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Einleitung

Eduard Douwes Dekker, der sich mit etwas koketter Überheblichkeit » Multatuli«, das ist: »Ich habe viel getragen«, nannte, wurde am 2. März 1820 in Amsterdam geboren. Schon in jungen Jahren, bereits 1838, verließ er Holland und übersiedelte nach Java, und hier betrat dieser Mann, der im guten und schlechten Sinne des Wortes ein typischer Bohème war, eine Laufbahn, die für sein stark entwickeltes Unabhängigkeitsgefühl, für seine Abneigung gegen jeden Formenzwang die ungeeignetste sein mußte: Er wurde Beamter.

Es erübrigt sich, eine Schilderung seiner amtlichen Karriere zu geben, der vorliegende Roman, das bedeutsamste seiner zahlreichen, aber sehr ungleichmäßigen Werke, ist fast eine Autobiographie. Max Havelaar ist Multatuli. Als dieses Buch im Jahre 1860 in Amsterdam erschien, erregte es beträchtliches Aufsehen. Die Selbstgefälligkeit der holländischen Regierungs- und Handelskreise war durch die schonungslose Enthüllung der skandalösen kolonialen Zustände sehr unangenehm berührt. Man versuchte zunächst, aus dem privaten Leben Multatulis peinliche Dinge hervorzukehren, um damit seine Angriffe zu parieren. Aber dieses häßliche und lächerliche Verfahren erwies sich als unzweckmäßig, und so ging man dazu über, ihn als Querulanten hinzustellen. Diese Charakterisierung hatte wohl den Schein der Berechtigung, aber schließlich verbirgt sich hinter jedem Querulanten auch ein Fanatiker des Rechts, ein Stück Michael Kohlhaase. Widerstrebend, und ohne jemals einzugestehen, daß Havelaar den Anstoß zu diesen Reformen gegeben habe, mußte die niederländische Regierung doch dazu übergehen, der Mißwirtschaft in ihren Kolonien durch scharfe Maßnahmen entgegenzutreten. Douwes Dekker, der von 1866 an mit geringen Unterbrechungen in Deutschland lebte und im Februar 1887 in Nieder-Ingelheim starb, konnte sich des Triumphes freuen, daß dem armen, geplagten Javaner nun doch allmählich ein stärkerer Schutz gegen die Gewalttaten seiner Bedrücker gewährt wurde. Den gesteigerten Ansprüchen Multatulis genügten allerdings die Maßnahmen nicht, und mit unermüdlicher Hartnäckigkeit trat er immer wieder zwar als lästiger, für die Verfolgten und Unterdrückten aber sehr verdienstvoller Mahner auf.

Es möge noch erwähnt sein, daß die im Havelaar auftretenden und erwähnten Personen tatsächlich existiert haben, und der seltsame General van Damme des Romans ist eine getreue Kopie des holländischen Generals Michiels, der in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sein brutales Regiment als Gouverneur der Westküste von Sumatra führte. Slymering hieß in Wirklichkeit Brest van Kempen, und der Generalgouverneur, der sich durch die Leiden der Bevölkerung nicht in seinen Reisevorbereitungen stören ließ, war Duymaer van Twist.

Alle diese Herren verzehrten wirklich auf herrlichen Landsitzen neben den stattlichen Summen, die sie im Dienst »erübrigt« hatten, ihre sehr hohen Pensionen, während Douwes Dekker in Not und Entbehrung, von den Seinen getrennt, jahrelang umherirrte.

Man darf es begreiflich finden, daß die manchmal bis zur unfreiwilligen Komik gesteigerte Selbstgefälligkeit Multatulis es auch den Wohlwollenden sehr schwer machte, ihm ihre Sympathien entgegenzubringen. Es kann als bezeichnend für ihn gelten, daß er, als noch vor Erscheinen des »Havelaar« das niederländische Kolonialministerium ihm eine ehrenvolle Rehabilitierung anbot, Forderungen stellte, deren Erfüllung selbst der ihm durchaus wohlgesinnte Minister Rochussen nicht übernehmen konnte. Neben erhöhtem Rang und sehr beträchtlichen Geldsummen verlangte der angeblich allen Äußerlichkeiten so abholde Douwes Dekker den Orden vom Niederländischen Löwen!

Ein peinlicher Widerspruch zwischen Lehre und Leben klafft auch in Multatulis Verhalten gegenüber seiner von ihm »über alles geliebten« Tine. Er hat an dieser bedauernswerten Frau, deren Dasein wirklich nur ein einziger Opfergang für den angebeteten Mann war, sehr häßlich gehandelt, und wiederholt, und nicht nur im Rausche einer flüchtigen Künstlerlaune, hat er die Arme rücksichtslos anderen Neigungen zuliebe den unwürdigsten Kränkungen preisgegeben. Sie starb, fern von ihm, 1874 in Venedig.

Doch das sind Dinge, die den Menschen betreffen, die sein Werk nicht berühren. Wenn auch unter seinen Zeitgenossen selbst solche, die frei waren von kleinlicher Engherzigkeit, schließlich die Hand von ihm zogen, so hat doch eine höhere Gerechtigkeit für ihn entschieden, und wenn heute im »erwachenden Asien« sich auch der Wunsch nach Unabhängigkeit in Niederländisch-Indien drohend erhebt, so geht hier eine bittere Saat für jene auf, die allzu lange Havelaars Klagen und Mahnungen unbeachtet ließen.

E. M. L.

Gerichtsdiener: Herr Richter, hier bringe ich den Mann, der Bärbel ermordet hat.

Richter: Der Mann muß an den Galgen! – – Wie hat er es angestellt?

Gerichtsdiener: Er hat sie in kleine Stücke zerschnitten und eingesalzen.

Richter: Daran hat er unrecht getan. Er muß an den Galgen!

Lothario: Herr Richter, ich habe Bärbel nicht ermordet! Ich habe für sie gesorgt, sie genährt und gekleidet! Ich habe Zeugen, die bestätigen werden, daß ich ein guter Mensch bin und kein Mörder.

Richter: Mann, Ihr müßt an den Galgen! Ihr verschlimmert Euer Verbrechen durch Euren Eigendünkel. Es schickt sich nicht für einen Mann, der – – – unter Anklage steht, sich für einen guten Menschen zu halten.

Lothario: Aber, Herr Richter, ich habe Zeugen, die das bestätigen können! Und da ich hier des Mordes angeklagt bin – – –

Richter: Müßt Ihr an den Galgen! Ihr habt Bärbel in Stücke geschnitten und sie eingesalzen, Ihr seid von Euch selbst eingenommen – – – das sind drei kapitale Verbrechen! – – – Wer seid Ihr, Frauchen?

Frau: Ich bin Bärbel.

Lothario: Gott sei Dank! Sie sehen, Herr Richter, daß ich sie nicht ermordet habe!

Richter: Hm – – – ja – – – allerdings! – – – Aber das Einsalzen?

Bärbel: Nein, Herr Richter, er hat mich nicht eingesalzen. Er hat mir im Gegenteil viel Gutes erwiesen. Er ist ein edler Mensch!

Lothario: Da hören Sie es, Herr Richter, sie sagt, daß ich ein guter Mensch bin.

Richter: Hm – – – der dritte Punkt der Anklage bleibt also bestehen! Gerichtsdiener, führt den Mann ab, er muß an den Galgen! Er hat sich des Eigendünkels schuldig gemacht. Gerichtsschreiber, führen Sie in der Urteilsbegründung die Worte von Lessings Patriarchen an!

(Aus einem unveröffentlichten Schauspiel.)


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