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Zweites Kapitel.

Das Leben als chemischer Vorgang.

Die beiden Elemente der fortschreitenden Zeit und der wiederkehrenden oder periodischen Zeit finden wir denn nun auch in den Erscheinungen wieder, mit denen wir uns hier genauer beschäftigen wollen. Auch dem Laien pflegt heute schon das Wort vom Kreislauf der Stoffe geläufig zu sein. Er weiß, daß die Tiere (und mit ihnen die Menschen) ihr Leben durch die Aufnahme von Pflanzen fristen, welche ihrerseits wiederum in ihrer Existenz und ihrem Wachstum gefördert werden durch die Überreste tierischer Lebenstätigkeit. So sieht es aus, als wenn diese beiden großen Gruppen von Lebewesen durch ihre gegenseitige Hilfe eine Art von ewigem Leben sich gegenseitig zusichern könnten, da einerseits der Umstand, daß reichlich Pflanzen da sind, dazu führt, daß reichlich Tiere entstehen können, und da andererseits der Umstand, daß reichlich Tiere vorhanden sind, umgekehrt eine weitere Steigerung der Entwicklung des Pflanzenwuchses begünstigt. So können wir uns vorstellen, daß durch diese gegenseitige Hilfe schließlich eine unbegrenzte Menge von Tieren und Pflanzen auf der Erdoberfläche entstehen und bestehen könnten, da immer die einen den andern das Material für ihr Leben und Gedeihen liefern.

Demgegenüber besteht die Tatsache, daß praktisch gesprochen überall dort, wo der Mensch nicht mit seinen verstandesmäßigen Tätigkeiten eingreift, ein beständiges Gleichgewicht zwischen Tier- und Pflanzenleben sich erhält, welches keineswegs etwa der Grenze des räumlich Möglichen entspricht, sondern welches im Gegenteil an vielen Stellen ein sehr dürftiges Resultat bezüglich der Gesamtmenge der Lebewesen hat. Daraus werden wir schließen müssen, daß, dieser tatsächlich bestehende Kreislauf der Stoffe zwischen dem Tierreich und dem Pflanzenreich nicht ausreicht, um die dauernde Existenz, und noch weniger eine dauernde Steigerung des Lebens auf beiden Seiten zu sichern, sondern wir müssen erkennen, daß in letzter Instanz die Gesamtmenge des Lebens sowohl der Pflanzen wie der Tiere durch Umstände bestimmt ist, welche außerhalb dieses Kreislaufes liegen und welche voraussichtlich einen fortschreitenden oder einsinnigen Charakter haben.

Es soll schon hier hervorgehoben werden, daß diese Vermutung das Richtige trifft, daß also außerhalb und unabhängig von dem Kreislauf der Stoffe noch ein einseitiger und fortlaufender Vorgang vorhanden ist, von dem dann das Leben unbedingt abhängig sich erweist.

Auch dieser Vorgang ist wohlbekannt und hat sich der Aufmerksamkeit und Kenntnis der Menschheit schon seit vielen Jahrtausenden aufgedrängt. Wir wissen, daß die Pflanzen nicht an jedem beliebigen Ort, zu jeder beliebigen Zeit und unter allen beliebigen Umständen gedeihen, sondern daß ein Ding notwendig überall vorhanden sein muß, wo Pflanzen sich entwickeln sollen, nämlich das Sonnenlicht. Wir wissen, daß, erst im Sommer, wo die Sonne viel länger am Horizonte steht und viel intensiver auf die Erdoberfläche scheint, sich das Pflanzenwachstum zu voller Pracht entwickelt. Wir wissen, daß auch die üppigsten Pflanzen verkümmern und zuletzt zugrunde gehen, wenn man ihnen dauernd das Sonnenlicht entzieht. Wir müssen daraus schließen, daß das Pflanzenleben vom Sonnenlicht in ganz bestimmter Weise abhängig ist. Von den Tieren können wir ein gleiches nicht behaupten. Wir kennen eine ganze Anzahl von Tieren, die unter Ausschluß des Sonnenlichtes, ja überhaupt unter Ausschluß jedes Lichtes leben. Andere Tiere sind ausgeprägte Nachtgeschöpfe, sie scheuen also das Tageslicht und gehen ihrer Tätigkeit in der Dunkelheit nach. Einzelne Lebewesen findet man in unterirdischen Höhlen und im Innern der Erde leben, wohin niemals Sonnenstrahlen ihr Licht senden. Wir müssen daraus schließen, daß die Existenz der Tiere allerdings nicht vom Sonnenlicht abhängig ist, während die Existenz der Pflanzen es ist. Dieses deutet auf ein bestimmtes einseitiges Verhältnis des Lichtes zu den Lebensbedingungen dieser beiden großen Klassen von Lebewesen hin. Tatsächlich erweist sich dieser Unterschied als ganz wesentlich für das Verständnis des gesamten Lebens überhaupt.

So wenden wir uns denn einer genauen Untersuchung der Lebenserscheinungen zu und orientieren uns von vornherein über die Hauptfragen hierbei.

Da bei dem Wachsen einer Pflanze, wie bekannt, die Stoffe, die sich in der Erde, dem Wasser, der Luft befinden, in Stoffe des Pflanzenkörpers übergehen und dabei eine ganz andere Beschaffenheit annehmen, so haben wir gemäß der Einteilung der Naturwissenschaften es hier mit chemischen Vorgängen zu tun. Denn unter chemischen Vorgängen verstehen wir solche, bei denen gewisse Stoffe verschwinden und andere mit anderen Eigenschaften an ihrer Stelle auftreten. Chemische Vorgänge sind vielfach bekannt. Die Verbrennung des Holzes und der Steinkohle, das Rosten des Eisens, das Sauerwerden des Weines und Bieres und all die anderen zahllosen und mannigfaltigen ähnlichen Veränderungen der wägbaren Stoffe, welche vor unseren Augen in unserer gesamten Umgebung unaufhörlich stattfinden, gehören sämtlich in diese Klasse von Naturerscheinungen.

 


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