Rudolf Presber
Von Ihr und Ihm
Rudolf Presber

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»Hoheit«

Salon einer vornehmen Pension im Berliner Westen. In den Ecken und an den Wänden schüchterne Versuche individuellen Geschmackes. Auf dem Tisch die neuesten französischen Romane, »Mappe« mit illustrierten Zeitschriften, Sarottikonfitüren und die Partitur einer Lehároperette.

Ferdinand, Typ eines brünetten Dandy. Mitte der Zwanzig, mit dem heißen Bemühen, Sicherheit und Erfahrung der Vierzig zu heucheln. Schlank und sehnig. Verbirgt die Bescheidenheit seiner Gaben hinter genäselter Blasiertheit, sein gesundes rechtes Auge hinter einem randlosen Monokel. Tadellos gekleidet von einem ersten Schneider, den er pünktlich bezahlt; im Auftreten voller Versprechungen, die er bei näherer Bekanntschaft schuldig bleibt.

Hortense, ährenblonde Wiener Schönheit. Weich in Wort und Bewegung. Ein heimliches Lachen und eine schmeichelnde Zärtlichkeit in der Stimme, auch wenn sie Unangenehmes sagt. Kurze, geschmeidige Raubtierbewegungen. Um den Hals nur eine Perlenkette. An der grübchenreichen, weißen, etwas kräftigen Hand zwei schöne Saphire. Unter den langen, leicht angetuschten Wimpern kluge, zärtliche Augen.

Ein Herbstabend. Der Lärm von der Straße dringt dumpf herauf. Lichter blitzen vorbei. Kindergeschrei. Ein roter, kleiner Groschenluftballon segelt melancholisch schwankend am Fenster vorüber in die Höhe.

Ferdinand (tief im Sessel, die Beine weit ausgestreckt über den Schmiedebergteppich, damit die scharfen Brüche nicht aus den Hosen schwinden): Was sinnen Hoheit? Stimmt Sie der Kinderballon melancholisch?

Hortense: Vielleicht. Hörst du die Kleinen da unten schreien? Jetzt weint eins.

Ferdinand: Na ja doch, das bunte Spielzeug fliegt ihnen davon. Anerzogene Proletariergören. Immer gleich brüllen!

Hortense: Edler Stoiker – deine reife Weisheit erträgt das ohne Laut und Wimperzucken.

Ferdinand: Was denn? Daß mir ein Ballon fortfliegt –?

Hortense: Na ja – übertragen in deine Verhältnisse: ein Spielzeug, das deinen Jahren entspricht.

Ferdinand: Liebe Hortense, ich denke, ich bin über die Zeiten hinaus, wo . . .

Hortense: O Gott, »die Zeiten, wo«. – Keiner kommt darüber hinaus! Nur das Spielzeug ändert sich. Unwesentlich.

Ferdinand: Schön. Du hast deinen philosophischen Tag. In letzter Zeit etwas häufig. Aber ich begreife. Die erhofften Nachrichten vom Anwalt in Petersburg lassen lange auf sich warten. Ich glaube, der Kerl ist überhaupt ein Trottel. So eine Sache, in der – von Rechten und Titeln ganz abgesehen – Summen auf dem Spiele stehen. Summen, die so ein Hungerleider kaum richtig schreiben kann. – Also ich meine, so was sollte doch schneidiger geführt werden!

Hortense: Vielleicht, wenn du nicht durch den Assessor gerasselt wärst . . .

Ferdinand: Ich finde es etwas unzart, mich an die Taktlosigkeiten meiner Examinatoren zu erinnern. Diese Männerchen ließen mich meine besseren Lebensverhältnisse entgelten. Sie wußten, daß mein Vater Millionär ist, daß ich gut lebe, nicht nur gebüffelt hatte in Berlin. Sie hatten vielleicht auch gehört, daß ich mit dir . . .

Hortense: Wahrscheinlich. Wir hätten eben vorher Schluß machen sollen.

Ferdinand: Schluß? – Ausgezeichnet. Du bist bei guter Laune. Übrigens, wenn wir noch rechtzeitig zur Premiere im Lessingtheater . . .

Hortense: Ich gehe nicht ins Lessingtheater.

Ferdinand: Nu aber hör mal – ich hab' mir mit Mühe vom Portier im Bristol – der Mann ist der einzige, der einem aus der Not hilft – zwei Logenplätze verschafft – der Spaß hat mich vierzig Mark gekostet – und jetzt willst du nicht hingehen?

Hortense: Ich fürchte, lieber Freund, du wirst auch nicht hingehen.

Ferdinand: Ja – sei so gut – was hast du denn? Etwa doch Nachrichten aus Petersburg?

Hortense: Nein, aus Berlin.

Ferdinand: Was heißt das: aus Berlin? Wir sind doch in Berlin.

Hortense: Kurz und schlicht: die Polizei weiß alles.

Ferdinand (springt auf ohne Rücksicht auf seine Hosenbrüche): die Poli – die Polizei –? (Unter ihrem leicht ironischen Blick posiert er Fassung.) Nu wenn schon – die Polizei ist verschwiegen. (Nach einer Weile etwas gequält) Eigentlich, liebe Hortense, ist es mir ganz lieb. Die Komödie wurde unerträglich . . . schon meinen Freunden gegenüber.

Hortense: Lieber Ferdi – spielen wir doch jetzt nicht Komödie! Du hattest doch allen deinen Freunden, vielleicht sogar einigen, an deren Freundschaft du nur glaubst, solange du ihnen den Sekt bezahlst, deine Reitpferde leihst und Upmans anbietest – allen unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt, daß ich, Hortense von Heydenhausen, die Tochter eines russischen Großfürsten aus seiner morganatischen Ehe mit einer Türkin aus Adrianopel sei . . .

Ferdinand: Ich hatte allerdings Georg und Heinz . . .

Hortense: Gewiß. Und dem Baron aus Kroatien und dem Marquis aus Honduras . . . Gleichviel. Du hattest – alles unter dem schon gerühmten »Siegel« – hinzugefügt, daß ich mit dem moskowitischen Hof jahrelang um Anerkennung kämpfe und daß mir das Hofmarschallamt den Titel einer Großfürstin und das konfiszierte Vermögen meines toten Vaters zurückzugeben versprochen hat, wenn ich bis zu einem gewissen Moment Stillschweigen beobachte.

Ferdinand: Und wenn ich meinen Allerintimsten derartiges – ich sage nicht erzählt, aber angedeutet hätte – so hätte ich doch eben nur die Wahrheit gesagt, wie ich sie von dir selber weiß. In erster Linie vielleicht angedeutet, um dich vor unziemlichen Annäherungen und Vertraulichkeiten zu schützen . . .

Hortense: Natürlich.

Ferdinand: Denn schließlich, du verstehst, warst du doch . . .

Hortense: Oh, ich verstehe sehr gut. Deine Geliebte.

Ferdinand: Nun ja.

Hortense: Der Erfolg deiner Mitteilungen war nur leider nicht ganz der gewünschte. Der unsaubere kleine Kroate mit dem Wappen überall hat mich mit glühenden Liebesbriefen beehrt, die sich lesen wie eine schlechte Übersetzung des Boccaccio. Der edle Heinz hat versucht, mich – als du an Angina im Bett lagst und er dir »Krankenbesuche« machte – mit Veilchen, sehr sinnig – im Salon zu küssen.

Ferdinand: Was denn – ist das wahr?

Hortense: Ich habe mir vorgenommen, in dieser Stunde ganz wahr zu sein – so schwer mir's wird. Aber diese Lotterbübchen haben schließlich nur die Konsequenzen aus deiner Indiskretion gezogen. Barmädchen, Zirkusdamen, Verkäuferinnen, bestenfalls mal eine kleine Bürgersfrau – in solchem öden Alltagsmenü macht sich eine heimliche Großfürstin als pikanter Zwischengang nicht schlecht.

Ferdinand: Ich gebe zu . . . es war . . . ich hätte vielleicht nicht . . .

Hortense: Ja, vielleicht hättest du nicht . . .! Aber sogar deinen Vater, den würdigen Silbergreis mit der Vorliebe für Trikottheater und Lindenbummel, zogst du in dein kindliches Vertrauen.

Ferdinand: Na ja – wenn du's doch weißt. Aber wirklich, das ging nicht anders. Als er hierherkam – angeblich wegen einer Generalversammlung, in Wahrheit . . .

Hortense: Genier dich nicht, ich kenne die Berliner Generalversammlungen.

Ferdinand: Also – schließlich – wie soll ich das sagen – es wußte doch jeder, daß ich – daß ich die Freude hatte, dir das Nötige zum standesgemäßen Leben vorstrecken zu dürfen.

Hortense: Du bekommst es nie wieder.

Ferdinand (überlegen lächelnd): Wenn ich deine Prinzipien nicht kennte in diesen Dingen, das Haus Romanow ist eine ganz gute Sicherheit. In diesem Sinne hab' ich auch – ich wollte sagen, auch mein Papa . . .

Hortense: Natürlich. Ich hatte die Ehre, das Augenzwinkern des würdigen alten Herrn zu beobachten, mit dem er mir bei seinem Aufenthalt in Berlin im Wintergarten auf der Terrasse Geschichten von der Fürstin Gortschakoff aus einem alten Kalender erzählte.

Ferdinand: Nun ja, er mußte doch orientiert sein. Meine Ausgaben – unsere Ausgaben übersteigen denn doch etwas das selbst für seine Verhältnisse Übliche.

Hortense: Um so unangenehmer wird es ihm sein, wenn er jetzt lesen muß, daß ich keine Großfürstin bin.

Ferdinand: Wie soll er denn das lesen?

Hortense: In deinen ihm teuren Schriftzügen. (Da Ferdinand sie verständnislos ansieht.) Du wirst's ihm schreiben.

Ferdinand: Ich bin doch nicht verrückt.

Hortense: Ja, dann wird er's in den Zeitungen lesen. Und so eine Zeitung ist eine der widerwärtigsten Einrichtungen, uns Dinge bekanntzugeben, die uns peinlich überraschen.

Ferdinand: So werden wir in derselben Zeitung dementieren.

Hortense: Dementis sind eine wunderhübsche Erfindung, wenn man sie länger als vierundzwanzig Stunden aufrechterhalten kann. (Sie nimmt eine Zigarette aus silbernem Etui und zündet sie an.) Das würde leider auf unsern Fall nicht zutreffen.

Ferdinand: Ja, also bin ich nun blödsinnig – oder –? Was soll denn der Quatsch heißen? Die Polizei hat in Erfahrung gebracht, daß du deinen schlicht adeligen Namen zu Unrecht führst.

Hortense: Richtig. Der schlicht adelige Name stimmt auch nicht.

Ferdinand: . . . daß du vielmehr die Tochter des Großfürsten Michael Gregor bist und . . .

Hortense: Falsch. Ja, falsch, sag' ich. Die Polizei hat vielmehr herausgebracht, daß du und andere, daß all ihr braven und diskreten Lebejüngelchen unter dem Siegel der Verschwiegenheit dies alles erzählt. Und da sie euch – verzeih den harten Ausdruck – wohl für unreife Trottel hält, aber nicht für Spitzbuben – denn ihr habt's bis auf den Marquis aus Honduras, der ein bißchen mit gezinkten Karten spielt, nicht nötig – und da die von euch verbreitete Geschichte ein Märchen ist, so wird sie eben morgen – oder heute noch – bei mir anfragen und sagen . . .

Ferdinand: Aber was – was denn?! Du bist keine . . . du hast in Moskau keinen . . .? Aber das ist doch alles Blödsinn. Ich habe doch selbst Papiere gesehen . . .

Hortense: Papiere! Und – selbst! Ich hätte – ich bin nun mal fürs Stattliche – Karl den Großen zu meinem heimlichen Vater gemacht, wenn ich da nicht doch deinen historischen Kenntnissen mißtraut hätte! Meine Mutter war keine Türkin. Ich weiß nicht, wie ich darauf kam, ihr gerade Adrianopel als Heimat anzudichten. Ich glaube, der Name gefiel mir. Den Namen meines Vaters habe ich nicht gekannt. Sie vielleicht auch nicht. Jedenfalls hat sie nie über seinen Namen mit mir gesprochen. Er kann – warum nicht – ein Großfürst gewesen sein. Wahrscheinlicher ein Regisseur oder der Herr Direktor selbst. Er muß eine hübsche Nase gehabt haben, denn – das war das einzige, was Mutter einmal verriet – die habe ich von ihm.

Ferdinand (sich aus seiner Erstarrung erhebend, von Wut geschüttelt auf sie zu): Zum Teufel mit deiner Nase! – Du hast mich also betrogen – be–tro–gen – be–tro–gen!

Hortense (ihm seelenruhig die glühende Zigarette dicht vors Angesicht haltend): Verbrenn dich nicht, Bubi. – Und dann, schrei nicht so, ja. In deinem Interesse. Kinderstube! – Kinderstube – wenn ein bunter Ballon sich von der Strippe reißt und fortfliegt . . . Bedenke, wir sind in einer Pension. Die Leute, die hier immer auf dem Korridor leben, könnten's hören. Übrigens hören sie die Wahrheit. Ich hab' dich eigentlich nie betrogen. Allerdings, ich bin keine Großfürstin und habe zum Hause Romanow so wenig Beziehungen wie du zu Nathan dem Weisen, aber . . .

Ferdinand (ohne sie zu hören, sich an seine eigenen Erwägungen klammernd): Aber – aber wenn du keine Großfürstin warst, keine Aristokratin – woher kamen die guten Manieren?

Hortense: Entschuldige, die hatt' ich doch gar nicht, als wir uns kennen lernten. Im D-Zug auf dem Brenner. Wenn ich unmanierlich war, so hieß es bloß: wie originell, wie verwöhnt! Denn ich war ja für euch Schafsköpfe die »Großfürstin«. Wenn ich mit den Nägeln knipste – ja, das macht' ich damals noch – mich räusperte wie ein Fuhrknecht, mir mit den Zähnen die Handschuhe zuknöpfte oder mir in die Frisur fuhr – immer hieß es: wie originell! Und dann hab' ich gelernt und rasch angenommen. Und keiner deiner Freunde hat geahnt, daß ich acht Wochen vor unserer Bekanntschaft auf dem Brenner noch Senfgurken auf der Triester Ausstellung serviert habe. Zu echter Bockmusik.

Ferdinand: Das ist – das ist gemein! Du hast mich auf niedrige Weise getäuscht.

Hortense: Getäuscht – wieso? Was hast du denn eigentlich verloren? Du hast ein Jahr lang das wonnige Gefühl gehabt, mit einer Großfürstin intim zu verkehren. Dein Großvater war ein Bäcker, dein Urgroßvater Schuster. Dein ganzer Stammbaum hat in dir teilgenommen an diesem adeligen Liebesglück. Denn du stammst aus einer Sippe von Strebern. Erinnerst du dich jenes ersten Abends – in München, im Hotel Leinfelder beim Souper –, da ich dir erlaubte, zum erstenmal »du« zu mir zu sagen? Du hast ordentlich Zuckungen bekommen vor Glück. Ich fürchtete schon, du seist Epileptiker. Und als du dir am nächsten Morgen einbilden konntest, mit dem Kaiser von Rußland verwandt zu sein . . .

Ferdinand: Schweig! Du profanierst unsere seligsten Stunden.

Hortense: Aber im Gegenteil, ich weihe sie nachträglich durch vernünftige Erläuterung. Jener Münchener Tag, an dem du immer wieder meine Hand küßtest und mir in der Alten Pinakothek um den Hals fielst, war doch sicher der glücklichste Tag deines Lebens. Hast du ihn deshalb nicht genossen, möchtest du ihn deshalb ausstreichen aus deiner Erinnerung, weil die Voraussetzung deines Glückes eine kleine Lüge war?

Ferdinand: Das möcht' ich – das möcht' ich!

Hortense: Aber es war ja nicht der Tag allein. Monate hast du geschwelgt. Du kamst dir geadelt vor von deinen Genüssen, baronisiert von meinen Küssen, gefürstet von jeder kleinen Handreichung bei meiner Toilette. Eine Woche lang – denkst du daran – hast du dich sogar wie ein seliger Narr in den Traum gelullt, daß ein Kind, zur Hälfte aus dem Blut Iwans des Schrecklichen . . .

Ferdinand: Hör auf, ich verbiete es dir, ein Herrscherhaus, das . . .

Hortense: Ach herrje! Jetzt kommt der Reserveoffizier! Das hätte dir früher einfallen müssen. Aber jetzt höre das Seltsamste, Bubi. Ich hab' gelacht innerlich über deine Parvenüambitionen, deine Liebesstreberei, die sogar noch im Schlafzimmer avancieren will, die das Goldene Vlies auf dem Nachthemd tragen möchte. Aber, siehst du, deine Schlankheit, deine begeisterten, ein bißchen unintelligenten Augen, deine Art, wild und doch respektvoll zu küssen – das alles hab' ich geliebt. Du umarmtest in tausend Seligkeiten eine höhere Klasse Mensch in mir – ich liebte den Pagen, der immer noch dient, wo andere schon brutale Herren werden. Eitel und doch zaghaft hast du dich in mir gespiegelt. Und mein Betrug, der niemand und nichts geschädigt hat als vielleicht das Portemonnaie deines alten Herrn, hat dich so glücklich gemacht. Und dieses Glück, das ich geben konnte, hab' ich eine Weile in dir ehrlich geliebt.

Ferdinand: Ich pfeife auf die Liebe einer Hochstaplerin.

Hortense (sehr freundlich): Pfeif nicht! Du siehst niedrig aus, wenn du pfeifst. Wenn du jetzt dein Gesicht sehen könntest, in dem alle Schneider und Schuster, von denen du stammst, sich heftig empören, weil ich keine Romanow war, du würdest zugeben, daß ich, an deiner Vornehmheit gemessen, noch immer so was wie eine Großfürstin bin.

Ferdinand: Oh – und geliebt willst du mich haben! Du –!!

Hortense: Ja. Und weil ich dich einmal geliebt habe und nicht gerne meine Erinnerungen schmutzig mache, will ich dich jetzt retten.

Ferdinand: Du – mich retten? Als ob ich an deinen Schwindeleien . . . Retten! Ich verbitte mir solche Ausdrücke, verstehst du.

Hortense: Ich verstehe – aber du noch nicht. Ich will dich retten – vor der Blamage. Vor dem Gelächter, das du ja viel mehr fürchtest als ein Verbrechen. Machen wir hübsch saubere Rechnung. Du hast in mir geliebt, was ich nie war. So will ich dir zum Abschied einen Nimbus schenken von etwas, was du niemals gehabt hast. Den Nimbus der Klugheit und Ritterlichkeit.

Ferdinand: Ich danke für deine Abschiedsgeschenke, die nur in faulen Redensarten bestehen.

Hortense: Schimpf nicht, Bubi, hör zu. Noch hat die Polizei keine Schritte getan – ich weiß nur, daß sie weiß. Seit heute. Noch tratschen und klatschen die Zeitungen nicht. Das alles kommt mit Sicherheit – morgen – übermorgen. So gehe du auf die Polizei – heute noch. Jetzt gleich. Bitte einen Kommissar um eine Unterredung. Sage, du hast mich gleich durchschaut, hast niemals daran geglaubt, daß ich eine Großfürstin bin oder Beziehungen zu Moskau und dem Kreml habe. Aber ich war hübsch, du warst jung. Ich war nur um den Preis deines Glaubens zu haben. So hast du pfiffig geheuchelt, famos Komödie gespielt und – den guten Landwein vergnügt getrunken, ohne an die betrügliche Etikette zu glauben.

Ferdinand (unsicher): Das ist – dein Ernst?

Hortense: Aber natürlich. Hier ist dein Hut und Stock. Versäume keine Minute! An der Ecke stehen die Bedags.

Ferdinand: Das wäre allerdings – ein Ausweg, zu retten, was zu retten ist.

Hortense: Dich. Der einzige Ausweg. Nun geh schon!

Ferdinand: Hortense, das ist – das ist wirklich nett von dir. Es ist doch etwas Nobles in dir . . .

Hortense: Nicht wahr?

Ferdinand: Das erklärt's ja eben auch, weshalb ich . . .

Hortense: Versäum dich nicht, Bubi!

Ferdinand: Ja, du hast recht – ich muß wohl. (Zögernd.) Und was ich noch sagen wollte, – wir werden uns nicht wiedersehen?

Hortense: Besser nicht.

Ferdinand: Hortense!

Hortense: Bubi –?

Ferdinand: Ja, da hast du nun wieder recht. Besser nicht. (Drückt ihr die Hand, will gehn, kehrt um.) Aber eh' ich – dorthin gehe, sag mir noch ein liebes Wort!

Hortense (sieht ihm lächelnd in die Augen): Sag deinem lieben Papa einen schönen Gruß von mir –

Ferdinand: Danke, liebe Hortense, danke.

Hortense: – und du wärst genau der Lump und Schafskopf, für den ich dich – und ihn – im Grunde immer gehalten habe.

 


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