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IV

Seit Roman ihn nicht gesehen, hatte Casimir Domunt sich sehr verändert. Vorerst war er mager geworden, aber so mager, daß es den Eindruck machte, als hinge sein schwarzer, sehr abgetragener Rock auf einem Kleiderständer. Die weiße Farbe seines Gesichtes und seiner Hände machte einen überzarten, ungesunden Eindruck. Das sehr helle Haar fiel ihm in die Stirn, welche hin und wieder nervös zuckte. Im Ganzen schien es, als ob unter der blassen Haut ein Netz überspannter, überreizter Saiten sich zöge.

Aber an dem offenherzigen Lächeln, dem Aufleuchten der blauen Augen, den lebhaften Bewegungen und dem kräftigen Händedruck erkannte man den alten Casio, der ein fröhlicher Bursche und guter Kamerad, ein wenig leichtsinnig und ein wenig schwärmerisch war, ein Zündholz, das zur hellen Flamme auflodern konnte, gleichviel, ob mit einer Sonne oder mit einer gewöhnlichen Talgkerze in Berührung gerathen. Er sprach rasch, fuhr sich häufig mit der Hand über die Stirn. Seine eleganten, obgleich manchmal nervösen und unsicheren Bewegungen verriethen, daß er vorwiegend in vornehmen Kreisen verkehrt hatte. Er nahm einen Stuhl, setzte sich Roman gegenüber und begann:

»Also, also – verreisest Du, um einen Posten anzutreten. Nun? Jeder versucht's, Jeder strebt nach etwas. Natürlich! Ist es weit von hier?«

»Drei Tagereisen.«

»Drei Tagereisen mit der Eisenbahn. Da kommt man ans Ende der Welt. Die Fahrt ist interessant, der Posten schön, ich gratulire, ich gratulire. An der Aufrichtigkeit meiner Wünsche zweifelst Du wohl nicht; sind wir doch alte Freunde. Und doch ist's vielleicht schade –«

Er hielt inne, ein wenig verwirrt.

»Was ist schade?«

»Nein, nichts, es entschlüpfte mir nur so. Jetzt, da wir uns wiedergefunden, möchte ich Dich natürlich nicht mehr aus den Augen verlieren, möchte Dich in der Nähe unseres kleinen Kreises behalten.«

Roman wurde plötzlich lebhaft und begann viel und rasch zu sprechen. In der Nähe von Darnówka zu bleiben sei eine Unmöglichkeit. Es thäte ihm selbst leid, aber was kann man thun? Gefühle und Nothwendigkeit gehen getrennte Wege. Die Hauptsache sei ein sicherer, materieller Boden unter den Füßen. Erst wenn man den besitzt, kann man seinem Leben eine beliebige Form verleihen. Die Civilisation mehrt die Bedürfnisse und Liebhabereien der Menschen ins Unendliche, und man kann unmöglich eine Regel für alle aufstellen. Was der Eine Wohlstand nennt, scheint dem Anderen Elend und wieder umgekehrt. Jeder wählt sich seinen Platz und die gesellschaftliche Hierarchie, die ihm zusagt. Auch muß man einen Strom, der über die Ufer seines engen Bettes hinausfließt, nicht künstlich eindämmen wollen. Sein Naß wird überall befruchtend wirken, denn wie in der Natur kein Atom der Materie verloren geht, so nützt auch die menschliche Kraft, in welcher Richtung sie immer angewendet wird. Plötzlich verstummte er, machte eine geringschätzende Bewegung mit der Hand, heftete den Blick auf den Boden und verfiel in tiefes Sinnen.

Domunt hatte ihm sehr aufmerksam zugehört; sein Haupt war gesenkt, mit einer nervösen Bewegung drehte er die Spitzen seines hellen Schnurrbärtchens. Nach einer Weile des Schweigens begann er ein wenig unsicher:

»Was die Möglichkeit des Bleibens anbetrifft, so würde sich eine solche vielleicht finden lassen. Es wäre nichts Glänzendes, das ist wahr. Aber diese weltvergessenen Winkel bedürfen dringend gebildeter Menschen.«

»Aber,« protestirte Roman, »was hätten die hier zu thun?«

»Das werde ich Dir nicht auseinandersetzen,« erwiderte Domunt mit Lebhaftigkeit. »Erstens bin ich selbst mit den Verhältnissen noch nicht genügend bekannt, zweitens –«

Er hielt zögernd inne.

»Zweitens wirst Du wohl nicht die Absicht haben, Dich in irgend einem Loche niederzulassen, außer Du würdest, so wie ich, durch gehörige Stockprügel dahin getrieben!«

Roman war so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er keine unmittelbare Erwiderung gab. Rasch und viel sprach er von der Enge der Lebensbedingungen und von der geistigen Finsterniß, die in solchen Winkeln herrsche. Ein gebildeter Mensch kann sich damit nicht befreunden, und thut er es, so leidet er Einbuße an dem Werthe, den ihm die Bildung verleiht. Wer in eine niedrigere Lebenssphäre tritt als diejenige, in der er frei athmet, muß kleiner werden; er verliert die Theilnahme für das Allgemeine und hört schließlich auf, seine Ziffer zur Summe des menschlichen Fortschrittes zuzuschreiben. Es ist ein stufenweises, aber nicht zu verhinderndes Dahinschwinden, was doch unmöglich erwünscht sein kann. Außer diesen allgemeinen, existiren aber auch individuelle Ursachen. Jedes Einzelwesen hat das Recht, ja fast die Pflicht, nach Glück zu streben und dasselbe mit Hilfe aller rechtschaffenen Mittel erkämpfen zu wollen. Wer am Ende eines Pfades eine dunkle Höhle, und am Ende des anderen einen blumenbedeckten Hügel erblickt, wird den Weg zum Hügel einschlagen; und da ihm das Recht der Wahl zusteht, unbedingt richtig handeln. Wird doch die kleine Summe seiner Zufriedenheit zur Vermehrung der allgemeinen Summe menschlichen Glückes beitragen. Es ist nicht zu leugnen, daß die Welt heute zu sehr der Jagd nach Geld und Genuß obliegt, aber anerkennen muß man, daß dieses Streben vieles zuwege gebracht hat. Wenn man auch den Strömungen der Zeit nicht blind huldigt, kann man ihnen doch nicht straflos entgegentreten. Sie vernichten ihre Widersacher, und wer nicht für sie, der ist gegen sie.

Er sprach mit solchem Eifer, als müsse er seine These vor gleich eifrigen Gegnern vertheidigen. Indessen hörte sein Gegenüber schweigend zu.

Als Roman ermüdet und athemlos innehielt, begann Domunt:

»Mein Lieber, alles, was Du da gesagt hast, lasse ich unerwidert. Ich habe kein Recht, jemanden einen Rath zu ertheilen. Mein erster Versuch mißlang, den zweiten beginne ich erst. Versuche Du ebenfalls. Handle wie Deine Bedürfnisse und Theorien es Dir eingeben. Diesmal scheint mir, sind die Bedürfnisse die Mütter der Theorien. Aber das ist nicht meine Sache. Mir steht das Recht des Urtheilens nicht zu. Wer selbst vor Gericht gestanden –«

Ein eigenthümliches Lächeln, als schlucke er etwas Bitteres hinunter, verzerrte seine Züge. Unter der bleichen Gesichtshaut zuckten seine Nerven.

»Eines jedoch will ich, muß ich Dir sagen.« Er sprang empor und legte beide Hände auf die Schultern des einstigen Freundes. »Erbarme Dich, Roman, und mäßige Dich in dem Tanze, der schon in der Wüste Ursache war, daß die Juden von giftigen Schlangen befallen wurden.«

»In welchem Tanze?« fragte Roman ein wenig belustigt.

Doch das Lächeln verschwand von seinem Antlitze, angesichts der Veränderung, die mit Domunt vorgegangen war. Seine Gestalt erzitterte, wie von einem elektrischen Schlage berührt. Sein Antlitz wurde von einer Blutwelle überströmt und das Netz seiner überzarten Nerven zuckte. Schmerz und Hohn verzerrten seine Züge.

»Das heißt, mein Lieber, daß ich auf übereifrige Weise an diesem Tanze theilgenommen. Das goldene Kalb auf einem bis in die Wolken reichenden Sockel, Du verstehst doch? Ach, wie tanzte, hüpfte, raste ich um den Götzen herum! Ich war ein Diener in seinem Tempel, Du verstehst doch? Beamter und Mitinhaber eines bedeutenden, riesengroßen, finanziellen Unternehmens. Ich schmückte den Altar, feierte den Gottesdienst, machte Musik – Du verstehst doch? – auf einem Instrumente, auf dem es klang: Baisse, Hausse! Baisse, Hausse! Kann es Besseres geben? Das ist der kürzeste Weg zu einer Million, und eine Million ist doch die Summe persönlicher Zufriedenheit, welche zur Gesammtsumme des allgemeinen Glückes zugeschrieben wird. Ha, ha, ha! Der Teufel soll mich holen, wenn ich an das Allgemeine dachte, und – Du mußt mir schon verzeihen, Romek, wenn Du daran denkst! Aber das Meine glaubte ich schon in der Hand zu halten. Plötzlich: Krach, Krach, Krach! und alles stürzt zusammen! Was damals um mich, was in mir vorging! Du weißt es nicht? Um so besser! Ich kann Dir nur sagen, daß ich eine Last auf dem Gewissen fühle. Du verstehst nicht, was das heißt und Gott behüte Dich, daß Du es je begreifen solltest. Ich erzähle Dir das vielleicht ein anderesmal. Es waren fürchterliche Dinge.«

Er drückte beide Hände an die Stirn. Nach einer Weile richtete er sich empor und fuhr fort:

»Ich wurde freigesprochen. Freilich. Eine böswillige Absicht, selbst das klare Bewußtsein dessen, was ich gethan, konnte mir nicht bewiesen werden. Als Schuldloser verließ ich die Anklagebank, unschuldig erkannt angesichts des Meeres von Unglück, in welchem ich nach einer Million gefischt. Ich bin unschuldig, durch das Gesetz rehabilitirt, frei wie ein Vogel, aber im Grunde, in mir selber, vor meinem eigenen Urtheile, weißt Du, Romek, was nützen die Umschreibungen? bin ich ein Schurke, und mein Gewissen, meine Ehre, meine Erinnerungen sind befleckt! Wenn nicht Stephan lebte, ich wäre längst nicht mehr hier und wir würden uns höchstens in Josaphat's Thale wiedersehen! Aber Stephan hielt meine Hand zurück. Und weißt Du, was er mir in jenem Augenblicke sagte, der liebe Junge? Er sagte mir: »Du hast Deine Seele beschmutzt, so wasche sie wieder rein; Du hast gegen Gott, gegen die Erde, gegen die Menschen gesündigt, so büße dafür, tilge Deine Schuld, suche das Böse durch Gutes zu vergelten!« Ich verstand ihn, und es ist mein Glück, daß ich ihn verstand. Noch weiß ich nicht, wie das werden wird, aber ich will meine Seele rein waschen, meine Schuld tilgen, Gutes thun, nach Maß meines Könnens. Stephan bin ich unendlich dankbar, und nicht nur, weil ich am Leben blieb, aber weil er es mir ermöglicht hat, daß ich fortan rechtschaffen leben werde.«

Mit Interesse und Mitgefühl vernahm Roman die Mittheilungen seines Freundes und dachte dabei, Casio habe die Elasticität des Charakters, durch die er sich in früheren Jahren auszeichnete, auch jetzt nicht verloren. Vor einem Augenblicke voller Verzweiflung, lächelte er bereits und in seinen Augen leuchtete der Ausdruck von Hoffnung und Energie.

»Ich hoffe,« sagte er, »daß alles gut gehen wird, und daß ich es noch zu etwas bringe. Weiter, höher! Weiter, höher! Nicht auf dem bisherigen Wege, auf einem ganz anderen. Aber immer höher, immer weiter! Bleibst Du noch lange in Darnówka?«

Nach einer Weile des Schweigens erwiderte Roman ausweichend:

»Ich habe noch fast einen Monat freie Zeit. Und dann geht es in die Welt! Ja, ans Ende der Welt!«

Er entnahm dem auf dem Tische stehenden Blumenstrauß ein Zweiglein Heidekraut und betrachtete es, in Nachdenken versunken. Domunt, dessen Blick mit freundlichem Ausdrucke auf Roman ruhte, bemerkte scherzend:

»Du betrachtest das Zweiglein mit einer Aufmerksamkeit, als würdest Du dort etwas lesen wollen!«

Roman erhob das Haupt.

»Glaubst Du, Derartiges hätte keine Sprache? Es giebt keinen Gegenstand, auf dem nicht etwas geschrieben stände. Und da ich lange nicht hier war, betrachte ich alles und – lese!«

»Ich möchte wissen, was Du da herausliest?«

Mit einer hastigen Bewegung warf Roman die lilafarbene Blume auf den Tisch.

»Was? Vor allem dieses, daß der Mensch ein unlogisches, inconsequentes Geschöpf ist, als wäre er aus verschiedenen Wesen zusammengesetzt, die mit verschiedenen Sprachen reden, mit verschiedenen Herzen fühlen.«

»Nun,« scherzte Domunt, »Du kennst doch das Sprichwort: »Die bittere Pille schluckt man, die Reue wirft man fort.« Für eines muß man sich entschließen, dem anderen entsagen. Eins, zwei, drei! Das halte ich in der Faust und damit mache ich mich für das andere, dem ich entsage, bezahlt.«

»Ganz recht. Aber diese Entscheidung ist verteufelt schwer. Sie verursacht großen Schmerz.«

Domunt lachte.

»Und Du willst ein Leben ohne Schmerz? Ha, ha, ha! So klettere zum Himmel hinauf und hole Dir die Sterne herunter. Auf der Erde – und verließest Du sie millionenmal und würdest ebenso häufig zurückkehren – wirst Du immer eine Mauer finden, durch die Du mit dem Kopfe nicht rennen kannst. Doch nicht darum geht es.«

»Um was denn?« fragte Roman.

Doch Domunt fand keine Zeit zum Antworten. Auf der Treppe vernahm man rasche Schritte und Stephan trat ins Zimmer.

»Casio!« rief er. »Man hat mir schon unten gesagt, daß Du mich erwartest. Guten Abend, Roman. Wir haben uns heute noch nicht gesehen. Es ist dies nicht sehr gastfreundlich, doch mußt Du mir verzeihen, ich hatte sehr wichtige Arbeit.«

Und zu Domunt sich wendend:

»Auf dem Heimwege begegnete ich dem Vater, und wir waren zusammen in Casimirówka.«

»Ich war schon in aller Frühe dort,« entgegnete Domunt hierauf, »und bin nur hergekommen, um zu erfahren, was es mit den Ziegeln sein wird; denn, wenn wir diese nicht bald bekommen –«

»Aber ja doch!« unterbrach ihn Stephan. »Es ist nur eine kleine Verzögerung. Ich bürge Dir dafür, daß wir übermorgen die Maurerarbeiten beginnen.«

»Hast Du bemerkt, wie weit das Dach auf der Scheune vorgeschritten ist? Das ist mein Triumph!«

»Und auch der meinige. Die Art des Deckens hat die vollste Anerkennung meines Vaters und auch anderer vorzüglicher Landwirthe. Aber dafür ist der Zaun noch nicht angefangen.«

»Thut nichts. Die Hauptsache ist jetzt die Maurerarbeit.«

»Du fürchtest im Winter ohne Oefen zu bleiben!« scherzte Stephan.

»Ich fürchte gar nichts, möchte jedoch so rasch als möglich ans Werk gehen. In Kaniówka habe ich nichts zu thun, und ein Arbeiter ohne Beschäftigung ist ein fertiger Stoff für den Galgen. Ich brauche eine Werkstätte.«

»Du wirst sie bald haben. Was das Inventar anbetrifft, so habe ich die Rechnung bereits gemacht. Wenn Du willst, können wir sie durchsehen.«

An einem der mit Papieren bedeckten Tische sitzend, vertieften sie sich in Rechnungen, welche sie lebhaft zu interessiren schienen. Stephan war noch heiterer als bei seiner Heimkehr, und Domunt schien von großem Eifer beseelt. In seinem Verhalten gegenüber Stephan war die freundschaftliche Intimität mit einem Schatten von Ehrfurcht gemischt.

Roman beobachtete die Freunde, doch lenkte ein Lied, dessen Klänge durch das offene Fenster hereinströmten, seine Aufmerksamkeit ab. Das Lied wurde von einer hellen, klaren Frauenstimme gesungen und Roman verglich es in Gedanken mit einem himmelblauen, von den unten wachsenden Blumen zu dem im Winde leise sich bewegenden Zweiglein Heidekraut hinauf fliegenden Vögelein. Als das Lied verstummte, sagte Roman, zu seinen Freunden sich wendend:

»Möchtet Ihr wohl so gut sein, mich in Euer Geheimniß einzuweihen, denn hier ist Zauberei im Spiele. Ihr sprecht von Vögeln, Oefen, Kühen und Pferden, addirt und multiplicirt winzig kleine Zahlen und seht dabei so glücklich aus, als holtet Ihr die Sterne und die Millionen vom Himmel hinunter. Wovon redet Ihr denn eigentlich und was interessirt Euch so lebhaft?«

»Weder Sterne, noch eine Million,« erwiderte Stephan. »Casimir nimmt eines der Vorwerke, in die wir Darnówka getheilt, in Pacht.«

»Du, Casio,« rief Roman verblüfft, »Du, ehemals so ehrgeizig und hochstrebend, willst Pächter eines kleinen Vorwerkes werden?«

»Und wer sagt Dir denn,« unterbrach Domunt mit Lebhaftigkeit, »daß ich jetzt nicht hoch hinaus will?«

»Aber das Vorwerk muß ja sehr klein sein!«

»Klein ist es,« antwortete Stephan, »immerhin jedoch mindestens zehnmal so groß wie die Besitzthümer unserer Bauern.«

»Aber das ist doch etwas anderes –«

»Freilich. Denn ein gebildeter Mensch bringt aus einem Fußbreit Erde mehr heraus als ein unwissender aus einem großen Stücke –«

»Das Naß eines Stromes, der über sein Bett hinausfließt,« sagte Domunt nicht ohne einen Anflug von Bosheit, »wird immerhin irgend ein Stückchen Erde befruchten.«

Es waren dies Roman's eigene Worte und er erinnerte sich ihrer vorzüglich. Ihre Wahrheit läßt sich auch nicht anzweifeln, wenn es sich um – »Befruchtung des Bodens« handelt. So aber, er mußte über sich selbst lachen. Leeres Geschwätz!

»Immerhin jedoch kann ich nicht begreifen, wie jemand, der das Recht hat, etwas vom Leben zu verlangen –«

In Domunt's Augen blitzte es auf.

»Aber ich habe verlangt,« rief er, »so viel verlangt, daß ich schließlich nach dem Leben selbst nicht mehr verlangte!«

Und ruhiger fuhr er fort:

»Wer hat Dir aber gesagt, daß ich mich jetzt mit einem Stückchen Brot begnügen werde?«

»Hoffentlich nicht,« unterbrach Roman, »Dir steht das Recht zu, mehr zu fordern –«

Doch Stephan fiel ihm in die Rede.

»Vor allem müssen wir die Frage klar hinstellen: Was giebt dem Menschen die Berechtigung, mehr zu verlangen als ein Stückchen Brot? Ist es die Geburt? Vermögen? Beziehungen?«

»Nein,« beeilte sich Roman zu erwidern, »Bildung und Wissen. Nur daran dachte ich.«

»Bildung und Wissen,« bestätigte Stephan, »verdanken wir manche Rechte, vor allem jedoch dasjenige der Unterscheidung zwischen gut und böse.«

»Das ist wahr,« dachte Roman, den diese Erklärung stutzig gemacht hatte. »Das ist das wichtigste Recht. Die Pastete kommt erst später. Aber,« sagte er, auf und ab gehend, mit lauter Stimme, »eigentlich sind doch die Begriffe von gut und böse relativ und unterliegen, je nach Zeit und Zone, verschiedenen Urtheilen. Schließlich, wenn man weder gemordet, noch geraubt hat –«

»So ist man kein vom Gesetze verfolgter Criminalist,« unterbrach Stephan ruhig.

»Und das ist alles!« schloß Roman, scheinbar scherzend, aber mit einer Gereiztheit, die zu verbergen ihm nicht mehr möglich war.

»Alles!« bestätigte Stephan.

Sie schwiegen.

Roman saß am Fenster und blickte auf den Blumenstrauß, dessen Blätter sich leise bewegten.

Stephan beschrieb ein Blatt Papier mit Ziffern, Domunt, das Haupt in die Hand gestützt, war in trauriges Sinnen versunken.

Vom Balkon vernahm man das Klappern einer Nähmaschine. Nach einer Weile verstummte dasselbe und es erklang ein von einer Frauenstimme gesungenes Lied:

»Zur Sommerzeit, die Birke schlank,
Zum Blättchen also sprach:
Stürmt der Herbst durch Wald und Hain
Fliegst Du fort, ich bleib allein.«

Die Stimme schwieg. Die Maschine klapperte wiederum. Sonderbar! Der Gesang dieser so wohlbekannten Stimme steigerte Roman's Gereiztheit. Es war, als ob der himmelblaue Vogel seine Theilnahme am Gespräch bekunden wolle.

Roman erhob sich und begann, auf und ab schreitend, wieder zu sprechen:

»Schließlich, Casio, kann ich Dich sogar verstehen. Nach heftigen Stürmen, nach großen Enttäuschungen bildet diese Lebensweise, Stellung und Beschäftigung einen Ruhepunkt – eine Art Hafen, das begreife ich. Unerklärlich jedoch,« fuhr er lächelnd fort, »bleibt mir, daß Du beim Einlaufen in diesen so außerordentlich, so urbescheidenen Hafen nicht nur zufrieden aussiehst, aber so glücklich, als kämest Du in das griechische Sybarys.«

Stephan erhob sich und zum erstenmale seit Roman's Ankunft legte er ihm vertraulich die Hand auf die Schulter:

»Bruderherz,« sagte er, »das gehört schon in das Bereich der Zauberei, von der Du vorhin sprachst –«

»Oder,« fügte Domunt lachend hinzu, »in der Pastete, wie Dein Onkel sich ausdrückt, steckt eine Trüffel, die –«

»In solch einer kleinen Pastete eine so große Trüffel,« bemerkte Roman ärgerlich und mit gerötheten Wangen.

»Freilich,« bestätigte Stephan, »übrigens ist es bekannt, daß man auf dem Grunde kleiner Dinge häufig Großes findet.«

»Nur muß man in der Zauberei bewandert sein,« lachte jetzt auch Roman. Doch war sein Lachen gezwungen.

»Was schreibst Du da, Stephan?« fragte er, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.

»Fast nichts. Ich sammle ethnographische Notizen und beglücke damit hin und wieder ein Fachblatt.«

»Ich wundere mich, daß Du Zeit dazu findest.«

Stephan zuckte die Achseln.

»Es ist ein Vorurtheil,« sagte er, »daß der Landmann keine Zeit zu geistiger Beschäftigung erübrigen kann. Wir haben Monate, die ganz arbeitsfrei sind und dann die langen Herbst- und Winterabende. Uebrigens hat man diesbezüglich schon manche Erfahrungen gemacht. Giebt es doch Länder, wo selbst die kleinen Landleute fleißige Leser sind –«

Er hielt inne und auch die beiden Anderen schwiegen.

Domunt blätterte in Stephan's Papieren, Roman blickte zum Fenster hinaus. Nach einer Weile fragte er:

»Wem gehört jener hübsche Palast?«

»Heinrich Olowiecki,« antwortete Stephan, und als wolle er den peinlichen Eindruck, den das frühere Gespräch hervorgerufen haben konnte, verwischen, fuhr er freundlich fort:

»Vielleicht denkst Du noch an die vornehmen Reiter und Reiterinnen, die uns junge Burschen so häufig entzückten? Die kamen von den Olowieckis aus Górowo.«

»Ich erinnere mich ihrer. Und auch an eine Illumination der Gärten und des Palastes, die wir – wenn ich nicht irre – von Deinem Fenster aus betrachteten. Ja, ja! Olowiecki! Aber häufig sprach man nicht von ihm. Habt Ihr nie miteinander verkehrt?«

»Welch ein Einfall!« lachte Stephan. »Darnówka nimmt gegenüber Górowo dieselbe Stellung ein, wie ein Bauernhof gegenüber Darnówka. Wie wäre da ein Verkehr möglich?«

»Wir sind Alle gleich – vor dem Herrn,« lächelte Domunt.

»Wir sind Christen,« sagte Stephan und blickte unwillkürlich auf das Kreuz. Sein Antlitz, bisher freundlich und wolkenlos, drückte düstere, fast harte Strenge aus.

In demselben Augenblicke erklang von unten die Fortsetzung des vorhin gesungenen Liedes:

»Fürchte nichts, Du Bäumchen treu,
Wenn auch nach des Herrn Beschluß,
Dann von Dir ich lassen muß,
So kehr' ich bald ja wieder.«

»Die Birke,« rief Domunt, »Fräulein Irene singt: »Die Birke,« und ich Unglücklicher habe das Fräulein noch nicht begrüßt.«

In zwei Sätzen war er auf der Treppe. Roman und Stephan folgten ihm.

»Casimir ist so, wie er war. Lebhaft, leicht erregbar, unternehmend und elastisch.«

»Es gab einen Augenblick, da ihn die Energie und Elasticität ganz im Stich gelassen hatten,« erwiderte Stephan.

Roman fielen die Worte Domunt's ein:

»Wenn Stephan mich nicht an der Hand ergriffen hätte, ich wäre längst nicht mehr am Leben,« und er verstand, was diese beiden Männer jetzt unlöslich miteinander verband.

Als sie auf den Balcon hinaustraten, ritt der alte Darnowski soeben in das Hofthor herein. Sein kräftiges, mittelgroßes Pferdchen war vorzüglich gebaut, und der Reiter, dessen Haltung kerzengerade und doch ungezwungen, schien mit dem Thiere zusammengewachsen. Wenn nicht die weißen, im Winde flatternden Haare gewesen wären, man hätte ihn für einen Jüngling halten können.

Frau Pauline, welche mit ihrer Spitzenklöppelei Irene gegenüber auf dem Balcon saß, begann zu seufzen:

»Ach, ach, ach! Wie fürchte ich dieses Reiten für Romuald! Wie leicht kann nicht ein Unglück geschehen! Obgleich man andererseits dankbar sein soll, daß er noch so gesund und kräftig ist! Als ich jung war, wollte er mich auch reiten lehren, aber es ging nicht, ich war immer schwach und ängstlich – Ach, ach, ach! Welch ein Vergnügen das sein muß! Aber mir ist jedes Vergnügen versagt. Obgleich ich jetzt gerade eine sehr angenehme Stunde hier verbracht habe. Ich klöppelte, Irene nähte und sang.«

»Cousine,« sagte Roman, der neben Irene stand, »ich hasse Deine Nähmaschine.«

»Was hat sie Dir denn Schlimmes gethan?«

»Sie hinderte einen himmelblauen Vogel am Auffliegen. Wann ich ihn zu erhaschen glaubte, entwischte er wieder.«

»Welcher Vogel?« fragte Irene scherzend. »Vielleicht einen Häher, denn nur er hat blaue Flügel.«

»Ich bin nicht bewandert in der Ornithologie, und kann einen Häher von anderen Vögeln nicht unterscheiden. Ich meine das Lied, das Du vorhin gesungen –«

Ein wenig errötend, senkte Irene den Blick, doch erwiderte sie lachend:

»Meine Lieder gehören in Darnówka nicht zu den seltenen Vögeln. Die kann jeder haben, dem es danach verlangt.«

»Hast Du singen gelernt, Cousine?«

Er setzte sich neben Irene und sie sprachen mehrere Minuten über Musik und Gesang. Ihre Unterredung wurde jedoch durch den alten Darnowski unterbrochen, der hungrig heimgekehrt, zu essen verlangte.

Beim Nachtmahl erzählte Domunt, er sei gestern Bohdan Rosnowski begegnet.

»Er erzählte mir, er habe soeben einen Brief von Marcel erhalten. Ich war erstaunt darüber, da ich nicht wußte, daß sie miteinander correspondiren, doch Bohdan sagte, der Brief sei in meiner Angelegenheit geschrieben und er werde mir in Bälde den Inhalt desselben mittheilen. Ich weiß ihn ohnedies.«

Er wechselte einen Blick mit Stephan und letzterer fragte:

»War Swój auch dabei?«

»Freilich. Er saß neben seinem Herrn auf der Britschka, und sie waren, wie es schien, sehr miteinander zufrieden.«

»Hat Swój gesprochen?« fragte Bronia.

»Sehr wenig,« erwiderte Domunt ernst, »nur einige Worte.«

»Was hat er gesagt?« forschte die Kleine weiter.

»Das wird Dir sein Herr erklären, da er mich bat, seinen baldigen Besuch in Darnówka anzukündigen.«

Bei diesen Worten blickte Domunt unwillkürlich auf Irene. Das Gleiche hatten bereits Frau Pauline und Bronia gethan.

»Irus! Irus! Irus!« rief die Kleine, fröhlich in die Hände klatschend. »Herr Bohdan und Swój werden kommen! Du wirst Dich mit dem Herrn unterhalten und ich mit dem Hunde!«

In Irenens Antlitz zuckte kein Muskel. Mit der ihr eigenen Ruhe reichte sie den Speisenden die Teller, nur war der Ausdruck ihrer Züge ein wenig nachdenklicher als sonst.

»Marcel ist ein kluger und höherer Mensch,« begann der alte Darnowski. »Was kann man thun? Er kann das Elend seines Bruders nicht mitansehen – will ihn mit sich in die Höhe ziehen, das gereicht ihm zur Ehre.«

»Aber von Elend ist nicht die Rede!« rief Casimir. »Gegen dieses Wort protestire ich!«

Da hielt der alte Darnowski im Essen inne und begann mit sehr komischen Geberden zu zeigen, wie er vor mehreren Tagen Casimir auf einem leichten Gebälk in Gesellschaft mehrerer Taglöhner hatte sitzen und ein Scheunendach herstellen sehen. Casimir hatte sich nichts weniger als geschickt dabei benommen, doch das thut nichts; die Arbeit lernt man schon. Da er aber dünn ist wie eine Kerze und bleich wie eine Markgräfin, hatte er neben den breitschultrigen, sonnverbrannten Arbeitern einen schrecklich elenden Eindruck gemacht.

»Nun meinethalben,« lachte Domunt. »Ich bin wirklich sehr heruntergekommen, und der Bibelvers vom Sperling auf dem Dache hat sich an mir bewahrheitet.«

Doch nahm er sich sein Elend scheinbar nicht sehr zu Herzen. »Ich werde kräftiger werden, geschickter, die Sonne wird mich bräunen –«

»Wir werden noch sehen, was Marcel schreibt,« sagte der alte Darnowski. »Was kann man thun? Ein Mann wie er muß schöne, höhere Dinge schreiben.«

»Ich werde sie nicht zum erstenmale lesen,« warf Domunt achselzuckend hin.

Mittlerweile unterhielt sich Roman mit Frau Pauline. Während die Tante jedoch in ihrer eintönigen, näselnden Weise »ja und nein, einerseits und andererseits« sagte, drehten sich Roman's Gedanken um das Gespräch, das er soeben vernommen.

Was hatte dieses Pflügen, Mähen, Dachdecken eigentlich zu bedeuten? War es die Einfachheit eines Cincinnatus oder Robespierre'sche Demagogie? Weder von einer römischen Toga noch von der Jakobinermütze war eine Spur zu entdecken. Also was war es denn eigentlich? Nun, am Ende ist dies alles gar nicht so sonderbar und scheint ihm nur darum räthselhaft, weil er sich gewöhnt hat, gewisse Erscheinungen von einem bestimmten Gesichtspunkte aus zu betrachten. Und wie ein Pferd aus einem Sumpfe, so langsam arbeitet sich der menschliche Gedanke aus der Gewohnheit heraus.

Das Nachtmahl war zu Ende. Die Mädchen und nach ihnen Domunt hatten das Zimmer verlassen. Darnowski erzählte dem Neffen von den Feuersbrünsten, denen alljährlich um die Herbstzeit zahlreiche Bauerndörfer zum Opfer fallen.

»Warum? Was ist der Grund dieser periodisch wiederkehrenden Vernichtung?«

»Hm, wie soll ich Dir das erklären? Die Anthropomorphen verstehen nicht, sich menschlich einzurichten – was kann man thun? Sie verstehen es nun einmal nicht.«

»Anthropomorphen? Wen nennst Du so, Onkel?«

»Die Bauern, Herz, die Bauern. Was kann man thun? Du hast sicherlich gedacht, daß die Bauern Menschen sind? I, wo denn! Sie sind – was kann man thun? – Anthropomorphen. Habe ich die Bedeutung des Wortes nicht vergessen? So heißen doch die Affen, welche die größte Aehnlichkeit zum Menschen besitzen, nicht wahr? Sie haben wohl noch einen anderen Namen. Aber wir bleiben bei dem erstgewählten. Also Bauern oder Anthropomorphen, das heißt die menschenähnlichsten Affen.«

Sonderbar ist doch dieser Alte! Man weiß nie, ob er spottet oder im Ernste spricht. Aber jetzt konnte Roman weniger als je darüber nachdenken, denn aus dem Nebenzimmer ertönten Clavierklänge und die Schlußverse des vor einem Augenblicke begonnenen Liedes:

»Fürchte nichts, Du Bäumchen treu,
Wenn auch nach des Herrn Beschluß,
Dann von Dir ich lassen muß,
So kehr' ich bald ja wieder.«

»Zieht der Frühling in das Land,
Komm' auch ich mit frisch'rem Grün,
Wieder dann wir rauschen leise,
Lauschen Vögleins froher Weise.«

Welch' eine schöne, frische Stimme! Die Sängerin sitzt im Halbdunkel, von welchem ihre schlanke Gestalt im hellen Gewande sich deutlich abhebt. In der Nähe des Claviers steht, ebenfalls im Halbdunkel, Domunt mit gesenktem Haupte und über der Brust gekreuzten Armen. Man sieht, daß die Musik einen tiefen Eindruck auf ihn macht. Wie auf jeden, der viel gelitten. Und wer hat denn nicht gelitten?

Die Tante dort in ihrem tiefen Sorgenstuhl hat einen traurigen Ausdruck und sogar Thränen in den Augen. Und diese blassen Augen blicken mit inniger Liebe auf Alle, die sie umgeben; auch auf Roman. Der alte Darnowski lauscht mit solcher Aufmerksamkeit, als höre er das Lied zum erstenmale. Das Lampenlicht fällt voll auf sein Gesicht; man sieht alle Falten und Vertiefungen desselben und es scheint, als wiederhole jede Runzel: »Was kann man thun?« Im Nebenzimmer sitzt Stephan am Tische; aber die Blätter des Buches, das vor ihm liegt, werden nicht umgewendet. Neben ihm steht Bronia und mit leiser Hand streichelt sie den großen Hofhund, dem sie die Reste des Nachtmahles vorgesetzt, und der jetzt vor ihr sitzt und gleichfalls zuhört.

Roman hat die Hand über die Augen gelegt und steht am Fenster, hinter welchem Fliederbüsche und Spireen leise flüstern. Niemand stört ihn. Ein namenloses Weh zieht durch seine Brust; der Gedanke, daß er diese Stimme vielleicht nie mehr hören wird, füllt sein Herz mit unendlicher Trauer.

Irene hatte zu singen aufgehört. Als Roman sich umwandte, begegnete er ihrem Blicke, der voller Erstaunen auf ihn gerichtet war.

Warum wundert sie sich? Glaubt sie, sein Herz sei so kalt, daß es beim Klange eines alten, einst geliebten Liedes, im Kreise von Menschen, die er die Seinen nennt, nicht höher schlagen kann?

»Die Seinen!« glaubt sie vielleicht, er habe sich niemals nach ihnen gesehnt?

Er durchschritt das Zimmer, blieb neben dem Clavier stehen, und als Irene das Volkslied, das sie der »Birke« hatte folgen lassen, zu Ende gespielt, streckte er ihr die Hand hin.

Langsam und steif berührte sie dieselbe mit ihren Fingerspitzen. An dem gleichgiltigen Ausdruck ihrer Augen und Züge erkannte man, daß sie nicht verstehe, wofür er ihr danke, welches Vergnügen er an den alten Liedern finden könne.

Eine Viertelstunde später unterbrach der alte Darnowski ein Gespräch, das er mit Stephan und Domunt führte und trat auf seinen Neffen zu, der nachdenklich abseits saß. Er blieb vor ihm stehen, blickte ihm forschend ins Antlitz, schüttelte das Haupt und wollte etwas sagen. Doch unterdrückte er seine Worte, aber der Blick seiner sonst feurigen Augen wurde sanft, fast zärtlich.

Er legte Roman die Hand auf das Haupt und drückte, sich über ihn neigend, einen Kuß auf seine Stirn. Roman griff nach der großen, hartgearbeiteten Hand und zog sie liebevoll an seine Lippen. Vor seinem geistigen Auge tauchte ein Bild aus seiner Kindheit auf. Er sah in einem öden Hause ein weinendes, verzweifelndes Kind. Und derselbe Mann hatte sich, gerade so wie jetzt, über das Kind gebeugt, seine Hand auf dessen Haupt gelegt, seine Lippen auf dessen Stirn gedrückt und gesagt:

»Sei nicht traurig, Romek! Verzweifle nicht! Was kann man thun? Ich werde alles gut machen!«

Und er hatte es gut gemacht.

Ja, damals. Aber jetzt war es etwas ganz anderes.


 


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