Rudolf Presber
Von Ihr und Ihm
Rudolf Presber

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Herbst

Garderobe im Zirkus. Eng, schmal, dumpfig. Über dem heißen Zimmerchen liegt ein stark gemischter Duft von Parfüm, Lederzeug, Zigaretten, Pferden und einer hübschen jungen Frau, die sich eiligst umgekleidet hat. An den Wänden ein paar welke Kränze, deren Schleifen als Kissen für Stecknadeln und Sicherheitsnadeln dienen, ein paar kolorierte Pferdebilder aus Zeitschriften, und dazwischen im goldenen Rähmchen das Porträt einer Durchlaucht auf einem edlen Engländer mit reich verschnörkelter eigenhändiger Unterschrift. Über einem Kattunsessel im Hintergrund elegantes Straßenkleid und großer Federhut. Auf einem Rohrgestell das weißseidene lange Reitkleid der Schulreiterin, schlicht mit Silberborten verziert. In einem hohen Glas ein paar edle, zartfarbige Orchideen. Die elektrische Birne, von schiefem, milchweißem Schirm überdacht, pendelt tief vor dem Spiegel des schmalen, mit Schminken, Nadeln, Stiften, Scheren übersäten Toilettentischs.

Sie sitzt in der Untertaille, die edelgeformten Arme in den Nacken geschoben, und prüft die Wirkung der eben aufgelegten Schminke. Sie ist eine schlanke Blondine, deren Reiz in der jugendlichen Reinheit der Züge liegt. Auch der Hals hat die präraffaelitische Unschuldslinie. Die wirksam gelegte Boticelli-Frisur der goldig schimmernden Haare unterstreicht den Stil. Das weiße Reitkleid, das ihrer wartet, ist raffiniert zu der ganzen Erscheinung gestimmt.

Er, Kavalier in den Vierzigern, aber wohl zehn Jahre jünger wirkend. Die Taille noch gut und vom modischen Gehrock leicht betont. Wenig graue Haare im englisch geschnittenen Bart; kurzgehaltene, straffe Offiziersfrisur. Nonchalant, sicher und von unaufdringlicher Eleganz. Er spricht langsam und ruhig mit einer sehr sympathischen Stimme, die – auch wenn er Banales sagt – den Worten eine gewisse Bedeutung gibt. Er raucht aus einem silbergehämmerten Etui kleine ägyptische Zigaretten und verfolgt, während er spricht und zuhört, die stahlblauen Augen ein wenig zukneifend, fast andächtig den Rauch, als erwarte er aus den Kringeln und Figuren dieser verziehenden Wolken ein Orakel.

Sie: Genug Rot?

Er: Für die Galerie – ja. Für das Parkett schon zuviel. Je blasser du bist, je hübscher wirkst du: weiß, blond, eine Hochmut in Unschuld und wie die Erscheinung der Jungfräulichkeit – auf dem glänzenden Rappen. Oder reitest du Tommy heute nicht?

Sie: Doch. Romeo geht noch lahm. Der Tierarzt mit seinen Salben ist ein Ochse. Er trinkt übrigens . . . Ist die Durchlaucht in der Loge?

Er: Bis jetzt nicht. Aber ich war nur bis zum Entree der Spallachinis draußen.

Sie: Er soll mir bloß aus der Garderobe bleiben! Er nimmt alles in die Hand, riecht dran, setzt's woanders hin und hält mich gräßlich auf. Neulich hatt' ich doch beim zweiten Klingelzeichen richtig statt der Reitgerte seinen allerhöchsten Regenschirm in der Hand. Übrigens – eine Durchlaucht und ein Regenschirm! Schon lächerlich. Alles dürfen Männer werden, nur nicht alt und lächerlich.

Er: O ja. Oder mindestens: wenn sie's werden, müssen sie das Milieu wechseln.

Sie: Ui je! Hast du wieder deinen philosophischen Abend?

Er: Sonnabends immer, liebe Lussy. Du weißt, weil ich den Sonntag, der droht, nicht leiden kann.

Sie (pudert ihre Hände): Warum eigentlich?

Er: Es sind mir da zuviel Dienstmädchen mit Federhüten auf der Straße und zuviel Kommis, die gern Gardekürassiere in Zivil vorstellen möchten.

Sie: Laß ihnen doch das Vergnügen!

Er: Ich lass' es ihnen ja. Ich nehme nur nicht gern als Zuschauer daran teil.

Sie: Es kann nicht nur Vollblutpferde und Schulreiterinnen geben.

Er: Gott sei Dank!

Sie: Nanu?

Er: Ich mache mir nichts aus Pferden.

Sie: Das ist neu.

Er: Durchaus nicht.

Sie: Und Tommy . . . und Romeo?

Er: Die hab' ich nur bezahlt. Ziemlich teuer. Dein Bruder ist nicht billig, wenn er Pferde verkauft. Und ich teile die Vorliebe deutscher Landsleute nicht, auf das zu schimpfen, was ich teuer bezahlt habe. Aber sonst – es sind Gäule. Und ein Gaul wird erst dadurch hübsch für mich, daß eine hübsche Frau drauf sitzt.

Sie: Ist das ein Kompliment für mich?

Er: Es scheint fast so. Es gibt Frauen, die gleichen Napoleon: sie sehen am besten aus zu Pferde. Sie sind für das Pferd geboren, für das Pferd geformt von der Natur. Man kann sie sich – wie die alten Amazonen – ohne Pferd gar nicht vorstellen.

Sie: Erlaub mal – mir kommt's vor, wenn du mich am liebsten hattest, war ich nicht zu Pferde.

Er: Doch. Wenn ich dich küßte, schloß ich die Augen und stellte mir vor, du säßest auf einem deiner Pferde. Blond, schlank, hochmütig-unschuldig. Ich hörte den Sattel krachen. Ich empfand den Geruch des Juchtenzeugs mit dem Duft deines Haares. Ich hörte Zaumzeug klirren aus deinen Armbändern . . .

Sie: Pervers.

Er: Ganz normal ist keiner, wenn er liebt. Dazu ist unser von der Kulturfolter der Jahrtausende gefurchtes Gehirn zu fein und auch wieder zu arbeitswütig. Es verlangt sein Teil an der Orgie der Sinne. Es will bengalische Beleuchtungen schaffen im dunkelsten Triebleben der Natur . . . Aber was willst du?

Sie: Klingeln. Es wird Zeit. Noch zwei Nummern – die Japaner – eklig mit ihrer Zehenkunst – und die Reckturner – dann komm' ich. Die Neumeier soll antanzen! Sie soll mir das Kleid zumachen.

Er: Laß, bitte. Ich machte das heute gern selbst. (Er hat das weiße Reitkleid behutsam vom Gestell genommen und betrachtet es mit einem zärtlichen Lächeln. Dann, da er sieht, daß sie reden will.) Ich weiß schon: ein Haken, ein Druckknopf, ein Druckknopf, ein Haken . . . Auch die Blumen möcht' ich dir heute selbst anstecken. Sie sind doch gekommen?

Sie: Ja, Orchideen. Nobel! Danke, du bist heute verdächtig galant.

Er: Bin ich das nicht – »immer« will ich nicht sagen, aber häufig gewesen in den drei Jahren?

Sie: Ja, ja. Aber ich weiß nicht, deine Galanterie hat heute so einen hinterhältigen Zug. Sie protzt mit heimlicher Melancholie . . . Übrigens, warst du beim Zahnarzt wegen des Eckzahns, den du dir ausgebissen? Geh zu meinem Amerikaner, er ist ja ein bißchen teuer . . .

Er: Ja, er rechnet in Dollars. Ich kenne ja seine Rechnungen durch deine gütige Vermittlung.

Sie: Natürlich, ja. – Uff, vorsichtig in der Taille, daß du den Gürtel nicht zerreißt! . . . Übrigens, gestern abend . . . wo warst du gestern?

Er: Im Theater.

Sie: In der neuen Operette?

Er: Nein – in »Nathan dem Weisen«.

Sie: Bloß für die Bildung?

Er: Vielleicht. Aber nicht für meine.

Sie: Au, nicht so fest – nu laß schon, die tieferen Druckknöpfe mach' ich mir gern selber zu . . . Nicht für deine Bildung? . . . Gib jetzt mal die Orchideen. Danke. Schöne Farben. Aber hysterische Blumen, nicht? . . . Also für die Bildung von jemand anderem?

Er: Allerdings.

Sie: O lalla! Da man seine Großmutter nicht mehr »bildet« –

Er: Meine eine Großmutter ist dreißig Jahre tot, die andere kannt' ich überhaupt nur aus halb verblaßten Bildern.

Sie: – so war es also eine junge Dame?

Er: Da die Durchlaucht heute morgen auf der Probe bei dir war – oder? na, also! – und mich gestern gesehen hat in »Nathan dem Weisen« –

Sie: Ach, ja – er war drin. Hat wahrscheinlich die Durchlauchtigste »gebildet«. Damit sie beim Cercle 'ne neue Frage hat zum Requisitenschatz ihrer Blödigkeit. Oder nein – das »Morgenblatt« hatte neulich geschrieben: in allerhöchsten Kreisen mache sich antisemitische Gesinnung bemerkbar – da war der Besuch des »Nathan« seine Antwort.

Er: Deshalb: »Auf Allerhöchsten Befehl«? Möglich. Und da ihn die Sache von den drei Ringen nicht sehr fesselte, so hatte er die Gnade, sich unter anderem für meine Loge zu interessieren, und dafür: wer das junge Mädchen . . .

Sie: . . . »junge Mädchen« ist sehr unschuldsvoll ausgedrückt.

Er: Ich habe für meine Tochter den einfachsten Ausdruck gewählt.

Sie: Für deine – was?

Er: Tochter.

Sie: Wie denn . . .? was denn . . .? du bist . . .?

Er: Vater. Natürlich. Da ich – wie du weißt – verheiratet bin, so . . .

Sie: Aber Durchlaucht sagte – »eine hübsche junge Dame.«

Er: Hübsch? Ich hoffe. Dame? Sie kommt eben aus der Pension in Genf. Schwärmt für eine Mademoiselle, die Voltaires Zaïre mit ihr las, und für einen gelähmten alten Abbé, der . . .

Sie: Du hast mir nie von dieser Tochter . . .

Er: Ihre Geburt lag fünfzehn Jahre vor dem Tag, da wir uns begegneten.

Sie: Ja, mein Gott, dann wäre sie ja jetzt schon achtzehn . . .

Er: Gestern geworden. Der »Nathan« war ein Geburtstagsgeschenk. Es gibt in unseren Kreisen junge Damen, die sich so einfache Sachen wünschen.

Sie: Wenn sie achtzehn werden. – Achtzehn – achtzehn – –! Ich habe immer geglaubt . . . Aber dann mußt du ja schon, wart' mal . . .

Er: Zu errechnen wird das schwer sein. Aber ich weiß es und helfe gern aus. Ich habe mit dreiundzwanzig geheiratet – etwas früh, ich gebe zu. Meine Eltern hielten das für gesund. Sie lebten ganz der Gesundheit ihrer Kinder. Heute bin ich fünfundvierzig.

Sie: Ein – Greis! Wenn ich das gewußt hätte!

Er: Ich finde, liebe Lussy, wenn ein Freund seiner Geliebten erst sagen muß, daß er ein Greis ist – und nach dreijährigen Beziehungen mit dieser Mitteilung noch »überrascht«, dann ist die Greisenhaftigkeit zu ertragen.

Sie: Und ich glaubte immer, du wärst Ende der Dreißig.

Er: Das Ende der Dreißig und der Anfang der Vierzig liegen näher beisammen, als viele hübsche Frauen ahnen.

Sie: Also – – kannst du das verstehen: ich sehe dich jetzt ganz anders, da ich weiß, du hast eine Tochter . . . hast ein Mädel, das, wie ich, schon lieben, begehren, sich verschenken, fallen, glücklich sein kann . . .

Er: Lassen wir diese Gefühlshypothesen! Reden wir lieber arithmetisch. Ich gestehe und bekenne mich schuldig: auszusehen wie einunddreißig – und fünfundvierzig zu sein. Da ich aber deine Vorliebe für männliche Jugend kenne, so verstehe ich deinen Schreck und ehre deine Erschütterung.

Sie: Meine Vorliebe für männliche Jugend . . .? Also du witzelst, weil du dich schuldig fühlst. Wann hätte ich . . .?

Er: Pardon. Da muß ich doch . . . Hier sind die Handschuhe. Ich weiß, du knöpfst lange daran, und du hast nur noch zehn Minuten bis zum Glockenzeichen. – Ich bin nämlich gestern abend, als ich die Kleine nach Hause gebracht und über den im Grunde edeln Charakter des Tempelherrn – Durchlaucht wird dir von ihm erzählt haben – genügend belehrt war, noch durch den Speisesaal des Hotels Bristol gegangen.

Sie: . . . Bristol . . .?

Er: Allerdings. Es muß so etwas wie eine Ahnung gewesen sein. An Zufälle glaub' ich nicht mehr. Aber vielleicht . . . Ich hatte keinen Schirm, und es begann zu regnen. Als ich so durch die roten Lämpchen hinschritt . . .

Sie: Ah – also das! Gott, welche Umstände, sag's doch gleich – du hast mich gesehen. Gott, ja, was ist denn dabei? Ich habe soupiert. Ganz öffentlich. Mit einem ganz jungen Mann . . . nicht wahr? Einem halben Jungen, das mußt du gesehen haben, einem Kind.

Er: Hm. Du schältest dem Kind gerade eine Banane.

Sie: Er war so komisch. Ich glaube, er hat zum erstenmal – –

Er: Bananen gegessen? Das glaub' ich nicht.

Sie: Also, du möchtest mir jetzt erzählen, daß dieses nette, blonde Kerlchen ein alter Roué ist, ein Sadist, ein Lustgreis; daß . . .

Er: Es liegt mir nichts ferner, als das zu wünschen!

Sie: Mein Lieber, es wäre auch vergebliche Mühe. Also es ist ein Neffe von mir, daß du's weißt . . . Der Sohn meiner Schwester, meiner viel älteren Stiefschwester . . .

Er: Die in Moskau verheiratet ist?

Sie: Ja. Sah er nicht ganz russisch aus, der Junge?

Er: Nicht sehr. – Ich überlege nur . . . Nein, unter das Strafgesetzbuch fällt dieser Fall nicht.

Sie: Was soll das denn heißen?

Er: Ja – ich bin nämlich dann dein Onkel.

Sie: Was ist das nun wieder für ein Blödsinn?

Er: Kein Blödsinn. Der junge Kavalier, mit dem du soupiert hast –

Sie: Mein Gott, »Kavalier«!

Er: Ich hoffe: »Kavalier« – ist einundzwanzig Jahre alt.

Sie: Vielleicht auch gestern geworden?

Er: Nein. Schon am 17. Oktober, dem Todestag Chopins und dem Geburtstag Geibels.

Sie: Woher weißt du das?

Er: Sehr einfach. Es hat mich damals – vor einundzwanzig Jahren – sehr gefreut.

Sie: Dich – gefreut?

Er: Ja. Der Junge ist mein Sohn.

Sie: Du bist verrückt.

Er: Es ist sehr unwahrscheinlich, daß ich das erst an dem Tage bin, an dem ich – nach dem Urteil meiner Frau – »vernünftig« werde.

Sie: Du behauptest . . . du sagst . . .

Er: Ich weiß. Da ist schon kein Irrtum möglich. Der Junge war drei Jahre in Österreich – daher der »russische« Akzent, der dich verwirrte – und ist jetzt junger Leutnant in Salzburg. Meine Frau ist Österreicherin. Sie hält die »Neue Freie Presse«, sie liebt Anzengruber, Rahmstrudel, Straußwalzer und Erinnerungen an die Wolter. Wenn sie ihren guten Tag hat, darf ich sie »Mizzi« nennen.

Sie: Also – wenn das wahr ist, da muß ich wirklich sagen . . .

Er: Sag nichts! Aber hör mich einen Augenblick an. Wir haben noch drei Minuten. Nur die noch.

Sie: Was heißt das?

Er: Das heißt, liebe Lussy: du kennst nur mich – ja so – und meinen Sohn. Meine Frau kennst du nicht. Sie ist Wienerin, aber die berühmte Gemütlichkeit hat sie nicht mit über die Grenze gebracht. Sie redet nur davon und könnte sonst aus Hamburg oder Bremen sein. Sie hat meinen – sagen wir: Neigungen, die mich – sagen wir: vom Hause fortfesselten, keine Schwierigkeiten gemacht. Zu stolz, zu kühl, zu überzeugt von ihrer Vornehmheit. Szenenmachen hielt sie für muffiges Kleinbürgerrecht. Als sie von dir hörte – und mir, da teilte sie mir mit, daß sie Henny, unser damals fünfzehnjähriges Mädel, in der französischen Schweiz fertig erziehen lasse. Der Junge war schon in Österreich Kadett. Und sie nahm mir – ganz ohne Feierlichkeit, ganz kühl, geschäftsmäßig, unwienerisch – das Wort ab, in drei Jahren, wenn das Kind zurückkommt, müsse ich frei sein. Sie nannte das so. Frei für das Kind. Für die Moral, für Schwiegervatermöglichkeiten. Bis dahin . . . Ich hörte damals nur das: bis dahin. Wenn man verliebt ist – ich war's, du wirst's dich erinnern – hört man nie mehr als zwei Worte hintereinander. Da gab ich mein Ehrenwort.

Sie: Also – blöd!

Er: Du findest stets den treffenden Ausdruck.

Sie: Und das heißt mit dürren Worten: du willst . . .

Er: Ganz im Gegenteil. Es heißt mit dürren Worten: ich habe nichts mehr zu wollen. Ich habe mein Wort zu halten. Habe Vater zu sein, Vater einer Tochter, die eingeführt sein will in die Gesellschaft. Habe alt zu werden mit Anstand, zu resignieren. Wüßt ich's noch nicht, mein Sohn hätte mir am dritten Abend seines Urlaubs – gestern – die letzte Lektion gegeben. Als er die Banane aß. Sie war übrigens nicht reif. Und daß ihr beide das nicht merktet, war mir das schmerzlichste.

Sie: Und nun –?

Er: Nun? Ich werde in Vereinen Schriftführer werden, die für Sport oder Moral oder beides silberne Ehrenpreise aussetzen. Vielleicht bring' ich's wo zum Präsidenten und rechne monatlich mit dem Wirtschaftsführer die gegessenen Körnchen, die verbogenen Kartenspiele, die Trinkgelder für die Fensterputzer und die Löhne für die Laufburschen ab. Ich werde an Ansehen gewinnen, und die Haare werd' ich verlieren und die Lust an frischen Blumen . . .

Sie: Und an schönen Steinen.

Er: Ja. Mindestens werde ich die Lust nicht mehr so weit treiben, sie zu verschenken.

Sie: Außer an die Tochter.

Er: Nein. Junge Mädchen sollen keine Steine tragen. Die kann der Gatte mal schenken.

Sie: Billige Moral!

Er: Was sie mich kostet, ist meine Sache. Gute Erziehung feilscht nicht. Sie zahlt, steht auf und geht.

(Die elektrische Klingel über dem Toilettentisch rattert schrill.)

Sie: Meine Nummer! – Wo ist die Peitsche?

Er: Hier. (Er betrachtet den Griff der Gerte einen Augenblick.) Sie trägt im Silberknopf noch das Datum – Vergiß es nicht ganz, Lussy! – Und noch eins. Der Junge – es ist mein Blut – ißt gern Bananen. Ich weiß es. Ich hielte es aber für geschmackvoll, daß nicht gerade du sie ihm schälst.

Sie: Verlaß dich drauf.

(Stimme aus dem Korridor: Fräulein Lussy! – In drei Deubels Namen, Ihre Nummer!)

Sie: Ich bin schon da! – Kommst du mit?

Er: Nein. Ich will dem Romeo noch einmal den spiegelnden Hals klopfen. Du hast ihn zum erstenmal geritten – damals – auf Probe.

Sie: Gott, Bubi, – du kannst ja auch sentimental sein?

Er: Ich? Vielleicht. Man muß sich eine kleine Überraschung auf zuletzt aufsparen. (Er stößt die Türe nach dem Korridor auf und läßt sie mit lächelnd gesenktem Kopf vorbei.)

 


 


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