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Dreizehntes Kapitel.

Andere Energiearten.

Setzen wir die Betrachtung der verschiedenen Energiearten fort, so werden wir uns zunächst ein wenig genauer die elektrische Energie ansehen. Sie spielt anscheinend im Leben der Tiere und Pflanzen keine besondere Rolle, wenigstens was ihre Menge betrifft; ihre allgemeine Bedeutung ist überhaupt erst in den letzten Jahrzehnten durch die Entwicklung der Elektrotechnik mehr in den Vordergrund getreten.

Die elektrische Energie ist eine Energieart, welche man leicht aus mechanischer oder chemischer, weniger leicht aus Wärmeenergie erzeugen und welche man in ganz besonders bequemer Weise an verschiedene Stellen leiten und dort wieder in andere Formen transformieren kann. Es ist bekannt, daß diese Leitung durch metallische Drähte, am besten von Kupfer, bewerkstelligt wird und daß man ungeheure Energiemengen mit verhältnismäßig dünnen Drähten übertragen kann, während beispielsweise die Übertragung von nur wenigen Pferdestärken von einem Motor auf eine Arbeitsmaschine mit Hilfe von Stangen, Seilen oder Riemen bereits ziemlich schwere Verbindungsstücke verlangt, kann man elektrische Energie von vielen hundert, ja tausend Pferdestärken mittels so dünner Drähte übertragen, daß sie verschwindend klein aussehen gegenüber den gewaltigen Energiemengen, welche sie führen.

Auch ist die Umwandlung der elektrischen Energie in andere Energieformen verhältnismäßig leicht und vollkommen auszuführen, besonders kann man mechanische Arbeit aus elektrischer Energie mittels des Elektromotors leicht und sehr vollkommen, d. h. mit sehr geringem Verlust (in Gestalt von Wärme) erzielen.

Von größter Wichtigkeit ist für uns endlich eine Energieform, die wir das Licht nennen. Früher wurde es als eine besondere Energieart, die strahlende Energie, angesehen. Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben indessen dazu geführt, daß wir das Licht gegenwärtig als eine elektromagnetische Erscheinung betrachten, also nicht als eine Energieart für sich, sondern als ein besonderes Produkt oder als eine besondere Erscheinungsform der elektrischen Energie, welche sich im Licht mit der magnetischen (einer Energieart, die der elektrischen zwar ähnlich, aber doch von ihr wesentlich verschieden ist) vereint. Ganz ebenso wie es sich z. B. beim Schall um eine gegenseitige Umwandlung der elastischen Energie der Luft und ihrer Bewegungsenergie handelt, ebenso handelt es sich beim Licht um eine wechselseitige Umwandlung von elektrischer und magnetischer Energie, die in außerordentlich kleinen Zwischenräumen und Zwischenzeiten gegeneinander erfolgt und von der dann die bekannte und charakteristische periodische Beschaffenheit des Lichtes herrührt. Wir brauchen uns an dieser Stelle weiter nicht in diese schwierigen und verwickelten Fragen zu vertiefen. Es genügt die Erkenntnis, daß das Licht zwar nicht eine eigene oder spezifische Form der Energie ist, daß wir es aber doch zweckmäßig als eine mit besonderen Eigenschaften ausgestattete und besonders leicht entstehende Energieart betrachten dürfen, wir können also das Licht ganz wohl wie eine eigene Energieart an dieser Stelle behandeln, da es sich nur um die allgemeinen Eigenschaften dieser besonderen Energiebetätigung und um ihre Umwandlungsverhältnisse handelt.

Hierbei ist es nun ganz wesentlich, daß die Lichtenergie sich mit einer außerordentlichen Geschwindigkeit durch den Raum bewegt. Man nennt sie deshalb auch allgemein strahlende Energie namentlich deshalb, weil Energie von ganz ähnlichen Eigenschaften, aber anderer Wellenlänge als die, welche wir als Licht empfinden, in reichlichster Menge vorkommt, ohne daß sie uns je als Licht zum Bewußtsein kommen. Denn unser Auge ist ein Apparat, der von der strahlenden Energie nur einen ganz bestimmten, verhältnismäßig kleinen Teil wahrnehmen kann, während die übrigen Arten der Strahlung von längerer oder kürzerer Wellenlänge zwar alle übrigen Eigenschaften des Lichtes oder der strahlenden Energie zeigen, nur die nicht, auf das Auge die bekannten Eindrücke hervorzubringen. Deshalb ist es zweckmäßiger, den allgemeinen Namen strahlende Energie statt des besonderen Namens des Lichtes für diese Erscheinung zu benutzen.

Was nun die besondere Bedeutung des Lichtes oder der strahlenden Energie für den hier betrachteten Kreis von Tatsachen ausmacht, ist der Umstand, daß nicht nur der gesamte Betrieb des Lebens, sondern überhaupt alle andern Geschehnisse auf der Erde durch die Wirkung der strahlenden Energie seitens der Sonne hervorgebracht werden. Die Erde besitzt so gut wie gar keine verwertbaren Vorräte an eigener Energie und wenn die Sonne etwa ein dunkler Körper wäre, so würde die Erde eine vollständig leblose Oberfläche ohne irgendwelches Geschehen aufweisen. Die Wirkung der Sonnenstrahlen auf die Erdoberfläche bringt tatsächlich alles das hervor, was gegenwärtig ihren Reiz und ihre Mannigfaltigkeit ausmacht.

Um zunächst die anorganischen Erscheinungen in Betracht zu ziehen, so sehen wir, wie durch die Erwärmung seitens der Sonnenstrahlen das Wasser sowohl der Weltmeere wie auch der einzelnen Flüsse und Bäche unaufhörlich in Dampf verwandelt wird. Es erhebt sich dann in Gasgestalt, weil es weniger dicht ist, als die atmosphärische Luft, bis zu großen Höhen. Dort wird es wiederum, weil die Temperatur dort sehr niedrig ist, zu flüssigem Wasser verdichtet, welches in Gestalt von Wolken sich in der Höhe anhäuft und bei dichtem Zusammentreten wiederum als Regen auf die Erdoberfläche herniederkommt. Hier verdunstet es unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen von neuem und so stellt sich ein beständiger Kreislauf heraus, der an die anderen periodischen Erscheinungen auf der Erdoberfläche und am Himmelsraum erinnert. Er ist aber von ihnen dadurch verschieden, daß er nicht selbsttätig fortbesteht, sondern seine Entwicklung und sein Bestehen durchaus dem dauernden Antrieb durch die Sonnenstrahlung verdankt. Würde nämlich die Erwärmung der Erdoberfläche durch die Sonne nicht stattfinden, so würde sich die Luft einfach entsprechend ihrer Temperatur mit Wasserdampf sättigen und es würde dann ein vollständig ruhiger, unveränderlicher Gleichgewichtszustand eintreten, in welchem gar nichts mehr geschehen würde.

Verbunden mit diesen einfachen Erscheinungen sind nun verwickeltere, die durch die Winde bewirkt werden. Die Winde ihrerseits werden wiederum von ungleichförmigen Erwärmungen der Luft durch die Sonnenstrahlung einerseits, von ungleichförmiger Vermischung der Luft mit Wasserdampf andererseits hervorgebracht. Hierdurch entstehen nämlich Druckverschiedenheiten an verschiedenen Stellen des Luftmeeres und der Ausgleich dieser Druckverschiedenheiten kann nicht erfolgen ohne eine entsprechende Massenbewegung der Luft, die wir eben als Wind, Sturm, Orkan je nach ihrer Geschwindigkeit bezeichnen. Also sehen wir, daß bereits die anorganischen, meteorologischen Erscheinungen durchaus und an jeder Stelle von der Sonne bedingt und unterhalten sind. Sie sind von der Sonne nicht ausschließlich bestimmt, weil die Schwere und auch die Umdrehung der Erde die Einzelheiten dieser Bewegungen gesetzmäßig beeinflussen, aber Schwere und Erdumdrehung würden nichts dazu tun können, solche Bewegungen hervorzubringen. Denn ihre Ursache ist ausschließlich die Sonnenstrahlung.

Fragen wir, wieso die Sonnenstrahlung dazu kommt, alle diese Dinge zu bewirken, so ist die Antwort die, daß sie eben eine Energie darstellt, welche durch ihre Umwandlung allerlei Arten Arbeit leisten kann. Die meisten derartigen Umwandlungen führen zur Wärme, und zwar zu Wärme hoher Temperatur, welche demgemäß zu anderen Umwandlungen besonders geeignet ist. Die oben erwähnten Kreislaufbewegungen des Wassers, die Goethe so anschaulich in seinem Gesang der Geister über den Wassern beschrieben hat:

Vom Himmel kommt es
Zum Himmel steigt es
Und wieder nieder
Zur Erde muß es
Ewig wechselnd.

könnten nicht stattfinden, wenn die Sonnenstrahlung sie nicht als treibende Energie unterhielte, ebenso wie der Gang der Uhr von der Wirkung der menschlichen Muskelenergie bedingt wird. Indem die Sonnenstrahlung dem Wasser die nötige Verdampfungswärme liefert, wandelt sie dieses in Dampf um, und indem sie die Luft an einzelnen Stellen stärker erwärmt, bewirkt sie die Druckverschiedenheiten, die im Wind und Sturm sich ausgleichen.

Eine andere, außerordentlich wichtige Wirkung der Sonnenstrahlung haben wir bereits kennen gelernt. Es ist die Förderung des Pflanzenwuchses. Es handelt sich hier wiederum um eine Energiezufuhr. Wenn wir die Pflanzenteile verbrennen, so entwickeln sich bedeutende Wärmemengen, wie ja bekannt ist. Es werden also bei der Verbrennung große Energiemengen frei. Da nun die Energie nicht aus nichts hervorgebracht werden kann, so bedürfen die Pflanzen, um aus dem Kohlendioxid, das sie aufnehmen, den Kohlenstoff und den Sauerstoff abzuspalten, wobei der Sauerstoff frei entlassen und der Kohlenstoff in organische Stoffe übergeführt wird, eines entsprechenden Arbeitsaufwandes, den sie nicht leisten können, wenn ihnen nicht eine entsprechende Energie irgendwie in anderer Gestalt dargeboten wird. Dieser Arbeitsaufwand wird eben aus der Sonnenstrahlung entnommen. Man darf somit nicht eigentlich sagen, die Pflanzen scheiden das Kohlendioxyd in freien Sauerstoff und in Kohlenstoffverbindungen, sondern man muß sagen, die strahlende Energie der Sonne zerlegt das Kohlendioxyd in seine beiden Elemente. Die Pflanzen spielen hierbei wiederum nur die Rollen von Maschinen, durch deren Hilfe gerade die besondere Art der Umwandlungen ermöglicht wird. Aber ebensowenig wie eine Maschine gehen kann, wenn man ihr nicht Energie zuführt, gleichgültig welche Art der Umwandlung sie bewirkt, so kann auch eine Pflanze ihre Funktionen nicht ausführen, wenn ihr nicht ständig Energie in Gestalt von Sonnenlicht zugeführt wird. Das ist die Ursache, weshalb die Pflanze für ihr Leben auf die Sonnenbestrahlung angewiesen ist und weshalb sie nicht gedeihen kann, falls sie keine Sonnenstrahlung aufnehmen, das heißt keine Betriebsenergie bekommen kann.

Bei den Tieren ist das wesentlich anders. Deren Betriebsenergie beruht auf der Verbrennung ihrer kohlenstoffhaltigen Nahrungsmittel mit Hilfe des freien Sauerstoffs der Luft. Sie haben also ihre Energiequelle in ihrem eigenen Körper, in den sie die Nahrung aufgenommen haben und bedürfen nur des Luftsauerstoffes zur geeigneten Verbrennung, um die gewünschten Energiemengen für Transformationszwecke in ihrem Körper zur Verfügung zu haben. Daher brauchen die Tiere das Sonnenlicht nicht als Energiequelle, sondern nur mittelbar für andere Lebensfunktionen. Daher ist es auch möglich, daß Tiere, wie bereits erwähnt wurde, ohne jede Mitwirkung des Sonnenlichtes leben können.

Sie könnten nicht leben, wenn nicht an den Orten, wo sie existieren, Energiequellen vorhanden wären, die ihnen die notwendige Energie in chemischer Gestalt gäben. Es sind das entweder andere Tiere oder aber es sind organische Stoffe, die auf irgendeine Weise in jene lichtlosen Gebiete hineingelangen. Meist werden sie wohl durch Wasser hineingeschwemmt. Auf Kosten solcher chemischer Energiequellen gelangen sie dann zu der Energie, die sie für ihren körperlichen Haushalt nötig haben.

Es sei indessen schon an dieser Stelle bemerkt, daß auch in den Pflanzen Lebensvorgänge stattfinden, welche denen in den Tieren vollkommen ähnlich sind, bei denen also kohlenstoffhaltige Stoffe mit Sauerstoff verbrennen und Kohlendioxyd bilden. Dies tritt unter anderem natürlich stets dann ein, wenn die Pflanze eben kein Licht aufnehmen und als chemische Energie aufspeichern kann, also z. B. bei Nacht. Nur ist dieser tierähnliche Energieverbrauch der Pflanze sehr viel geringer, als der spezifisch pflanzliche Vorgang der Aufspeicherung chemischer Energie durch Umwandlung von Sonnenstrahlung, so daß das Gesamtergebnis das oben angegebene ist.

Wir sehen also, daß diese besondere Energieart oder diese besondere Form der zusammengesetzten Energie, welche wir als strahlende Energie eben kennen gelernt haben, von den Formen, die wir bisher betrachtet haben, ungefähr die wichtigste ist, die es gibt, denn sie ist die primäre und ursprünglichste Quelle aller auf Erden betätigten Energie.

Die Frage, ob sich diese Energieart auch leicht in Wärme verwandeln läßt wie die anderen, ist schon früher berührt und bejahend beantwortet worden, wir brauchen nur einen Spaziergang im Sonnenschein zu machen, um uns davon zu überzeugen, wie groß die Wärmemengen sind, welche aus der strahlenden Energie entnommen werden.

Irrtümlicherweise hat man die strahlende Energie früher strahlende Wärme genannt, indem man sich vorstellte, daß sie als Wärme ausgestrahlt wird und als solche durch den Raum geht. Dies ist ganz unrichtig. Denn der Weltraum, durch welchen ja die Sonnenstrahlung nach allen Richtungen sich hindurch begibt, ist wie verschiedene übereinstimmende Messungen ergeben haben, außerordentlich kalt. Seine Temperatur befindet sich in der Nähe des absoluten Nullpunktes. Erst wenn die strahlende Energie auf Körper fällt, wird sie aufgenommen und in Wärme umgewandelt, wozu namentlich dunkelgefärbte schwarze und rauhe Körper besonders fähig sind. Solche Körper sind also für die strahlende Energie die geeigneten Umwandlungsmaschinen zur Umwandlung in Wärme.

Man kann sich auch selbst leicht durch einen kleinen Versuch von diesem Tatbestände überzeugen, wenn man mit Hilfe eines Brennglases die strahlende Energie der Sonne sammelt, so erhält man im Brennpunkt eine so hohe Temperatur, daß dunkelgefärbte Gegenstände sich darin zum Brennen entflammen können. Das Brennglas bleibt dabei, obwohl diese ganze große Energiemenge hindurchgegangen ist, ebenso kühl wie die Luft, in der es sich befindet. Es leitet also keine Wärme durch sich, sondern eben strahlende Energie, die keine Wärme ist. Der Name strahlende Wärme ist somit ebenso unrichtig, als wollte man die chemische Energie chemische Wärme oder die elektrische Energie elektrische Wärme nennen. Die Wärme hat ganz andere Eigenschaften, als die Strahlung; insbesondere schreitet sie nur sehr langsam durch Körper vorwärts, während die Strahlung die höchste Geschwindigkeit hat, welche wir als physische Tatsache kennen, nämlich 3 x 10 10 cm in der Sekunde. Auch sind die Gesetze dieser Bewegung, der Wärmeleitung ganz andere, als die der Strahlung. Man hat seinerzeit in der Tatsache, daß man die Sonnenstrahlen durch eine aus klarem Eis gefertigte Sammellinse ebenso wie durch ein Brennglas konzentrieren und etwa zur Entzündung von Zunder oder anderen brennbaren Stoffen benutzen kann, eine unerklärbare Sonderbarkeit gesehen. Sie beruht einfach darauf, daß das klare Eis nicht die Eigenschaft hat, Strahlung in Wärme zu verwandeln, während der Zunder diese Eigenschaft in hohem Grade besitzt.

 


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