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X. Westwärts über den Eissaum von Grant-Land
(Fortsetzung)

Am 18. wehte und schneite es den ganzen Tag, und dieses Wetter dauerte auch am 19. mehrere Stunden lang fort. Dann hörte es mit Schneien auf, aber der Wind wehte mit ungeschwächter Heftigkeit weiter und verursachte ein Schneetreiben, das die ganze Luft verfinsterte.

Wir brachen das Lager ab, ließen alles zurück mit Ausnahme von Proviant für zwei Tage, dem Zelt und den Geräten und gingen auf das ungefähr sechs Meilen entfernte Land zu. Der Marsch war bei aller Kürze der unangenehmste, den wir seit langem gehabt hatten. Der schneidende Wind fand jede Öffnung in unserer Kleidung und füllte sie mit Schnee, der alsbald schmolz, so daß wir in völlig durchnäßtem Zustande unser Ziel erreichten. Kurz vorher waren wir aus dem Schneetreiben herausgekommen, aber der Wind hielt an.

Ich war der erste, der den Fuß auf das »neue Land« setzte, ein ebenes Land, das aus schöner dunkler Erde und Sand bestand, und auf dem mich zahlreiche purpurrote arktische Blumen begrüßten. Nach wenigen Schritten erblickte ich gras- und moosbedeckte Flächen, alte Fährten und Losung von Renntieren und Hasen. Einige Minuten später flog eine Raubmöwe vorüber, und als das Zelt aufgeschlagen wurde, eine Brandgans.

Ich gab Egingwah und Ooblooyah Kaffee und schickte sie fort, um das umliegende Land genau zu durchforschen. Der eine ging nach Südosten, der andere nach Südwesten. Sie waren ungefähr fünf Stunden fort.

Ooblooyah kehrte mit zwei Hasen zurück und berichtete, er habe noch zwei andere und auch alte Fährten von Moschusochsen gesehen. Egingwah hatte nur einen Hasen bemerkt.

siehe Bildunterschrift

Egingwah und der Schlitten »Morris K. Jesup«.

Einer der Hasen kam sogleich in den Topf, dann legten wir uns nieder, mit der Absicht, um Mitternacht aufzustehen und den Rest unsres Werkes zu vollenden.

Koolootingwah und Gobloonah wurden mit zwei Schlitten und allen Hunden, außer drei völlig erschöpften, ausgesandt, um ein Tal im Innern der Bai nach Moschusochsen zu durchsuchen, die jetzt dringend notwendig waren. Egingwah brach zu gleicher Zeit auf, um auf die Hasenjagd zu gehen. Es war die ganze Zeit trübe und windig, und immer wieder stellten sich Schneeböen ein, die alles durchnäßten.

Egingwah kehrte nach mehreren Stunden mit zwei Hasen – alles was er gesehen hatte – zurück. Als er diese abhäutete, flog eine Schar von elf Brandgänsen vorüber und ließ sich in einem nahen Wassertümpel nieder, wo er eine von ihnen erlegte. Kurz darauf sahen wir eine Tauchermöwe. Das O-o-o-he, O-o-o-he der purpurfarbigen Strandläufer klang uns die ganze Zeit in die Ohren. Die blaue Schmeißfliege, die in Columbia so häufig war, schien hier gänzlich zu fehlen.

siehe Bildunterschrift

Meine ganze westliche Abteilung.
Auf dem Weg nach Kap Columbia.

Um zwei Uhr nachts kehrten die beiden anderen unverrichteter Sache zurück.

Sie erzählten, das Tal wäre sehr schön; auch ein See sei darin, der sicher Forellen enthielte. Gras, Moos und Weidengestrüpp sei in Menge vorhanden. Sie hatten alte Fährten, Losung und Geweihe von Renntieren, aber gar keine frischen und keine Spuren von Moschusochsen gefunden, von zahlreichen Hasen und Schneehühnern hatten sie sechs der ersteren und eins der letzteren erlegt. Auch Brandgänse waren vorübergeflogen.

Wir fanden hier ferner zahlreiche Lemminglöcher und aus Skeletten und Haaren von Lemmingen bestehende Gewölle der Schnee-Eulen.

Der Wind hatte jetzt nachgelassen, und die Sonne machte den Versuch durchzubrechen. Es blieb aber noch sehr trübe, und fortwährend rieselte ein nasser Schnee herab.

Ich war sehr enttäuscht, daß mein Plan, hier Wild zu erlegen, fehlgeschlagen war, zumal wir durch das stürmische Wetter gezwungen wurden, unsern Aufenthalt zu verlängern.

Ich konnte diesen Mißerfolg bis zu einem gewissen Grade wieder ausgleichen und den Bereich meiner Tätigkeit bei meinem beschränkten Hundefutter dadurch vergrößern, daß ich einen Mann und ein Gespann von hier aus zurücksandte; und ich entschloß mich, dies zu tun.

Am 21. schien die Sonne hin und wieder, aber das Land war beständig in dichten Nebel gehüllt. Mit vieler Mühe gelang es uns, unsere Kleider einigermaßen zu trocknen, dann brachen wir das Lager ab und gingen wieder nach unserm Depot zurück, um von da unsern Weg fortzusetzen.

Eine Schneeammer und wiederum ein Flug Brandgänse zeigten sich. Die Schar, die sich hier in der Gegend herumzutreiben schien, bestand aus ungefähr achtzehn Gänsen. Die eine, die wir erlegt hatten, war ein Weibchen mit nur kleinen Eiern in den Eierstöcken.

Die hier erbeuteten Hasen, im ganzen zehn, waren klein und sehr mager, ihr Fleisch zäh.

Als wir vom Lager am Ufer aufbrachen, kamen wir ungefähr eine Meile lang durch knietiefen Schneeschlamm und Wasser, so daß alle natürlich mit ganz durchnäßten Füßen am Depot anlangten. Ich rüstete Koolootingwah aus und schickte ihn nach der »Roosevelt« zurück, legte ein kleines Depot mit Lebensmitteln und den verschiedenen gesammelten Objekten an, belud die Schlitten mit den übriggebliebenen Sachen, Pemmikanrationen, die noch für ungefähr neun Tage ausreichten, und schritt dann beim Weiterziehen zehn Meilen ab.

Das war ein unangenehmer Marsch; keine Sonne, nur Nebel, Wolken und Schneeböen, was die Augen sehr anstrengte und es schwierig machte, den Kurs einzuhalten, dazu starker Gegenwind und tiefer, weicher Schnee. Immerhin war es angenehm, sich wieder vorwärtsbewegen zu können.

Den ganzen Tag, während wir schliefen, war es trübe und so blieb es auch; das Land war unsichtbar. Gerade nachdem das Lager aufgeschlagen war, gab es einen kurzen, heftigen Hagelschauer, der in großen Körnern gegen das Zelt prasselte und die Hunde erschreckte.

siehe Bildunterschrift

Die Zwillinggipfel bei Kap Columbia mit dem Morris K. Jesup-Schlitten im Vordergrund.

Ein zweiter anstrengender Marsch, wenn auch etwas besser als der vorhergehende, folgte. Ich hatte keinen Grund, mich zu beklagen, da wir sechzehn abgezählte Meilen in sieben Stunden und fünfzig Minuten zurücklegten, wovon zehn Minuten auf die Mahlzeit und fünfzehn auf die Untersuchung einiger Moränenhügel kamen. Obgleich die Sonne die Wolken nicht zu durchdringen vermochte, war es so warm, daß die Oberfläche des Schnees schmolz, und diese Schicht von nassem Schnee machte die Schneeschuhbahn sehr schlecht. Dafür kamen aber die Schlitten bedeutend leichter vorwärts.

Ich schlug denselben Schritt wie auf den vorhergehenden Märschen an: eine halbe Meile in zehn Minuten, dann wartete ich, bis die Hunde nachkamen. Auf diesem Marsch legten die Hunde jede halbe Meile in zwölf und einer halben Minute zurück; auf den beiden vorhergehenden Märschen hatten sie volle fünfzehn Minuten dazu gebraucht.

Ungewöhnlich dichter Nebel hüllte uns die ersten fünf Stunden ein, und ich richtete meinen Kurs nach den Windzeichen im Schnee; dann klärte es über uns auf, und die Sonne schien strahlend, aber das Land blieb unsichtbar.

Die ganze Seit war ein hartnäckiger »Nebelfresser« (Nebelbogen) vor uns. Von 3.30 bis um 7 Uhr konnten wir gerade die niedrigen Ufer zu unsrer Linken erkennen. Wir schlugen unser Lager auf einem Fleckchen eben trocken gewordener, gefrorener Erde auf, anscheinend in einem kleinen buchtähnlichen Einschnitt des Ufers, und da wir eine Menge Wasser in der Nähe hatten, war das Abendbrot schnell zubereitet.

Dann schloß uns der Nebel wieder vollkommen ein, und nichts war zu sehen, außer einer kleinen Uferstrecke in unsrer Nähe, und auch diese ganz undeutlich.

Das Eis, das wir auf diesem Marsch überschritten, bestand aus einer ununterbrochenen Reihe von mäßig hohen Wellenzügen. Als die Sonne zum Vorschein kam, ließen Licht und Schatten die wellenförmige Beschaffenheit dieses merkwürdigen Eisfußes deutlich hervortreten, und ich wurde immer mehr an die Eisdecke erinnert.

Ich zitiere aus meinem Tagebuch:

24. Juni. Von Zeit zu Zeit, wenn auch selten, erlebt man in diesem Land einen vollständigen und überraschenden Übergang zum Bessern. Die letzten vierundzwanzig Stunden sind ein schlagendes Beispiel dafür gewesen. Ein bequemer, interessanter, erfolgreicher Tag nach fünftägigen Stürmen, Verzögerungen und Enttäuschungen. –

Der Nebel blieb am letzten Lager den ganzen Tag über hartnäckig liegen, aber es begann aufzuklären, als ich das Frühstück einnahm, und als wir um 11 Uhr abends aufbrachen, war es so schön und klar, wie man nur wünschen konnte.

Ich ging an der Spitze der Schlitten. Zwei Meilen vom Lager entfernt kamen wir an ein niedriges Vorgebirge, dann ging es ungefähr zwei Meilen über bloßen, trockenen Sand. Hier sah ich einen Strandläufer, zwei Brandgänse, die frischen Spuren von vier Renntieren im Schnee und fand ein vollkommen gebleichtes Geweih.

Ich holte die Schlitten bald wieder ein und wir erreichten abermals ein niedriges Vorgebirge, das sechs Meilen vom letzten Lager entfernt war. Wohl zwei Stunden später langten wir auf guter Bahn am Fuße des Berges, auf den ich die letzten fünfunddreißig Meilen meinen Kurs gerichtet hatte, an.

Obgleich dieser ins Auge fallende Gipfel von Osten aus sehr steil aussah, überzeugte ich mich, als wir hinkamen, daß er ersteigbar war, und nach kurzer Umschau gab ich die Order, das Zelt aufzuschlagen, damit wir den Rest des Tages dem Aufstieg widmen könnten.

Ich fühlte, daß dies eine Gelegenheit sei, die ich nicht vorbeilassen durfte. Das strahlende Wetter bot mir die Möglichkeit, meine wichtigsten Winkelmessungen zu vervollkommnen. Ich war überzeugt, von der Höhe das, was jenseits lag, sehen zu können, und hoffte, ich würde das ersehnte nördliche Ende des Jesup-Landes erblicken.

Nachdem wir uns einen Lunch, bestehend aus Maismehlbrei und Tee, bereitet und zu uns genommen hatten, begannen wir den Aufstieg.

Der Gipfel, der ungefähr 2000 Fuß über den Meeresspiegel emporragt, hat viel mehr alpinen Charakter als alle Gipfel, die ich auf dem nördlichen Grönland oder Grant-Land gesehen habe. Die Aussicht von oben war mehr als interessant. Im Osten lag der breite weiße Gürtel des Eisfußes, im Westen die zusammenhängende Fläche der Nansen-Straße, und jenseits davon der nördliche Teil des westlichen Landes, das ich im Juli 1899 von den Höhen der Eisdecke von Ellesmere-Land gesehen und Jesup-Land genannt hatte; Sverdrup hat ihm später den Namen Heiberg-Land gegeben. Im Süden durch eine Reihe Berge und Täler von uns getrennt, lagen die südlichen Ausläufer der Nansen-Straße. Nach Norden erstreckte sich die wohlbekannte unebene Fläche des Polareises und im Nordwesten entdeckte ich durchs Fernglas mit einem Freudenschauer undeutlich die weißen Gipfel eines fernen Landes, das meine Eskimos gesehen haben wollten, als wir vom letzten Lager aufgebrochen waren.

Von diesem Vorgebirge aus folgte ich der westlichen Küste von Grant-Land nach Süden, bis sie nach Osten abbog, in der Hoffnung, Sverdrups Steinpyramide und Bericht zu finden, aber ohne Erfolg, obgleich wir alle das Ufer sorgfältig absuchten.

Dann marschierte ich quer durch die Straße auf das nördliche Ende des westlichen Landes zu. Das Eis hier schien eine Fortsetzung des Eises zu sein, das den Saum an der Küste von Grant-Land bildet.

Ich zitiere wieder aus meinem Tagebuch:

28. Juni. Zwei Glückstage, die ein zweites Ziel der gegenwärtigen Expedition zur Verwirklichung gebracht haben: Die Erreichung der nördlichen Spitze von Jesup-Land.

In mein Gefühl der Befriedigung mischt sich ein Gefühl der Trauer und des Bedauerns, daß vielleicht das Ende meiner arktischen Tätigkeit bedeutet. Von jetzt an werde ich mich vielleicht nur damit beschäftigen, das niederzuschreiben, was ich bisher getan habe. Vorigen Monat waren es zwanzig Jahre, seit ich begann, und doch habe ich den Preis nicht errungen.

O, hätte ich noch die unermüdliche Energie und Elastizität, wie vor zwanzig Jahren, vereint mit der Erfahrung von heute! –

Man sollte denken, diesmal hätte ich verdient zu gewinnen. Der Nebel, der am 26. das Jesup-Land den ganzen Tag verbarg, zerstreute sich, ehe wir aufbrachen, so daß die ganze Küste klar vor uns lag.

Während wir noch immer in gerader Richtung auf den Fuß des steilen Ufers an der nördlichen Spitze zusteuerten, kamen wir ein und eine halbe Meile vom Lager auf Meereis, und da der Schnee hier weicher und tiefer und mehr Wasser darauf war, gab ich meine gerade Richtung auf und hielt mich mehr nach links auf dem Eis der Straße.

Nach zwanzig Meilen erreichten wir den Eisfuß an einem niedrigen Küstenvorsprung und sahen, daß eine tiefe Bai von wenigstens fünf Meilen Breite diesen von dem nördlichsten Punkt des Landes trennte.

Die Bahn war bis hierher sehr schlecht gewesen. Unsere Schneeschuhe sanken tief ein in den nassen Schnee und beluden sich bei jedem Schritt mit einigen Pfund Schnee. Aber von hier aus wurde es noch schlimmer, der Schnee war noch weicher und mit Wasser untermischt. Die letzten zwei von den fünf Meilen nach dem Kap über hügeliges Eis waren ein beständiges Waten durch einen Wassertümpel nach dem andern.

Die Bai öffnete sich im Innern in ein weites flaches Tal, das von den Bergen der Ostküste und denen, die sich von der Nordspitze nach rückwärts erstrecken, gebildet ward.

Da die Gegend sehr einladend aussah, suchten wir sie sorgfältig mit den Ferngläsern ab und entdeckten Fährten von Moschusochsen oder Renntieren im Schnee. Das war eine sehr angenehme Entdeckung, da meine Hunde eine Vermehrung ihrer Pemmikanrationen dringend nötig hatten.

Gerade im Begriff, den Sand des Küstenvorsprunges, der sich den steilen Abhängen der Nordspitze vorlagert, zu betreten, sah ich zwei Hasen, wenige Schritte davon entfernt noch drei andere, und weiter weg einen sechsten. Um 3.50 morgens betrat ich das Ufer, und meine Leute folgten wenige Minuten später nach. Kurz vorher war eine Schar von neunzehn Brandgänsen an uns vorübergeflogen.

Ich sandte Egingwah sofort auf die Hasenjagd und sagte Ooblooyah, er solle nach den Hunden sehen. Ich selbst hing mein Doppelfernrohr um die Schulter und ging westwärts auf den Kamm des Küstenvorsprunges, um zu sehen, was auf der andern Seite läge.

Es gab hier mehr Moos auf dem Boden, als wir an irgend einem Ort der Küste von Grant-Land gefunden hatten, von Zeit zu Zeit ein Stück Rasen und zahlreiche purpurrote Blumen. Bei dem ruhigen Wetter und dem strahlenden Sonnenschein bot der Ort einen sehr behaglichen und angenehmen Anblick, der nicht einmal durch meine schmerzenden Beine und Knöchel und die von Eiswasser durchweichten Füße beeinträchtigt wurde. Der angenehme Eindruck wurde noch gesteigert durch das Geräusch fließenden Wassers. Nach wenigen Schritten stieß ich auf einem Schneefleck auf die frischen Spuren von sechs Renntieren, und ich fing an aufzupassen und vorsichtig weiterzugehen.

Ungefähr eine Meile von den Schlitten entfernt stieg ich über einen Sandrücken und erblickte vier Renntiere, zwei ganz in der Nähe, eine Kuh und ein Kalb etwas weiter entfernt.

Ich warf mich sofort auf den Boden, beobachtete sie einen Augenblick und wandte mich um, um Egingwah ein Zeichen zu geben.

Er hatte einen Hasen erlegt und nach einem andern geschossen, dann sah ich ihn im Laufschritt auf mich zueilen. Er hatte die Tiere fast gleichzeitig mit mir erblickt.

Als er herankam, sandte ich ihn vor, und in kurzer Zeit hatte er zwei der Tiere niedergestreckt, während die Kuh und das Kalb über den Küstenvorsprung nach Westen entflohen.

Es war jetzt gerade fünfunddreißig Minuten her, seit wir gelandet, und hatten schon zwei Renntiere und einen Hasen erlegt. Ich sandte Egingwah zurück, um Ooblooyah mit den Schlitten und Hunden herzuholen. Beständig hörte ich den Ruf der purpurroten Strandläufer um mich herum und sah einen weißen Fuchs an den Felsen entlangschleichen.

Die Eskimos kamen herauf und das Zelt wurde in der Nähe der Renntiere unweit eines Baches aufgeschlagen; ich selbst kochte Kaffee.

Dann schickte ich Ooblooyah der Kuh und dem Kalb nach, und nachdem die Renntiere photographiert waren, häuteten Egingwah und ich sie ab, zerlegten sie und fütterten die Hunde reichlich.

Es waren beides Kühe, weder trächtig noch besonders groß, aber sehr mager, obgleich sie augenscheinlich anfingen Fett anzusetzen. Das Fell war in schlechter Verfassung und das Geweih ganz jung. Sehr bemerkenswert war die Länge der Hufe, und die Entwickelung der Afterklauen zu regelrechten Löffeln, die wie die Ohren eines Hasen groß waren; auf diese Weise bekommt das Renntier natürliche Schneeschuhe, die es in diesem Land nicht nur für den Schnee braucht, sondern ebensosehr im Sommer für den sumpfigen durchnäßten Boden.

Kurze Zeit nachdem diese Arbeit vollendet war und ich im Zelt saß und meine Camera neu füllte, kam Egingwah gelaufen und sagte, die Kuh und das Kalb kämen wieder zurück, aber er hatte leider kein Gewehr. Ich gab ihm meinen Revolver, in den auch die Karabinerpatronen paßten und sagte, er sollte es damit versuchen. Indessen, ehe die Tiere in Schußweite kamen, witterten oder hörten sie die Hunde und liefen wieder nach dem kleinen Tal davon. Dann sahen wir Ooblooyah zurückkommen. Als er die Renntiere erblickte, kehrte er wieder um und pirschte sich an die Kuh heran, die gerade die Schlucht betreten wollte. Egingwah hörte den Schuß, eilte ihm zu Hilfe, und um 11 Uhr morgens waren sie im Lager mit dem Fleisch der Kuh. Ich hatte Ooblooyah aufgetragen, das Kalb womöglich lebendig zu fangen, was ihm aber nicht ohne weiters gelang. Die Eskimos ließen deshalb dieses Tier laufen und auch das Fell der Kuh blieb liegen.

Ich hielt einen Topf mit Tee und einen andern mit gekochtem Fleisch bereit, da wir seit unserm Frühstück, das wir vor dreizehn Stunden eingenommen, nur Kaffee und Zwieback genossen hatten. Diese Zeit brachte allerdings keine besonderen Anstrengungen, immerhin verspürte jeder einen kräftigen Appetit.

Unser Genuß wurde dadurch erhöht, daß wir in den letzten fünf Tagen von konservierten Eiern und Mus gelebt hatten, um den Pemmikan für die Hunde zu sparen. Das ist eine gute Kost in einem gewöhnlichen Klima, aber sie kann keineswegs das Fleisch bei einer Arbeit in diesen Breiten ersetzen.

Nach dem Essen legten sich die beiden Männer nieder, ich aber blieb bis 3 Uhr nachmittags auf, um eine Breitenmessung vorzunehmen. Während der ganzen Seit war es ruhig, strahlend, sonnig und warm.

Um 9 Uhr abends stand ich, nach einigen vergeblichen versuchen zu schlafen, auf; es war zu warm im Zelt und Schwärme von großen blauen Schmeißfliegen, von dem Fleisch angelockt, schwirrten um das Zelt und zu uns herein. Ein oder zwei Stunden lang wehte ein ungestümer Wind, der das Zelt heftig erschütterte und mein Durchgangsfernrohr umwarf, glücklicherweise ohne es zu beschädigen.

Nach dem Kaffee wurden die Hunde wieder gefüttert, alle vor den einen Schlitten geschirrt und wir brachen um 11 Uhr abends nach dem Gipfel des Kaps auf.

Große Schneewehen an der Östlichen Seite ermöglichten es uns, den Schlitten bis zu einer Höhe von ungefähr 600 Fuß mitzunehmen.

Hier wurde er zurückgelassen und die Hunde festgebunden. Wir selbst gingen weiter auf einem bequemen Weg über lose Felsen, die mit Schneefeldern wechselten, und erreichten den Gipfel (ungefähr 1600 Fuß) mühelos in anderthalb Stunden vom Lager aus.

Auf dem Gipfel bauten wir eine Steinpyramide wie auf Kap Columbia, in der ich wieder einen kurzen Bericht und ein Stück meiner Seidenflagge niederlegte.

Der klare Tag begünstigte meine Winkelmessungen in hohem Maße, und mit Hilfe des Fernrohrs konnte ich etwas deutlicher die schneebebeckten Gipfel des fernen Landes im Nordwesten über dem Eishorizont erkennen.

Mein Herz überhüpfte die dazwischenliegenden Meilen der Eisfläche, als ich sehnend dieses Land betrachtete, und in der Phantasie betrat ich seine Ufer und erklomm seine Gipfel, obgleich ich sehr wohl wußte, daß dies Vergnügen einem andern in einem späteren Jahr vorbehalten sein würde. Während die Gedanken sich hiermit beschäftigen, machten meine Begleiter in einem Tal südlich von uns drei Renntiere ausfindig.

Nachdem meine Arbeit auf dem Gipfel erledigt und auch die Steinpyramide fertig war, gingen wir zu den Schlitten und Hunden hinab, von da aus kehrte ich zum Lager zurück, während meine beiden Leute die Renntiere, die wir gesehen hatten, jagen wollten. Ich versuchte erst ohne Schneeschuhe zurückzukehren und wollte sie von den Eskimos mitbringen lassen, aber als ich bei jedem Schritt bis an die Hüften in den nassen Schnee einsank, änderte ich meinen Entschluß und behielt sie an.

Gerade unterhalb der Schneegrenze sah ich beim hinuntergehen eine Schar von nicht weniger als hundert Brandgänsen, die weideten und sich sonnten. Ich konnte mich ihnen bis auf fünfzig Yards nähern, ehe sie aufflogen.

siehe Bildunterschrift

Lebender Moschusochse bei Kap Columbia.

Um 4 Uhr morgens kam ich ins Lager zurück und frühstückte.

Dann brach ich mit meinem Durchgangsfernrohr nach dem Ende der niedrigen Landzunge, der äußersten Spitze des Küstenvorsprunges, auf, um einen Platz für eine Steinpyramide auszusuchen und einige Winkelmessungen auszuführen. Nach weniger als einer Meile sah ich mich jedoch genötigt, den Marsch aufzugeben und wieder zum Lager zurückzukehren, da die feuchte, lehmige Erde meine Füße bei jedem Schritt beinahe bis an den oberen Stiefelrand einsinken ließ, so daß meine ganze Kraft erforderlich war, sie wieder herauszuziehen. Auf Schneeschuhen hätte ich vorwärtskommen können, aber ich hatte sie an der Schneebank etwa eine Meile jenseits des Lagers gelassen und war zu bequem, sie zu holen.

siehe Bildunterschrift

Moschusochse bei Kap Columbia.
(Dasselbe Tier wie auf dem vorigen Bild im Todeskampf; man sieht die mächtige Bildung des Kopfes und der Hörner.)

Ich sammelte Steine zur Beschwerung der Zeltleinen und legte mich dann nieder, um die vorhergehende Nacht nachzuholen.

Um 2 Uhr nachmittags kehrten die Eskimos zurück. Sie berichteten, daß die drei Renntiere, die sie von dem Gipfel des Kaps gesehen hatten, sechs ausgewachsene Tiere und ein Kalb waren, die alle erlegt wurden. Sie hatten kaum die Hunde festgemacht, als das gestern in der Nähe gehabte Kalb bis auf fünfzig Yards an das Zelt herankam, aber sich dann bald wieder davonmachte.

Egingwah ging ihm nach, folgte ihm bis an das Fell der Mutter und brachte Fell und Kalb mit zurück.

Wir nahmen alle eine tüchtige Mahlzeit zu uns, auch die Hunde; noch mehr Steine wurden auf die Zeltleinen gelegt, und dann dauerte es nicht lange, bis meine Leute schnarchten.

Bald jedoch erhob sich ein frischer Wind, die Wolken zogen sich zusammen, und alles deutete darauf hin, daß für diesmal das schöne Wetter zu Ende sei. Ich hatte keinen Grund, mich zu beklagen. Es hatte lange genug angehalten, um mich alles erreichen und sehen zu lassen, was ich wollte.

Als wir um Mitternacht aufwachten, drohte es jeden Augenblick zu schneien, oder vielmehr zu regnen, so daß ich meine Leute die Renntierfelle mit Wachstuch zudecken, die Hunde bis zur Übersättigung füttern und einige Löcher im Zelt zunähen ließ. Kaum damit fertig, fing der Regen an, und zugleich mit ihm erhob sich ein heftiger Sturm aus Südwesten. Aber unser Zelt war wasserdicht, stand auf Sandboden und alle Habseligkeiten, die keinen Platz im Zelt gefunden hatten, waren durch wasserdichte Decken geschützt, die Hunde und wir selber satt und noch reichliche Vorräte standen zur Verfügung. So konnten wir ein derartiges Wetter mit großem Gleichmut ertragen.

Ich zitiere aus meinem Tagebuch:

1. Juli. Bin froh, daß wir die erste Etappe unsrer Rückreise hinter uns haben, so kurz sie auch ist.

Der Sturm dauerte den 29. und 30. ungeschwächt fort, mitten am Tage fiel Regen, sonst Schnee und es wehte ununterbrochen aus Südwesten.

Heute morgen ließ es nach. Ich brach sogleich auf und brachte alles nach dem Eisfuß hinunter, wo wir den einen Schlitten gelassen hatten. Auf dem niedrigen Küstenvorsprung, nicht weit vom Eisfuß, errichteten wir eine kleine Pyramide, in deren Spitze wir eine Büchse niederlegten. Noch damit beschäftigt, wurde ein Lemming gefangen, so daß auch dieses Tier zur Fauna von Jesup-Land hinzukam. Es findet sich keine frühere Pyramide auf oder in der Nähe von diesem Kap, auch scheint es nach Sverdrups Schilderung oder seiner Karte nicht, daß er diesen Punkt erreicht hat. Dann wurden die zwei Schlitten beladen, und wir traten unsere Rückreise an, aber nicht auf dem Wege, den wir gekommen waren. –

Der Hinweg war, wenn auch nicht gerade offenes Polarmeer, so doch unpassierbar für alles, was nicht schwimmen konnte.

Die vier Tage seit unserem Eintreffen hatten überraschende Veränderungen verursacht. Das Eis war teils durch direktes Schmelzen, teils durch das Wasser, das sich vom Lande her darüber ergoß, vollständig überschwemmt.

In einem langen Bogen gelangten wir in die Bai hinein, die zwischen unserm Lager und der nächsten Landspitze nach Osten lag, nahmen den Rest des Fleisches, der sich noch hier befand, mit und landeten nach vierstündigem Waten auf der Landspitze. Ich erreichte das Land etwas weiter im Innern der Bai als die Schlitten und erblickte ein weidendes Renntier.

Sobald die Schlitten ans Ufer gekommen, schlugen wir das Zelt auf, ich machte Tee und wir breiteten alle unsere Gerätschaften und Kleider, die von dem Marsch durchnäßt waren, auf dem Sand zum Trocknen aus, da es aussah, als ob die Sonne sich wieder zeigen wollte; dann sandte ich die Leute aus, um das Renntier zu erlegen, was sie in ungefähr einer Stunde besorgten. Es war ein Bock mit noch ganz jungem Geweih.

Mit diesem Tier haben wir bisher zwölf erlegt. Eine frische Spur war auf dem Weg zwischen dem Zelt und dem zurückgelassenen Schlitten sichtbar, und ein weiteres Renntier zeigte sich auf der andern Seite der Bai.

Unser Lager war hier günstig, da unser Zelt auf einem Hügel von schönem, trockenen Sand aufgeschlagen war, in der Nähe eines kleinen Baches, an dem die Hunde festgemacht wurden, und der uns an einer breiteren Stelle etwas oberhalb mit klarem, kaltem Wasser versorgte.

Hier fand ich zwei Mohnblumen und etwas blühenden Sauerampfer.

Von der Höhe der Abhänge hinter dem Zelt, von der aus ich die Straße übersehen konnte, erblickte ich sehr viel Wasser auf dem Eis, aber ich hoffte, wir würden es nicht so schlimm finden wie auf dem letzten Marsche. Es war indessen klar, daß wir auf der Rückreise eine Reihe Unannehmlichkeiten überwinden mußten und tüchtig naß werden würden.

Das Reisen in diesen Gegenden im Juni, Juli und August kann, wenn man an Land und es klar und ruhig ist, und wenn man nicht unbedingt jeden Tag weiterziehen muß, sehr angenehm sein. Aber wenn es weht oder schneit, oder beides auf einmal, oder wenn man sich auf Meer- oder Baieis befindet und gezwungen ist, in einer bestimmten Zeit ein Ziel zu erreichen, so ist es auf alle Fälle eine sehr unangenehme Sache.

Die Sonne schien genügend, um unsere Sachen ganz ordentlich zu trocknen, aber als sie tiefer sank, zogen sich Nebel und Wolken wieder zusammen.

Die Hunde bekamen beinahe so viel zu fressen, wie sie haben wollten, da das Fleisch viel leichter in ihrem Innern als auf den Schlitten weitergeschafft wird, und ich hoffte, daß sie nach dem Ausruhen und der guten Fütterung auf dem Rückweg mehr leisten könnten. Meine Eskimos häuteten die Köpfe der Renntiere ab und versuchten die Felle zu trocknen.

Ich muß zugeben, daß ich mit einem Gefühl der Trauer und des Bedauerns dieses letzte Lager verließ. Es war ein überraschendes Bild: Die Renntiere und Hasen, die in dem glänzenden Sonnenschein unter den hohen Felswänden weideten, der Ruf der Vögel und das Rauschen des Wassers. Und das Bild wird sich immer und immer wiederholen, Sommer für Sommer, aber ich, dem es gehört, werde es wohl nie wiedersehen.

Ich zitiere aus meinem Tagebuch:

Grant-Land. Südwestliches Lager. 3. Juli, 2 Uhr nachmittags.

Wieder zurück, quer über den Kanal, mit weniger Mühe und Anstrengung, als ich nach den letzten Erfahrungen zu erwarten geneigt war. –

Am 2. regnete es den ganzen Tag bei einer frischen südwestlichen Brise, die uns das weiterziehen nicht gerade unmöglich, aber sehr unangenehm machte und das Trocknen der Renntierfelle verhinderte. Da wir indessen ein wasserdichtes Zelt über uns und für unsere Hunde und uns selbst reichliche Nahrung hatten, fühlten wir uns auch hier wieder körperlich sehr wohl und verschliefen einen großen Teil der Zeit, meine beiden Eskimos buchstäblich fast die ganze Seit.

Aber ich für mein Teil wußte, daß jede Stunde Regen unsern Rückweg schwieriger machte, und sobald der Regen aufhörte, ungefähr um Mitternacht, brachen wir das Lager ab und machten uns auf den Weg. Um 2 Uhr früh verließen wir das äußerste Ende des Zwanzigmeilen-Kaps. Die ganze Bai, die wir am 1. überschritten, war jetzt eine zusammenhängende Wasserfläche.

Die ersten zwei oder drei Meilen des Kanals ging es ganz gut. Später kamen wir nur so vorwärts, daß wir uns auf dem tiefen Schnee längs der Pressungshügel hielten, ein Weg, der ohne Schneeschuhe und Schlitten mit breiten Kufen unpassierbar gewesen wäre. Auf beiden Seiten lagen Wasserseen und tiefe Moräste von Schneeschlamm.

Ohne Schneeschuhe wären wir bis übers Knie oder bis zur Hüfte eingesunken.

Zum Glück waren die Hunde durch das Ausruhen und die reichliche Nahrung auf Jesup-Land gestärkt, und wir brauchten genau die gleiche Zeit wie auf der Hinfahrt.

Natürlich waren unsere Füße und Beine gleich vom Aufbruch an von Eiswasser durchnäßt, da wir, um von einer guten Stelle zur nächsten zu gelangen, durch Schneeschlamm waten mußten.

Um Mittag erreichten wir die Kante des Eisfußes auf dieser Seite und fanden ihn in einen breiten Fluß umgewandelt, den wir durchwaten mußten, um an unsere Lagerstelle zu gelangen.

Wir waren keinen Tag zu früh herübergekommen. Spätestens in ein oder zwei Tagen würde der Kanal, was von den lokalen Verhältnissen abhängt, für zwei oder drei Wochen unpassierbar sein, bis der ganze Schnee geschmolzen und das Wasser abgeflossen wäre.

Auf dieser Seite hatten sich seit wir hier waren große Änderungen vollzogen. An Stellen, wo vor wenigen Tagen gerade so viel Land war, daß wir unser Zelt aufschlagen konnten, gab es jetzt ganze Morgen von schneefreiem Land.

Bei Betrachtung der Gegend fiel mir der platonische, fast vulkanische Charakter des Gesteins auf. Eine Art, die mit Bimsstein und Lava große Ähnlichkeit hat, kommt besonders häufig vor. Ist es möglich, daß die beiden Schneeberge hinter uns erloschene Vulkane sind?

Der Marsch vom Südwestlager nach dem Beobachtungslager war der schwerste und unangenehmste der ganzen Reise und die sechsunddreißig Stunden, die er in Anspruch nahm, die ungemütlichsten, die wir je erlebt.

Wir brachen um 4 Uhr am Morgen des 4. vom Südwestlager auf. Das Versprechen des vorhergehenden Nachmittags, daß gutes Wetter werden würde, war nicht in Erfüllung gegangen, und alles, mit Ausnahme der Küstenlinie in Nebel gehüllt. Das Jesup-Land war natürlich unsichtbar. Die erste Stunde kamen wir ziemlich gut vorwärts, indem wir den hochgelegenen Rändern einer Gezeitenspalte folgten, dann senkte sich der Nebel auf uns herab und wir wateten und arbeiteten uns durch Wasserlachen bis an das Land bei West-Point, das freilich in Wirklichkeit eine von drei Inseln ist. Längs des Ufers dieser und der nächsten Insel war gute Bahn aus tiefem Schnee und ebenso weiter über den Eisfuß nach dem Rande der Gezeitenspalte im Westen von North Westerly Point und längs der Spalte nach der Landspitze selbst.

Von hier bis nach Intermediate Point hatten wir mehr Schwierigkeiten, da die Gezeitenspalte nicht so deutlich markiert war.

Bei North Westerley Point hatte es angefangen zu schneien, und von Intermediate Point aus wurde es für uns sehr beschwerlich. Der ständig zunehmende Schneefall, begleitet von einem schneidenden Wind aus Nordosten, verwischte alles, was mehr als hundert Fuß entfernt war. Trotzdem war der Schnee so feucht, daß er auf unsern Kleidern schmolz und alle die Stellen, die an diesen zufällig noch trocken geblieben waren, auch noch durchnäßte.

siehe Bildunterschrift

Der alpine Gipfel von Kap Colgate

Es war unmöglich, einen bestimmten Marschrichtungspunkt einzuhalten, wir konnten uns nur in einer allgemeinen Richtung vorwärtsarbeiten und uns vom Wind führen lassen.

Mehrere Stunden lang sah es aus, als ob wir uns auf dem Eis in dem Schneeschlamm würden lagern müssen; dann klärte es so weit auf, daß wir einen Weg ausfindig machen konnten, und nachdem wir den breiten Fluß des Eisfußes durchwatet hatten, betrat ich endlich die Landspitze bei dem Beobachtungslager. Jeder Faden an mir war von Schneewasser durchnäßt, und jedes Gelenk, jeder Muskel tat weh von der Anstrengung, bei jedem Schritt die mit Schneeschlamm bedeckten Schneeschuhe herauszuziehen. Aber ich hatte keinen Grund, mich zu beklagen, denn der Sand hier war bei aller Nässe einer Fläche mit eisigem Schneeschlamm als Lagerstätte bei weitem vorzuziehen.

Ich hatte noch einen trockenen Rock und trockene Strümpfe, um darin zu schlafen, allerdings keine Beinkleider und Unterkleider zum Wechseln, aber ich würde ganz gut geschlafen haben, wenn ich nicht von dem Rauch der Primusöfen, die selbstverständlich gerade jetzt nicht ordentlich brennen wollten, heftige Kopfschmerzen bekommen hätte. Diese Kopfschmerzen hielten an, bis ich einen Spaziergang machte, was erst nach fünf Stunden geschehen konnte; solange war nämlich Ooblooyah damit beschäftigt, meine Beinkleider zu nähen, die von der schlechten Schneeschuhbahn und dem Heben der Schlitten vollständig ruiniert waren.

Es schneite unaufhörlich nach unsrer Ankunft, so daß es unmöglich war, einen Weg durch die eisigen Moräste im Osten zu finden.

Ein Seehund war in der Nähe des Eisfußes gesehen worden, gerade ehe wir das Ufer betraten, und im Südwestlager flogen zehn Brandgänse vorüber.

Als ich aufstand, war ich wie zerschlagen und steif in allen Gelenken, meine Füße und Knöchel geschwollen und mein linker Fuß durch eine Verstauchung fast gänzlich unbrauchbar. Die Salbe des Doktors half sehr gut, und ich hoffte, den Fuß wieder brauchen zu können, wenn das Wetter aufklärte.

Eins war sicher, das was ich jetzt leistete, hätte ich damals, als ich die »Roosevelt« verließ, und noch ein gut Teil später einfach nicht aushalten können.

Es war eine ziemlich unangenehme Feier des 4. Juli, wir wateten durch Eiswasser, und das Wetter so schlecht, daß ich nicht einmal die Flagge hissen konnte.

Ich hoffte, dieser beständige Schneefall würde die ganze Feuchtigkeit aus der Luft schaffen, damit wieder schönes Wetter käme, fürchtete aber, wir würden für unsern Rückmarsch das gleiche Wetter bekommen, das ich im Juli 1899 in der Prinzeß Marie-Bai gehabt hatte.

siehe Bildunterschrift

Kap Thomas Hubbard, die nördliche Spitze von Jesup-Land (Heiberg-Land, Sverdrup).


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