Johann Karl August Musäus
Volksmärchen der Deutschen
Johann Karl August Musäus

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Kaum hatte der räuberische Vogel den Thron eingenommen, so bewies er an den gefiederten Untertanen seine Mannskraft und Tätigkeit mit großer Tyrannei und Übermut: er rupfte dem großen Geflügel die Federn aus und zerfleischte die kleinen Sangvögel.«

So deutsam diese Rede war, so machte sie doch nur wenig Eindruck auf die nach einem Regierungswechsel lüsternen Gemüter, und es blieb bei dem Volksschluß, daß sich Fräulein Libussa binnen drei Tagen einen Gemahl wählen sollte. Des war Fürst Wladomir in seinem Herzen sehr froh, denn jetzt gedacht er die schöne Beute zu erlangen nach welcher er so lange vergeblich gestrebt hatte. Liebe und Ehrgeiz befeuerten seine Wünsche und machten seinen Mund beredt, der sich bisher nur geheime Seufzer erlaubt hatte. Er kam nach Hofe und begehrte Gehör bei der Herzogin. »Huldreiche Beherrscherin deines Volks und meines Herzens«, redete er sie an, »dir ist kein Geheimnis verborgen, du kennst die Flammen die in diesem Busen lodern, so heilig und rein wie auf dem Altar der Götter, und du weißt welches himmlische Feuer sie angezündet hat. Jetzt ist es an dem, daß du auf Geheiß des Volkes dem Lande einen Fürsten geben sollst. Kannst du ein Herz verschmähen das für dich lebt und schlägt? Deiner wert zu sein hab ich Blut und Leben dran gewagt, dich auf den Thron deines Vaters zu erheben. Laß mir das Verdienst auch dich darauf zu erhalten durch das Bündnis zarter Liebe; laß uns den Besitz des Throns und deines Herzens teilen; jener sei dein und dieses mein, so wirst du mein Glück über das Los der Sterblichen erheben.« Fräulein Libussa gebärdete sich gar jungfräulich bei Anhörung dieser Rede, und bedeckte ihr Angesicht mit dem Schleier um die sanfte Schamröte die ihre Wangen höher färbte darunter zu verbergen. Sie winkte dem Fürsten Wladomir mit der Hand abzutreten, ohne ihren Mund auf zu tun, gleichsam um zu überlegen wessen sie ihn in Absicht seines Gewerbes zu bescheiden hätte.

Alsbald meldete sich der kecke Ritter Mizisla und verlangte eingelassen zu werden. »Reizendste der Fürstentöchter«, sprach er beim Eintritt in das Audienzgemach, »die schöne Taube, die Königin der Luftgefilde, soll, wie dir wohl bewußt ist, nicht mehr einsam girren, sondern sich einen Gatten suchen. Der stolze Pfau spiegelt ihr, wie die Rede gehet, sein buntes Gefieder in die Augen, und vermeint sie durch den Glanz seiner Federn zu blenden; aber sie ist klug und bescheiden und wird sich nicht mit dem übermütigen Pfauen gatten. Der gierige Sperber, vormals ein räuberischer Vogel, hat ganz seine Natur ausgezogen, ist fromm und bieder, auch ohne Falsch: denn er liebt die schöne Taube, und trachtet, daß sie sich zu ihm geselle. Daß er einen krummen Schnabel und spitze Krallen hat, darf dich nicht irren; er bedarf ihrer zum Schutz der schönen Taube, seiner Geliebten, daß ihr kein Gefieder schade, oder den Stuhl ihrer Herrschaft verrücke; denn er ist ihr treu und hold, und hat ihr zuerst gehuldiget am Tage ihrer Erhebung. Nun sage mir, weise Fürstin, ob die sanfte Taube ihren getreuen Sperber der Liebe würdiget, nach welcher ihn verlangt?«

Fräulein Libussa tat wie vorhin, bedeutete dem Ritter gleichfalls abzutreten, und nachdem sie ihn hatte etwas verziehen lassen, berief sie die beiden Mitwerber herein, und redete also: »Ich weiß es euch großen Dank, edle Ritter, daß ihr mir beide förderlich gewesen seid, die böhmische Fürstenkrone, die mein Vater Krokus mit Ruhm getragen hat, nach ihm zu erlangen, und ich habe euren Diensteifer, dessen ihr mich erinnert, nicht in Vergessenheit gestellt; auch ist mir unverborgen, daß ihr mich züchtiglich minnet, denn eure Blicke und Gebärden waren längst die Dolmetscher eurer Herzgefühle. Daß ich aber mein Herz für euch verschlossen, und nicht Liebe mit Liebe erwidert habe, achtet nicht für spröden Sinn; es war nicht gemeint zu Schimpf und Schmach, sondern zu glimpflicher Auskunft einer zweifelhaften Wahl. Ich wog eure Verdienste, und das Zünglein der prüfenden Waage stund innen. Darum beschloß ich die Entscheidung eures Schicksals euch selbst zu überlassen, und bot euch den Besitz meines Herzens unter dem rätselhaften Apfel dar, um zu erforschen, wem unter euch das größere Maß von Sinneskraft und Weisheit gegeben sei, die unteilbare Spende sich zuzueignen. So saget mir nun ohne Verzug, in wessen Hand der Apfel ist? Wer ihn dem andern abgewonnen hat, nehme von Stund an meinen Thron und mein Herz zum Gewinn dahin.« Die beiden Mitwerber sahen einander verwundernd an, erbleichten und verstummten. Endlich brach Fürst Wladomir nach einer langen Pause das Stillschweigen und sprach: »Des Weisen Rätsel sind für den Unverständigen eine Nuß in einem zahnlosen Munde; eine Perl die das Huhn aus dem Sande scharrt; eine Leuchte in der Hand des Blinden. O Fürstin zürne nicht, daß wir dein Geschenk weder zu brauchen noch zu schätzen wußten! Wir mißdeuteten deine Absicht die wir nicht kannten, gedachten, du habest einen Zankapfel unter uns geworfen, der uns zu Fehden und Zweikampf reizen sollte, darum begab sich jeder seines Anteils, und wir entledigten uns der zwiespältigen Frucht, deren alleinigen Besitz keiner dem andern friedlich würde gestattet haben.« »Ihr habt euch selbst das Urteil gesprochen«, erwiderte das Fräulein, »wenn ein Apfel schon eure Eifersucht entflammte, welchen Kampf würdet ihr um einen Myrtenkranz gekämpft haben, der sich um eine Krone schlingt.« Mit diesem Bescheide ließ sie die Ritter von sich, die sich hoch betrübten, daß sie dem unweisen Schiedsrichter Gehör gegeben, und das Pfand der Liebe unbedachtsam verschleudert hatten, welches doch das Mittel war, die Braut zu dingen und den Finger zu beringen. Sie überlegten nun jeder absonderlich, wie sie dennoch ihr Vorhaben ausführen und den böhmischen Thron, nebst der reizenden Inhaberin desselben durch List oder Gewalt erlaufen oder erringen möchten.

Fräulein Libussa war indessen die drei Tage, welche ihr zur Bedenkzeit gegeben waren, auch nicht müßig, sondern ratschlagte fleißig mit sich selbst, wie sie dem zudringlichen Verlangen des Volks entgegenkommen, der Nation einen Herzog und sich einen Gemahl nach der Wahl ihres Herzens geben möchte. Sie fürchtete, Fürst Wladomir dürfte sich ihr dennoch mit Gewalt aufdringen, oder ihr wenigstens den Thron rauben. Die Notwendigkeit bot der Liebe die Hand, sie entschlossen zu machen, den Plan auszuführen, mit welchem sie sich oft als mit einem angenehmen Traume unterhalten hatte; denn welchem Sterblichen spukt nicht ein Phantom im Kopfe, nach welchem er in einer leeren Stunde hascht, um damit als mit einer Puppe zu spielen? Es gibt keinen artigem Zeitvertreib für ein engbeschuhtes Mädchen, wenn sie sich eben die Leichdorn beschneidet, als an eine stattliche und bequeme Equipage zu denken; die spröde Schöne träumt sich gern einen Grafen der zu ihren Füßen seufzet; die Eitle ordnet einen Juwelenschmuck; die Gewinnsucht errät eine Quaterne, dem Verhafteten im Schuldturm fällt eine große Erbschaft anheim; der Prasser grübelt das hermetische Geheimnis aus, und der arme Holzhauer findet einen Schatz im hohlen Baume: alles das zwar in der Einbildung, aber doch nicht ohne Genuß eines geheimen Vergnügens. Die Sehergabe ist von jeher mit einer glühenden Phantasie vergesellschaftet gewesen, folglich gab die schöne Libussa dieser angenehmen Gespielin zuzeiten auch gern Gehör, und diese gefällige Vertraute unterhielt sie immer mit dem Bilde des jungen Wildschützen, der einen so bleibenden Eindruck auf ihr Herz gemacht hatte. Es kamen ihr tausend Entwürfe in den Sinn, die ihr die Einbildungskraft als leicht und tunlich anschmeichelte. Bald machte sie einen Plan, den lieben Jüngling aus der Dunkelheit hervorzuziehen, ihn im Heere anzustellen und von einer Ehrenstaffel zur andern zu erheben; –

dann schlang die Phantasie flugs einen Lorbeerkranz um seine Schläfe und führte ihn mit Ruhm und Sieg gekrönt an den Thron, welchen sie mit Vergnügen mit ihm teilte. Bald gab sie dem Roman eine andere Wendung; sie rüstete ihren Liebling als einen irrenden Ritter aus, der auf Abenteuer ausgezogen sei, führte ihn an ihrem Hoflager ein, wandelte ihn in einen Hüon um, und es gebrach ihr auch nicht an der wunderbaren Gerätschaft, ihn ebenso zu begaben, wie Freund Oberon seinen Pflegling. Aber wenn die Besonnenheit sich wieder der jungfräulichen Sinnen bemeisterte, und für dem Lichtstrahl der Klugheit die bunten Gestalten der Zauberlaterne erbleichten, war der schöne Traum verschwunden. Sie überlegte alsdenn was für ein Wagestück sie mit einem solchen Beginnen unternehmen würde, und welches Unheil für Land und Leute daraus zu befahren sei, wenn Eifersucht und Neid die Herzen der Magnaten gegen sie empören, und die Lärmstange der Zwietracht das Signal zu Meuterei und Aufruhr geben würde. Drum verhehlte sie die Neigungen und Wünsche ihres Herzens sorgfältig für dem scharfsichtigen Auge der Späher und ließ nichts davon offenbar werden.

Doch jetzt da das Volk nach einem Fürsten lüstete, hatte die Sache eine andere Gestalt gewonnen, und es kam nur drauf an, ihre Wünsche mit dem Verlangen der Nation zu vereinbaren. Sie stärkte ihren Mut mit männlicher Entschlossenheit, und da der dritte Tag heranbrach, legte sie all ihr Geschmeide an und auf ihrem Haupte prangte die keusche Myrtenkrone. Sie bestieg im Gefolge ihrer Jungfrauen, allesamt mit Blumenkränzen geschmückt, den Fürstenthron, voll hohes Muts und sanfter Würde. Die Versammlung der Ritter und Vasallen um sie her war ganz Ohr, um aus ihrem holden Munde den Namen des glücklichen Prinzen zu vernehmen, mit welchem sie Herz und Thron zu teilen entschlossen sei. »Ihr Edlen meines Volks«, redete sie die Versammlung an, »noch liegt das Los eures Schicksals unberührt in der Urne der Verborgenheit, noch seid ihr frei gleich meinen Rossen die in der Aue weiden, ehe sie Zaum und Stangengebiß bändiget und ihren schlanken Rücken die Bürde des Sattels und die Last des Reuters drückt. Euch kommt es jetzt zu, mir kund zu tun, ob die Frist die ihr mir zur Wahl eines Gemahls vergönnet habt, die heiße Begierde einen Fürsten über euch herrschen zu lassen abgekühlet und zu ruhiger Prüfung dieses Vorhabens euch angemahnet hat; oder ob ihr auf eurem Sinn noch unwandelbar beharret.« Sie schwieg einen Augenblick; aber der Aufruhr im Volk, das Geräusch und Flüstern nebst den Gebärden der sämtlichen Senatoren, ließen sie nicht lange in Ungewißheit, und der Sprecher bestätigte das Konklusum, daß es bei der Herzogswahl verbleiben sollte. »Wohlan«, sprach sie, »das Los ist geworfen, ich stehe für nichts! Die Götter haben dem Reiche Böhmen einen Fürsten ausersehen, der sein Szepter mit Weisheit und Gerechtigkeit erheben wird. Der junge Zedernbaum ragt noch nicht über die stämmichen Eichen hervor, versteckt unter den Bäumen des Waldes grünt er, umringt von unedlem Gesträuche; doch bald wird er seine Zweige ausbreiten, daß sie der Wurzel Schatten geben, und sein Wipfel wird die Wolken berühren. Machet einen Ausschuß unter euch, ihr Edeln im Volk, von zwölf redlichen Männern aus eurem Mittel, daß sie eilen den Fürsten aufzusuchen und zum Throne zu geleiten. Mein Leibroß soll ihnen Weg und Bahn anzeigen, ledig und frei soll es vor ihnen hertraben, und zum Wahrzeichen, daß ihr gefunden habet was ihr zu suchen ausgesandt seid, so merket, daß der Mann, den die Götter euch zum Fürsten ausersehen haben, zur Zeit wenn ihr euch zu ihm nahet, sein Mahl halten wird auf einem eisernen Tische, unter freiem Himmel im Schatten eines einsamen Baumes. Diesem sollt ihr huldigen und seinen Leib bekleiden mit den Zeichen der Fürstenwürde. Das weiße Roß wird ihn aufsitzen lassen und ihn hierher zum Hoflager bringen, daß er mein Gemahl und euer Herr sei.«

Sie entließ hierauf die Versammlung mit der heitern aber doch verschämten Miene, die den Bräuten gewöhnlich ist, wenn sie die Ankunft des Bräutigams erwarten. Über ihre Rede verwunderte sich männiglich, und der prophetische Geist welcher daraus hervorblickte, wirkte auf die Gemüter wie ein Götterausspruch, dem der Pöbel blindlings Glauben beimißt und worüber nur die Denker klügeln. Man sonderte die Ehrenboten aus, das edle Roß stund in Bereitschaft, mit asiatischer Pracht gezäumt und geschmückt, als wenn es den Großherrn hätte sollen zur Moschee tragen. Die Kavalkade setzte sich in Bewegung unter dem Zulauf und Freudengeschrei des neugierigen Volks, und das weiße Roß trabte stolz voran. Doch bald verschwand der Zug den Zuschauern aus den Augen, man sahe nichts als eine Staubwolke in der Ferne emporwirbeln: denn der mutige Gaul setzte sich bald in Atem als er ins Freie kam, und begann ein wütiges Rennen wie ein britischer Wettläufer, also, daß ihm das Geschwader der Abgeordneten nur kümmerlich folgen konnte. Obgleich der rasche Traber sich selbst überlassen schien, so regierte doch eine unsichtbare Gewalt seinen Gang, lenkte den Ziegel, und spornte seine Lenden. Fräulein Libussa hatte durch das magische Erbteil von der Mutter Elfe den Gaul so abzurichten gewußt, daß er weder zur Rechten noch zur Linken aus der Bahn wich, sondern mit flüchtigem Gange seiner Bestimmung zueilte; und sie harrete, da sich jetzt alles zu Erreichung ihrer Wünsche neigte, des Kommenden mit zärtlichem Verlangen.

Die Botschafter wurden indessen wacker gehetzt, sie hatten bereits einen Weg von vielen Meilen gemacht bergauf bergab, waren durch die Muldau und Elbe geschwommen, und weil der Magen sie an das Mittagsmahl erinnerte, gedachten sie wieder an den wunderbaren Tisch woran ihr neuer Fürst nach dem Ausspruche des Fräuleins tafeln sollte. Sie machten darüber mancherlei Glossen und Anmerkungen, ein vorlauter Ritter sprach zu seinen Konsorten: »Mich will bedünken, unsre Frau die Herzogin habe vor, uns zu äffen, und wir seien von ihr in April geschickt; denn wer hat wohl je gehört, daß ein Mann in Böhmen sei der an einem eisernen Tische Tafel halte? Was gilt's unser hastiges Treiben wird uns nichts einbringen als Schimpf und Hohngelächter?« Aber ein anderer, der verständiger war, meinte, der eiserne Tisch könne eine sinnbildliche Bedeutung haben, vielleicht würden sie einem irrenden Ritter begegnen, der nach Gewohnheit der wandernden Brüderschaft unter einem Feldbaume raste und sein frugales Mittagsmahl auf dem ehernen Schilde sich aufgetischt habe. Ein dritter sagte scherzweise: »Ich fürchte daß unser Weg gerade hinab zur Werkstatt der Kyklopen führe, und wir den lahmen Vulkan oder einen seiner Gehülfen, der irgend auf dem Schmiedeamboß tafelt, unsrer Venus zuführen sollen.«

Unter diesen Gesprächen sahen sie ihren Geleitsmann den Schimmel, der einen weiten Vorsprung genommen hatte, zwerg über ein frischgeackertes Feld traben, und bei einem Pflüger zu ihrer Verwunderung stille stehen. Sie flogen rasch hinzu, und fanden einen Bauersmann auf einem umgestürzten Pfluge sitzen, der sein schwarzes Brot auf der eisernen Pflugschar, deren er sich zum Tische bediente, unter dem Schatten eines wilden Birnbaums verzehrte. Er schien an dem schönen Pferde Gefallen zu haben, tat ihm freundlich, bot ihm seinen Bissen, und es fraß aus seiner Hand. Die Ambassade wurde durch diese Erscheinung zwar sehr überrascht; demungeachtet zweifelte keiner der Abgeordneten, daß sie ihren Mann gefunden hätten. Sie naheten ihm ehrerbietig, der Älteste unter ihnen nahm das Wort und sprach: »Die Herzogin von Böhmen hat uns zu dir gesandt und läßt dir entbieten, der Wille und Ratschluß der Götter sei, daß du diesen Ackerpflug mit dem Stuhle dieses Reichs und deinen Treiberstecken mit dem Zepter vertauschen sollst. Sie wählt dich zum Gemahl, mit ihr über Böhmen zu herrschen.« Der junge Bauer glaubte, man wolle Scherz mit ihm treiben, welches ihm eben nicht zu Sinne war, besonders weil er wähnte, man habe sein Liebesgeheimnis erraten und käme nun seiner Schwachheit zu spotten. Darum antwortete er etwas trotzig um Hohn mit Hohn zu erwidern: »Laßt sehen ob euer Herzogtum dieses Pflugs wert sei? Wenn der Fürst sich nicht satter essen, fröhlicher sich trinken, und ruhiger schlafen kann als der Bauer, so lohnt es wahrlich nicht der Mühe das Reich Böhmen mit diesem nahrhaften Ackerfelde, oder diesen glatten Ochsenstecken mit einem Zepter zu vertauschen: denn sagt mir, dient ein Salzfaß nicht ebensogut meinen Bissen zu würzen als ein Scheffel?« Da antwortete einer aus den Zwölfen: »Der lichtscheue Maulwurf wühlt unter der Erde nach Gewürm davon er sich nähre, denn er hat keine Augen die das Tageslicht vertragen, und keine Füße die gemacht sind zum Laufen wie das flüchtige Rehe; der beschalte Krebs kriecht im Schlamme der Seen und Sümpfe, wohnt am liebsten unter Baumwurzeln und Gesträuchen am Gestade der Flüsse, denn ihm mangeln die Floßfedern zum Schwimmen; und der Haushahn im Hühnerzwinger eingesperrt wagt keinen Flug über die niedre Bleichwand, denn er ist zu verzagt auf seine Fittige sich zu verlassen wie der emporschwebende Stößer. Sind dir Augen zum Sehen, Füße zum Gehen, Floßfedern zum Schwimmen und Schwingen zum Flug verliehen; so wirst du nicht als ein Maulwurf die Erde umwühlen, als ein schwerfälliges Schaltier im Sumpfe dich verbergen, oder als der Prinz des Hausgeflügels nur auf dem Dünger krähen, sondern hervor ans Tageslicht treten, laufen, schwimmen oder an die Wolken fliegen, je nachdem die Natur dich mit ihren Gaben ausgerüstet hat. Denn einem tätigen Manne genügt nicht das zu sein was er ist, sondern er strebt zu werden was er sein kann. Darum versuche zu sein wozu die Götter dich auffordern: so wirst du urteilen können, ob das Reich Böheim des Tausches um einen Morgen Ackerfeld wert sei oder nicht.«

Diese ernsthafte Rede des Abgesandten, welcher kein scherztreibender Spott abzumerken war, noch mehr die Merkzeichen der Fürstenwürde, das Purpurgewand, der Regimentsstab und das goldne Schwert, welche die Gesandten als Beleg und Kredenzbrief ihrer wahrhaften Sendung hervorzogen, überwältigten endlich das Mißtrauen des zweifelhaften Pflügers. Auf einmal wurd's Licht in seiner Seele; ein entzückender Gedanke erwachte in ihm, daß Fräulein Libussa die Gefühle seines Herzens erraten, seine Treue und Beständigkeit, vermöge ihrer Kunde das Verborgene zu schauen, erkannt habe, und solche auf eine Art belohnen wolle, die er im Traume zu ahnden nie gewagt hatte. Die durch ihr Orakel ihm verheißene Gabe der Weissagung kam ihm jetzt wieder in den Sinn, und er bedachte, daß jetzt oder niemals solche in Erfüllung gehen müßte. Flugs ergriff er seinen häselnen Stab, stieß ihn tief in den Acker, häufte lockere Erde umher wie man einen Baum pflanzt, und siehe da! alsbald gewann der Stab Knospen, trieb Sprossen und Äste mit Laub und Blüten. Zwei von den grünenden Zweigen aber verwelkten und das dürre Laub ward ein Spiel der Winde; der dritte wuchs desto kräftiger und seine Früchte reiften. Da fiel der Geist der Weissagung auf den entzückten Pflüger, er tat seinen Mund auf und sprach: »Ihr Boten der Fürstin Libussa und des böhmischen Volkes, vernehmt die Worte Primislas des Sohns Mnatha des ehrenfesten Ritters, dem angeweht vom Geiste der Weissagung sich die Nebel der Zukunft enthüllen. Den Mann der den Pflug regierte ruft ihr auf, die Handhaben eures Fürstentums zu ergreifen, ehe sein Tagewerk vollendet war. Ach daß der Pflug den Acker mit Furchen umzogen hätte bis an den Grenzstein, so wär Böhmen ein unabhängiges Reich geblieben zu ewigen Zeiten! Nun ihr die Arbeit des Pflügers zu früh gestöret habt, werden die Grenzen eures Reichs des Nachbars Teil und Erbe sein, und die ferne Nachkommenschaft wird ihm anhangen in unwandelbarer Einigung. Die drei Zweige des grünenden Stabes verheißen eurer Fürstin drei Söhne aus meinen Lenden; zwei davon werden als unreife Schößlinge zeitig dahinwelken, aber der dritte wird des Throns Erbe sein und durch ihn wird die Frucht später Enkel reifen, bis der Adler sich übers Gebürge schwingt und im Lande nistet, doch bald davonfleugt und wiederkehret als in sein Eigentum. – Wenn dann hervorgehet der Göttersohn, der seines Pflügers Freund ist und ihn entlediget der Sklavenketten, Afterwelt merke drauf! so wirst du dein Schicksal segnen. Denn wenn er den Lindwurm des Aberglaubens unter seine Füße getreten hat, wird er seinen Arm ausstrecken dem wachsenden Mond entgegen, ihn aus den Wolken zu reißen und selbst als ein wohltätiges Gestirn die Welt zu erleuchten.«

Die ehrwürdige Deputation stund in stiller Verwunderung da, sie staunten den prophetischen Mann an wie die stummen Ölgötzen; es war als ob ein Gott aus ihm redete. Er aber wandte sich von den Abgesandten hinweg zu den Konsorten seiner mühsamen Arbeit den beiden weißen Stieren, schirrete sie vom Joch ab, entließ sie ihres Ackerdienstes und gab ihnen die Freiheit, worauf sie lustig auf der grasreichen Flur hin und her sprangen, aber zusehens abzehrten, wie leichte Nebel in Luft zerflossen und aus den Augen verschwanden. Hierauf entledigte sich Primislas seiner bäuerischen Holzschuhe und ging an den nahen Bach sich zu reinigen, es wurden ihm köstliche Kleider angetan, er umgürtete sich ritterlich mit dem Schwerte und ließ sich die goldenen Sporen anlegen; mutig schwang er sich nun auf das weiße Roß, welches ihn folgsam aufsitzen ließ. Als es nun an dem war, daß er sein bisheriges Eigentum verlassen wollte, gebot er den Abgesandten, daß sie die abgelegten Holzschuhe ihm nachtragen und wohl verwahren sollten, zum Wahrzeichen, daß einst der Geringste im Volk zur höchsten Würde von den Böhmen sei erhoben worden, und zum Gedächtnis daß er und seine Nachkommenschaft der erlangten Hoheit sich nicht überheben, sondern ihres Ursprungs eingedenk, den Bauernstand aus welchem sie hervorgezogen worden, ehren und schirmen möchten. Daher stammte vordem der alte Brauch, daß den Königen von Böhmen an ihrem Krönungsfeste ein Paar Holzschuhe vorgezeiget wurden, welcher so lange beobachtet wurde, bis Primislas Mannsstamm erloschen war. Der gepflanzte häselne Stab wuchs und trug Früchte, wurzelte weit umher und trieb neue Schößlinge, daß endlich das ganze Ackerfeld in einen Haselwald verwandelt wurde, welches der nächstgelegnen Dorfschaft, die diesen Bezirk mit in ihre Flur zog, zu gutem Vorteil gedieh; denn die Gemeinde erhielt zum Andenken dieser wundersamen Pflanzung einen Freiheitsbrief von den böhmischen Königen, daß sie zu keiner Schätzung im Lande jemals mehr steuren sollte als ein Nösel Haselnüsse, welches herrlichen Vorrechtes, der Sage nach, die späte Nachkommenschaft sich zu erfreuen hat bis auf diesen TagAeneas Sylvius versichert, daß er diesen erneuerten Bestätigungsbrief von Karl IV. selbst gesehen: vidi inter privilegia regni litteras Caroli quarti Romanorum Imperatoris divi Sigismundi patris, in quibus – villae illius incolae – libertate donantur: nec plus tributi pendere jubentur, quam nucum illius arboris exiguam mensuram. .

Obgleich das Freudenpferd, welches jetzt den Bräutigam seiner Eigentümerin stolz entgegentrug, den Winden vorzulaufen schien: so ließ ihm dennoch Primislas zuzeiten die güldnen Sporen fühlen, um es noch mehr anzutreiben; ihn dünkte der rasche Trab nur ein Schildkrötenschritt zu sein, so heiß war sein Verlangen, die schöne Libussa, deren Gestalt nach sieben Jahren noch so neu und reizend seinen Sinnen vorschwebte, wieder von Angesicht zu schauen, nicht zu leerer Augenweide, wie eine ausgezeichnete Anemone in der bunten Flor eines Blumenpflegers, sondern zum seligen Verein sieggekrönter Liebe. Er dachte nur an die Myrtenkrone, welche in der Rangordnung der Liebenden weit über Königskronen pranget, und wenn er Hoheit und Liebe gegeneinander gewogen hätte, würde das Reich Böhmen ohne Fräulein Libussen weit hinaufgeschnellet sein, wie ein beschnittener Dukaten auf der Goldwaage eines Wechslers.

Die Sonne neigte sich bereits zum Untergange als der neue Fürst triumphierend in Vizegrad eingeführet wurde. Fräulein Libussa befand sich eben im Lustgarten, wo sie ein Körbchen reifer Pflaumen gepflückt hatte, da man ihr die Ankunft ihres zukünftigen Gemahls hinterbrachte. Sie ging ihm züchtiglich mit allen Dirnen des Hofs entgegen, empfing ihn als einen von den Göttern ihr zugeführten Bräutigam, und beschattete die Wahl ihres Herzens mit einer scheinbaren Resignation in den Willen der unsichtbaren Mächte. Die Augen des Hofs waren mit großer Neubegierde auf den Ankommenden gerichtet, sie sahen in ihm aber nur den schönen schlanken Mann. In Betracht der äußern Körperform befanden sich mehrere Höflinge, die sich mit ihm in Gedanken maßen, und nicht begreifen konnten, warum die Götter die Antichambre verschmähet und nicht vielmehr aus ihrem Mittel einen rotwangigen Kämpen, statt des bräunlichen Pflügers der jungen Fürstin zum Reichsgehülfen und Bettgenossen auserkoren hätten; besonders war dem Fürsten Wladomir und dem Ritter Mizisla abzumerken, daß sie ihren Ansprüchen mit Unwillen entsagten. Darum lag dem Fräulein daran, das Werk der Götter zu rechtfertigen, und kund werden zu lassen, daß Junker Primislas für den Mangel einer glanzreichen Geburt durch ein billiges Äquivalent an barem Menschenverstande und Scharfsinn sei entschädiget worden. Sie hatte ein herrliches Mahl zubereiten lassen, das dem, womit die gastfreie Königin Dido ehemals den frommen Aeneas bewirtete, nichts nachgab. Nachdem der Willkommen fleißig von Mund zu Mund herumgegangen war, die Geschenke des Freudengebers Heiterkeit und frohe Laune angefacht hatten, und schon ein Teil der Nacht unter Scherz und Kurzweil verschwunden war, brachte sie ein Rätselspiel in Vorschlag, und weil das Erraten verborgener Dinge ohnehin ihre Sache war, löste sie zum Vergnügen aller Anwesenden die Rätsel, die auf die Bahn gebracht wurden.

Da nun die Reihe an sie kam eins aufzugeben, berief sie den Fürsten Wladomir, den Ritter Mizisla und den Junker Primislas zu sich und sprach: »Ihr wackern Gesellen, jetzt schickt euch an, von mir ein Rätsel zu lösen, damit offenbar werde, wer unter euch der Weiseste und Verständigste sei. Ich habe euch allen dreien eine Spende zugedacht aus diesem Körbchen, von den Pflaumen die ich gepflückt habe in meinem Garten. Einer unter euch soll die Hälfte davon haben und eine drüber, der andere soll wieder die Hälfte haben und eine drüber, der dritte soll nochmals die Hälfte haben und drei drüber. So sich nun befindet, daß der Korb ausgeleert ist, sagt mir an, wie viel Pflaumen jetzt innen sind?« Der voreilige Ritter Mizisla maß das Fruchtkörbchen mit den Augen, und nicht den Sinn der Aufgabe mit dem Verstande, und sprach: »Was sich mit dem Säbel lösen läßt, das unterfange ich mich wohl zu lösen; aber deine Rätsel, holdselige Fürstin, sind mir fast zu spitzig eingefädelt. Dennoch will ich nach deinem Begehr auf gut Glück einen Wurf ins Blaue wagen: ich vermeine daß ein Schock Pflaumen wohlgezählt in dem Korbe beisammen liegen.« »Du hast einen Fehlwurf getan, lieber Ritter«, antwortete Fräulein Libussa. »Es müßten ihrer noch einmal soviel, ein halbmal und ein Drittel soviel sein, als das Körbchen in sich faßt, und überdas noch fünfe hinzugezählt werden, so wären ihrer gerade so viel übers Schock als jetzt daran fehlen.« Fürst Wladomir kalkulierte lange und mühsam, als wenn mit der Auflösung des Rätsels der Posten eines General-Kontrolleurs der Finanzen war zu erwerben gewesen, und brachte endlich das Fazit der berüchtigten Zahl fünfundvierzig heraus. Das Fräulein sprach abermals: »Wenn ihrer ein Drittel ein halbmal und ein Sechstel soviel wären als ihrer sind, so würden gerade so viel über fünfundvierzig in meinem Körbchen liegen, als jetzt daran fehlen.«

Ob nun wohl der gemeinste Rechenmeister, der seiner Kunst nur um ein Haarbreit kundiger gewesen war als die unbelehrte K—lenberger Rechengilde, die Aufgabe ohne Mühe würde entziffert haben: so ist für einen schlechten Rechner die Gabe der Divination doch unumgänglich erforderlich, wenn er sich mit Ehren aus der Sache ziehen und nicht mit Schimpf bestehen will. Da nun dem weisen Primislas solche zum Glück verliehen war, so kostete es ihm weder Kunst noch Anstrengung, den Aufschluß des Rätsels zu finden. »Vertraute Gespielin der himmlischen Mächte«, sprach er, »wer deinen hochschwebenden Göttersinn auszuspähen unternimmt, der wagt es dem Adler nachzufliegen, wenn er sich in den Wolken verbirgt. Dennoch will ich deinem verborgenen Schwünge folgen, so weit das Auge trägt, welchem von dir Lichtblick verliehen ist. Ich urteile, daß du der Pflaumen dreißig an der Zahl in deinem Körbchen verborgen hast, nicht eine mehr und keine weniger.« Das Fräulein blickte ihn freundlich an und sprach: »Du spürest den glimmenden Funken auf, der tief in der Asche verborgen ist, dir dämmert das Licht aus Finsternis und Nebel hervor: du hast mein Rätsel erraten.« Darauf tat sie ihr Körbchen auf, und zählte dem Fürsten Wladomir fünfzehn Pflaumen in den Hut, nebst einer drüber, und es blieben ihr noch vierzehn, davon gab sie dem Ritter Mizisla sieben und noch eine, und es lagen noch sechs in dem Fruchtkörbchen; die Halbschied davon teilte sie dem weisen Primislas zu, hernach auch die drei übrigen, und der Korb war ledig. Der ganze Hof verwunderte sich höchlich über die arithmetische Weisheit der schönen Libussa und über den Scharfsinn ihres klugen Sponsen. Niemand konnte begreifen wie der menschliche Witz auf der einen Seite eine gemeine Zahl so rätselhaft in Worte verschränken, und auf der andern mit solcher Zuverlässigkeit solche aus dieser kunstreichen Verborgenheit herauszuklauben vermöge. Den ledigen Korb verlieh das Fräulein den beiden Rittern, die ihrer Liebe nicht teilhaft werden konnten, zum Andenken der erloschenen Liebschaft. Daher kommt die Gewohnheit, daß man von einem zurückgewiesenen Freier sagt, er habe von seinem Liebchen einen Korb bekommen, bis auf den heutigen Tag.

Nachdem alles zur Huldigung und dem Beilager in Bereitschaft war, wurden beide Feierlichkeiten mit großem Pomp vollzogen. Das böhmische Volk hatte nun einen Herzog und die schöne Libussa einen Gemahl, beide nach dem Wunsch ihres Herzens, und welches zu bewundern war, vermöge einer Wirkung der Schikane, die sonst eben nicht in dem Rufe stehet, daß sie die schicklichste Unterhändlerin sei. Wenn indessen ja ein Teil von beiden der Betrogene gewesen war, so war es wenigstens nicht die kluge Libussa, sondern das Volk, wie das ohnehin der gewöhnliche Fall ist. Das Reich Böhmen hatte dem Namen nach einen Herzog, aber die Regierung fand sich nach wie vor in der weiblichen Hand. Primislas war ein rechtes Muster eines folgsamen unterwürfigen Ehgemahls, der seiner Herzogin weder das Hausregiment noch die Landesregierung streitig machte. Seine Gesinnungen und Wünsche sympathisierten so vollkommen mit den ihrigen wie zwo gleichgestimmte Saiten, wovon die unberührte den Ton freiwillig nachhallt, den die lautertönende anspricht. Libussa hatte aber auch nicht den stolzen eiteln Sinn der Damen, die für große Partien gelten wollen, und den armen Wicht, dessen Glück sie wähnen gemacht zu haben, in der Folge mit Übermut stets an die Holzschuhe erinnern; sondern sie ahmte der berühmten Palmyrenerin nach, und herrschte wie Zenobia über ihren gutmütigen Odenat vermöge des Übergewichtes ihrer Geistestalente.

Das glückliche Paar lebte im Genuß unwandelbarer Liebe nach der Sitte damaliger Zeit, wo der Instinkt der die Herzen verbindet, so fest und dauerhaft war, als der Kitt und Mörtel, der die Mauren der alten Welt so unzerstörbar machte. Herzog Primislas wurde bald einer der streitbarsten Ritter seiner Zeit, und der böhmische Hof der glänzendste in Deutschland. Es zogen sich unvermerkt viel Ritter und Edle auch eine große Volksmenge aus allen Gegenden des Reichs herbei, daß die Residenz für die Einwohner zu enge wurde, darum beschied Libussa ihre Amtleute zu sich, und befahl ihnen eine Stadt zu bauen an dem Orte, wo sie den Mann finden würden, der in der Mittagsstunde den weisesten Gebrauch von den Zähnen zu machen wisse. Sie zogen aus und fanden zu der bestimmten Zeit einen Mann, welcher sich angelegen sein ließ, einen Bloch entzwei zu sägen. Sie urteilten, daß dieser geschäftige Mann von den Zähnen der Säge in der Mittagsstunde einen ungleich bessern Gebrauch mache, als der Schmarotzer von den Zähnen seines Gebisses an der Tafel der Großen, und zweifelten nicht, daß sie den Platz gefunden hätten, den ihnen die Fürstin zur Anlage der neuen Stadt angewiesen hatte. Daher umzogen sie den Raum des Feldes mit der Pflugschar, den Umfang der Stadtmauer zu bezeichnen. Auf Befragen, was der Arbeitsmann aus dem zerschnittenen Werkstück zurichten wollte, antwortete er: »Prah«, welches in der böhmischen Sprache eine Türschwelle bedeutet. Darum nennte Libussa die neue Stadt Praha, das ist Prag die wohlbekannte Königsstadt an der Muldau in Böhmen. In der Folge ging die Weissagung des Primislas in Absicht seiner Nachkommenschaft in pünktliche Erfüllung. Seine Gemahlin wurde Mutter von drei Prinzen, davon zwei in der Jugend starben, der dritte aber wuchs heran und aus ihm sproßte ein glänzendes Königsgeschlecht, das auf dem böhmischen Throne Jahrhunderte blühete.


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