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Vierzehntes Kapitel.

Chemische Energie.

In den Pflanzen nun verwandelt sich die strahlende Energie in chemische Energie, wie wir das eben gesehen haben, und es bleibt uns noch übrig, die besonderen Eigenschaften der chemischen Energie ein wenig genauer kennen zu lernen.

Die chemische Energie haftet den Stoffen an, insofern sie chemische Umwandlungen mit andern Stoffen erleiden können, und dabei Energie in verschiedenen Formen entwickeln. Sie verhält sich ebenso wie die Schwereenergie, die sich nicht betätigt, außer wenn zwei Körper da sind, die gegeneinander wirken oder einander vermöge der Schwerkraft abziehen. So betätigt sich auch nicht die chemische Energie, wenn nicht verschiedene Stoffe entweder vorhanden sind, die sich zu einem einfachen Stoffe durch einen chemischen Vorgang vereinigen, oder umgekehrt, gewisse Stoffe, in denen reichlich chemische Energie vorhanden ist, sich in mehrere andere Stoffe umwandeln und dabei den Überschuß von chemischer Energie herausgeben. Den ersten Fall erkennen wir wieder bei den Verbrennungserscheinungen, auf die ja in dieser Beziehung vielfach hingewiesen worden ist. Doch muß man hierbei folgendes genau beachten. Die chemische Energie steckt nicht allein in der Kohle und auch nicht allein in dem Sauerstoff, sondern sie steckt in der Zusammenstellung Kohle und Sauerstoff, und erst, wenn diese beiden Stoffe sich in Kohlendioxyd verwandeln, wird die chemische Energie, die in diesem Paar vorhanden war, frei und kann in irgendwelche andere Formen übergeführt werden. Solche Fälle, wo das Freiwerden von Energie mit der Entstehung einer Verbindung aus Elementen oder einfacheren Stoffen verknüpft ist, sind bei weitem die häufigsten, so daß man in der Regel sagen kann: je zusammengesetzter ein Stoff ist, um so weniger Energie enthält er im Vergleich mit den einfacheren Stoffen oder Elementen, aus denen er entstehen kann. Auch finden solche Vorgänge, bei denen Energie frei wird (meist in Gestalt von Wärme), im allgemeinen freiwillig statt. Doch gibt es auch freiwillige Vorgänge (z. B. die Auflösung eines Salzes in Wasser), wobei die chemische Gesamtenergie zunimmt, hier wird der erforderliche Anteil aus der Wärme der beteiligten Stoffe genommen und diese werden nicht, wie im ersten Falle, wärmer, sondern sie kühlen sich umgekehrt ab.

Man darf also nicht etwa das allgemeine Gesetz aufstellen wollen, daß nur solche Vorgänge möglich sind, bei welchen Energie (als Wärme) frei wird; es sind auch die umgekehrten Vorgänge möglich, wenn sie auch seltener vorkommen. Die Energielehre oder Energetik hat auch diese Fälle aufgeklärt. Es gibt außer der Gesamtenergie, die wir bisher allein betrachtet haben, noch eine andere Größe, welche freie Energie heißt, und welche von der Gesamtenergie einigermaßen verschieden ist. Sie läßt sich in einfacheren Fällen als Funktion van Temperatur, Druck und den anderen Zustandsbedingungen ausrechnen; in anderen Fällen kann man sie auch experimentell bestimmen. Diese freie Energie nun hat grundsätzlich und allgemein die Eigenschaft, daß sie sich bei freiwilligen Vorgängen immer nur vermindert, indem ein Teil von ihr in andere Formen übergeht, in denen sie sich freiwillig nicht mehr ändert; dieser Teil heißt dann gebundene Energie.

Diese Eigenschaft der freien Energie steht in engem Zusammenhange mit der früher geschilderten Eigenschaft der Intensitätsgrößen (Druck, Temperatur, elektrischer Spannung usw.), daß sie die Energieumwandlungen bestimmen, insofern solche nur dann stattfinden, wenn Unterschiede der Intensitäten vorhanden sind, und in solchem Sinne erfolgen, daß diese Unterschiede vermindert werden. Man erkennt hieraus sofort, daß hohe Werte der Intensitäten mit hohen Werten der freien Energie parallel gehen und umgekehrt. Doch gehört die genauere Darlegung dieser wichtigen Verhältnisse nicht hierher, da die angegebenen einfachen Grundzüge genügen, um das Verständnis der hier erörterten Erscheinungen zu ermöglichen. So sei nur noch darauf hingewiesen, daß der strahlenden Energie der Sonne eine sehr hohe freie Energie oder sehr hohe Intensität zukommt. Daher ist sie geeignet und bereit, sich überall in andere Energiearten zu verwandeln: in Wärme am leichtesten, in chemische Energie unter Mitwirkung der Pflanzen,

Fälle der chemischen Umwandlungen zweiter Art oder Zerlegungen, wo zusammengesetzte Stoffe unter Entwicklung von Energie in mehrere einfachere übergehen, liegen bei den explosiven Stoffen vor. Es gibt eine große Anzahl von solchen Dingen, die zum Teil reine Stoffe, zum Teil auch Gemenge sind, welche chemische Umwandlungen in sich selbst auf Kosten der dort vorhandenen Elemente erfahren können. Diese chemischen Umwandlungen finden bei gewöhnlicher Temperatur praktisch gar nicht, d. h. so außerordentlich langsam statt, so daß sie nicht in Betracht kommen. Sowie aber an irgendeiner Stelle dieses Stoffes die Temperatur soweit erhöht wird, daß der chemische Vorgang eintritt, so erfolgt er unter Entwicklung von Wärme und diese entwickelte Wärme erhitzt alsbald die angrenzenden Teile des Stoffes so, daß sie sich ebenfalls umwandeln und Wärme entwickeln. So setzt sich unaufhaltsam der chemische Vorgang, nachdem er einmal an einer Stelle eingeleitet ist, durch die ganze Masse fort.

Einen solchen sich selbst steigernden Vorgang nennt man, wenn er in einer äußerst kurzen Zeit verläuft, eine Explosion und die Stoffe heißen explosive Stoffe. Für uns kommen diese Fälle nur ausnahmsweise in Betracht; sie sind der Vollständigkeit wegen erwähnt worden.

Wir wenden uns zu den häufigeren Fällen zurück, bei denen die Elemente durch ihre Vereinigung zu zusammengesetzten Stoffen Energie verlieren, wo also der zusammengesetzte Stoff energieärmer ist, als die Elemente, welche er enthält. In diesem Falle wird Energie frei, wenn sich die Elemente vereinigen und es wird Energie verbraucht oder gebunden, wenn diese Elemente wieder aus den Verbindungen hergestellt werden sollen. In der Tat hatten wir gesehen, daß die Tiere, indem sie die organischen Substanzen mit dem freien Sauerstoff verbinden, die Energie ihres Körperbetriebes aus dieser chemischen Energie des Verbrennungsvorganges gewinnen, während umgekehrt die Pflanzen, um ihre verbrennlichen Stoffe und den freien Sauerstoff zu erzeugen, einer Energiezufuhr von außen bedürfen, die sie in Gestalt von Sonnenstrahlen aufnehmen. Wie wir aus diesen Betrachtungen erkennen, spielt die chemische Energie insbesondere bei den Lebenserscheinungen eine ganz ausschlaggebende Rolle. Das ganze Leben ist der Hauptsache nach ein chemischer Prozeß insofern jedenfalls, als es kein Leben gibt, welches nicht auf der Betätigung chemischer Energie beruhte, und weiterhin insofern, als bei weitem der größte Teil der Energie, welcher durch einen lebenden Körper geht, hierzu die Gestalt von chemischer Energie annehmen muß.

Dies hängt mit den besonderen Eigenschaften der chemischen Energie zusammen, welche darauf beruhen, daß sie mit den Stoffen enger verbunden ist, als die anderen Energiearten zu sein pflegen und daß sie gleichzeitig eine viel größere Umwandlungsfähigkeit aufweisen, als jene anderen Energiearten, die ähnlich der chemischen Energie mit den Stoffen näher verbunden sind. Wir wissen, daß die Wärme einem gegebenen Stoff entzogen und hinzugefügt werden kann, ohne daß dieser sich wesentlich dabei ändert. Ebenso läßt sich die elektrische Energie den Stoffen zufügen oder entziehen, wenn sie vorhanden ist, ohne daß die Beschaffenheit der Stoffe dadurch irgendwie eine andere wird. Das gleiche gilt für die strahlende Energie in ihren verschiedenen Arten.

Wenn man dagegen chemische Energie den Stoffen zufügt oder sie ihnen entzieht, so bekommen diese gleichzeitig völlig andere Eigenschaften. Dabei stellt es sich ferner heraus, daß die Stoffe die chemische Energie, welche sie enthalten, außerordentlich lang aufbewahren können, ohne daß sie verloren geht.

Ein heißer Körper kühlt sich beispielsweise sehr schnell ab und wir haben überhaupt kein Mittel, auf die Dauer einem Körper seine Temperatur zu erhalten, wenn sie von der seiner Umgebung verschieden ist. Das beste Mittel hierzu, welches man kennt, ist ein möglichst hohes Vakuum, d. h. ein Raum, in welchem möglichst wenig Stoff enthalten ist. Man stellt solche Räume her, indem man geeignet geformte doppelwandige Glasgefäße (vgl. Abb. 4) so vollständig wie möglich auspumpt oder von Luft befreit; derartige Gefäße, dessen Zwischenwand luftleer ist, werden gegenwärtig zur Aufbewahrung von heißen oder kalten Gegenständen benutzt und die Überraschung, welche jedermann empfindet, wenn er einen heißen Tee, den er vor 6 oder 8 Stunden in ein solches Gefäß gegossen hat, hernach noch einigermaßen warm wiederfindet, ist ein Beweis dafür, wie sehr wir daran gewöhnt sind, daß die Wärme sich immer selbständig zerstreut und sich durch die üblichen Hilfsmittel nicht gegen die Ausgleichung der Temperatur schützen läßt. Eben dieselbe Zerstreuungsfähigkeit besitzt die elektrische Energie. Wir haben ja Nichtleiter der Elektrizität wie bekannt, sie sind aber nur Nichtleiter auf begrenzte Zeit; wenn es gelingt eine elektrische Ladung einige Stunden lang wesentlich unvermindert zu erhalten, so ist das eine ganz ungewöhnliche Leistung. In den meisten Fällen zerstreut sich die elektrische Energie ebenso wie es die Wärmeenergie tut. Und gar das Licht läßt sich überhaupt nicht irgendwie in erheblicher Menge aufspeichern, wo wir es einfangen und benutzen wollen, müssen wir es alsbald umwandeln, sei es in Wärme, sei es in chemische Energie, wie es die Pflanzen tun, oder in irgendeine andere Form, die nicht so überaus beweglich ist.

Im Gegensatz dazu steht die chemische Energie, welche sich nicht nur Stunden oder Tage, sondern Jahre, Jahrhunderte oder Jahrtausende lang aufbewahren läßt. Die Energie der Steinkohlen beispielsweise, diejenige Energieform, von der der allergrößte Teil unserer Technik und Industrie abhängt, ist chemische Energie, welche nicht nur Jahrhunderttausende, sondern vermutlich Jahrmillionen alt ist. Es ist chemische Energie vorweltlicher Pflanzen. Diese Pflanzen sind durch Vorgänge, von denen wir uns gegenwärtig nach kein klares Bild machen können, seinerzeit mit Erdreich überschüttet und dadurch vom Sauerstoff der Luft abgeschlossen worden. Sie haben dann langsame chemische Vorgänge erfahren, die wesentlich in solchem Sinne liegen, daß, während der Kohlenstoff sich in den Rückständen angehäuft hat, der Wasserstoff und Sauerstoff der Pflanzensubstanz ausgetreten sind. Diese Rückstände, welche heute den größten Teil von der Energie in sich enthalten, die seinerzeit von den Pflanzen aus den Sonnenstrahlen gesammelt und in ihrem Leibe aufgespeichert worden war, haben sich nun all die unzähligen Jahrhunderte im wesentlichen unverändert erhalten, während deren sie auf menschliche Verwendung gewartet haben. Auch nachdem wir die Steinkohle aus der Erde entfernt und an die Luft gebracht haben, erhält sich die chemische Energie, die in ihnen aufgespeichert ist, noch sehr lange, obwohl bei weitem nicht so vollständig, wie in den ursprünglichen Lagern der Steinkohle unter der Erde, wo durch die dicken Schichten, die darüber lagen, der Zutritt des Sauerstoffs erfolgreich abgeschnitten war.

An der Luft verbrennen tatsächlich die Steinkohlen langsam. Unter besonderen Umständen, wenn locker geschichtete Haufen frischer Steinkohle an der Luft liegen, findet eine sogenannte Selbstverbrennung oder Selbstentzündung der Steinkohle statt. Dies beruht darauf, daß dieser langsame Verbrennungsprozeß, der natürlich ebenso wie der schnelle Wärme entwickelt, nur entsprechend viel langsamer, doch genügend Wärme entstehen läßt, um sich selbst zu beschleunigen und dadurch die Temperatur immer höher und höher steigen zu lassen, bis schließlich die Kohlenmasse in Brand gerät. Dadurch, daß die Kohlen ausgebreitet werden, gibt man der sehr langsam sich entwickelnden Wärme Gelegenheit, sich zu zerstreuen und vermeidet so die Selbstentzündung. Ebenso kann man natürlich eine Selbstentzündung durch Überdecken mit Wasser, Erde usw., d. h. durch Verhindern de« Luftzutrittes ausschließen. Die Erscheinung ist aber insofern interessant und bedeutungsvoll, als sie einen Beleg dafür gibt, daß diese scheinbar unveränderlichen Stoffe, die an der sauerstoffhaltigen Luft liegen und doch nicht in eine Flamme ausbrechen, obwohl sie verbrennlich sind, sich doch nicht absolut gleichgültig gegen den Sauerstoff verhalten, sondern auch bei gewöhnlicher Temperatur sich langsam mit dem Sauerstoff der Luft verbinden und dadurch wirklich einer regelmäßigen, nur überaus langsamen Verbrennung unterliegen. Wir haben die Allgemeinheit derartiger Vorgänge bei früherer Gelegenheit behauptet, als von den Katalysatoren die Rede war, und finden in der gelegentlichen Selbstentzündung der Steinkohle einen willkommenen Beleg für die Tatsachlichkeit der langsamen Verbrennung.

Es ist also, um diese Erörterungen zusammenzufassen, bei der chemischen Energie die Aufbewahrungsmöglichkeit dieser Energieform, worin ihre besondere Bedeutung liegt.

Gleichzeitig stellt die chemische Energie diejenige Art dar, in welcher die Energie am stärksten konzentriert ist, d. h. wo in einem Minimum von Raum und Gewicht ein Maximum von Energiemenge vorhanden ist. Wir können uns hiervon gleichfalls durch praktische Beispiele aller Art überzeugen, die wir sowohl im Reiche der Natur sowie im Reiche der Technik antreffen.

Die meisten Tiere gründen ihre Existenz auf eine mehr oder weniger entwickelte Beweglichkeit. Sie müssen sich bewegen können, um einerseits ihren Feinden entfliehen, andererseits ihre Nahrungsmittel finden und sammeln zu können. Gelegentlich werden ganz außerordentlich weitgehende Bewegungen von den Tieren bewerkstelligt; es sei nur an die Wanderflüge der Störche, Schwäne, Singvögel und anderer Wandervögel erinnert, wir müssen uns daher fragen: welche Energie benutzen die Tiere, um diese großen Leistungen auszuführen?

Die Antwort ist: es ist ausschließlich chemische Energie, nämlich die Oxydationsenergie ihrer Nahrungsmittel, welche sie in mechanische Arbeit umwandeln, wodurch jene Ortsbewegungen bewirkt werden.

Diese chemische Energie nehmen die Tiere als Bestandteile ihres Körpers, als Fett, als reichliche Muskelentwicklung usw. mit sich. Sie ergänzen sie unterwegs, wo sie Gelegenheit dazu haben, durch Nahrungsaufnahme. Aber gewöhnlich verbrauchen sie einen größeren Anteil, als sie unterwegs aufnehmen können, so daß sie zwar wohlgenährt die Stätten ihres sommerlichen Aufenthalts verlassen, aber mehr oder weniger abgemagert an den Ort ihrer Ankunft anlangen.

Diese und alle anderen Arbeitsleistungen der Tiere erfolgen aus der chemischen Energie ihrer Nahrung und diese Art der Energie erweist sich somit als diejenige Form, in welcher die Energiereserve für die ganze Existenz der Tiere angelegt ist.

Ja, wir können durch die Fortsetzung dieser Überlegungen auch noch etwas tiefer in das ganze Wesen des pflanzlich-tierischen Kreisprozesses eindringen.

Fragen wir uns nun, weshalb die Pflanzen sich gerade danach eingerichtet haben, die strahlende Energie in chemische Energie zu verwandeln, weshalb sie nicht etwa unmittelbar von der strahlenden Energie leben, so ist die Antwort die folgende: die strahlende Energie kommt den Pflanzen nicht ununterbrochen zu. Jedesmal in 24 Stunden haben sie abwechselnd einen Tag und eine Nacht zu durchleben und da das Leben unter allen Umständen und in jedem Augenblicke auf Umwandlungszuständen der Energie beruht, so würde eine Pflanze, welche direkt vom Sonnenlicht lebte, jedenfalls am Abend sterben müssen, weil sie eine energielose, d. h. also lebenslose Zeit bis zum nächsten Morgen durchzumachen hätte. Es ist also für die Fortsetzung des Lebens der Pflanzen über die Dauer einiger Stunden unbedingt nötig gewesen, daß sie zunächst aus der ihnen zur Verfügung stehenden strahlenden Energie irgendeine Dauerform der Energie herstellen, um sich über die Zeit hinwegzubringen, in welche ihnen die primäre Energie der Strahlung nicht zur Verfügung steht, wir haben es also hier mit einer Einrichtung zu tun, die ähnlich dem Schwungrade einer Dampfmaschine wirkt. Dieses Schwungrad dient bekanntlich dazu, den Mechanismus über den sogenannten toten Punkt hinwegzubringen, an welchem die Maschine, z. B. wenn der Kolben der Dampfmaschine am untersten oder obersten Punkt steht, keine Arbeit leisten kann, weil er im Begriff ist, seine Bewegungsrichtung zu ändern. Die Energie, welche der Kolben z. B. während des Hinganges der Maschine ausgegeben hat, wird teilweise als Bewegungsenergie im Schwungrad gespeichert und an dem toten Punkt wird diese Bewegungsenergie wieder teilweise, in dem das Schwungrad ein wenig in seiner Geschwindigkeit vermindert wird, in Arbeit übergeführt, welche nötig ist, um die Dampfmaschine wieder an die Stellung zu bringen, in welcher der Dampf am Kolben Arbeit leisten kann. Ebenso müssen also die Pflanzen die strahlende Energie, die sie nur während eines Teiles des Tages zur Verfügung haben, in eine Dauerform umwandeln, welche ihnen die Aufrechterhaltung ihrer Existenz während der strahlungslosen Zeit ermöglicht.

Somit führen die Pflanzen genau gesprochen ein doppeltes Dasein. Einerseits sind sie Energiesammler, solange das Sonnenlicht scheint, andererseits sind sie aber Energieverzehrer während der strahlungslosen Zeit. Sie leben von den gesammelten Vorräten, solange die Sonne sie nicht bescheint, solange sie nicht in der Lage sind, die strahlende Energie für sich aufspeichern zu können. In der Pflanze allein ist also im Grunde bereits das Doppelgebilde Pflanze-Tier vorgebildet, das wir vorher als wesentlich für den Kreislauf des Kohlenstoffs kennen lernten, nur in der Weise, daß die Sammlung während der strahlungsreichen Zeit bedeutend mehr beträgt, als der Verbrauch während der strahlungsfreien Zeit. Daß es sich tatsächlich so verhält, ersieht man daraus, daß die Pflanzen (wie schon erwähnt wurde) ganz ebenso wie die Tiere, während sie nicht von der Sonne bestrahlt werden, Kohlendioxyd aushauchen und Sauerstoff verbrauchen. Sie tun dasselbe sogar auch während der Zeit der Sonnenstrahlung, aber sie bewirken gleichzeitig an anderen Stellen ihres Organismus das Entgegengesetzte, die Spaltung des Kohlendioxyds und die Aushauchung von Sauerstoff. Da dieser zweite Prozeß bei weitem der überwiegende ist, so kommt insgesamt der Eindruck zustande, als täten sie allein das zweite, indem das Kohlendioxyd, das sie erzeugen, alsbald wieder an anderer Stelle in Sauerstoff und organische Substanz umgewandelt wird.

Wir können nun noch weiter die Frage stellen, ob die Pflanzen gute oder schlechte Maschinen sind, oder genauer ausgedrückt, wie groß der Anteil der Sonnenstrahlung ist, den die Pflanzen aus dem Sonnenlicht in chemische Energie verwandeln.

Die Antwort darauf ist, daß sie außerordentlich schlechte Maschinen sind. Es ist bedeutend weniger als ein 1/100 der gesamten Strahlungsmenge, welche sie in chemische Energie zu verwandeln vermögen. Die gesamte übrige Bestrahlung setzt sich in den Geweben der Pflanzen, im Boden und der übrigen Umgebung in Wärme um.

So unerfreulich diese Tatsache vom Standpunkt des Technikers aus gesehen erscheint, so erfreulich ist sie vom Standpunkt des Volkswirts gegenüber der Frage: wie wird die künftige Existenz des Menschengeschlechtes auf der Erde durchführbar sein? Bekanntlich hat man sich schon seit Jahrhunderten darüber beunruhigt, daß die Bevölkerung der Erde im Lauf der Zeit zu groß werden könnte, so daß die Hilfsmittel zur Ernährung dieser Bevölkerung sich als unzureichend erweisen müßten. Eine erste Beruhigung gegenüber dieser Frage ist im letzten Jahrhundert dadurch erzielt worden, daß es durch eine genauere wissenschaftliche Kenntnis der Vorgänge im Pflanzenkörper möglich geworden ist, die Produktion von Pflanzensubstanz pro Hektar Fläche ganz bedeutend zu heben, sie auf das zwei- bis dreifache des früheren Betrages zu vervielfältigen. Und diese Verbesserung hat noch keineswegs aufgehört. Denn nachdem man zunächst durch künstliche Düngemittel und Bodenbearbeitung eine Steigerung der Ertrage von seiten des anorganischen Teils her zu bewerkstelligen gelernt hat, ist nun auch begonnen worden von der anderen Seite her eine regelmäßige und bewußte Verbesserung vorzunehmen, indem man nämlich die Pflanzen selbst einer Steigerung ihrer Eigenschaften unterzogen hat. Das geht natürlich nicht wie bei einer Maschine oder einer anderen mechanischen Vorrichtung, sondern man muß die Natur selbst zu Hilfe nehmen, indem man die vorhandenen Mannigfaltigkeiten der Pflanzen, die auch innerhalb der Spezies in dieser Beziehung bestehen, dazu benutzt, um größere Erträge zu erzielen. Die ursprüngliche Zuckerrübe hat beispielsweise 5 oder 6 % Zucker in ihrem Saft gehabt – die gegenwärtige Zuckerrübe ist auf mehr als das Doppelte in dieser Beziehung gesteigert worden, einfach durch systematische Zuchtwahl, nämlich durch Verwerfung solcher Rüben für die Nachzucht, welche zu wenigen Zuckergehalt hatten und die Bevorzugung der Varietäten mit reichem Zuckergehalt und großem Körper. Die Verbesserungen nach dieser Richtung sind eben erst begonnen worden und scheinen noch bei weitem nicht vollständig erschöpft zu sein.

So groß indessen die Hoffnungen nach dieser Richtung sind, so scheint das ganze System der Energiesammlung durch die Pflanzen selbst von solcher Beschaffenheit zu sein, daß, eine weitere sehr erhebliche Steigerung des Ertrages auf diesem Wege voraussichtlich nicht leicht zu erreichen sein wird. Demgegenüber können wir uns aber eine große Anzahl anderer Vorgänge vorstellen, durch welche wir die strahlende Energie sammeln können und welche uns demgemäß einen großen Teil von dem ersetzen können, was bisher die Pflanzen leisten. Überschlagen wir nämlich den Pflanzenbestand der Erdoberfläche, so finden wir, daß nur ein verhältnismäßig kleiner Teil gegenwärtig dazu benutzt wird, um unmittelbar Nahrungsmittel für den Menschen herzustellen. Die sehr ausgedehnten Gebiete, welche mit Waldungen bestanden sind, dienen beispielsweise in keiner Weise zu Nahrungszwecken, so daß die dort wachsende Pflanzensubstanz als Holz zu allen möglichen anderen menschlichen Zwecken verwendet wird, nur nicht zur Nahrung. Dazu sind ferner noch die sehr viel ausgedehnteren Wüstengebiete zu rechnen, in denen wegen Mangels an regelmäßiger Bevölkerung überhaupt kein Pflanzenwuchs gedeiht, obwohl dort die Hauptsache, nämlich die Sonnenstrahlung, in reichlichster Menge vorhanden ist. Wer Gelegenheit gehabt hat, die zauberhaft anmutende Umwandlung der Wüste in Gärten von tropischer Üppigkeit zu beobachten, welche im Westen von Nordamerika durch rationelle Bewässerung bewirkt worden ist und noch dauernd bewirkt wird, hat den Eindruck, daß in solcher Beziehung die ausschweifendsten Hoffnungen noch hinter der Wirklichkeit zurückbleiben können.

Also selbst, wenn nach sehr lange Zeit der Mensch, wie alle Tiere auf die Mitwirkung der Pflanzen zur Gewinnung von chemischer Energie als Nahrung aus strahlender angewiesen sein wird, so liegt die Sache doch nicht so mit der Gewinnung van zahllosen Stoffen, die nichts mit der Ernährung des menschlichen Körpers und mit Nahrung überhaupt zu tun haben. Diese Dinge können vielfach durch anorganisches Material, zum Teil sogar mit großem Vorteil ersetzt werden. Man denke nur an den Ersatz des Holzes zum Hausbau durch Stein und in jüngster Zeit auch Eisen, wodurch die früheren verheerenden Brände trotz inzwischen tausendfach vermehrter Feuersgefahr auf geringfügige Kleinigkeiten reduziert worden sind. Ferner aber können wir die strahlende Energie noch auf andere Weise benutzbar machen. Denken wir uns beispielsweise ein photoelektrisches Element von geeigneter Beschaffenheit konstruiert, das heißt eine Maschine, welche die Strahlung der Sonne direkt in elektrische Energie verwandelt, welche also einen Teil der aufgenommenen Strahlung als einen elektrischen Strom aus dem Apparat zu ziehen gestattet. Dann könnten wir mit Hilfe dieser elektrischen Energie ungefähr alles das leisten, was gegenwärtig die gesamte Industrie, das gesamte Transportwesen usw. mit Hilfe der Steinkohle leistet, wir könnten mit anderen Worten die riesigen Energiemengen, die wir gegenwärtig durch Verbrennung jener uralten organischen Substanz gewinnen, aus diesen photoelektrischen Batterien herstellen. Dadurch würde die ganze Erdoberfläche, soweit sie nicht zum Bewohnen und zum Verkehr notwendig ist, für die Bestellung mit Ackerfrüchten frei werden und die Zahl der Menschen, die auf der Flächeneinheit urbaren Landes existieren könnten, wird um ein vielfaches zunehmen.

In noch viel weiterer zeitlicher und sachlicher Entfernung, aber doch noch nicht ganz außerhalb des Gesichtskreises der Menschen, liegt der Gedanke, daß man künftig, vielleicht wieder unter Mitwirkung der elektrischen Energie, direkt aus der Kohlensäure oder aus irgendwelchen kohlenhaltigen Mineralstoffen wird Nahrungsmittel herstellen können. Gerade die chemischen Forschungen der letzten Jahre haben uns gezeigt, daß die Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen ist. Es ist möglich geworden, auf künstlichem Wege die wichtigsten Stoffklassen in ihren wesentlichen Repräsentanten herzustellen, die wir gegenwärtig als Nahrungsmittel benutzen. Die Fette kann man schon seit mehr als einem halben Jahrhundert künstlich gewinnen. In neuerer Zeit sind auch die Zuckerarten und in allerletzter Zeit die eiweißartigen Stoffe in das Gebiet der synthetischen Chemie hineingelangt, das heißt, man hat gelernt, sie auf künstlichem Wege aus einfachsten Verbindungen oder in letzter Linie aus den Elementen zu machen.

Diese Betrachtungen sind nicht angestellt worden, weil dieser Schritt etwa als nötig oder auch nur dringlich erschiene. Dies ist noch bei weitem nicht der Fall, da die in erster Linie angegebenen Möglichkeiten des Fortschrittes noch einer so starken Entwicklung des Menschengeschlechtes den nötigen Nährboden liefern können, daß der Übergang zu diesem letzten Mittel noch in weite Zeitenfernen hinausgeschoben werden darf. Die Betrachtungen haben vielmehr nur den Zweck, zu zeigen, wie die Mittel der Wissenschaft uns Möglichkeiten erkennen lassen, an welche kulturell niedriger stehende Zeiten und Völker auch nicht entfernt haben denken können. Nach dieser Zeit sind demnach so bald keine Grenzen für die physische Entwicklung und Verbreitung der Menschheit zu erwarten. Solche liegen viel näher nach der Richtung, daß jede Spezies, je höher sich ihre Entwicklung steigert, im allgemeinen auch um so mehr an Fruchtbarkeit einbüßt. Es zeigen sich bei einzelnen hochentwickelten Kulturvölkern bereits Anzeichen einer derartigen Verminderung der Fortpflanzungsfähigkeit, daß diese im allgemeinen natürliche Erscheinung beginnt einen bedrohlichen Charakter anzunehmen. Doch gehören Betrachtungen über diese neuartigen Probleme nicht in den Rahmen dieses Buches.

 


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