Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstes Kapitel.

Sauerstoff.

Von diesen unzerlegbaren Stoffen oder Elementen interessieren uns für unsere Frage nur einige wenige. Vor allen Dingen der Sauerstoff, den wir vorher als Bestandteil der atmosphärischen Luft kennen gelernt haben als denjenigen Anteil dieses weitverbreiteten Gases, von welchem die Verbrennungen abhängen.

Fig. 4.

In der Tat sind die Verbrennungen nichts anderes als Verbindungen mit dem Sauerstoff. Auch im reinen Zustande haben wir den Sauerstoff bei den wenigen Versuchen, die beschrieben worden sind, bereits kennen gelernt. Bei der Erhitzung des Kaliumchlorats entwickelte sich ein Gas, welches die Verbrennung besonders lebhaft unterhielt. Dieses Gas ist eben der reine Sauerstoff. Er gleicht dem äußeren Aussehen nach durchaus der atmosphärischen Luft, von welcher er ja einen Bestandteil, etwa 1/5 dem Raume nach bildet, ist geruchlos und geschmacklos wie die atmosphärische Luft, unterscheidet sich von dieser aber durch die geschilderte lebhaftere Verbrennungserscheinung, die man auch an vielen andern Stoffen kennen lernen kann.

Von allen existierenden Elementen ist der Sauerstoff bei weitem das wichtigste. Einmal deshalb, weil er von allen am reichlichsten in der Natur vorkommt; er bildet dem Gewichte nach mehr als die Hälfte der uns bekannten Erdrinde. Allerdings ist nur ein Teil des Sauerstoffs im elementaren Zustande als Sauerstoffgas vorhanden; wir wissen bereits, daß dieser Teil sich in der Lufthülle des Erdballes befindet und von dieser etwa den fünften Teil ausmacht. Der andere Teil des Sauerstoffs ist in Gestalt seiner Verbindungen vorhanden, d. h. als Bestandteil anderer Stoffe, die man in Sauerstoff und andere Elemente zerlegen kann. Von diesen Verbindungen des Sauerstoffs haben wir bereits zwei kennen gelernt, nämlich das Wasserund das Kohlendioxyd. Beide entstanden bei der Verbrennung verschiedener Stoffe an der Luft. Da wir wissen, daß eine Verbrennung in der Verbindung mit Sauerstoff besteht, so folgt unmittelbar, daß, die Produkte der Verbrennung Sauerstoff enthalten müssen.

Nun hat das Wasser, das bei gewöhnlicher Temperatur flüssig und unterhalb 0° fest ist, keine Ähnlichkeit mit dem Sauerstoff, der unter diesen Umständen ein Gas ist und erst bei sehr niedriger Temperatur in den flüssigen und festen Zustand überzugehen vermag. Wenn wir also sagen, im Wasser sei Sauerstoff enthalten, so heißt dies nicht, daß wir den bekannten gasförmigen Sauerstoff darin finden, etwa wie die Nuß in der Schale, sondern etwas anderes, was wir genauer aussprechen müssen, damit dieses vielgebrauchte Wort einen bestimmten Sinn erhält. Es heißt, daß man einerseits niemals Wasser herstellen kann, ohne daß dazu Sauerstoff verwendet wird, und daß man andererseits aus allem Wasser Sauerstoff herstellen kann, z. B. indem man es durch den elektrischen Strom zersetzt. Um einen Vergleich zu machen, ist der Sauerstoff im Wasser enthalten, wie der Ton in der Orgel oder das Feuer im Zündhölzchen: man kann beide jederzeit daraus erhalten oder herstellen, sie haben aber selbst nicht die Eigenschaften des Produktes. Allerdings hinkt dieser Vergleich nach der anderen Seite, denn aus Tönen kann man nicht eine Orgel oder aus Feuer ein Zündhölzchen herstellen, wohl aber aus Sauerstoff Wasser oder andere Sauerstoffverbindungen.

Der unverbundene oder elementare Sauerstoff ist in der Luft in unbegrenzten Mengen vorhanden und hat deshalb keinen Handelswert, weil jedermann soviel davon nehmen kann, als er will. Reinen, d. h. nicht mit Stickstoff vermischten Sauerstoff dagegen muß man kaufen, denn es kostet Arbeit, ihn vom Stickstoff zu trennen, und diese Arbeit läßt sich nicht aus nichts schaffen. Um solchen Sauerstoff herzustellen, kühlt man die Luft sehr stark ab, wodurch sie flüssig wird. Da aber der Sauerstoff sich eher verflüssigen läßt, als der Stickstoff, so liegt darin ein Mittel, beide zu trennen. Es handelt sich hierbei nicht um eine chemische Scheidung, denn Stickstoff und Sauerstoff sind in der Luft nur miteinander gemischt oder nach wissenschaftlicher Sprache ineinander gelöst.

Um den gasförmigen Sauerstoff, von dem ein Liter unter gewöhnlichen Verhältnissen nur etwas über ein Gramm wiegt, bequemer transportieren zu können, pumpt man ihn in stählerne Flaschen, die einen starken Druck aushalten können, so kann man ihn etwa auf die hundertfache Dichte bringen. Er wird aber dabei nicht flüssig; hierzu gehört eine sehr niedrige Temperatur, die unter 180° unter dem Eispunkt liegt. Flüssiger Sauerstoff ist eine bläulich durchsichtige, leichtbewegliche Flüssigkeit. Um sie einige Zeit aufheben zu können, bewahrt man sie in Gefäßen mit doppelten Glaswänden auf, zwischen denen der Raum sehr sorgfältig luftleer gepumpt ist. Dadurch wird nämlich die Wärmeleitung fast völlig aufgehoben und man kann den flüssigen Sauerstoff einige Zeit aufbewahren, bevor er sich wieder in Gas verwandelt oder »verdampft«.

Fig. 5.

Man benutzt den reinen Sauerstoff hauptsächlich, um damit Flammen von sehr hoher Temperatur zu erzeugen, mittels deren man z. B. dicke Eisenplatten leicht und schnell zerschneiden, d. h. eigentlich durchbrennen kann. Auch wenn es sich um die Wiederbelebung Erstickter handelt, führt man reinen Sauerstoff in die Lungen, denn die Erstickung beruht darauf, daß dem Lebewesen die Luft, d. h. deren Sauerstoff durch irgendeinen Umstand unzugänglich gemacht worden ist, und die entstandenen Folgen lassen sich am schnellsten durch die Einführung reinen Sauerstoffs beseitigen, falls überhaupt noch Leben vorhanden ist.

Die Verbindungen des Sauerstoffs heißen allgemein Oxyde, von dem wissenschaftlichen Namen des Sauerstoffs Oxygenium. Demgemäß müßte Wasser eigentlich Wasserstoffoxyd heißen. Da man aber das Wasser gekannt hat, lange bevor man etwas von seiner Zusammensetzung aus Sauerstoff und Wasserstoff wußte, so hatte es längst seinen eigenen Namen, als am Ende des achtzehnten Jahrhunderts diese Entdeckung gemacht wurde. Man hat umgekehrt das zweite im Wasser enthaltene Element nach der Verbindung getauft, indem man es Wasserstoff genannt hat. Man Kann nicht in Abrede stellen, daß diese Bezeichnung nicht richtig oder zweckmäßig war, da hier der allgemeine Grundsatz der chemischen Namengebung, die Namen der Verbindungen aus denen der Elemente abzuleiten, gerade umgekehrt worden ist.

Die Verbindung des Sauerstoffs mit dem Kohlenstoff heißt dagegen richtig Kohlendioxyd. Die Frage, warum man den Stoff nicht einfach Kohlenoxyd nennt, ist dahin zu beantworten, daß es zwei verschiedene Verbindungen aus beiden Elementen gibt, eine mit weniger Sauerstoff, die Kohlenoxyd heißt, und eine mit mehr Sauerstoff (die, welche wir nach ihrer Reaktion mit Kalkwasser kennen gelernt), die zum Unterschied den Namen Kohlendioxyd erhalten hat; di ist das griechische Zahlwort für zwei.

 


 << zurück weiter >>