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Schluß

Alle Einwohner des alten Hauses in Darnówka waren im Speisezimmer versammelt. Der strömende Regen hatte auch die Männer vom Felde unter das schützende Dach getrieben. Trotz des Regens jedoch war Domunt von Casimirówka hergekommen mit der Nachricht, die Maurer hätten ihre Arbeit beendet, und es fehle an Holz zu den Fußböden. Irene stellte eine Tasse Kaffee vor Frau Pauline, die, später als die Anderen aufstehend, um diese Zeit zu frühstücken pflegte, und ging dann, einen Imbiß für Herrn Romuald und den etwas durchnäßten Gast zu holen. Stephan sprach mit Casio und in einer Ecke des Zimmers saß Bronia mit einem Buche. Von Zeit zu Zeit jedoch blickte sie von demselben auf, um sich mit Czuwaj zu unterhalten und ihm vorzuwerfen, es sei doch eine Schande, daß solch ein großer, kluger, guter Hund nicht sprechen könne.

»Wenn Swój sprechen kann, solltest Du es auch können.«

Frau Pauline, die bereits bei ihrer Spitzenklöppelei saß, unterbrach die Unterhaltung der Männer, indem sie sich nach Roman erkundigte:

»Wo ist Romek? Schläft er noch? Um die Stunde pflegt er mir sonst beim Frühstück Gesellschaft zu leisten.«

Möglich, daß er noch schlief, denn als Stephan um die fünfte Morgenstunde aufs Feld ging, hatte er durch eine Thürspalte Licht in Roman's Zimmer gesehen. Krank war er jedoch nicht, sondern mußte wohl die Nacht hindurch geschrieben haben, da er vor dem Schlafengehen bei Stephan gewesen und ihn um Briefcouverts verschiedener Größe ersucht hatte.

Irene trat ins Zimmer, stellte eine kleine Platte mit Brot, Käse und Rauchfleisch vor Herrn Romuald hin, nahm die neben dem Samowar liegenden Schlüssel und ging hinaus.

Der Regen wurde immer heftiger. Er klopfte an die Scheiben und floß stromweise an ihnen entlang. In der Stille, die nur durch das Geräusch unterbrochen wurde, welches Bronia mit dem Umwenden der Blätter ihres Buches verursachte, vernahm man plötzlich rasche Schritte.

»Romek kommt!« rief die Kleine.

Roman trat herein, näherte sich dem Tische, küßte der Tante die Hand, dem Onkel den Arm und begrüßte Stephan und Domunt mit herzlichem Händedruck.

»Guten Tag, guten Tag!« rief Bronia aus ihrer Ecke.

»Guten Tag, Mäuschen,« antwortete er.

»Und auch für Czuwaj einen guten Tag?«

»Selbstredend, da er doch Dein Liebling ist.«

Roman schien heiter; in der Hand hielt er mehrere Couverts verschiedener Form und Größe. Seine Augen leuchteten in ungewohntem Glanz; der Schnurrbart war ein wenig keck in die Höhe gedreht, und um die frischen Lippen lagerte ein fröhliches Lächeln. Nachdem er sich gesetzt, begann er, an Herrn Romuald sich wendend, zu sprechen:

»Ich habe eine große Bitte an Dich, Onkel, und auch an die Tante und Stephan. Gestattet mir, meine Lieben, meinen Aufenthalt in Darnówka zu verlängern, bis ich einen Ort gefunden, wo ich mein Zelt aufschlagen kann, um meine Penaten in demselben unterzubringen.«

»So hast Du Dich doch entschlossen!« rief Domunt.

»Ja,« antwortete Roman, »und ich habe schon überall hin geschrieben, wo dies erforderlich war.«

Herr Romuald erhob sich, beide Hände auf den Tisch stützend, langsam von seinem Sitze. Seine feurigen Augen waren unverwandt auf das Antlitz seines Neffen gerichtet. Plötzlich rief er lachend:

»Hast auch 'n Sparren g'kriegt, was? Nun, was kann man –«

Das Wort blieb ihm in der Kehle stecken und er wandte sich zum Fenster, um die Thränen, die sein Auge umflorten, zu verbergen.

»Nur muß ich einen geeigneten Platz finden, wo ich meine Werkstätte aufschlagen kann,« sagte Roman.

Stephan streckte ihm die Hand entgegen.

»Wir werden zusammen danach suchen, mein Bruder.«

»Mein Romek,« rief, ihre mageren Hände faltend, Frau Pauline kläglichen Tones, »wer hätte das gedacht! Ach, ach, ach! Du, solch ein Weltmann, lebtest so bequem und hattest so großartige Aussichten! – Und nun, ach, ach, ach! Wirst Du in irgend ein Loch Dich einpferchen, und gebe Gott, daß Du wenigstens ein genügendes Stückchen Brot findest. Obgleich, andererseits haben wir Dich so lieb und für uns ist es solch eine Freude, und wenn man im Kreise von Menschen lebt, die einem so von Herzen gut sind und befolgt Gottes Gebote –«

Ihre weiteren Worte verhallten ungehört. Mit einem lauten Freudenausbruche hatte Bronia beide Arme um den Hals des Australiers geschlungen und zwei weithin schallende Küsse auf dessen Wangen gedrückt.

»Czuwaj,« rief sie, den Hund mit Gewalt ihrem Cousin zuführend, »dank' diesem Herrn – komm' her und danke ihm! – Ich bin ja so froh – nun, Czuwaj, hörst Du? So leck' ihm doch die Hand!«

Als sie jedoch die in diesem Augenblicke eintretende Irene erblickte, ließ sie den Hund los und sprang auf das junge Mädchen zu.

»Irus! Weißt Du es schon? Eine Neuigkeit! Eine große Neuigkeit! Aber ich sage sie nicht! Du mußt rathen!«

Irene warf einen Blick auf die Versammelten. Sie errieth sofort, was das glückliche Lächeln auf Aller Züge gezaubert hatte, und stand nun da, die Arme an ihrer carrirten Schürze hinabgleiten lassend, in ihrer stillen Weise, nicht verwundert, sondern eher geblendet.

Roman näherte sich ihr raschen Schrittes, übergab ihr die Briefe, die er in der Hand hielt und sagte mit leise zitternder Stimme:

»Schicke das zur Post –«

Und ihre beiden Hände ergreifend, fügte er hinzu:

»Nicht ich, nicht mein, nicht mir, nicht für mich –«

Er blickte in ihr glückstrahlendes, bis an die Wurzeln der rabenschwarzen Haare erröthendes Antlitz und er dachte und empfand es in diesem Augenblicke mit voller Kraft, daß das ewige Erbarmen doch auf die von den schwersten Kämpfen geschlagenen Wunden einen lindernden, heilenden Balsam träufle. Und muthig ging er einem Leben entgegen, welches, obgleich schwer durch den Reichthum an idealen Gütern und durch die Liebe, die ihm aus den Augen dieser Frau entgegenleuchtete, nichtsdestoweniger ein glückliches werden sollte.

 

Ende.


 


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