für ihn nicht schwerer ein Schloss zu durchfeilen als Eisenstäbe, doch war sein natürlicher Edelmut das einzige Gesetz, dem er Folge leistete. Welchem Lose ihn auch Liebe und Glück aufsparen mochten, er beschloss ihre Gunst auf ehrlichem und tugendreichem Wege zu erstreben. Diesem Entschlüsse sich fügend, kletterte er eiligst zum Fenster hinaus, um das Haus vor Ende der Nacht zu verlassen, und befahl dem Sklaven, der dort zurückblieb, er solle die Leiter forttragen und die Eisenstäbe so gut wieder einfügen, dass man seine Flucht wenigstens nicht alsofort bemerke.

Unglücklicherweise hatte der nicht dasselbe Zartgefühl. Da er dem Verdacht gemäss, der im Hause eines Geizhalses sich zu verbreiten nicht verfehlt, keinen Augenblick im Zweifel war, dass sein Herr an diesem Orte seine Schätze verwahre, vermochte er, sowie er sich allein sah, nicht der Lust zu widerstehen, sich durch einen Diebstahl, dessen man ihn seiner Meinung nach nimmer zeihen konnte, zu bereichern. Ein wenig Eifer würde ihn vielleicht gesichert haben, aber die Gier, alles zu sehen und seine Beute dadurch grösser zu machen, nur, was ihn das Allerwertvollste zu sein dünkte, zu wählen, hielt ihn so lange auf, dass er von dem Türken überrascht wurde. Der Geizhals, der sich in seiner Leidenschaft nie eines ruhigen Schlafes erfreute, wachte um Mitternacht auf, und ohne anderen Grund wie seine beständigen, misstrauischen Gedanken überkam ihn das Verlangen, an die Türe seines Geheimzimmers heranzutreten. Das Ohr dem geringsten Geräusche öffnend, hörte er bald, dass man in seinem Gelde wühle. Schleunigst öffnete er die Türe und der elende Sklave erstarrte bei seinem Anblick vor Schrecken. Mühelos bemächtigte er sich seiner. Im ersten Wutanfalle würde er Kräfte genug gehabt haben, ihn mit eigenen Händen zu erdrosseln, wenn er nicht dessen Mitwisser hätte entdecken wollen. Er glaubte sich bis auf den letzten Heller bestohlen und bildete sich anfänglich ein, da er Werdinitz nicht erblickte, dass er mit diesem, den er hier hielte, zweifelsohne im Einverständnis stünde und bereits mit dem besten Teile seiner Beute das Weite gesucht hätte. Indessen erfuhr er nach manchen Wutausbrüchen und sprunghaften Fragen aus den Antworten des Uebeltäters, dass er weniger unglücklich geworden wäre, als er vermeint hatte, und dass er nicht den geringsten Verlust erlitten. Diese Versicherung stimmte ihn ruhiger und er liess sich alle Einzelheiten des Geschehnisses erzählen; dem Sklaven blieb zu seiner Lebenserhaltung keine andere Hilfe als die Aufrichtigkeit, und er gestand ihm deshalb nicht nur sein Vorhaben, ihn zu bestehlen, sondern auch Werdinitz' Flucht, seine Liebschaft mit Plomby und den von ihr erhaltenen Auftrag, sie ihrem Gatten zu rauben, wenn er es vermöchte. Diese Erklärung machte nicht den von dem Sklaven erhofften Eindruck. Er ward anderen Tages grausam gepfählt.

Werdinitz erfuhr sein trauriges Schicksal bald, wie auch die Nachforschungen, die sein Herr anstellte, um ihn zu entdecken: ein neuer Anlass zur Furcht, der in einer gewöhnlichen Seele Mut und Liebe auf einmal erlöscht haben würde. Doch um ein nicht zu grausames Bild von seiner Lage auszumalen, will ich die Erklärung nicht weiter hinausschieben, dass ihm durch zwei äusserst günstige Umstände geholfen ward. Der eine bestand in der Stütze, die er an einem reichen befreundeten Kaufmann in Hradisch hatte, der, ein böhmischer Flüchtling, ihn stets nicht als Sklaven, sondern als einen Mann behandelt hatte, welcher sich in ihrem gemeinsamen Vaterlande einer besonderen Hochachtung erfreute; bei ihm hatte er eine Zuflucht gefunden, nachdem er aus dem Geheimzimmer seines Herrn entwichen war. Nicht allein sein Leben war in dessen sicherem Hause behütet, sondern er hatte dort auch noch den Vorteil, genau von allen Massnahmen seines Herrn unterrichtet zu werden und konnte also die seinigen darnach treffen. Die andere Hilfe bestand darin, dass, welche Geständnisse sein Herr auch dem bestraften Sklaven hatte entreissen können, dieser keines, was ihm Schande bereite, vorzubringen und ihn keines anderen Verbrechens zu zeihen vermochte, als dass er die Flucht ergriffen hätte. Und was die Befürchtung anlangte, dass seine Liebschaft mit Plomby und ihre gemeinsamen Absichten ihrem Vater bekannt geworden seien, so war er der festen Ueberzeugung, dies seien keine Aufschlüsse, die man sich einem Schwiegersohne mitzuteilen beeile, infolgedessen habe er weder etwas Gefährliches von seiten des Gouverneurs zu befürchten, noch grössere Schwierigkeiten darum bei dem Unternehmen zu überwinden, welches er plante.

Die Türkenweiber in Bulgarien ziehen einigen Vorteil aus der Nachbarschaft der Christenheit, da sie sehr viel weniger von der Aussenwelt abgeschlossen werden als ihre Schwestern inmitten der Türkei; auch sind ihre Wohnungen nicht so sicher versperrt, dass ein neugieriger Reisender, der sich einige Hochachtung erwirbt, nicht manchmal die Erlaubnis erhielte, sie zu betreten. Wahrlich wird solche Gunst sehr selten und niemals in Abwesenheit des Hausherrn gewährt; aber es gibt eine grosse Anzahl reicher Türken, die gern des öfteren die muselmännische Strenge mildern, um ihren Nachbarn zu beweisen, dass ihnen Höflichkeit und Freude an Geselligkeit keine unbekannten löblichen Eigenschaften sind. Daher kommt es auch, dass in allen Grenzprovinzen die Christensklaven mit sehr viel weniger Härte als in den entfernteren Gegenden behandelt werden. Als anderen Grund gebe ich noch an, dass sie fürchten, die Christen möchten in ähnlichen Fällen Gleiches mit Gleichem vergelten. Wie dem auch sei, der Gouverneur von Hradisch ging nimmer als ein harter und gewalttätiger Mann durch, sondern stand in dem Rufe, Fremde mit sehr viel Zuvorkommenheit bei sich aufzunehmen.

Auf dieser Tatsache baute Werdinitz seinen Plan auf, dessen er sich zur Befreiung seiner Geliebten bedienen wollte, und teilte ihn seinem Wirt mit, ohne dessen Beihilfe er ihn nicht ausführen konnte. Bemerkt muss werden, dass die Länge seiner Sklavenschaft weniger die Notwendigkeit als die Liebe bedingt hatte, denn nachdem er in den Kriegsläufen gefangen genommen und von seinem ersten Herrn nach Hradisch verkauft worden war, weilte er in keinem so abgelegenen Lande, als dass er seinen Verwandten nicht Nachrichten von sich geben und sich leicht Lösegeld hätte verschaffen können, wenn er nicht in Plombys Reizen und Zärtlichkeit einen hinreichend starken Grund gefunden hätte, dort festgehalten zu sein. Er hatte seinem Freunde, zu dem er sich geflüchtet, offen von seinem Herkommen und seinen Reichtümern gesprochen, und dieses Geständnis hatte ihm nicht wenig geholfen, sich dessen Neigung und Dienstbereitschaft zu sichern. So fuhr er denn fort, ihm sein Herz zu eröffnen und ihn um die Mitwirkung zu bitten, deren er zu seinem Vorhaben bedurfte. Diese bestand darin, ihm heimlich einen Reisewagen fertigen zu lassen, wie er eines Mannes seiner Herkunft würdig war, und diesen nach einem abgelegenen Orte in einiger Entfernung zu schaffen, wo er ihn besteigen wollte, um mit allen Merkmalen der Vornehmheit und anderer Sorgfalt, die ihn nicht als einen Sklaven erkennen liessen, in die Stadt zurückzukehren. Schwierigkeit bestand nur darin, böhmische Dienstboten aufzutreiben, die sich zu solcher Verkleidungsszene eignen mochten. Ein solch unüberwindliches Hindernis hätte genügt, um all diese Pläne umzuwerfen, doch erbot sich der Kaufmann, der ihm um jeden Preis behilflich sein und sich seine Freundschaft wahren wollte, in welcher er das einzige Mittel sah, etwa wieder in die Heimat zurückkehren zu können, keck, sich selber als Dienstboten zu verkleiden. Und sogar seine Frau mit seinem Sohne und einer seiner Töchter, die als einzige Erwachsene von seinen Kindern für dies Unterfangen in Frage kamen, sollten sich verkleiden, und ihn selbst auf die Gefahr hin, dass ihnen etwas Arges zustossen könne, begleiten. Zwei Bedingungen aber machte der aus: erstens, dass er sich in einem von seinem Haus ganz abgelegenen Stadtteile niederliesse, und zweitens, dass diese Verkleidungsszene nicht länger als zehn Tage dauern dürfe, weil er die Zeit seiner Abwesenheit für die einer Vergnügungsreise ausgeben wollte, die er mit einem Teil seiner Familie in einige benachbarte Dörfer zu machen beabsichtigte.

Der weniger kluge als tapfere und ehrenwerte Werdinitz nahm diesen Vorschlag in aller Dankbarkeit an und liess sich, um seiner Eigenschaft eines böhmischen Reisenden, als welchen er sich ausgeben sollte, wenn er sich dem Gouverneur vorstellte, grössere Wahrscheinlichkeit zu geben, einige Empfehlungsschreiben an verschiedene bekannte Leute in Hradisch ausstellen, Sie waren an mehrere Personen gerichtet, deren Verhältnisse der Kaufmann kannte, und da man in ihnen lediglich um einfache Höflichkeiten einem Manne von Rang gegenüber bat, der ihr Land aus Neugierde und, weil er es schätzte, bereiste, so meinten sie beide, ein so unschuldiges Hilfsmittel könne keine ärgerlichen Folgen nach sich ziehen. Da die Ausrüstung nur in eigenen Kleidern und Pferden von einigem Aussehen bestehen durfte, schafften der Kaufmann und sein Sohn schnell alles an, wessen man dazu benötigte.

Nachdem die Massnahmen mit aller Klugheit, die solch kühnem Plane gegenüber angebracht, getroffen waren, kam Werdinitz endlich eines Mittags vor dem Tore von Hradisch an, nach böhmischer Sitte gekleidet und in Gefolge von seinen vier Vertrauten, die auch leicht für Leute seiner Gefolgschaft durchgingen. Wiewohl der letzte Friede schon vor einigen Monaten geschlossen war, sah er sich doch genötigt, lange auf die Anordnungen des Gouverneurs warten zu müssen, welchem man seine Ankunft gemeldet hatte. Die Besorgnis indessen, die ihm dieser anfängliche Widerstand hätte einflössen können, würde bald die Zuvorkommenheit und Güte des Gouverneurs zerstreut haben, der sich selber die Mühe machte, zu ihm zu kommen. Da er die türkische Sprache gut beherrschte, und er keinen anderen Reisegrund wie seine besondere Zuneigung zu der Türkei angab, kamen ihm von dem Tage an alle ehrenwerten Leute der Stadt in der liebenswürdigsten Weise entgegen. Sein Herr war einer seiner eifrigsten Besucher: er nahm all diese Besuche mit ebensoviel Kühnheit wie Glück an, und der Kaufmann spielte seine Rolle nicht minder glücklich. Der Gouverneur, den er besonders durch Schmeicheleien für sich eingenommen hatte, versprach ihm, ihn am folgenden Morgen alles sehen zu lassen, was die Neugier eines Fremden reizen konnte. Tatsächlich zeigte er ihm die schönsten Punkte der Stadt und tausend Dinge, die Werdinitz Zeit gehabt hatte, ebensogut wie er kennen zu lernen. Doch erzählte der ihm nichts von seinen Frauen. Ungeduld überkam den Böhmen und er beschloss am selben Abend, sich anderen Tages Plombys Anblick zu verschaffen, ja sie etwa zu rauben.

Da er nur zugestimmt hatte, die Frau und Tochter des Kaufmanns als Dienstboten mitzunehmen, um seinem Einzuge einigen Glanz zu verleihen und er mit ihrem Vater übereingekommen war, am ersten Tage vorzugeben, dass er sich infolge der Reisestrapazen nicht wohl fühle, um somit Gelegenheit zu haben, sie ruhig in der Karawanserei sich aufhalten zu lassen, schlug er diesem vor, sie in sein Haus zurückzuschicken, aber zu erlauben, dass er seine Tochter vorher dem Gouverneur zu Gesichte kommen lasse.

Dieser Vorschlag war merkwürdig. Der Kaufmann, der sich schon allzusehr auf alles eingelassen hatte, als dass er sich dem länger widersetzen konnte, beruhigte sich bei der genaueren Erklärung, die ihm Werdinitz über sein Vorhaben abgab. Es bestand darin, den Gouverneur mit vertraulicher Miene wissen zu lassen, er habe eine sehr verehrte Geliebte bei sich, die er ihrem Wunsche gemäss auf allen seinen Reisen mit sich führe; da ihr aber die Unbequemlichkeit der Wagen lästig zu werden beginne, denke er daran, sie in Hradisch zu lassen, von wo er sie bei seiner Rückkehr abzuholen willens sei. Da es natürlich nicht angehe, dass sie allein in einer Karawanserei bleibe, wolle er ihn bitten, ihr eine Zufluchtsstätte in seinem Harem zu geben; er zweifle nicht, dass er, wenn er ein anständiger Mensch sei, ihm diese Gunst gern gewähre, um ihn sich zu verpflichten. Wäre er das aber nicht, wäre er ebenso gern bereit, sie ihm zu gewähren, in der Hoffnung, einen Handel mit einer jungen Person anzufangen, die man freiwillig seinen Händen überlieferte. Werdinitz hegte noch die Hoffnung, dass es dem Gouverneur bei den Massregeln, die er treffen wollte, unmöglich sein würde, die Züge eines Mädchens, welches er ihm in Männerkleidern zeigen wollte, wiederzuerkennen. Und sein Plan ging dahin, sich alsbald selber in Frauenkleider zu stecken und sich an ihrer Statt in das Serail tragen zu lassen; er schmeichelte sich sein Unternehmen mit anderen Kunstgriffen, deren Ausführung er sich vorbehielt, so glücklich durchzuführen, dass weder für ihn noch für den Kaufmann und dessen Familie irgendeine Gefahr zu befürchten sei. Nachdem er am Morgen erklärt hatte, dass er die folgende Nacht abreisen müsste, schlug er dem Gouverneur, als er mit ihm einen Tagesspaziergang gemacht, wirklich vor, mit ihm in seine Karawanserei zu kommen; und einige Schritte von ihr entfernt, erklärte er ihm alles, was er sich erdacht hatte. Weit entfernt sich drängen zu lassen, ging der Gouverneur mit Freuden auf seine Pläne ein. Er sah die junge Person an einem Orte, wo sich die Dunkelheit schon verbreitet hatte, und da sie ihr Gewand nicht ganz verändert, hatte man dafür gesorgt, dass sie eine besonders weibliche Stellung einnahm und einige Zeichen vorwies, die ihr Geschlecht zu erkennen gaben. Der Besuch währte übrigens nur einen Augenblick. Nachdem Werdinitz sie dem Gouverneur als seinen teuersten Besitz anempfohlen hatte, erklärte er des ferneren, sie würde sich in der Landestracht kleiden und, um die Neugierigen zu täuschen, in der Nacht in sein Serail gebracht werden. Sogleich nahm man Abschied voneinander. Der Kaufmann hatte alles für diese neue Szene Notwendige hergerichtet. Der als Weib verkleidete Werdinitz mit einem türkischen Schleier um den Kopf überlieferte sich zwei Sänftenträgern, während das Mädchen, dessen Person er vorstellte, sich bestrebte, ihn darzustellen, indem sie sich in seinen Wagen setzte und die Stadt verliess. Mühelos gewann sie ihr Vaterhaus wieder, wohin sie folgenden Morgens unangefochten zu ihren übrigen Angehörigen zurückkehrte.

So war der kühne Böhme auf sich selber angewiesen, um alle Schwierigkeiten seines Unternehmens zu überwinden. Er kam an der Türe des Serails an, wo es der Gouverneur nicht daran hatte fehlen lassen, Befehle seiner Aufnahme wegen zu erteilen. Einige alte Weiber, die ihn erwarteten, führten ihn in ein Gemach, in welchem er ihren Versicherungen gemäss mit allen nur erdenklichen Aufmerksamkeiten bedient werden sollte. Er unterliess es nicht, einige Zeichen von Traurigkeit und Langweile kundzutun. Man erklärte ihm, der Gouverneur würde es nicht unterlassen, in höchst eigener Person zu erscheinen, um sie zu trösten. Das hatte er vor allen Dingen befürchtet; da er aber auch diesen Umstand bedacht hatte, versicherte er auf natürliche Weise, er wäre entschlossen, keinen Mann bei sich zu sehen, und aller Dankbarkeit zuwider, welche er dem Gouverneur schuldig zu sein glaube, würde er seinen Besuch bis zur Rückkunft desjenigen, welcher ihn in seinem Hause untergebracht habe, nicht annehmen. Diese Antwort wurde dem Gouverneur sofort mitgeteilt und verursachte ihm einiges Erstaunen und Bewunderung. Es schien fast, als ob er der Absicht gewesen, indem er ihn bei sich aufgenommen habe, ihn zu seinem Vergnügen ausnutzen zu wollen; diese weise Vorkehrung jedoch, die er keineswegs erwartet hatte, verpflichtete ihn, seine Wünsche aufzugeben, um wenigstens zu prüfen, ob sie geduldig in ihr verharre. Indessen liess er all seinen Frauen befehlen, die Fremde als ein Wesen, das einige Zeit über ihre Gefährtin sein sollte, zu besuchen und freundlich zu behandeln. Neugier, Gehorsam und Verlangen nach Vergnügen führte sie fast alle zu ihr. Einzig Plomby hielt es nicht für angemessen, dort zu erscheinen. Die liebenswürdige und treue Plomby hatte dem Gouverneur seit ihrer Verheiratung grausamen Kummer verursacht. Er hatte von ihr noch nichts von dem, was eine Frau ihrem Gatten nicht verweigert, erlangen können, und es berührte ihn schmerzlich, die Ursache hierfür nicht entdecken zu können. Sein Alter bildete vielleicht eine; sie aber hatte ihrer stärkere wie ihre Liebe zu Werdinitz und die fortwährende Sorge, ob er ihr wohl die seinige bewahre. In gewissen Augenblicken hatte sie ihren Gatten durch ihren Widerstand solchermassen gereizt, dass er schon mehr als einmal in Erwägung gezogen, ob er sie nicht zu ihrem Vater zurückschicken solle, und hatte ihr dies angedroht. Sie aber, die nichts sehnlicher wünschte, bemühte sich mehr und mehr, ihm durch alle nur erdenklichen Hass- und Verachtungsbezeigungen zu missfallen. Sein Befehl allein, eine Fremde höflich zu behandeln, genügte schon, sie den Entschluss fassen zu lassen, ihr keine Aufmerksamkeit zu erweisen, und dieser Grund allein hinderte sie, Werdinitz nach seiner Ankunft zu sehen. Doch da ihr mittlerweile der Gedanke gekommen war, diese sei etwa eine schöne Sklavin, die ihrem Gatten glücklicherweise den Rest der Liebe nehmen könne, die er für sie fühle, kam sie bald der Wunsch an, sie kennen zu lernen. Allein trat sie ohne die mindeste Lust, den eheherrlichen Wünschen zu entsprechen, in Werdinitz' Zimmer ein. Sie erkannten sich im ersten Augenblick und in der ersten Aufwallung erwies sie ihrem Liebsten das Entgegenkommen, welches sie ihrem Gatten nimmer zugestanden hatte.

Vom selben Tage an berieten sie sich über die Mittel, wie sie ihre Freiheit baldigst durchsetzen könnten; aber die Ausführung aller Massnahmen, welche Werdinitz mit dem Kaufmanne getroffen hatte, sah man durch die Hinderungen, die sich durch die inneren Einrichtungen des Serails ergaben, verzögert. Er hatte zu ungelegener Zeit damit gerechnet, dass es den Frauen des Gouverneurs freistünde sich im Garten zu ergehen, um sich an der Nachtkühle zu erlaben; dann sollte sich der Kaufmann unter Beihilfe seines Sohnes mit zwei Leitern auf der anderen Mauerseite einfinden, da es ja, die Dunkelheit benutzend, ein leichtes wäre, sein Vorhaben auszuführen. Er wollte sogleich ein Gewand seines Geschlechtes anlegen, und die Gefährtin seiner Flucht veranlassen, ein Gleiches zu tun, um sich mit ihr in das Haus des Kaufmanns zu begeben, wo ihnen nichts zustossen konnte, bis sie irgendein Mittel, nach Böhmen zu fliehen, gefunden hätten.

Unglücklicherweise war der Teil des Gartens, wo sich die Frauen in aller Ungezwungenheit aufhalten durften, durch ein sehr dichtes Gebüsch von dem getrennt, der an die Mauer stiess. Dieser Abschluss konnte weder leicht noch auf einmal durchbrochen werden. Wenn es sich nur um Geduld gehandelt hätte, sich hierzu Mittel und Wege zu verschaffen, wäre ein wenig Verzug kein so wichtiger Grund zur Betrübnis gewesen, aber es blieben noch zwei beängstigende Dinge zu befürchten, denen gegenüber Mut und List keine Hilfe gewährten. Eines war die Schwierigkeit, den Kaufmann wissen zu lassen, aus welchem Grunde man sich aufgehalten sehe, und ihm den Tag anzugeben, an welchem man die Mauer voraussichtlich übersteigen könne. Das andere, unvergleichlich schlimmere, war Werdinitz' Bart, welcher zusehends sprosste, was man unmöglich verbergen konnte.

Die Grösse dieser letzteren Gefahr verpflichtete sie, ihre erste Sorgfalt ihr zuzuwenden; Werdinitz dachte schon daran, sich lieber die Haut abzuziehen als sich durch eine so törichte Schwierigkeit zu verraten. Da es indessen bei den Türkinnen Brauch ist, sich einen Teil des Kopfes zu rasieren, verlor Plomby nicht den Mut und nahm den Sklaven, welche sie dazu bedienten, einige Rasiermesser weg. Sie stellte es auch so geschickt an, dass sie sich noch vor Tagesschluss in ihrem Besitze befanden. Ihr Geliebter sah sich so um so besser geschützt, indem er sich bestrebte, absichtlich lange Haare zu tragen, um kundzutun, dass ihn in der vorgeblich ihn schwer bedrückenden Abwesenheit seines Herrn der Schmerz gegen Sauberkeit und Schönheit unempfindlich mache. Die Spuren seines Bartes, welcher nicht dichter war als er seinem Alter entsprach, fielen, nachdem er rasiert worden war, weniger auf, als wenn er sich auch genötigt gesehen hätte, den Kopf zu rasieren.

Die beiden Geliebten hatten während einiger Tage keine andere Sorge im Auge zu behalten wie die, oft von den Frauen des Gouverneurs gestört zu werden, die sich wie Plomby der Gesellschaft der Fremden erfreuen wollten. Abends unterliessen sie es nicht, in den Garten zu gehen, und immer einige Vorwände findend, um sich von den anderen abzusondern, suchten sie längs dem Gebüsch eine Stelle, welche minder schwierig zu durchdringen war, um sich früher oder später einen Durchgang zu verschaffen. Werdinitz entdeckte eine, welche glücklicherweise von dem Blätterwerk eines Bäumchens bedeckt war, dessen Holz ihm morsch genug zu sein schien, um nicht lange den Kräften seiner Hände Widerstand zu leisten. Jede Nacht brach er einige Zweige ab, und bald hatte er ein so grosses Loch hergestellt, dass man auf der Erde kriechend hindurchzuschlüpfen vermochte.

Doch was fruchtete es ihnen, die Mauer erreichen zu können, wenn sie nicht die Zuversicht hatten, den Kaufmann mit den ihnen zur Flucht nötigen Hilfsmitteln dort zu finden? Das Glück war ihnen auch nach dieser Seite hin gewogen. Als sie eines Tages beieinander waren und sich ihren Besorgnissen überliessen, meldete man ihnen einen fremden Kaufmann, welcher sich Eingang in das Serail verschafft hatte, um dem Gouverneur und seinen Frauen verschiedene Kostbarkeiten zu verkaufen; er ward zu ihnen geführt, wie er auch bei allen anderen gewesen war. Die Sorgfalt, die der Kaufmann auf seine Verkleidung verwendet hatte, hinderte Werdinitz nicht, ihn zu erkennen. Vorsichtig beredete er sich einen Augenblick mit ihm. Es genügte, um ihn Nacht und Stunde wissen zu lassen, in der sie mit Leitern und anderen Hilfsmitteln am Fusse der Mauer sein sollten. Der Eifer des Kaufmanns wird niemanden überraschen, wenn man sich erinnert, dass ihn ausser freundschaftlichen Gründen eigener Nutzen dazu verpflichtete. Er versprach pünktlich und treu zu sein. Nichts schien den Hoffnungen des Liebespaares mehr im Wege zu stehen.

Doch wurden sie durch ein grausameres Unglück als alle vorhergehenden vereitelt. An dem Nachmittage, welcher der für ihre Flucht in Aussicht genommenen Nacht vorausging, unterhielten sich Werdinitz und Plomby sehr heiter in solch süsser Erwartung, nachdem sie geschickt die anderen Frauen von sich fernzuhalten gewusst, als ein alter Sklave, den sie sich verpflichtet hatten, ohne ihn ganz in ihr Zutrauen eingeschlossen zu haben, leise erschien, um ihnen mitzuteilen, dass der Gouverneur sie vom Vorzimmer aus belausche und mit äusserster Aufmerksamkeit ihrem Gespräche zuzuhören scheine. Sie hielten sich für verloren. Ohne sicher zu sein, dass ihnen nichts entschlüpft sei, was ihr Geheimnis und ihre Absichten hinreichend aufkläre, zweifelten sie nicht, dass diese Neugier des Gouverneurs die Folge einiges Misstrauens sei, zu welchem er einigen Grund habe, und dass folglich ein einziges Wort genüge, um sie zu verraten. In ihrer anfänglichen Verwirrung, vermeinend, ihnen bliebe nichts Besseres als der Tod übrig, dachten sie nur daran, ihn sich selbst zu geben oder sich wenigstens der Macht zu versichern, ihn sich geben zu können, und bewaffneten sich beide mit einem der Rasiermesser, derer sich Werdinitz bediente.

Glücklicherweise geschah nichts, was sie in ihrem Misstrauen und ihrer Furcht bestärken konnte. In Wahrheit hatte der Gouverneur, dem mitgeteilt worden war, mit welchem Eifer sie sich besuchten und welche Freude sie daran hatten, sich ohne Zeugen zu sehen und zu unterhalten, einige Lust verspürt zu erfahren, was sie sich in so langen und geheimen Zwiegesprächen mitzuteilen hätten. Er hatte an der Türe gehorcht, aber trotz aller Bemühungen nichts verstehen können. Da er nun bislang nicht die Erlaubnis erlangt hatte, die Fremde sehen zu dürfen, beschloss er an diesem Tage, die Erwägungen, die ihn daran hinderten, ausser acht zu lassen, öffnete die Tür und zeigte sich in aller Höflichkeit. Seine Miene, die von keiner Aufregung zeugte, beruhigte die beiden Liebenden. Da indessen einige Zeichen ihres Bestürztseins auf ihren Gesichtern zurückblieben, und sie während ihrer Zwiegespräche die eine fast beständig den Kopf niederbeugte, indem sie so tat, als ob sie über die Abwesenheit ihres Geliebten weinte, die andere ihre gewöhnlichen finsteren und hartnäckigen Mienen zeigte, argwöhnte der Gouverneur, als er bei seinem Kommen die beiden Rasiermesser erblickte, sie wollten sich damit das Leben nehmen und fürchtete mehr für ihren Nachteil, als sie selber es taten. Er hütete sich wohl, ihnen diesen Argwohn mitzuteilen, und da er sich dachte, dass es für solch ein Uebel, von dem er sie ergriffen glaubte, die süssesten Heilmittel gäbe, schlug er ihnen sogleich Vergnügungen vor, die seines Ermessens ihre Betrübnis zerstreuen konnten. Alle Frauen wurden herbeigerufen. Er liess sie zusammen, indem er ihnen befahl, sich der Freude hinzugeben, und beauftragte im geheimen seinen treuesten Sklaven, Plomby und die Fremde fortwährend im Auge zu behalten Das treue Liebespaar dankte dem Himmel für den glücklichen Ausgang ihres Abenteuers; erwartete nur die Nacht, um sich von allem zu befreien und harrte auf sie wie auf das Ende aller ihrer Leiden. Kaum war die Sonne untergegangen, als sie in den Garten eilten. Es fiel ihnen nicht schwer sich wie an anderen Tagen von den Frauen, die sie begleiteten, zu entfernen und sich ihrem Loch zu nähern. Hergerichtet wie es war, genügte ein Augenblick, um hindurchzukommen. Werdinitz verpflichtete seine Geliebte, es als erste zu durchkriechen. Die Sklaven aber, welche dem Befehl ihres Herrn gemäss, ohne bemerkt zu werden, einige Schritte hinter ihnen weilten, kamen eiligst herzu, als sie Plomby verschwinden sahen. Sie erschienen im Augenblicke, wo Werdinitz zur Erde gebückt ihr schnell folgen wollte und hielten ihn leicht in solcher Stellung zurück. Da sie den Schlüssel zu einer Türe hatten, welche beide Gärten miteinander verband, war es ihnen ein leichtes, sich auch Plombys sogleich zu versichern.

Ein Glück für sie und ihren Geliebten war's, dass sie nicht nach der Mauer geeilt war, denn so argwöhnte man ihren Fluchtplan nicht. Auch der von diesem Geschehen sofort unterrichtete Gouverneur dachte an nichts dergleichen, sondern versteifte sich auf seine anfängliche Besorgnis und zweifelte nicht, dass eine neue Regung der wildesten Verzweiflung oder etwa eine unheilvolle Geistesverwirrung sie zu einem solch sinnlosen Schritt veranlasst habe. Er befahl auf das ausdrücklichste, man solle alles von ihren Händen fernhalten, was ihnen zu dem finsteren Vorhaben, welches er ihnen unterschob, dienlich sein könne. Dieser Schlag drückte so grausam auf Werdinitz, dass er zweifellos einen furchtbaren Gebrauch von seinem Rasiermesser gemacht haben würde, hätte man ihn nicht an solchem Tun gehindert. Ohne Trost und Hoffnung und noch mehr durch die Sorge vor der Zukunft als durch das Scheitern eines Planes, den er für unfehlbar gehalten hatte, bedrückt, blieb Werdinitz zurück; denn es blieb ihm nicht die geringste Aussicht, sein Unglück wieder wettmachen zu können, und da ihn fürderhin Plombys Hilfe, sein Geschlecht zu verbergen, versagt war, sah er nur zu gut, dass er früher oder später die Aufklärungen nicht abwenden konnte, welche ebenso gefahrvoll für sie wie für ihn waren. Die drei oder vier Sklaven, die er in seinem Zimmer sah, und welche mit der Mitteilung ihres Auftrages, ihn Tag und Nacht bewachen zu sollen, keineswegs zurückhielten, machten ihm jede Gewalt- wie Fluchtanstrengung unmöglich. Sein Schicksal dem Zufall überlassend, beschloss er schliesslich eine heftige Erkrankung vorzuschützen, die ihm den Vorwand erlaubte, stets im Bett zu bleiben und so wenig Nahrung zu sich zu nehmen, dass, wenn er unmerklich von Kräften gekommen wäre, es weniger Anstrengung bedurfte, seinem Leben ein Ende zu machen, wenn er sich dazu genötigt sähe. Er verharrte bei diesem Vorhaben, und da niemand daran dachte, sich diesem zu widersetzen, brachte er tatsächlich fünf oder sechs Wochen im Bett zu, ohne zu dulden, dass man sich ihm tagsüber nähere; und mit Mühe war er dahin zu bringen, am Abend in der Dunkelheit einige leichte Nahrungsmittel zu sich zu nehmen.

Während dieser Zeit erhielt er keinerlei Nachrichten von Plomby, welche mit nicht minderer Sorgfalt bewacht wurde. Schliesslich beschloss der mehr als je über ein so aussergewöhnliches Benehmen erstaunte Gouverneur, ihn aufzusuchen und ihn allen Widerständen zum Trotz zu zwingen, die Hilfe der Heilmittel in Anspruch zu nehmen. Ohne sich haben anmelden zu lassen, betrat er Werdinitz' Zimmer, und ihn in seinem Bette antreffend, erblickte er ihn zu seiner höchsten Ueberraschung mit einem üppigen Bart versehen, der ihn weniger einem Weibe als einem wilden Tiere ähnlich machte. Sei es Schrecken, seien es andere Ursachen, denen man nie ganz auf den Grund gekommen ist, der arme Gouverneur wurde von einem heftigen Schlage getroffen. Die Sklaven, welche mehr auf seinen Unfall als auf dessen Gründe acht gaben, trugen ihn sterbend hinweg und sahen selber den verhängnisvollen Bart nicht, den Werdinitz täglich mit viel List vor ihnen verborgen hatte.

Als der Gouverneur gestorben war, ohne wieder so viel Bewusstsein erlangt zu haben, dass er seine letzten Verfügungen zu treffen vermocht, sah sich Plomby als die einzige seiner Frauen, die er rechtmässig geheiratet hatte, um so freier, da die Kinder ihres Gatten sich an Orten aufhielten, die weit entfernt von Hradisch lagen; es war demnach niemand da, der ihr die Machtvollkommenheit streitig machen konnte.

Sie bediente sich ihrer alsbald, um sich zu Werdinitz zu begeben, den sie höchst eigenhändig rasierte, so dass, nachdem er wieder die Frauenkleider angelegt hatte, in welchen man ihn gewöhnlich gesehen, kein Türke sein Geschlecht und sein Abenteuer argwöhnte. Endlich liess sie im Einverständnis mit ihm den Kaufmann benachrichtigen, er möchte ihn aus dem Serail abholen, unter dem Vorwande, dass er als Böhme einige Sorge für eine Frau seines Landes tragen müsse.

Das einzige Hemmnis, welches für Plomby noch bestand, war die Furcht vor ihrem Vater, in dessen Gewalt sie, wenn sie das Serail verliess, zurückkehren musste. Sie würde es haben versuchen können, Hals über Kopf mit ihrem Geliebten nach Böhmen zu reisen, aber eine so bedeutende Erbschaft, wie sie ihr einstmals zukommen musste, verdiente abgewartet zu werden, und Werdinitz selber hatte sich einem so wichtigen Grunde gefügt. Ueberdies hatte man hunderterlei Gefahren zu laufen, wenn man kühn den Weg über Ungarn nahm, welches das nächste christliche Land war, und nur der Kaufmann, ein älterer und erfahrener Mann, war ein passender Führer, um die Schwierigkeiten zu überwinden. Man musste ihm also Zeit lassen seine Angelegenheiten zu regeln, und vor allem Werdinitz die geben, nach Prag zu schreiben, um für die Rückkehr eines Mannes günstig zu wirken, dem er bereits allzu sehr verpflichtet war. Man entschloss sich also zu warten und Plomby kehrte ruhig zu ihrem Vater zurück, nachdem sie ihre Pflichten im Serail erfüllt hatte.

Doch geschah es nicht, ohne mit ihrem Geliebten vorher die Mittel und Wege, wie sie sich sehen könnten, ausgemacht zu haben. Sie gestalteten sich leichter, als sie es zu wagen gehofft hatte, da sie ihren Vater bereitwillig fand, Werdinitz zu verzeihen, den er gerne wiederzusehen wünschte. Seine Flucht hatte ihn zu wenig aufgeregt, als dass nicht die Erinnerung an seine Treue und Anhänglichkeit es über ihn vermocht hätte, ihn zu lieben. Er tat fortwährend seine Verwunderung über einen Sklaven kund, der aus seinem Zimmer geflohen war, ohne seine Schätze anzurühren, und während eines dieser Hochachtungs- und Dankbarkeitsausbrüchen fragte er seine Tochter, ob es wahr sei, dass sie jemals eine Zuneigung für ihn gefühlt habe; wenn er ihn von guter Herkunft gewusst und wenn er Anhänglichkeit an die Religion Mohammeds an ihm bemerkt hätte, würde er ihn ohne weiteres zum Schwiegersohn gewählt haben. Sie erzählte ihm, was sie nach seinen und des Kaufmanns Aufklärungen von seiner Herkunft wusste. Was die Religion anlangte, so verpflichtete sie sich, ohne sich der Gefahr begeben, etwas zu versprechen, einzig, sie würde alles daran setzen, einen Muselmann aus ihm zu machen, und flösste ihrem Vater als neuen Beweggrund das Verlangen nach dem Verdienste ein, einen Mann zu bekehren, den er seiner Schätzung würdig fände.

So wurde denn Werdinitz in das Haus seines Herrn zurückgerufen und mehr als ein Sohn wie als ein Sklave aufgenommen. Der Alte aber, der sich hauptsächlich vom Geiz, weniger von aussergewöhnlichen Regungen der Güte bestimmen liess, fühlte sich immer schwächer werden, und da er nicht mehr fähig war über seinen Schatz zu wachen, beschloss er, sich in das Gemach tragen zu lassen, in dem er ihn eingesperrt hatte, und liess es sich als einen Wohnraum einrichten, den er nicht mehr zu verlassen vermochte. Werdinitz ward unumschränkter Herr des ganzen übrigen Hauses, und um sich fortgesetzt des Vertrauens des Alten zu versichern, trug er Sorge ihm die Säcke Silbers und Goldes zuzutragen, die er in all seinen Lebzeiten von seinen Einkünften erspart hatte. Diese Arbeit tat er für sich selber. Der Tod befreite endlich den Alten von seinen Besorgnissen und sein ganzes Haus von einem allzulangen Zwang. Sterbend vermachte er Werdinitz seine Tochter und all seine Schätze unter der einzigen Bedingung, dass er ein Muselmann würde.

Es handelte sich nun darum, dieses Gebot zu umgehen, welches zu deutlich und öffentlich geschehen war, als dass es leichtfertigerweise hätte umgangen werden können. Die Rücksicht, die man auf Plomby um ihrer ersten Heirat willen noch in der Stadt nahm, und Werdinitz' Freigebigkeiten erhielten sie einige Zeit in der Hoffnung, die Häupter der Religion für sich zu gewinnen. Werdinitz aber, der Zeit gehabt hatte, nach Prag zu schreiben und dem Kaufmann Begnadigung zu erwirken, beschloss diesen mit all seinen Schätzen abreisen zu lassen oder wenigstens mit den Schätzen, die er der Habgier der Türken nicht überlassen wollte. Die Ueberlieferung dieses Gutes geschah so heimlich, dass selbst die Neugierigsten nichts davon merkten. Die Abreise des Kaufmannes selber wurde mit vielen Vorsichtsmassregeln ins Werk gesetzt; man hielt sie für eine ganz kurze Reise, zu der sich der Kaufmann mit seiner Familie genötigt sah. Er liess sein Haus eingerichtet, und sein Sohn blieb dort zurück, um es in seiner Abwesenheit zu bewachen, während er alle Schätze Werdinitz' und die von ihm selber angesammelten mit sich nahm.

Als sie schliesslich in Prag angelangt waren und Werdinitz nichts weiter zu wagen hatte als das zu verlieren, was er dazu ausersehen, führte er mit mehr Glück als Klugheit einen lange von ihm ersonnenen Plan aus. Er beantragte bei dem neuen Gouverneur, ihm die Erlaubnis zu geben, eine Reise von mehreren Monaten mit dem Sohne des Kaufmanns, der in seinem Vaterhause geblieben war, in sein Heimatland zu machen. Man verwarf diesen Antrag, wie er es erwartet hatte. Um aber alle Hindernisse schnell aus dem Wege zu räumen, bot er ihnen an, ihnen während seiner Abwesenheit als Pfand für seine Rückkehr sein Haus, das des Kaufmanns, der ihn begleiten sollte, und die ganze Erbschaft des Türken, seines Herren, auszuliefern. Sehr gierig nahm man dies Anerbieten an; die, welche am meisten Glaubenseifer bezeigten, fanden es nun vorteilhaft, nicht allzusehr auf seine Rückkehr zu dringen.

Eine Schwierigkeit blieb. Es war Plombys Entweichen, für welches man unmöglich einen Vorwand finden konnte. Man nahm zur List Zuflucht. Plomby wurde als Mann verkleidet und ging am Tage der Abreise für einen Sklaven durch. Diese romantische Flucht würde auch Erfolg gehabt haben, da sich Werdinitz sorgsamsterweise mit einem so leichten Wagen und sechs so ausnehmend feurigen Pferden versehen hatte, dass er seines Ermessens schon eher in Sicherheit zu sein vermeinte, als man die Entführung seiner Geliebten entdecken könne. Aber ein junger Türke namens Dalmet, der Plomby schon seit langem liebte und anfangs hoch erfreut über Werdinitz' Abreise war, geriet in die höchste Verzweiflung, als er entdeckte, dass sie ihm zu folgen eingewilligt hatte, und stimmte so lebhafte Klagen an, dass sich der Kadi gegen seinen Vorteil aus Schicklichkeit veranlasst sah, einige Reiter hinter dem Entführer mit dem Auftrage herzujagen, ihn tot oder lebendig zurückzubringen. Er traf das Liebespaar zwei Tagereisen vor der Grenze an. Das Pferdegetrappel liess Werdinitz von weitem erkennen, dass er verfolgt würde; die einzige noch bleibende Rettung in einer so dringlichen Gefahr war Plombys sofortige Entfernung aus dem Wagen. Sie war noch in der Verkleidung, die sie am Tage ihrer Abreise gewählt hatte. Mit Hilfe von etwas Staub machte sie ihre Gesichtszüge vollkommen unkenntlich, schwang sich hinten auf den Wagen zu dem einzigen Sklaven, den Werdinitz bei sich hatte und ermutigte sich selbst im Uebermass ihrer Furcht, ihre Rolle unerschrocken durchzuführen.

Dalmet kam fast im gleichen Augenblicke an; man war nicht stark genug, um schroff das Anhalten des Wagens zu verhindern. Man fragte, wo Plomby wäre. Werdinitz und der Kaufmann stellten sich sehr überrascht bei dieser Frage und entgegneten, dass sie nicht wissen könnten, was aus einer Person geworden sei, die sie in Hradisch zurückgelassen hätten. Da alle Umstände solche Antwort zu bestätigen schienen und zwei Sklaven der Zahl entsprachen, welche dem Dienst zweier Reisender angemessen war, richtete sich die Aufmerksamkeit der Reiter nicht weiter auf sie; Dalmet konnte nicht glauben, dass er sich in der Sorgfalt getäuscht hatte, die er angewendet, um sich von dem Entweichen seiner Geliebten zu überzeugen. Da er bemerkt hatte, dass Werdinitz' Wagen hinter einem Buschwerk gehalten, während Plomby ausgestiegen war, so zweifelte er nicht, dass sie sich im Einverständnis mit ihren Entführern entfernt hätte und sich längs dem Walde oder in irgendeinem Hause versteckt hielte, wo sie sie bestimmt wiederzufinden gedächten. Also denkend liess er einen Teil seiner Leute zur Bewachung des Wagens zurück, während er mit den übrigen sich anschickte alle benachbarten Orte abzusuchen, die ihm geeignet schienen, ihren Zufluchtsort zu bilden. Damit brachte er einen Teil des Tages hin. Als er endlich des Suchens müde ward und glaubte, dass er sich tatsächlich in der Annahme, Plomby sei ausserhalb von Hradisch, getäuscht habe, fasste er einen Entschluss, der dafür sorgte, dass er völlig getäuscht wurde. Er begleitete nämlich Werdinitz bis an die Grenze, um sich nicht allein der Abreise eines so gefährlichen Nebenbuhlers zu versichern, sondern um auch zu verhindern, dass Plomby zu ihm stossen könne, falls sie seiner Voraussetzung gemäss den Wagen verlassen habe und sich an irgendeinem Orte verborgen halte, den er nicht zu entdecken vermocht. So verharrten die beiden Liebenden während zweier Reisetage ruhig unter dieser Bedeckung. Plomby hatte einige Unbequemlichkeiten in einer Lage zu erleiden, die sie beizubehalten gezwungen wurde; der Lohn aber, welcher ihrer Liebe in Prag wartete, liess sie sie mutig ertragen. Und das Lächerlichste an diesem sonst so ernsthaften Ereignis war, dass Dalmet, nachdem er von dem Wagen gewichen war, mehrere Tage an der Grenze zubrachte, um zu verhindern, dass Werdinitz die Lust ankäme, nach Hradisch zurückzukehren, und um sich zu vergewissern, ob er seine Reise fortsetzte.

Unser Liebespaar zauderte nicht sich eines sehr glücklichen Lebens im Schosse einer reichen und angesehenen Familie zu erfreuen, die Werdinitz und seine Geliebte unter lebhaften Freudenbezeigungen ankommen sah. Der alte Kaufmann war nicht minder bestrebt ihnen zu ihrem Glücke alles Gute zu wünschen, und händigte ihnen all ihre Schätze aus, die er glücklich nach Prag gebracht hatte. Doch wie sich alles so anliess, sie für ihre Nöte zu entschädigen, gerieten sie noch einmal in eine Aufregung, die als Schluss ihrer Geschichte angeführt zu werden verdient. Als sie sich eines Tages ohne andere Begleitung wie die ihrer Dienerschaft auf das Land zurückgezogen hatten, sahen sie zu ihrer höchsten Bestürzung eines Abends achtzehn oder zwanzig Türken ihr Haus betreten, die sich alsbald mit gezückten Säbeln in ihre Gemächer zerstreuten. Werdinitz, der viel zu schlecht mit Leuten versehen war, als dass er hätte an eine Verteidigung denken können, suchte sich nur mit Plomby und seinen Kindern zu verbergen; denn sein erster Gedanke fiel auf seine alte Besorgnis: er zweifelte nicht, dass der Kadi von Hradisch oder Dalmet die Kühnheit gehabt hätten, ihm bis nach Prag zu folgen. Obwohl es dieser Einbildung an Wahrscheinlichkeit gebrach, quälte sie ihn während mehr als einer Stunde, welche die Türken mit der Ausführung ihrer Pläne zubrachten, tödlich. Diese bestanden nämlich darin, die Vorbereitungen zu einem herrlichen Feste zu treffen. Es folgten ihnen nicht nur eine Menge Wagen auf dem Fusse, welche die nötigen Dekorationen herbeibrachten, sondern auch eine zahlreiche Gesellschaft, die sich aus den vornehmsten Damen Prags zusammensetzte. Der Fleiss der Arbeiter entsprach ihrem Eifer, sie hatten dem Hause bald von Grund auf ein anderes Aussehen gegeben, und als alles, wie man es sich vorgenommen, in Ordnung gebracht war, dachten sie nur noch daran sich an der Freude zu weiden, die sie sich von Werdinitz' Schrecken und Ueberraschung versprachen. Es war die vornehmste Jugend Prags, welche sich den Plan zu diesem Feste nach den Erzählungen des Liebespaares erdacht hatte, und die mit viel Kunst alles, was sie immer von den Gebräuchen in Hradisch hatten erzählen hören, nachgebildet. Das Lustspiel selber, das von den besten Schauspielern Prags dargestellt wurde, war nur die Geschichte von Werdinitz' Sklaverei und seinen Abenteuern im Serail. Zum Schluss verbrannte man, um das glückliche Ende seiner Leiden besser darzustellen, alle Maschinen und die Kleider sowohl der Sklaven wie Muselmänner, deren man sich zu dieser Belustigung bedient hatte, auf einem Scheiterhaufen, den man im Garten besonders errichtet hatte.


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