Rudolf Presber
Von Ihr und Ihm
Rudolf Presber

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»O, com' è bello...«

Mietwohnung im Südwesten. Ein bürgerliches Eßzimmer, an dessen Wänden ein paar Kopien guter Blumen- und Jagdstücke besseren Geschmack verraten. Die Möbel sichtlich schon in der zweiten Generation, der Teppich in der dritten. Der Plafond verrät, daß der Wirt gar nichts machen läßt, aber auch kein Recht hat zu steigern. Der Tisch ist einfach gedeckt für ein Abendbrot. Zwei Teller. Drei Platten mit sehr viel kaltem Aufschnitt. Kartoffelsalat mit dem Versuch einer Mayonnaise. In der Mitte des Tisches thront wie ein Bismarckturm im Flachland eine goldgekapselte Flasche Sekt. In Eis steht sie nicht, aber am Halse trägt sie ein seltsames, etwas angeschmutztes, blaßrotes Bändchen. Eine Hängelampe über dem Ganzen, in dem ein Gasglühstrumpf schon recht lange seine Schuldigkeit getan hat.

Herbert betritt wenig vor Emmi das Zimmer. Er ist in einem neapolitanischen Fischerkostüm, das eigentlich die Beine nackt verlangt. Aber da der Ofen nicht überwältigend heizt und da der Kostümierte Erkältungen fürchtet, so hat er die baumwollenen Unterbeinkleider anbehalten, die zwar eine hautähnliche Farbe haben, aber grobmaschige Falten schlagen. Die breite, rote Schärpe, die das vorn offene Foulardhemd abschließt, scheint ihm unbequem. Die rote Mütze steht ihm gut zu dem welligen schwarzen Haar und dem Spitzbart, der für einen vor bald dreihundert Jahren in Amalfi geborenen Fischer und Revolutionär erstaunlich gepflegt ist. Er betrachtet die Arrangements, schraubt behutsam an der Lampe herum, ohne dadurch die Lichtquelle irgendwie zu verstärken, widmet der Sektflasche ein halb wehmütiges, halb ironisches Lächeln und sieht dann ungeduldig nach der Tür zum Schlafzimmer.

Emmi kommt auf den Zehenspitzen, »Karli« nicht zu wecken, aus dem Schlafzimmer. Sie hat ein mit vielen Münzen behängtes Zigeunerkostüm der Preziosa an, Samttaille, bunter Rock, türkisches Tuch im Haar.

Emmi: Soll ich offen lassen die Tür – wegen Karli?

Herbert: Aber nein, dann können wir ja kein lautes Wort sprechen.

Emmi: Man kann auch leise vergnügt sein. Damals war auch . . .

Herbert (leicht abwehrend): Ich weiß, ich weiß! Aber die Hauptsache ist, daß er uns nicht aufwacht. Wenn er um diese Stunde seinen Schlaf nicht hat, dann ist er unausstehlich.

Emmi: Aber – Herbert! »Unausstehlich« ist er doch nie. Aber du hast recht – heute, wo das Mädchen nicht da ist . . .

Herbert: Sie hätte doch auch morgen zu ihrer Tante gehen können. Um so mehr, als die Tante bestimmt nicht existiert.

Emmi (am Tisch ordnend): Aber dann hätte sie doch gesehen, wie wir uns hier verkleiden – bloß eins für das andere.

Herbert: Ja, mit den Herrlichkeiten aus der Mottenkiste. Wie ein Anachronismus kommt man sich vor, wenn man zufällig am Spiegel vorbeigeht. (Er hängt eine Serviette über den Spiegel.)

Emmi: Was machst du?

Herbert: Also weißt du – uff, ist das eine Arbeit, staubig ist er auch! – Dich will ich mir ja ansehn in dem Fähnchen – aber mich auch noch sehn – im Spiegel – das kannst du nicht verlangen!

Emmi: Aber Herbert! Nu verdirb mir doch nicht die nette Idee. Es war doch heute vor drei Jahren . . . Erinnerst du dich noch? . . . Bürgerball . . . Ehrlich gesagt: ich hatte mich so gelangweilt. Er erklärte mir alle Masken.

Herbert: Ja, er war sehr gründlich.

Emmi: Aufregend gründlich . . . (in der Erinnerung den ersten Gatten leicht kopierend): »Siehst du dort den Don Quixote – bemerkst du, daß er einen falschen Helm aufhat? Was müßte er auf dem Kopf haben –? Ein Rasierbecken? Gut . . . Wie würdest du jenen Herrn dort zeitlich einordnen – den mit den Spitzenmanschetten, den Kniehosen und dem schiefsitzenden Zweimaster – Wie? Directoire?«

Herbert (ebenso): »Und der Mann in der Goldrüstung dort – meine liebe Emmi, du scheinst nicht zu ahnen, daß das offenbar Alexander der Große sein soll. Weißt du noch, wann die Schlacht bei Gaugamela war? Und wen er dort besiegt hat . . .«

Emmi (hält ihm den Mund zu): Pscht! nicht! . . . Wenn ich Heinrich nachmache, ist's schließlich was andres – ich bin seine Frau gewesen. Aber von dir mag ich's nicht. Du –

Herbert: Ich habe seine Frau geheiratet. Und (einen Augenblick von der Erinnerung gepackt) das Kostüm da hat sie angehabt, als ich ihr zuerst . . .

Emmi: Von Liebe sprach. Ja. Preziosa – »Einsam bin ich – nicht alle–ei–eine –«

Herbert: Pscht – still, um Gottes willen – Karli!!

Emmi (die Stimme dämpfend): Ach so, ja. Singen dürfen wir heute nicht. Aber das Kostüm – (sich an ihn lehnend) gefällt dir's noch?

Herbert: Ja. Das heißt – (den Kopf hochreckend) so gräßlich nach Naphthalin gerochen hat's damals nicht.

Emmi: Das glaub' ich. Ich trug's ja zum erstenmal. Herbert – (sie breitet die Arme aus, läßt sie aber sofort wieder sinken) wie dumm – jetzt sind hinten alle Druckknöpfe aufgesprungen! Willst du so gut sein . . .

Herbert (ihr die Taille wieder schließend): Preziosa mit Druckknöpfen! Du bist eben dicker geworden.

Emmi: Ein bißchen. Da ist Karli dran schuld.

Herbert: Ein bißchen sehr. – Dunner ja, den mittleren krieg' ich nicht zu. Das war schon vorhin eine Arbeit! Was hast du denn übrigens mit deinem Haar gemacht?

Emmi: Herbert! Siehst du das jetzt erst? Ich hab' wieder das falsche draufgelegt – das von damals.

Herbert: Hm! Ja. Nun stimmt's in der Farbe nicht mehr ganz.

Emmi: Das war immer so. Du hast's bloß damals nicht so gesehen.

Herbert: Ich finde das ekelhaft – die falschen Haare. Du weißt doch, die meisten kommen aus China und werden gefärbt. Von Leichen werden sie geschnitten – von Pestkranken und . . .

Emmi: (hält sich die Ohren zu): Hör auf –! Das ist doch damals schon so gewesen – aber damals hast du nichts gesagt – da hast du mich nur verliebt angesehen und gerufen: »Kellner – Betriebsdirektor – Sekt für Preziosa und Masaniello!« Und dann hast du die Mandoline genommen . . .

Herbert: Ja, in die sich dann der dicke Rechtsanwalt gesetzt hat, daß sie kaputt war für immer.

Emmi: Und hast gespielt: »Sul mare...« Das heißt, das hab' ich damals am meisten an dir bewundert; du hast sogar den zweiten Vers gekonnt! Den kann sonst nie einer. Wie war er doch?

Herbert (leise markierend, dann lauter):
    Conquesto zefiro
    Così soave –
    O, com' è bello
    Star' sulla nave...

Emmi (von der Erinnerung überwältigt, laut einfallend): - O, com' è bello - -!

Herbert: Pscht! – Karli!

Emmi: Und Heinrich machte darauf aufmerksam, daß sich Masaniello auf »bello« reime.

Herbert: Daß aber das Lied zwei Jahrhunderte jünger sei als der.

Emmi: Und dann kam der Sekt. Pomery – nobel hast du's gegeben!

Herbert: Richtig – Sekt. Dafür hast du ja heute auch gesorgt.

Emmi: Gelt?! Was sagst du. Französisch – wie damals. Heißt das: in Deutschland auf Flaschen gezogen. Eine ganze Flasche.

Herbert: Heinrich hielt uns damals einen Vortrag über die Verschwendung im alten Rom, die den Niedergang der Sitten herbeigeführt hat.

Emmi: Gott, ja – in den Scheidungsakten kam ja die Flasche Sekt noch vor.

Herbert: Na, so ganz unschuldig war sie vielleicht nicht an all dem, was kam.

(Sie setzen sich. Emmi legt Herbert vor und schmiert ihm ein Brot.)

Emmi: Heinrich trank ostentativ protestierend Mosel.

Herbert: Ja, der noch dazu nach dem Pfropfen schmeckte.

Emmi: Im Trinken und Essen war er überhaupt bequemer wie du.

Herbert (mißvergnügt ein paar Stücke an den Tellerrand schiebend): Rindsbraten ess' ich zum Beispiel überhaupt keinen. Und nun gar – englisch!

Emmi: Hier ist auch Zunge.

Herbert: Ja, aber von ganz hinten, wo's schon keine mehr ist.

Emmi: Schimpf nicht! Komm, mach den Sekt auf.

Herbert: Eis hast du keins? Wie? Nu, da wird er reizend schmecken. Wo ist denn der Sektöffner?

Emmi: Wir haben doch keinen. Wozu auch!

Herbert: Also in meiner Junggesellenwirtschaft war einer. (Er versucht erst mit der Gabel, dann mit dem Taschenmesser die Kapsel zu öffnen. Das Blut steigt ihm in den Kopf von der Anstrengung, und der Schweiß perlt ihm über die Stirn.)

Emmi: Wart, ich hol' eine Feile! . . . oder einen Bohrer.

Herbert (ärgerlich): Warum nicht gleich einen Stiefelknecht?! Ein Haushalt! Was ist das übrigens für ein dämliches schmutziges Bändchen, das die Flasche um den Hals hat –? (Reißt's ärgerlich ab und wirft's weg.)

Emmi: Aber Herbert –! Kennst du das nicht mehr? Das ist doch . . . Gott, wenn du's doch nicht kennst . . .

Herbert (einen Augenblick bei der Arbeit pausierend, wischt sich den Schweiß): Also, nu sag's schon. Du hast eine gräßliche Art, immer Rebusse aufzugeben mit gemütvollen Lösungen.

Emmi: So – ja. Damals – in der Nische – als Heinrich mit dem Kellner zankte, hast du zu mir gesagt: »Alles an Ihnen ist ein süßes Rätsel. O über den Glücklichen, der es lösen dürfte!«

Herbert (beiläufig): Ja, ja. Heinrich hatte halb hingehört und übersetzte sofort: »O fortunate adulescens, qui...«

Emmi: Laß doch!

Herbert: Nu weiß ich immer noch nicht, was mit dem Bändchen los war.

Emmi: So ein Endchen hing mir am Ausschnitt heraus. Mein Korsettschoner. Ich sah, wie du listig danach lugtest . . . Plötzlich – in deinem Übermut . . .

Herbert: (wieder energischer um die Flasche bemüht): Au, mein Daumen! Was? gestochen hab' ich mich. So ein verflixter Draht! Das hätt' mir einer sagen sollen, als ich . . . Student war. Nicht mal einen Sektöffner –! Also – laß – – es – geht!!

(In diesem Augenblick fliegt der Pfropfen aus der warmen Flasche mit gewaltigem Knall an die Decke und zertrümmert im Herunterfallen das Milchglas der Ampel, dessen Scherben mit großem Geklirr in die Teller und Gläser fallen. Emmi schreit auf. Herbert, dem der Sekt in hellen Schaumwellen über Brust und Hose fließt, ist vom Stuhl aufgesprungen und hält in weitvorgestreckter Rechten die immer noch überquellende Sektflasche, während er sich mit der Linken mittels einer Serviette abzutrocknen sucht. Dabei schimpft er in unklaren Worten wütend in seinen Bart: »Also – so eine Gemeinheit . . . einmal im Jahre trinkt man Sekt . . . Der Teufel soll die ganze Wirtschaft holen . . . Karli nebenan ist von dem Pfropfenknall, dem Klirren der Scherben, dem Schrei der Mutter wach geworden und hat allsogleich ein mörderisches Geheul begonnen.)

Emmi: Um Gottes willen, Herbert, die Lampe –

Herbert (unwirsch): Das seh' ich doch.

Emmi: Und das Kind –!

Herbert: Das hör' ich doch. Nun hast du's glücklich geweckt mit deinem dummen Aufschrei. Wer schreit denn auch gleich so, wenn . . .

Emmi: Aber nein, du hast's geweckt mit deinem dummen Sekt. So talentlos! . . . (nach dem Schlafzimmer rufend) Tarli . . . Buwichen; Tarlemännchen – Mama tommt zu Tarlichen . . .

Herbert (ihr nach, ärgerlich): Sprich doch ordentlich mit dem Kind!

Emmi: Er versteht's ja doch nicht.

Herbert: Gerad darum! . . . (er hat die Flasche hingestellt). Ja, feiern wir nun eigentlich unser karnevalistisches »Erinnerungsfest« oder –?

Emmi: Aber das Kind schreit doch! Es wird naß sein.

Herbert (mit der Serviette wischend): Ich bin auch naß.

Emmi (mit einem Versuch zu scherzen): Masaniello – ein Fischer!

Herbert: Ach was, Quatsch. Die Hosen zu eng und naß. Und der Sekt deutsch, und die Mandoline kaputt – und der Bengel schreit . . . und . . .

Emmi: Er wird sich schon beruhigen, wenn ich . . .

Herbert (immer wütend): Wenn du – ja! Es ist einfach ein Blödsinn gewesen, das Mädchen wegzuschicken!

Emmi: Also du weißt doch ganz gut – wenn sie dageblieben wäre und unsere Maskerade gesehen hätte – sie hätte die Fäuste in die Seiten gestemmt und sich totgelacht. Mit diesem gräßlichen Bauernlachen.

Herbert: Sie hätte vielleicht recht gehabt. Ich finde, es ist lächerlich, daß zwei Leute, zwei erwachsene Leute, sich als Masaniello und Preziosa verkleiden – um beständig einen Bengel von fünf Monaten trockenzulegen. Einfach: Dalldorf!

(Das Geschrei im Nebenzimmer bekommt eine spitze, drohende Note.)

Herbert: Also, nu gehen wir schon! Das ist ja wirklich ein infamer Bengel!

Emmi: Ach was, beschimpf dein Kind nicht, ja! Du hast auch geschrien und hast auch Windeln naß gemacht.

Herbert: Also – es ist geschmacklos, mir das dreißig Jahre später vorzuwerfen, wenn ich ein Masaniello-Kostüm für dich angezogen habe, das mich überall zwickt.

(Sie sind hineingegangen ins Schlafzimmer. Emmi hat den Jungen aus der Korbwiege genommen. Er beruhigt sich etwas, besonders als er die Entdeckung gemacht hat, daß er seine eigenen Tränen mit dem vorgestreckten Züngelchen abfangen und konsumieren kann. Emmi breitet eine Lederschürze über ihren roten Samtrock, legt das Kind darauf und beginnt es mit spitzen Fingern auszuwickeln, wobei sie die Knie ganz leise schaukelt, um den Kleinen vollends zu beruhigen.)

Emmi (singend): »Brav, Kleiner, brav! . . . Dein Pa–pa ist ein Schaf –«

Herbert: Also ich verbitte mir, daß du dem Jungen solche Sachen . . .

Emmi: Ach sei doch nicht so – ich hab' mich doch bloß im Text geirrt . . . Ich glaub' fast, Herbert, es ist ein großes Geschäftchen . . .

Herbert (sich etwas entfernend): Na, wenn du das jetzt erst glaubst . . . Dann versteh' ich, wie du so unsinnig viel Naphthalin in die Kleider streuen kannst.

Emmi: Gib mir mal den Schwamm aus dem Gestell – ja? Nein, den andern . . . aber naß . . . nicht so, ein bißchen ausdrücken. Danke. Ist er nicht reizend so?

Herbert: Von hinten –? Das ist Geschmacksache. Bist du nun bald fertig?

Emmi: Nur noch das Popochen pudern . . . Gib mal die Quaste, ja. Erst ein bißchen in den Puder stoßen . . . So (zu Karli, der, beide Fäustchen am Mund, mit großen Augen ins Licht starrt) – und nun triegt mein Buwichen sein Tittelchen – und wird ins Bettchen delegt . . . und . . .

Herbert: Also, Emmi, ich kann mir nicht helfen – er sieht ihm ähnlich.

Emmi: Wem?

Herbert: Heinrich, dem Gründlichen – dem Oberlehrer!

Emmi: Aber, Herbert – das ist entweder eine Beleidigung oder –

Herbert: Oder ein interessanter Beweis für eine wissenschaftliche These. Bei Mäusen und Karnickeln ist das vielfach beobachtet worden, daß die Jungen eines zweiten Wurfs noch die Farbe oder kleine körperliche Merkmale des Männchens zeigen, von dem der erste Wurf stammt und das beim zweiten ganz ausgeschaltet war . . .

Emmi: Herbert, ich verbitt' mir das! Ich bin doch kein Karnickel!

Herbert: Das behaupte ich auch nicht. Aber du gehörst zur Klasse der warmblütigen Säugetiere und . . .

Emmi: Ich würde mich vor dem Kind schämen! So gemeine Ausdrücke . . .

Herbert: Nu, der schämt sich doch auch nicht. Kann ich einen Augenblick das Fenster aufmachen?

Emmi: Nein. Erst muß er im Bettchen liegen.

Herbert: So leg ihn doch schon hin! . . . Ich will dir das in Büchern zeigen.

Emmi: Ich danke für solche Bücher! Nein, da muß ich dir doch sagen, Heinrich hat keine so schweinischen Bücher in seiner Bibliothek gehabt. Er war nur für das Ideale.

Herbert: Ja, wenn du den Akkusativ cum Infinitiv »ideal« nennst und die Verben mit dem unregelmäßigen Gerundium.

Emmi (fortfahrend): – aus der Odyssee hat er mir vorgelesen und solche Sachen.

Herbert: Odyssee ist auch Schwindel! Dieser Odysseus – zehn Jahre Ilium – zehn Jahre Irrfahrt – und dann kommt er heim zur Penelope und macht eine Wirtschaft mit den »Freiern«! Rechne doch aus: vierzig Jahre alt muß die Frau mindestens gewesen sein. Und das im Süden! Auf einer heißen Insel im ägäischen Meer!

Emmi: Um Gottes willen – Ithaka ist doch eine von den ionischen Inseln – die kleinste.

Herbert: Aha – der selige Oberlehrer geht um! Weißt du, es ist einfach lächerlich, wie du da sitzst als »Zigeunerin« mit lauter Rechenpfennigen am Mieder und auf den falschen Haaren und Vorträge über die »ionischen Inseln« hältst und über deinen ersten Mann.

Emmi: Ich halte keine Vorträge über ihn. Ich sage nur: er ist nicht »selig«. Er ist sogar sehr gesund. Gesünder wie du. Er turnt. Er müllert. Er schläft bei offenem Fenster. Auch im Winter.

Herbert: – und läuft auf dem Waschwasser Schlittschuh. »Holländisch« meinetwegen!

Emmi (trägt das Kind in das Bettchen): Und für den da könnt ich mir gar keinen besseren Lehrer denken. Wenn er mal ins Gymnasium kommt, soll er auch in Coetus B. Da bekommt er Heinrich als Lehrer in Untertertia.

Herbert (links vom Kinderbett): Also das wird er nicht!

Emmi (rechts vom Kinderbett): Also – das wird er doch! Denn, verstehst du, daß ich mit Heinrich keine Kinder hatte, das mag ja ein bißchen an ihm gelegen haben. Aber die Kinder anderer Leute erziehen, das kann er besser wie du. Dir ist's ja schon zu viel, wenn du den Schwamm und das Puderquästchen reichen sollst.

Herbert: Na, ein Untertertianer wird doch nicht mehr gepudert!

Emmi: Aber seelisch wird er gepudert.

Herbert: Nu hör schon auf mit dem Quatsch! Bis dahin ist noch viel Zeit. Vielleicht hab' ich mich bis dahin zu Tode »verweichlicht«; vielleicht hat er sich bis dahin zu Tode »gemüllert« . . . Und übrigens frier' ich an den Beinen in dem unsinnigen Kostüm. Ein Paar Winterhosen zieh' ich jetzt an, daß ich wieder warme Beine kriege. Und den Sekt mit der Zimmertemperatur kannst du allein trinken – Preziosa! (Er rennt wütend ins Ankleidezimmer.)

Emmi (mit den Tränen kämpfend an der Wiege): Delt, Buwimännchen, wir zwei hätten beim Onkel Heinrich bleiben sollen – delt? Tein Pennchen machen, Buwimännchen – nit weinen muß Buwimännchen – tomm, mach die Guckelchen zu – so. Und jetzt – »Schlaf, Buwimann, schlaf – dein Pap–pa is en Schaf . . .«

 


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