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8.

Es war Abend geworden, ehe die Gesellschaft sich trennte, und Albergati hatte während ganzer Stunden neben der jungen Dame gesessen, die er verehrte und deren Nähe dennoch jetzt ihn verwirrte und bedrückte.

Lucia war freundlich und gesprächig; ihre Augen ruhten zuweilen mit so gewinnendem und bedeutsamem Ausdrucke auf ihm, daß sein Herz heftiger schlug und das Feuer schöner Gläubigkeit darin aufloderte; aber fast eben so schnell erlosch es wieder vor der Zweifelsucht und dem Ernst seiner Gedanken.

Was blieb denn wahr an diesem angebeteten Mädchen? Wie sollte es möglich sein, daß sie ihm jetzt ihre Gunst schenken könnte, welche sie vor nicht langer Zeit ihm versagt hatte? Hatte sie Cosimo vergessen? Wollte sie der Welt beweisen, daß diese lüge, wenn sie ihr Schmerz und Trauer andichte? Wollte sie diesen Beweis damit führen, daß sie ihm ihre Hand reichte, oder hingen noch andere Pläne damit zusammen – wollte sie Cosimo zugleich für immer den Freund entreißen?

Dieser innere Kampf machte, daß Albergati voller Unruhe blieb, und alle die Auszeichnungen, deren er sich zu erfreuen hatte, von einer geheimen Verkümmerung abgeschwächt wurden. Eine schwarze Wolke schwebte vor ihm und verbarg die Sonne, dennoch aber durchbrachen deren Strahlen oft jene Verfinsterung, und in seinen Blicken glänzten seine Empfindungen.

Die Gäste des hohen Rathes bestanden aus einigen vornehmen Herren und Damen, die Unterhaltung wurde mit Lebendigkeit und Feinheit geführt; selten einmal verirrte sie sich auf das Gebiet der Tagesfragen und dann nur, um mit einigen Spöttereien darüber fortzugehen. Man hätte nothwendig Cosimo's Namen nennen, über ihn reden müssen, Lucia's wegen vermied man dies, und nur einmal, als davon die Rede war, daß man bald eine neue Dogenwahl haben, wobei es ohne Zweifel hitzig hergehen werde, erzählte einer der Gäste, daß, wie er gehört, vor einigen Tagen bei dem Herzog Orzio darüber lebhaft debattirt worden sei, in welcher Weise die Wahlzettel unter strenge Kontrolle zu stellen wären, worauf Graf Cosimo die genauste Zählung der Anwesenden und die Wahl von Wahlcommissarien empfahl, indem er zugleich daran erinnerte, daß nach einem alten Gesetz derjenige sofort aus dem Fenster gestürzt werden sollte, der es wagte zwei Kugeln in die Wahlurne zu werfen.

Und das ist allerdings zuweilen vorgekommen, sagte Albergati.

Es ist öfter vorgekommen, erwiederte Lucia, zuletzt damals, als das Gericht der Vierziger Anträge machte, den Preis der Lebensmittel herabzusetzen, die Arbeit zum Wohle des Volks zu schützen, den Verschwendungen des Adels Einhalt zu thun und die Sitten zu verbessern. Der große Rath schickte die Anträge an den Senat, der Senat schob sie dem Regierungscollegium zu. Zuletzt bestanden die Vierziger auf eine Specialcommission, da dies jedoch dem Rath der Zehn gefährlich schien und das Volk in Aufregung gebracht wurde, widersetzten sich die Freunde der alten Verfassung, und es wurde ein Antrag in den großen Rath gebracht, den Vierzigern das Recht zu nehmen, so aufrührerische Vorschläge machen zu dürfen. Dies gelang zwar nicht, allein die Specialcommission wurde mit geringer Stimmenmehrheit verworfen. Es fanden sich jedoch in den Wahlurnen zweiundsiebenzig Stimmen mehr als Anwesende im Saale waren, was zu den heftigsten Auftritten führte.

Solche und ärgere Auftritte haben wir jedenfalls auch zu erwarten, rief einer der Gäste. Es ist jetzt viel schlimmer noch, als damals.

Die Abstimmung blieb gültig wie sie war, trotz alles Gelärmes, fuhr Lucia stolz lächelnd fort. Die Zehner ließen in der nächsten Nacht den ärgsten Schreier, Carlo Contarini, festnehmen und verbannten ihn nach Cattaro, drei andere wurden in die Festung Peschiera gesperrt, und Venedig war beruhigt.

Bravo! bravo! rief Capello, auch diesmal wird Venedig ruhig werden. Was unsere Väter uns hinterlassen, sollen uns diese Uebelthäter nicht rauben: Die Frömmigkeit, die Gläubigkeit, die Demuth vor Gottes Weisheit und der von ihm eingelegten Obrigkeit. Cospetto! wir werden diesen Buben beweisen, daß wir woblerworbene Rechte und die Macht dazu haben.

Warum sind Sie so nachdenkend, Herr Odoardo? fragte Lucia während des allgemeinen Gesprächs.

Ich bin erstaunt darüber, welche Kenntniß unserer Geschichte Sie besitzen, antwortete er.

Weil ich mich viel damit beschäftigte, sagte das Fräulein, und weil mein Vater die besten Hülfsmittel dafür besitzt: Staatsschriften, Bücher und ein vortreffliches Gedächtnis, das auch mein Erbtheil geworden.

Sie vergessen nichts, erwiederte er lächelnd.

Nein, Herr Odoardo, versicherte Lucia, und ihre Worte begleitete ein feuriger Blick. Die meisten Frauen vergessen leicht, ich mache eine Ausnahme. Ich habe niemals vergessen, wie vielen Dank ich Ihnen schulde.

O! daß ich ihn verdient hätte und je verdienen könnte, fiel er ein.

In Zeiten wie diese, war ihre Antwort, muß man treue Freunde doppelt hochschätzen, die zu uns gehören. Ich bin entzückt von dem, was mir mein Vater mitgetheilt hat, der Ihres Ruhmes voll ist, Herr Odoardo.

Er ist sehr gütig gesinnt, sagte Albergati. Doch Ruhm zu erringen ist mir immer fremd gewesen. Ich habe ein stilles und zurückgezogenes Leben allen Ansprüchen auf Macht und Rang vorgezogen.

Ein Mann soll nach Macht und Ehren ringen! erwiederte Lucia.

Wenn er die Eigenschaften dazu besitzt, antwortete Albergati. Ich habe nicht den Trieb und Drang bekommen, ein sicheres Zeichen, daß ich die Gaben nicht besitze.

Ihr stolzes Lächeln flog über ihn hin.

Sie trauen sich zu wenig zu, Herr Odoardo, versetzte sie. Sind nicht viele große Männer unentschlossen und träumerisch gewesen, bis ihr Ehrgeiz geweckt wurde? Vielleicht bedarf es nur eines Sporns, und Alles ist geschehen.

Er las in ihren Blicken: dieser Sporn werde ich sein! Tief und verlangend tauchte er in diesen glänzenden Strom, der über ihm zusammenschlug. Ein edler Stolz erfüllte ihn, und seine Stirn hob sich zu ihr auf, um ihr zu sagen: Auch ich bin ein Venetianer, meiner Väter Thaten wurden nicht umsonst gethan.

In diesem Augenblick erschallte von dem Platze her der Lärm und das Geschrei vieler Stimmen und störte die Tafelfreuden. Von dem Balkone aus konnte man einen Theil der Rhede und des Hafens überblicken, und dorthin eilte die Gesellschaft, um nach den Ursachen dieses Getümmels zu forschen. Volkshaufen sammelten sich, Gondeln und Boote in dichter Zahl eilten aus den Kanälen dem Meere zu, und die Batterie des Arsenals feuerte mehre Kanonen ab.

Es war aber kein Pöbelaufstand ausgebrochen, die erschreckten Damen wurden alsbald darüber beruhigt, denn vor den Sandinseln zeigten sich in der Ferne mehre große Schiffe, welche den Löwen von St. Marco in ihren Flaggen trugen. Es waren Kriegsschiffe der Republik, begleitet von Transportfahrzeugen, und Albergati, wie die meisten der Anwesenden, wurde überrascht durch die lebhaften Aeußerungen seines Verwandten Capello, der seine Freude über diesen Anblick nicht länger zurückhielt.

Da sind sie endlich, rief er, die wir so sehnlich erwarteten. General Spada und seine Dalmatier. Sechstausend wackere Bursche bringt er uns von Cattaro. Beim heiligen Marcus! ich kann die Bajonette blitzen sehen. Gelobt sei die gebenedeite Jungfrau! jetzt sind wir sicher vor den Elenden und ihren Plänen.

Francesco Pesaro stimmte ihm mit einigen Worten bei. Alle guten Bürger werden sich freuen, von der Angst vor dem Halsabschneiden erlöst zu sein, sagte er; denn lange hätte es wahrlich nicht mehr gedauert, so wären die Rotten, denen man in den Kopf gesetzt hat, die Reichen und Vornehmen seien an Theurung und allem Elend schuld, über uns hergefallen. Ich muß nach Haus, Capello, es wird uns nicht an Thätigkeit fehlen.

Alle Anwesende theilten die Freude über die Ankunft der Soldaten, und ihre patriotischen Wünsche machten sich in Ausrufungen Luft, die den Erwartungen des Procurators entsprachen.

Das Volk am Meeresufer stand in großen Haufen zusammen, um die Schiffe zu betrachten und ihrem Einlaufen zuzusehen, den Allermeisten aber gewährte es sicher keine Freude. Finstere Gesichter blickten zuweilen zu den Balkonen der Adelshäuser in der Nähe hinauf, die sich mit Damen und Herren füllten, welche mit Tüchern wehten und die Hüte schwenkten. Mißtrauische Blicke beobachteten die Nachbarn und suchten nach den Spionen umher; Flüche, Verwünschungen und Warnungen wurden in vertraute Ohren gemurmelt.

Plötzlich erscholl ein Jubelgeschrei, die ganze Masse wendete sich dem Platze zu, wo Cosimo in Begleitung des alten Orzio und an seinem Arme Lavinia sichtbar wurde.

O, der Unbesonnene! flüsterte Albergati seufzend.

Er blickte Lucia an. Ihre Augen hatten einen dämonischen Glanz; wie dem Engel der Rache strahlte ihr Gesicht vor unerbittlicher Vernichtungsgier. Ein Grauen überlief ihn davon, und seine Hand zitterte wie sein Herz, als sie sich zu ihm umwandte und mit einem verzehrenden Lächeln sagte:

Zum letzten Male wird ihm die Sonne dazu leuchten. Lassen Sie uns gehen, Herr Odoardo, ein neuer Tag geht uns auf.

Nach einiger Zeit begleitete er das Fräulein und ihren Vater bis zum Palast der Procuratoren, wo Pesaro wohnte. –

Noch ein Wort, sagte der Staatsmann, als er sich entfernen wollte, und indem er sich an sein Ohr neigte, flüsterte er ihm zu: Verlassen Sie Venedig heut Abend noch und kehren nach Ihrer Villa zurück. Was hier geschehen wird dürfte Ihnen schmerzlich sein. Schwärende Beulen muß man mit glühendem Eisen brennen und darf keine Zeit verlieren. Ich werde Sie bei Lucia entschuldigen. In einer Woche kehren Sie zurück, dann auf Wiedersehen, lieber Odoardo!

Er ist verloren! murmelte Albergati, als er durch die Straßen ging, und ich – ich werde die ihn mordeten küssen und lieben.

Sein Kopf, der so mild und vorsichtig dachte, füllte sich plötzlich mit einem ungewöhnlichen energischen Widerwillen, sein Herz überwältigte die furchtsame Besonnenheit, seine Freundschaft rang sich hervor aus den Fesseln der Leidenschaft, die sie gebunden hatte.

Es darf nicht sein! rief er sich zu, ich muß ihn retten! Mag sie mich hassen, mag ich sein Schicksal theilen, ich kann den Freund nicht verderben helfen.

In sein Haus zurückgekehrt, traf er sogleich Anstalten, welche zu seinem Vorhaben dienen sollten. Er hatte treue Diener, auf welche er rechnen konnte, und ließ diese seine große Gondel in Stand setzen, um Venedig sogleich zu verlassen. Da er vermuthen durfte, daß die Spione der Inquisition ihn beobachteten, war er bemüht seine Abreise so öffentlich als möglich zu machen, und noch war es nicht Abend geworden, als er davon fuhr, eben als die Regimenter landeten und in Barken nach den verschiedenen festen Punkten geführt wurden.

Mehre Stunden lang, bis es dunkel wurde, setzte Albergati seine Reise fort, dann aber kehrte er in einem schmalen schnellen Ruderboot zurück, das ihm nachgefolgt war. Die beiden Ruderer waren gewandte und entschlossene Bursche, wohlbekannt mit dem Labyrinth der Kanäle und deren Verzweigungen und Mündungen, was jedenfalls von Bedeutung war, denn Odoardo bemerkte wohl, daß an verschiedenen Orten größere und kleinere Fahrzeuge lagen oder auch hin und her kreuzten, und vermuthete nicht ohne Grund, daß die Regierung die Kanäle und Lagunen bewachen ließ.

Der kleine Nachen schlüpfte unbemerkt durch schmale Gräben und breite Wasserarme, bis zu der Insel St. Georgio, und legte sich unter die Brücke, welche nahe dem Hause des Herzogs über den Kanal führte. Alles war still umher, nur von Zeit zu Zeit bemerkten die Verborgenen dunkle Gestalten, welche in einiger Entfernung den Palast zu beobachten schienen, und mehre Male klirrten Waffen über ihren Köpfen.

Nach einer Stunde etwa öffnete sich des Herzogs Thür, Cosimo trat heraus, kaum aber hatte er einige Schritte gethan, als Albergati sich vom Boden aufhob und leise seinen Namen rief. Die erste Bewegung des Grafen war nach dem Dolche zu fassen, den er bei sich trug, eben so schnell jedoch ließ er seine Hand sinken.

Sprich kein Wort, flüsterte Odoardo, wenn Du uns nicht verderben willst. An der Kirche dort stehen die Sbirren der Inquisition, die Dich erwarten. Dein Haus ist umringt, wirf Dich nieder und verschwinde, ehe man Dich entdeckt.

Das Gefühl der Selbsterhaltung siegte in diesem Augenblick über Cosimo's ungläubigen Stolz. Er hatte an diesem Tage schon die Bemerkung machen können, wie ängstlich die wenigen Freunde, welche ihm in den Reihen des Adels geblieben, vor ihm geflohen waren, seit die Soldaten landeten. Die ihm Wohlthaten schuldeten, gingen dabei mit gutem Beispiele voran; Alle, die in Orzio's Sälen noch bisher ausgehalten, waren bis auf den Letzten ausgeblieben, das Erscheinen der Dalmatier und ihres Generals Spada hatte einen panischen Schrecken verbreitet.

Cosimo konnte sich nicht abläugnen, daß er von der Aristokratie Venedigs gänzlich aufgegeben sei, und was ihm auch geschehen mochte, er hatte kaum ein Bedauern von Wenigen zu erwarten. Schweigend befolgte er seines Freundes Beispiel, und kaum hatten Beide den Kanal und das versteckte Boot erreicht, als die Uhr an St. Georgio zwölf schlug, und noch war der letzte Schlag nicht verhallt, als dicht bei ihnen hin durch den breiten Bogen der Brücke eine bedeckte Barke fuhr, die sich geräuschlos durch die Dunkelheit bewegte und vor dem Wasserthor des herzoglichen Hauses still hielt.

Solche schwarze Gondeln, die gespenstisch durch die düsteren Kanäle glitten, waren bekannt genug in Venedig. Wer sie erblickte, floh so schnell er konnte, denn es waren die fürchterlichen Boten der Inquisition, bestimmt die heimlich Verhafteten eben so heimlich in ihre Kerker zu bringen. In demselben Augenblicke, wo dies entsetzliche von schwarzen Schatten geruderte Schiff an Cosimo hinstreifte, hörte er über sich die Schritte der bewaffneten Sbirren, und gleich darauf läutete die Glocke an Orzio's Thür. Eine dumpfe Stimme forderte, daß man öffne.

Sie suchen mich und finden ihn! murmelte Cosimo sich aufrichtend.

Odoardo preßte die Hand auf seinen Mund.

Bedenke, flüsterte er, daß Du nichts zu ändern vermagst. Der Haß, welcher Dich trifft, trifft auch den Herzog. Sein Alter, sein Rang, seine Verwandten werden ihn jedoch besser schützen, als Du es thun kannst, zu Deinem Verderben.

Er gab den Gondolieren den Befehl zu eilen, und unbemerkt schwamm das Boot fort, unbemerkt erreichte es die Lagunen und war weit von Venedig entfernt, ehe es Tag wurde. Noch waren Sterne am Himmel, als sie die Villa Borgo erreichten, und Albergati konnte unbemerkt für seines Freundes Sicherheit sorgen, so weit ihm dies möglich war.

Cosimo hatte sich seinen Anordnungen überlassen, ohne weitere Einwendungen zu machen. Nachdem er lange Zeit schweigend in seinen Mantel gehüllt und sein Gesicht darin verborgen auf dem Boden des Bootes gesessen, war er mit seinen Ueberlegungen zu Ende gekommen. Er reichte dem treuen Freunde seine Hand, welche dieser herzlich drückte.

Ich habe Unrecht gehabt, sagte er, denn ich habe diesen Elenden immer noch ein gewisses Schaamgefühl vor ihrer Schande zugetraut, ich habe nicht geglaubt, daß sie das Aeußerste gegen mich versuchen würden, weil ich ihre Feigheit kenne. Aber Pesaro hat ihnen Muth gemacht, und sie sind bereit zu jedem blutigen Gräuel, denn sie besitzen Söldner, die nicht Weib, nicht Kind schonen würden. Verbirg mich nur einige Zeit, Odoardo, bis ich erfahre, was meinen Freunden geschehen ist, damit ich weiß, was ich selbst zu thun habe.

Albergati hatte in dem Park, der seine Villa umgab, eine Einsiedelei, eine Grotte bildend, in deren Hintergrunde sich ein kleines Gemach befand, das zur Sommerzeit kühl und wohnlich war. Die Thür zur Grotte war verschlossen, verlassen und vergessen lag sie von Ranken und Dornen umwuchert. Niemand konnte hier so leicht einen Bewohner vermuthen. Dorthin führte er Cosimo, und obwohl er der verschwiegenen Treue seiner Diener gewiß war, verbarg er auch vor ihnen dies Geheimniß. Er belohnte sie reichlich, ließ sie jedoch in dem Glauben, daß der Graf sogleich seine Flucht fortgesetzt habe, um in die Gebirge zu entkommen.

Es war vorauszusehen, daß, da der Inquisition ihr bestes Opfer entkommen war, sie öffentlich mit seiner Verfolgung hervortreten und kein Mittel versäumen werde, um Cosimo in ihre Gewalt zu bekommen.

Diese Befürchtungen blieben nicht ungerechtfertigt, denn schon am nächsten Morgen waren Soldaten und Polizei auf den Beinen, um den Flüchtling zu verfolgen. Boten der Regierung eilten durch das ganze venetianische Gebiet, um an allen Orten das Landvolk zu einer Hetzjagd aufzubieten und Belohnungen zu versprechen. Mehre Tage lang streiften auch an der Brenta die Häscher umher, und nur bei Nacht in tiefster Verborgenheit konnte Odoardo seinen armen Freund aufsuchen, ihm Lebensmittel und Trost zu bringen.

Cosimo, wie stark seine Seele und sein Körper auch waren, befand sich dennoch in angstvoller aufreibender Ungewißheit. In dem dumpfigen, düsteren Schlupfwinkel verborgen, den er nicht zu verlassen wagte, vollbrachte er seine Stunden mit den traurigsten Vorstellungen. Nur zur Nachtzeit ging er in den Park hinaus, um Albergati zu erwarten, allein auch dieser wußte nur widersprechende Gerüchte zu wiederholen. Er getraute sich nicht Briefe zu schreiben und hatte keine erhalten, ein Beweis, daß die Furcht Jeden abhielt, sich Gefahren auszusetzen.

So verging eine Woche, nach deren Ablauf Odoardo ein Schreiben seines Vetters Capello empfing, das ihm Schrecken und Freude zugleich brachte. In dieser Nacht begab er sich damit zu Cosimo und theilte ihm den Inhalt mit. Dein Schicksal ist entschieden, sagte er. Heut früh hat die Regierung bekannt gemacht, daß Graf Cosimo Vinci, des Hochverraths angeklagt, sich durch Flucht der gerechten Strafe entzogen habe. Er ist daher auf ewige Zeiten verbannt, seine Güter eingezogen, sein Name aus dem goldenen Buche gestrichen. Wo er sich blicken läßt, soll er verhaftet und der Strafe überliefert werden, welche Verbannte trifft, die ohne Erlaubniß das Gebiet der Republik betreten.

Das heißt den Tod durch Henkershand erleiden, sagte Cosimo ruhig. Es konnte nicht anders kommen, aber Orzio –

Orzio, fuhr Odoardo leiser fort, ist ebenfalls verbannt, nach Candia, und seine Güter sind eingezogen, bis es dem hohen Rathe gefallen wird, dies Urtheil zu ändern.

Sie sind barmherzig, die Unbarmherzigen! rief Cosimo. Aber meine Mutter, Freund, und Lavinia – was ist aus ihnen geworden?

Ich weiß es nicht, flüsterte Odoardo.

O! wenn Du nicht willst, daß ich hingehen und auf dem Marcusplatz schreien soll, hier bin ich, mordet mich, aber sagt mir, wo meine Mutter ist! so schaffe mir Nachricht, Odoardo. Ich kenne ihre unmenschlichen Gesetze, die an den Schuldlosen Rache nehmen, wenn ihre Rachgier an den Schuldigen sich nicht sättigen kann. Ich weiß, was in dem verfluchten Buche steht, das ihr Recht enthält: es sollen die nächsten Verwandten eines Staatsverbrechers so lange in einen Kerker geworfen werden, bis der Entflohene sich seinen Richtern überliefert. Meine Mutter, dahin hat Dich Dein Sohn gebracht!

Er bedeckte sein Gesicht, und Odoardo hatte Mühe ihn zu beruhigen. Endlich versprach er ihm, selbst nach Venedig zu gehen, um Nachrichten einzuziehen, den verlassenen Frauen, wenn irgend möglich, Beistand zu leisten oder doch tröstende Nachricht zu geben. Odoardo fand, daß es überdies wohlgethan sei, wenn er sich einige Tage lang in Venedig zeige, um jeden möglichen Verdacht abzuwenden, denn aus dem Briefe seines Verwandten konnte er entnehmen, daß auch seiner schon bei den Nachforschungen gedacht wurde. Er versorgte Cosimo mit Vorräthen und ließ sich von ihm geloben, daß er bis zu seiner Rückkehr die Grotte nicht verlassen wolle.



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