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XXIII.

Ohne Unterlaß rauschten die Wasser vom Himmel nieder; seit mehr als zwei Wochen regnete es mit nie erlebter Heftigkeit. Auf allen Dachböden lag nasses Getreide, in jedem zweiten Haus wurden die Zimmerdecken bereits feucht, und es begann an den Wänden herunterzunässen; durch die Dorfgassen flossen Bäche, die in alle Keller eindrangen, und man konnte durch keinen Hof mehr waten und über keine Gasse schreiten, ohne sein Schuhwerk zu verlieren. Die Ziegelsteine, die man da und dort gelegt hatte, weichten auf; Bretter schwammen fort oder wurden so tief in den lehmigen Grund getreten, daß der frühere Zustand wieder eintrat. Das Vieh stand in den Ställen und konnte nicht mehr auf die Weide getrieben werden; es fraß das letzte Trockenfutter, das man aufgespart hatte. Hundertfältige Arbeit war zu tun in Feld und Weingarten, es konnte nichts geschehen; man saß daheim und schaute zu den Fenstern hinaus, schaute mit dem beklemmenden Gefühl, Zeuge eines großen Elementarereignisses zu sein, zu dem unerbittlichen Himmel empor.

Auch an den Dämmen konnte nicht gearbeitet werden.

Der Stromingenieur nahm die Regenkatastrophe aber bei weitem nicht so schwer wie die Bevölkerung; er wußte, daß diese örtlichen Wassermengen wohl lästig, aber ungefährlich waren. Sie gingen ab. Weit wichtiger war, zu erfahren, was sich am oberen Lauf der Donau begab. Von dort wurde heißes Wetter gemeldet. Der Neuschnee vom März und April schmolz im Gebirge, alle Flüsse in Österreich und Salzburg traten aus; der Inn, die Enns, die Traun, die March brachten ungeheure Wassermengen in die Donau. Von dorther drohte größere Gefahr als von diesem unbeschreiblich ausdauernden Regen, der jeden Verkehr tötete und das ganze Dorf in einen unbeweglichen Klumpen verwandelte. Dem Gergely schwoll der Kamm ob seiner Wichtigkeit. Die heurige Kampagne mußte ihm den Oberingenieurrang bringen. Denn er hatte gleich nach dem Eisstoß arbeiten lassen, hatte vorgebaut.

Der Klugsbaltzer stimmte seinen Anschauungen aber nicht zu. Was von oben komme, das komme jedes Jahr. Ob das hiesige Gerinne der Donau noch etwas aufnehmen könne, ob die Erde hier nicht schon übersättigt sei mit Wasser, das sei wohl ebenso wichtig. Von den Arbeiten des Vorfrühlings hielt er nichts. Es war zu viel gefrorene Erde dabei! Und er fürchtete überhaupt mehr die träge Theiß, die das Maroschwasser von ganz Siebenbürgen her bringe. Wenn die keine Abnahme finde im Überschwemmungsgebiet, dann werde sie bös. Das wisse er besser.

Und er führte einen neuerlichen einstimmigen Beschluß der Gemeinde herbei in der Dammbaufrage. Er ließ nicht ab von all den praktischen Hinweisen, die ihnen der Banater Amerikaner Georg Trauttmann gegeben hatte. Man mußte zur Selbsthilfe greifen, wenn einen niemand erhöre, wenn man überall nur auf Trägheit oder bösen Willen stoße.

Mit diesem Beschluß in der Tasche fuhr er nach der Komitatsstadt. Aber er ging nicht mehr zum Oberstuhlrichter, er ging zum eigentlichen Chef der Verwaltung, dem Vizegespan. Warum denn der Komitatsausschuß sich mit der Karlsdorfer Angelegenheit nicht befasse, wollte er wissen. Und sollte das dem damaligen Kommissionsprotokoll beigelegte Dammbauprogramm nicht zur Kenntnis des Herrn Vizegespan gelangt sein, was gar nicht unmöglich war, so hatte er ein zweites bei sich. Denn es schien, daß die Zwischenstelle die ihr so unangenehme Angelegenheit gar nicht weitergeleitet habe. Mit seiner Absetzung, die der gereizte Oberstuhlrichter in Aussicht stellte, hatte es auch gute Wege, man hörte nichts davon. Das Amt rührte keinen Finger. Und was er in jenes Protokoll geschrieben, wurde offenbar vertuscht.

Der Vizegespan des Komitates, Herr Géza von Tallianffy, ein braunhaariger, stattlicher Sechziger von gewinnenden Kavaliersformen, empfing den Richter von Karlsdorf augenblicklich. Er hatte kein ganz reines Gewissen dieser Gemeinde gegenüber, und er erwartete schon lange, daß von dorther eine Beschwerde an ihn kommen würde. Er hatte zugestimmt, als ihm seine liebedienerischen Referenten den eigenen Neffen für den Posten eines Stromingenieurs für Karlsdorf vorschlugen. Wäre es nicht sein Neffe gewesen, er hätte es nicht getan. Denn der Posten war zu wichtig. Er war von jeher ein Sprungbrett zum höchsten Avancement in der technischen Branche des Komitats. Der Posten erforderte einen ganzen Mann; Herr von Tallianffy aber wußte nur zu gut, was sein Schwestersohn wert war. Ihm bangte manchmal, wenn er von Überschwemmungsgefahren aus jener Gegend hörte. Aber siehe, es kam keine Beschwerde, der Bursche hatte Glück. Vielleicht unterschätzte ihn der Oheim. Oder hatte er sich gebessert? War er endlich ein Mann der Pflicht geworden? Es war auch merkwürdig, daß er, der Oheim, seit mehr als Jahresfrist keine brieflichen Lamentationen seiner Frau mehr erhielt. Der Vilmos scheint also auch keine Schulden mehr zu machen. Freilich hatte der Vizegespan sich einmal energisch jede Behelligung verbeten und jede weitere Zahlung abgelehnt. Aber war das im Ernst ein Grund für den Vilmos, nicht wieder zu kommen?

Herr von Talanffy kam dem Klugsbaltzer denn auch sogleich mit allerlei Fragen entgegen: »Was bringen Sie mir, Herr Richter? Wie sind Sie zufrieden mit meinem Neffen? Was macht Ihre Gemeinde?«

Überrascht und betroffen von diesem bereitwilligen Interesse, wußte der Richter zunächst keine Antwort. Er schöpfte tief Atem und sammelte seine Gedanken. Dann begann er seinen Bericht. Und der Klugsbaltzer war nach einer Stunde noch immer im Salon des Vizegespans. Dieser wußte von nichts, hörte zum erstenmal von der ganzen Angelegenheit und war nicht wenig verstimmt über all die Einzelheiten, die er da erfuhr. Ja, das waren die Leute, mit denen er arbeiten mußte, von denen das Wohl und Wehe des Volkes abhing. Er gelobte eine strenge Untersuchung und versprach, die Karlsdorfer Sache in die nächste Sitzung des Komitatsausschusses zu bringen, die in drei Wochen stattfinde.

Herr von Tallianffy deutete nach dem Fenster. »Es wird hell. Die Sonne kommt wieder. Na, Gott sei Dank!« rief er aus. »Aber Sie werden noch schwere Tage haben. Man meldet Stunde für Stunde, daß das Wasser steigt. Da Sie es wünschen, schicke ich Ihnen noch zwei Komitatsingenieure für die nächsten Tage. Und wenn irgendein Konflikt entsteht, rufen Sie nur mich, Herr Richter, ich komme selbst. Ich werde schon Ordnung schaffen. Sagen Sie das, bitte, meinem Herrn Neffen!«

In gehobener Stimmung fuhr der Klugsbaltzer heimwärts. Man war also doch nicht ganz verlassen; es gab doch noch große Herren, die ein Herz hatten für das Volk und ein offenes Ohr für gerechte Klage.

Die Sonne lachte, der Mai mit all seinem Glanz stand vor den Toren, und die Saaten reckten die grünen Hälse lustig aus den nassen Feldern; sie waren noch nicht ertrunken. Wenn das Grundwasser jetzt versickerte, konnte es noch ein gottgesegnetes Jahr geben. Aber das konnte wohl lange nicht versickern, denn die Theiß stieg täglich um einen Fuß und die Donau um zwei. Und von überall her wurden Überflutungen gemeldet; die Donau brachte ganze Holzlager mit, Baumstämme, Hausgeräte, Teile von Schwein- und Schafställen. Zuletzt kamen Betten und Schränke, ja ganze Schindel- und Strohdächer. Eine losgerissene Schiffmühle samt ihren Insassen trieb vorüber in ein sicheres Verderben. Eine Kinderwiege, die vielleicht einen Inhalt gehabt hatte, als sie fortgetragen wurde, schaukelte auf dem lehmigen Wasser zwischen Holzscheiten, leeren Fässern und Hausgeräten jeglicher Art dahin.

So hatte der Klugsbaltzer die Donau schon lange nicht gesehen wie auf dieser Heimfahrt. Sie kündete nur Unheil und Verderben. Und es berührte ihn so eigen, daß er auf der Straße, die nach Karlsdorf hinabführte, fröhliche Buben traf, die nach Maulbeerblättern auszogen. Hier dachte man noch an Seidenzucht? Er war mit Bangen im Herzen heimwärts gefahren, fürchtete, hier schon zu spät zu kommen, und meinte oft, in den Lüften den dumpfen Knall der Karlsdorfer Böller zu vernehmen – und da bliesen sie noch die Schalmei? Eine schwere Last nahm ihm der Anblick dieser Buben vom Herzen.

Und horch – jetzt läuteten daheim die Glocken. So friedlich, so schön; ihn dünkt, er hätte sie nie so gehört. Wie lange werden sie noch klingen? Wie lange noch die Gemeinde aufrufen zum Tagewerk, zur Sammlung und zum Gebet?

Vielleicht sah er doch zu schwarz. Ihn schüttelte noch das Grausen, das er von dem Hochwasser empfangen hatte. Die Zerstörung des Heimatdorfes im Jahre 1830 hatte sich nie mehr in jenem Ausmaße wiederholt, obgleich die Wasser von 1868 und 1876 höher waren. Es gab nur immer einzelne Dammbrüche und überflutete Felder. Und man hatte sich sogar 1879 behauptet, als das stolze Szegedin unterging. Warum sollte man heuer verzweifeln? Aber es war doch so seltsam, daß die Hochwasserstände sich stetig in aufsteigender Linie bewegten. So weit die Aufzeichnungen zurückreichen – die neueren waren immer höher. Vielleicht reichten sie eben nicht weit genug zurück. Vielleicht waren unsere Vorfahren darin doch zu saumselig. Nicht in das vergängliche Pfarrbuch, an den Hochaltar der Kirche hätten sie ihre Erfahrungen schreiben müssen, meinte der Klugsbaltzer.

Ernst, aber nicht ohne ein Gefühl der Zuversicht und Festigkeit war er heimgekehrt. Und er staunte, daß Gergely beim Vizenotär in der Kanzlei saß, Anekdoten erzählte und Zigaretten dampfte, anstatt die Wasserwehr aufzubieten und auf die Strecke hinauszukommandieren, da ja das Wetter so günstig war. Gergely entgegnete, alle Böller seien geladen, die Dammwache wäre verdoppelt worden, und im übrigen verbitte er sich diese Schulmeisterei. Er sei kein Gemeindediener. Noch einen Meter müsse das Wasser steigen, ehe es die Dammkrone erreiche. Einen Meter! Dazu brauche die Donau bei der hiesigen Breite erfahrungsgemäß noch vier bis fünf Tage.

Der Klugsbaltzer sah ihm ernst in das erhitzte Gesicht. Dann sprach er trocken: »Der Herr Onkel loßt Ihna sage, er werd selber kumma, Ordnung macha. Derweil schickt er uns far die ärgscht Zeit zwa Komitatsinscheneera.«

»Was?!« schrie Gergely wie ein Tobsüchtiger. »Das haben Sie mir angetan? Wozu? Warum?«

Ein dumpfer Ton machte die Fensterscheiben der Gemeindestube klirren. Der Richter eilte zum Fenster und riß es auf. Ein zweiter Böllerschuß knallte, und zur Tür herein kam der Straubmichel gestürzt.

»Die Theiß!« rief er atemlos, »die Theiß!« Alle waren einen Augenblick sprachlos.

Nicht: »die Donau!«, nein – »die Theiß!« hatte er gerufen.

Starr, durchdringend blickte der Richter dem Gergely ins Gesicht. Jeder Blutstropfen schien aus diesem Antlitz gewichen zu sein.

»Unsinn!« rief der jetzt. »Blinder Alarm!« und eilte fort.

Es war eine unangesagte, stille Bereitschaft im ganzen Dorfe. Schon nach wenigen Minuten fuhr der Haffnerslippl mit seinem Jörgl zum Tor hinaus. Sie waren die ersten. Und als sie zum Gemeindehaus kamen, winkte ihnen der Richter zu und rief: »G'vatter, nehmt mich mit!« Es dauerte ihm zu lang, bis seine Leute eingespannt hatten.

Mit Genugtuung blickte die Susi dem Wagen nach. Sie hatte den Tornister nicht umsonst mit Brot und Speck gepackt, einen Tschuttera Feldflasche mit Rotwein, einen mit Raki gefüllt schon am frühen Morgen. Ihr schwante längst, daß das kommen müsse. Und auch an warme Pferdedecken für die Nacht hatte sie gedacht und den Männern unter den Sitz gelegt. Dem Vater steckte sie den »Stagl« mit Feuerstein und Zunder noch im letzten Augenblick in die Tasche. Was täte der Mann, wenn seine Reibhölzer feucht würden und die Pfeife kein Feuer bekäme? Und auch die Laterne hatte sie diesmal nicht vergessen. Wie hat der Jörgl geflucht im vorigen Jahr, daß er keine mitgehabt. Sie hatte die alte Fettlampe schon gestern mit einem langen Dochte versehen und gefüllt. Die blies der Wind so leicht nicht aus, und sie brannte länger als drei Kerzen. Sie war sich bewußt, nichts Nötiges verabsäumt zu haben, und stolz darauf, daß ihre Männer die ersten waren, die ausfuhren. Die Resi schloß das Tor; sie aber stand, die geschlossenen Fäuste auf die Hüften gestemmt, noch eine Weile draußen und sah dem Wagen nach.

Da fuhr auch der Gergely vorüber, als dritter oder vierter erst. Wie der nach ihr schaute! Wie der sie höflich grüßte. Sie wurde rot, als er sich ein zweites- und drittesmal nach ihr umwendete.

Was wollte »der Gschwuf« von ihr? Das hatte sie sich schon manchmal gefragt. So grüßte er niemanden im ganzen Dorf. Dem Jörgl durfte sie das gar nicht sagen. Der könnt' sich am Ende noch einmal einen Monat Arrest holen … Sie sann diesem Gedanken nach, während sie ins Haus zurückging. Und sie erinnerte sich, wie zweimal bei ihr geklopft wurde, als der Jörgl eingesperrt war … Himmel! Daß ihr das nicht früher aufgefallen, daß sie daran noch nicht gedacht … Der war's. Nur der! Wer sonst im Dorf könnte sich so etwas unterstehen? Oh, der Lump! Bei ihr Fensterln zu wollen, während ihr Mann wegen ihm …

Sie konnte es doch nicht glauben. So niederträchtig konnte doch ein Mensch nicht sein. Nein, nein, sie wollte es nicht glauben.

Und jetzt rollte Wagen um Wagen zum Dorfe hinaus. Niemand wartete, daß man ihn rief. Die Kleinhäusler und Handwerker, die kein eigenes Fuhrwerk hatten, liefen zum nächsten Bauern, und der nahm sie mit, spannte wohl gar einen zweiten Wagen an, wenn einer nicht reichte, denn für ihn stand mehr auf dem Spiel als für die Leute ohne Ar und Halm.

Kein Haus, dessen Fenster nicht besetzt gewesen wären bei diesem Auszug der Männer und Buben. Auch der Pfarrer war an das Fenster seines Arbeitszimmers getreten, obwohl er sich schon seit einiger Zeit nicht gern zeigte. Seitdem sein Name durch alle Blätter des Landes geschleift wurde, als der »Onkel der Monna Danna«, die einfach durchgegangen sei, weil der gestrenge Herr Pfarrer ihr nicht erlauben wollte, zum Theater zu gehen, seitdem schämte er sich vor seiner Gemeinde. Es waren ihrer ja nicht viele, die die böswillige Notiz »Die durchgegangene Monna Vanna« gelesen hatten; aber alle wußten um die Tatsache, daß Juliska fort war von ihm. Zerrissen hatte er den Vertrag, den sie ihm zur Genehmigung vorgelegt. Und zur Mêre Gilm wollte er die Juliska wieder zurückschicken, damit sie ihr den Kopf zurecht setze. Das versuchen zu wollen, hatte die Äbtissin ihm zugesagt, und ein halbes Jahr sollte das Kind znnächst bei ihr bleiben. Dann sollte er sie wieder sprechen und sehen, welchen Sinnes sie geworden sei.

Da kannte er seine Juliska aber schlecht. Laut auf hat sie gelacht, und anstatt nach Preßburg ging sie einfach nach Wien. Und der Graf soll sie angeblich in Zivil begleitet haben. Die Klarinéni wußte mehr, aber sie redete kein Wort. Sie seufzte sich nur noch durch das Leben, und das war recht still und trübselig geworden in dem Pfarrhaus, in dem einst Pater Istvan und Juliska ein so fröhliches Duett bildeten. Der neue Kaplan war ja auch ein Duckmäuser. Der Schleicher zählte wohl schon die Tage, bis er diese fette Pfarre erhielt. Aber da konnte er lange warten. Das litt die Klarinéni nicht. Sie hielt fest zu Juliska und war dessen sicher, daß es noch viele Tausende kosten würde, bis ihr Mädel reif war für die deutsche Bühne und ein lohnendes Engagement fand. Da hieß es noch ein paar Jahre sparen und wuchern und alles hinunterschlucken. Sie mußte ausharren an der Seite des Tyrannen. Und das von der deutschen Bühne durfte sie nicht einmal andeuten.

Als der Pfarrer noch den letzten Wagen nachblickte, mußte er unwillkürlich an den Jammer denken, den er am Beginn seiner Laufbahn in der Gemeinde erlebte. Hunderte waren verarmt und für Jahre um den Ertrag ihrer verschlammten und versandeten Felder gekommen. Es war heuer so ernst wie nur je … Er hätte das Gleiche nicht gern noch einmal erlebt zum Schluß.

Mit hartem, knöchernem Finger pochte es an seine Tür. Und es erschien die hohe, etwas vorgeneigte Gestalt des alten Wichnersepp auf der Schwelle. Er trug die Mütze in der Linken und legte die Rechte auf die Brust. »G'lobt seis Chrischt, Hochwürde, Herr Pharra,« schnarrte er und neigte seinen abgemagerten Kopf, der schon mehr einem Totenschädel glich, als dem eines lebenden Menschen.

»In Ewigkeit, Amen,« antwortete der Pfarrer. »Was bringt Ihr mir, Vater Wichner? Kommt, setzt Euch.«

»Dank' schön, Herr Pharra, 's geiht schun noch. Ich hätt' nar a Bitt'. Valleicht die letscht, bevar m'r halt aa geihn, sau wie se all' gegange sin.«

»Nun, nun, was ist's denn?«

»Die Kerch' loßt uns ufschperre, Herr Pharra, mer olta Leut', die nimmei mitkönna zum Damm 'naus, mer wolla beta.«

»Das ist recht, Vater Wichner, daß Ihr an den lieben Gott denkt. Ich werde gleich die Vesperglocke ziehen lassen und will dann selbst eine Stunde mit Euch beten.«

»Dank' schön, Hochwürde. 's Gabeet hot Kraft. D'rweil m'r glücklich is, maant mer, 's Beeta wär' a Geplabber Geplapper; geiht's scheps schief' d'rnoo werd jed's Vaterunser zu aner Laater Leiter, uf der m'r zum lieba Gott nufsteigt. Mer häwa im Johr 1879, wie Szegedin unnergange isch, 's ärgscht vun uns weggabet't.«

»Ihr seid ein frommer Mann, Vater Wichner, ich höre Ihre Stimme immer in der Kirche ‚« sagte der Pfarrer und verabschiedete den Greis.

»Wer nimmei zugreife konn, soll beta, daß d'r Herrgott die annern stärkt,« wiederholte er im Vorzimmer zur Klarinéni, »'s Gabeet hot Kraft.«

Und alsbald ertönte vom Turm der alten Dorfkirche die Vesperglocke, die sonst nur an Sonntagen läutet.


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