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Achtes Kapitel.

Die Verbrennung des Kohlenstoffes im Lebewesen.

Wir wollen nun einer gegebenen Menge Kohlenstoff auf ihrem Wege durch den Tier- und Pflanzenkörper, sowie durch die atmosphärische Luft folgen, wir nehmen an, daß wir eine gewisse Menge von einem Pflanzenstoff, etwa Zucker oder Öl, haben, der dann von einem Tiere als Nahrung aufgenommen wird. Das Tier ist beständig wärmer als seine Umgebung. Bei Warmblütern, Säugetieren und Vögeln, ist das in einem sehr hohen Maße der Fall, aber auch die sogenannten Kaltblüter zeigen immer eine Temperatur, die um einige Grade höher ist, als die ihrer Umgebung von Luft oder Wasser, in der sie leben, Stellt man sich die Frage, woher diese Wärme kommen mag, so liegt die Vermutung nahe genug, daß es sich um einen Verbrennungsvorgang handelt, durch den die Wärme gebildet wird, gerade ebenso wie wir durch Verbrennen von Pflanzenkörpern, dem Holz der gegenwärtig lebenden Pflanzen oder den Überresten vorweltlicher Pflanzen, wie sie in der Braunkohle und Steinkohle vorhanden sind, Wärme erzeugen. Wenn wir solche Pflanzenkörper im Ofen verbrennen, so entwickeln sich entsprechende Wärmemengen, die um so größer sind, je größere Mengen dieser Stoffe hier verbrennen. Wir können also den Körper der Tiere als eine Art Ofen betrachten. Wir finden eine weitere Ähnlichkeit mit einem Ofen darin, daß die Kohle oder das Holz im Ofen nicht brennen will, wenn keine Luft hinzutreten kann. Ebenso können Tiere und Menschen nicht leben, wenn ihnen die Luft abgeschnitten wird. Man überzeugt sich durch entsprechende Versuche leicht, daß es sich nur um den Sauerstoffgehalt der Luft handelt, nicht um den Stickstoff, der beigemischt ist. Die Notwendigkeit der Luft, d. h. des Sauerstoffs, ist so groß, daß die meisten Tiere auch nur wenige Minuten hindurch den Mangel an Luft nicht ertragen können, ohne zugrunde zu gehen.

Natürlich ist die Ähnlichkeit, so groß sie ist, nach kein Beweis. Wir haben aber die Mittel an der Hand, den Beweis tatsächlich zu führen. Welche Stoffe entstehen bei der Verbrennung des Öls oder des Zuckers oder ähnlicher Pflanzenkörper? Wir wissen es bereits aus den einfachen Versuchen, die früher beschrieben worden sind, daß Wasser in Gestalt von Wasserdampf entsteht und außerdem gasförmiges Kohlendioxid. Wir wiederholen nun genau dieselben Versuche mit der Luft, welche wir aus unseren Lungen ausatmen. Wir hauchen in ein kaltes trockenes Glas hinein. Jedermann weiß, daß aus dem Hauch ein Beschlag von Wassertröpfchen sich an dem Glase bildet, der ebenso aussieht, wie der Beschlag von Wassertröpfchen, welcher dadurch entsteht, daß man eine Flamme einer Kerze oder eines ähnlichen Stoffes in das Glas hineinhält. Ferner müssen wir nachsehen, ob sich Kohlendioxyd in der Luft befindet, welche wir ausatmen. Zu diesem Zwecke blasen wir vermittels einer Röhre die Luft aus unseren Lungen in ein Glas mit Kalkwasser hinein und wir beobachten in der Tat, daß, in wenigen Augenblicken das Wasser die wohlbekannte weiße Trübung annimmt, daß also die Reaktion oder das Erkennungszeichen des Kohlendioxyd auch der Atemluft eigen ist. Wir überzeugen uns derart, daß wirklich die Ähnlichkeit zwischen der Verbrennung solcher Stoffe etwa in einem Ofen und zwischen dem Vorgang, der in unserm Körper vor sich geht, nach allen Richtungen vorhanden ist. Sowohl die Wärmeentwicklung läßt sich nachweisen, wie auch die Entstehung der Verbrennungsprodukte.

Nur in einer Beziehung besteht ein sehr großer Unterschied, während die Temperatur im Ofen sehr hoch ist (800-1000°), so ist die Temperatur im Körper des Menschen und des Tieres nur niedrig, bis etwa 36°; je nach der Natur des betreffenden Geschöpfes, und wir erreichen jedenfalls bei weitem nicht die hohen Temperaturen, bei welchen Öl oder Holz oder ähnliche Stoffe anfangen zu brennen. Wir haben also im tierischen Körper die Tatsache einer Verbrennung bei niedriger Temperatur vor uns und diese Tatsache ist das letzte Hindernis, um die Theorie der Verbrennung für die Vorgänge, welche im tierischen Körper stattfinden, ohne weiters anzunehmen.

In der Tat hat die Aufklärung dieser Tatsache noch eine sehr lange und schwierige Arbeit beansprucht, nachdem man schon längst in bezug auf die Hauptsache im klaren gewesen war. Erst in den letzten Jahrzehnten ist die Forschung soweit gekommen, daß sie wissenschaftliche Klarheit darüber gewonnen und im einzelnen nachgewiesen hat, wie solche chemische Vorgänge, die gewöhnlich nur bei hoher Temperatur schnell genug stattfinden, doch bei niedriger auch verlaufen können, ohne daß man auch nur an einer einzigen Stelle eine höhere Temperatur nachweisen kann.

Wir können uns auf die Einzelheiten dieser merkwürdigen Vorgänge an dieser Stelle nicht einlassen. Ich will nur auf eine wohlbekannte Tatsache hinweisen, welche ein Beispiel für einen derartigen Vorgang gibt. Jedermann weiß, daß wenn Leuchtgas aus dem Brenner strömt, ohne daß man eine Flamme daranhält, dieses Leuchtgas sich mit der Luft vermischt, ohne sich zu entzünden, obwohl es ja in der Luft brennbar ist. Es sind also die chemischen Bedingungen einer Verbrennung vorhanden, ohne daß sie eintritt. Ebensowenig entzünden sich ja auch die anderen brennbaren Stoffe, Öl, Weingeist, Steinöl oder Holz an der Luft, obwohl sie brennbar sind. Alle diese Stoffe verbrennen nur, wenn sie sich bei hoher Temperatur befinden. Dazu ist nur nötig, daß einige Teile von ihnen auf irgendeine Weise, etwa durch die Flamme eines Zündhölzchens erwärmt werden. Dann entsteht nämlich durch die Verbrennung selbst so viel Wärme, daß auch die angrenzenden Teile bis auf die »Entzündungstemperatur«, d. h. die Temperatur gelangen, bei welcher sich der chemische Vorgang der Verbindung mit Sauerstoff schnell genug fortsetzt, um sich dauernd im Gange zu halten. Wird dagegen die Stelle soweit abgekühlt, daß die Geschwindigkeit des Verbindungsvorganges zu klein wird, so hört diese selbsttätige Fortsetzung auf und der brennende Körper »erlischt«. Hierauf beruht alles Auslöschen, sei es durch Wasser, sei es durch Ausblasen.

Nun lassen wir aber Leuchtgas in die Luft ausströmen und halten eine sogenannte Zündpille hinein, wie man sie benutzt, um ein selbsttätiges Anzünden des Gases an einem unbequem erreichbaren Brenner hervorzubringen. Sobald das Gas mit der Zündpille in Berührung kommt, wird sie glühend und das Gas entzündet sich alsbald an diesem glühenden Körper. Wir haben hier also die Tatsache, daß das Leuchtgas, welches für sich mit Luft gemischt nicht brennt, doch verbrennt und die Zündpille erhitzt, wenn es mit dieser in Berührung kommt. Die Zündpille enthält nämlich eine kleine Menge von dem Metall Platin und dieses Metall hat die Eigenschaft, daß es die Verbrennung des Gases mit der Luft, welche sonst erst bei hoher Temperatur stattfindet, schon bei gewöhnlicher Temperatur in Gang bringen kann.

Dies ist keineswegs das einzige Beispiel für diese merkwürdigen Erscheinungen, vielmehr ist, wie sich erst in neuerer Zeit herausgestellt hat, die ganze Chemie erfüllt von derartigen Vorgängen, bei denen durch die Gegenwart eines fremden Stoffes der chemische Verbindungsvorgang zwischen gegebenen Stoffen beschleunigt wird, die zwar sich verbinden können, es aber erst bei höherer Temperatur in sichtbarer Weise tun. Die Aufklärung dieser Tatsachen beruht darauf, daß jene Verbindungsvorgänge, also auch die Verbrennung, bei gewöhnlicher Temperatur tatsächlich stattfinden, aber in so außerordentlich geringem Maße, daß es vollkommen unmöglich ist, mit den gegenwärtigen Hilfsmitteln in absehbarer Zeit irgendwelche Produkte dieser Vorgänge zu sammeln. Erhöht man die Temperatur stufenweise, so kommt man in Gebiete, bei welchen man zwar mit bloßem Auge und ohne besondere Hilfsmittel nichts Besonderes sehen kann, wo man aber durch feinere chemische Hilfsmittel schon erkennen kann, daß die Verbrennung vor sich geht. Und je höher die Temperatur steigt, um so schneller werden solche Vorgänge, bis sie schließlich mit einer solchen Schnelligkeit erfolgen, daß man ohne weitere Maßnahmen mit bloßem Auge durch die entstehende Flamme und die örtliche starke Temperaturerhöhung erkennen kann, daß tatsächlich die Verbindung stattfindet, solche Stoffe wie das Platin in der Zündpille und die anderen ähnlich wirkenden haben die besondere Eigenschaft, daß sie gewisse Vorgänge, welche an und für sich stattfinden können und auch tatsächlich stattfinden, nur mit außerordentlicher Langsamkeit, sehr stark beschleunigen und dadurch bei niedriger Temperatur Vorgänge hervorbringen, wie sie sonst erst bei viel höheren Temperaturen eintreten würden.

Solche Stoffe heißen Katalysatoren. Sie wirken auf die chemischen Vorgänge ungefähr so, wie das Öl auf eine Maschine, deren Teile rauh sind und stark aneinander reiben. Während die Maschine bei gegebener Kraft nicht von der Stelle gehen will, solange dieser Zustand besteht, wird sie sofort beweglich, sobald man die rauhen Teile mit Öl glättet und dadurch die Geschwindigkeit der Bewegung erhöht. Es ist wichtig, daß man auch bei den Katalysatoren diesen Gesichtspunkt festhalten kann. Denn sie haben niemals die Eigenschaft Vorgänge zu ermöglichen, die an und für sich nicht stattfinden könnten, sondern sie haben immer nur die Eigenschaft, daß sie an und für sich mögliche und wirkliche Vorgänge auf ein anderes Tempo bringen, daß sie sozusagen das Pendel ihrer Uhr in mehr oder weniger starkem Maße verkürzen oder unter Umständen wohl auch verlängern. Der Körper des Menschen und der Tiere und, wie wir gleich hinzufügen können, auch der Körper der Pflanzen, bildet nun eine große Menge derartiger katalytischer Stoffe. Insbesondere befinden sich in allen Geweben der Tiere solche Stoffe, die die Nahrungsmittel, die durch die Lymphe und das Blut in alle Provinzen des Körpers getragen werden, mit dem vorhandenen Sauerstoff verbinden und sie dadurch verbrennen.

Es findet also wirklich im Innern des Körpers ein Verbrennungsvorgang statt, der sämtliche Eigenschaften eines gewöhnlichen Verbrennungsvorganges besitzt, nur daß durch die Hilfe der Katalysatoren die Verbrennung, anstatt bei 800 und mehr Grad einzutreten, schon bei der Temperatur des Körpers eintritt.

Aber auch hier geschieht die Verbrennung um so schneller, je höher die Temperatur ist und je starker die Katalysatoren wirken. So rühren beispielsweise die hohen Temperaturen im Fieber daher, daß der Mensch in diesem Zustande mehr van seinen Stoffen verbrennt, als im normalen Zustande. Dadurch steigt einerseits die Temperatur und findet andererseits die wohlbekannte Schwächung und Erschöpfung des fieberkranken Organismus infolge des übernormal gesteigerten Verbrauches statt.

 


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