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3.

Einige Zeit lang war Graf Cosimo mit seinen häuslichen Angelegenheiten beschäftigt und hatte mit Geschäftsführern und Advocaten zu thun, wie dies ein ziemlich bedeutender Besitz, um so mehr nach einer langen Abwesenheit, nöthig macht.

Der venetianische Adel hatte von alten Zeiten her die Erfahrung gemacht, daß es nicht wohlgethan sei, sein ganzes Vermögen innerhalb der Grenzen der Republik zusammen zu halten, ein Theil der herrschenden Erbaristokratie war daher längst so vorsichtig gewesen, Güter zu kaufen oder durch Familienverbindungen zu erwerben, welche zu anderen italienischen Staaten gehörten. Je mehr Verbannungen und Vermögensentziehungen zunahmen, um so nachdenklicher wurden diejenigen, welchen Besorgnisse aufstiegen, daß wohl einmal auch sie oder ihre Kinder davon getroffen werden könnten; darum hatte Cosimo's Vater auch Güter in Neapel angekauft, damit einmal ein Rückzugsplatz für ihn oder seine Nachkommen vorhanden sei. Diese Güter wurden inzwischen verpachtet und verwaltet, und Cosimo fand einen ganzen Haufen Rechnungen und Nachweise, welche mit anderen im Verein ihm hinlängliche Beschäftigung gaben.

Er ließ sich daher wenig blicken, und wo es geschah, hinterließ er den besten Eindruck, den würdevolle Bescheidenheit und verständige Klugheit bei feinen Sitten verschaffen können. Er war jung, schön und vermögend, drei Eigenschaften welche vereinigt den, der sie besitzt, immer beneidenswerth und gesucht machen, noch höheren Werth aber erhalten, wenn damit die Vorzüge der Geburt sich verbinden. Sein Rang und sein Name verschafften ihm das Recht in den ersten Reihen zu stehen, und kaum acht und zwanzig Jahre alt und noch unvermählt, mußte seine Rückkehr sehr bald in manchen Familien Verhandlungen über die Frage herbeiführen, welche unter den Töchtern Venedigs er endlich sich auserwählen würde?

Die alte Gräfin ward in vertraulicher Weise von ihren Freundinnen und Verwandten scherzend ausgeforscht, ob Cosimo etwa mit verlorenem Herzen aus der Fremde zurück gekommen sei, allein sie konnte versichern, daß ihr Sohn wiederkehrte, wie er gegangen. Sie verhehlte ihre Wünsche nicht, daß er bald sich vermählen möchte, und hierdurch wurden die Erwartungen noch höher gespannt. Die Liebe der alten Dame war ruhmredig wie alle Mutterliebe. Sie erzählte gern zu seinem Lobe, sprach gern von seinem ernsten Wesen, seiner Herzensgüte, und was ihm weiter zur Ehre gereichte.

Die Venetianer waren ein Handelsvolk, Handel hatte sie groß und reich gemacht, haushälterische Tugenden wurden auch von ihrer Aristokratie geachtet, und daß Cosimo jetzt mit solchem Eifer sein Hauswesen ordnete, sich Rechenschaft geben ließ und bis in die Nächte hinein an seinem Schreibtische arbeitete, vermehrte die gute Meinung, welche sich über ihn verbreitete. Niemand wußte, daß, wenn Alles schlief, der Graf nach einer Pforte seines Hauses schlich, welche auf den Kanal sich öffnete, daß dort eine jener schwarzen, schmalen Gondeln ihn erwartete, die geräuschlos ihn fortführte und zurückbrachte, ehe der Morgen kam.

Es wurden verschiedene Feste von befreundeten Familien veranstaltet, bei denen Cosimo nicht fehlen durfte, und er entzückte Alle durch seine liebenswürdige Freundlichkeit und vollendete ritterliche Sitten. So heiter belebt und doch so schicklich hatte man ihn früher nicht gekannt. Seine Unterhaltung war voller Reiz, er wußte eben so wohl, wie man den Frauen gefällt, als wie man von gewiegten Männern und Greisen Achtung gewinnt.

War seine Rede im Kreise der Schönen leicht und gefällig und in buntem Wechsel mit Scherzen und munteren Einfällen belebt, so waren seine Urtheile über gewichtige Gegenstände geeignet ihm Aufmerksamkeit und Beifall ernster Zuhörer zuzuwenden. Seine Kenntnisse, seine Reisen und mehr noch seine scharfen Beobachtungen über Zustände und hervorragende Menschen, welche er gesehen, gaben ihm Gelegenheit zu anziehenden Mittheilungen, und Manche, welche früher ihn als einen unruhigen heißblütigen Kopf gemieden und verworfen hatten, schieden jetzt von ihm mit ganz anderen besseren Erwartungen.

Es war überhaupt, als sei ein friedlicher und versöhnlicher Geist in Cosimo erwacht, seit er wieder in Venedig verweilte, und dieser zeigte sich überall auch in den Berührungen, welche er mit seinen alten Freunden und Anhängern in der Volksmasse hatte.

Früher, wenn er mit ihnen sprach, hatte es ihm nicht an hingeworfenen Gedanken gefehlt, die wie Blitze durch die Köpfe fuhren und in den Herzen den Groll aufstachelten, es hatte ihm nicht an Vergleichen gefehlt zwischen dem Jetzt und Sonst, wo Venedig voll goldener Blüthen hing, wo es das Asyl aller Verfolgten war, die hier Schutz und Freiheit fanden.

Jetzt hörte man ihn versöhnlich reden, trösten, zur Geduld mahnen, Hoffnungen auf die Zukunft, auf das Heranrückende, bessere, neue Jahrhundert ausstellen. Denn dies Jahrhundert wurde schon damals auch in anderen Ländern als die von Gott erwählte Zeit der Wendung prophetisch angekündigt, wo das Licht der Aufklärung und der Freiheit die dunklen Wege der Verlassenen und Unterdrückten erhellen sollte. Aber auch die Propheten lügen.

Was Cosimo that, was er sprach, wohin er ging, wer mit ihm verkehrte, wurde genau beobachtet. Die Staatsinquisition war wachsam, und Mancher drängte sich an ihn, mit Geberden und Worten Freude und Vertrauen heuchelnd, der gleich darauf seinen Bericht für Signor Barbarimio machte. Allein sie konnten mit aller Kunst der Angeberei doch keine Anklage zu Stande bringen, denn die scharfen Augen des Großinquisitors und seiner Gehülfen sahen sogleich, daß Cosimo sich über Verschiedene, welche er durchschaute, lustig gemacht hatte; Anderen dagegen, die ihn ausforschen wollten, Antworten gab, welche ihnen den Muth nehmen mußten, sich wieder an ihn zu machen.

Trotz des nie rastenden Mißtrauens gegen Jeden, der dazu den geringsten Anlaß geben konnte, neigte die Inquisition sich doch der Meinung zu, daß Cosimo besonnener zurückgekommen sei. Diese Meinung theilten die einflußreichsten Männer, und was sie davon hofften, sollte Cosimo bald erfahren, als ein ihm Verwandter, der Senator Quirini, ein glänzendes Fest veranstaltete, auf welchem sich viele der edelsten und ersten Würdenträger und Beamten der Republik zusammen fanden.

In dem glänzenden Kreise der Gäste befand sich nicht allein der Doge und mehre Mitglieder des Rathes der Zehn, Staatsmänner und Gesandte, vornehme Fremde, darunter der prinzliche Verwandte des österreichischen Kaiserhauses, die Blüthe der Signoria und ein Kranz der schönsten und edelsten Damen Venedigs; es war auch ein Mann zugegen, der als die Seele der Regierung galt, an der Spitze der Leitung der geheimsten Staatsgeschäfte stand, und als der Talentvollste und Thatkräftigste unter allen diesen Excellenzen betrachtet wurde. Dies war der Staatsprocurator von St. Marco, Francesco Pesaro, nicht etwa einer der Titularprocuratoren, die um schweres Geld sich ihren Rang kauften, sondern einer der neun Männer, aus denen der Doge gewählt wurde, bekleidet mit großer Macht und hohem Ansehn.

Cosimo hatte ihn nicht besucht, er wußte, wie Pesaro früher über ihn geurtheilt, und fand überhaupt keine Neigung sich ihm zu nähern, denn sympathetisches Empfinden konnte zwischen ihm und dem Procurator nicht bestehen. Beide Naturen strebten sich entgegen, zwischen ihren geistigen Eigenschaften bestand so wenig Aehnliches, wie ihre Erscheinung sie unterschied.

Francesco Pesaro mochte damals einige vierzig Jahre zählen. Er war klein, breitschultrig, von festem Bau und starkem, knochigem Gesicht. Sein schwarz behaarter Kopf, mit hoher, eckiger Stirn, erhielt seinen finsteren Ausdruck durch die breiten Augenbrauen, unter denen zwei scharfblickende, tiefliegende Augen sich bewegten. Es war etwas Eisernes und Erstarrtes in seinen Zügen, und in den Lippen mit dem schwärzlichen Schatten, aber diese kalte, strenge Ruhe konnte auch einem Lächeln Platz machen, das, wie Sonnenschein auf einem Gletscher, etwas Bezauberndes besaß.

Pesaro gehörte zu der streng conservativen Partei, die nicht im Kleinsten nachzugeben entschlossen war, und in den Streiten jener Zeit fest bei den Foscarinis gestanden hatte. Er besonders war es, der im Jahre 1773 die Angriffe auf die Macht der Zehn und auf die Inquisition zurückschlug, Angelo Querini's Verbannung bewirkte, den Procurator Pisani aber zehn Jahre lang in einem Kerker Verona's einsperrte. Auch Cosimo wurde von ihm verfolgt und entrann ihm nur durch seinen eiligen Rückzug; um so mehr erregte es Erstaunen, und Cosimo erstaunte heimlich zumeist, als der gefürchtete Mann auf diesem Feste ihm freundlich entgegenkam, und glückwünschend, unter schmeichelhaften Worten, ihn bewillkommnete.

Warum sind Sie noch nicht bei mir gewesen, lieber Cosimo? sagte er darauf vertraulich: ich habe Sie erwartet.

Excellenz, antwortete der Graf, indem er freimüthig ihn ansah, ich glaubte mit meinem Besuche Sie nicht belästigen zu dürfen.

Sie sind im Irrthum, erwiederte Pesaro lächelnd. So bedeutende, befähigte Männer, wie Sie, sind mir immer willkommen. Lassen Sie sich bald sehen, es wird meinem Hause zur Ehre und Freude gereichen.

Er sprach mit ihm noch längere Zeit so zuvorkommend huldvoll, wie man es selten an ihm kannte, fragte über Cosimo's Reisen und erkundigte sich nach Mancherlei, bis die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft durch dies Zusammentreffen erregt war. Eben trat der Doge Mocenigo in den Saal, und die Verwunderung steigerte sich, als der Procurator Cosimo's Hand ergriff, und ihn dem angeblichen Fürsten Venedigs vorstellte.

Alviso Mocenigo war hinfällig und nicht lange Zeit darauf war er todt. Große Geistesgaben hatte er niemals besessen. Pesaro war sein Geist und seine Hände, aber er war dennoch augenscheinlich eben so erstaunt, als alle Anderen, als Cosimo Vinci ihm mit warmen Empfehlungen von dem Manne vorgestellt wurde, von welchem er dies am wenigsten erwartete. Mit der Gutmüthigkeit, welche ihm eigen war, freute er sich jedoch darüber, und sprach seine Hoffnungen aus, daß Venedig bald von den Kenntnissen und Erfahrungen eines seiner edelsten Bürger Nutzen ziehen möge.

Nach diesem Empfange und dieser Auszeichnung war Niemand mehr, der sich nicht bemüht hätte, eben so freundlich und zuthunlich zu sein. Wem die Mächtigen so sichtlich wohl wollen, den umringen schnell die Schmeichler. Cosimo war alsbald von einem Kreis von Menschen umgeben, die ihn bis dahin zumeist noch gemieden hatten, doch jetzt mit falschem Lächeln dem jungen Licht sich zu empfehlen und ihr Benehmen vergessen zu machen suchten.

Endlich kam seine Mutter, in deren glücklichen Blicken er ihr Entzücken und ihren Stolz las.

Mein lieber Cosimo, sagte sie, ich muß Dich mit einer Dame bekannt machen, die sich freuen wird, wenn Du ihr Deine Höflichkeit bezeigst. Lucia Pesaro erwartet Dich, fügte sie leiser hinzu. Du darfst es nicht verabsäumen, ihr Deine Achtung zu bezeigen, mein Sohn.

Lucia Pesaro war die älteste Tochter des Staatsprocurators von St. Marco. Sie war nicht schön, denn sie hatte viel von den Zügen ihres Vaters, in weicheren Formen zwar, allein dennoch hart und stolz genug, um nicht angenehm zu bewegen. Klein von Gestalt, besaß sie dennoch wenig Zierlichkeit, aber ihre Augen strahlten glänzend, und man rühmte ihr den Geist und den energischen Charakter ihres Vaters nach, auch Kenntnisse, wie sie damals selten bei Frauen, namentlich bei italienischen Frauen anzutreffen waren.

Als Cosimo zu ihr geführt wurde, empfing sie ihn so zuvorkommend, wie es der Procurator in seiner Weise gethan, und mancherlei Gedanken konnten dabei entstehen. Lucia war noch jung, sie hatte ihr zwanzigstes Jahr eben erst angetreten, doch in diesem Alter waren die meisten Mädchen Venedigs schon Mütter. An Freiern hatte es ihr nicht gefehlt, allein Keiner konnte sich ihrer besondern Gunst rühmen, und gegen die herrschende Sitte hatte Francesco Pesaro niemals zu ihr gesagt, hier ist der Mann, den ich für Dich bestimmt habe. Lucia war seine Lieblingstochter, und es gab Leute, welche sich heimlich lachend erzählten, sie sei das einzige Wesen auf Erden, vor dem er sich fürchte, während Andere meinten, er liebe sie mehr, als Alles, was sonst noch auf Erden und im Himmel sei. So viel war gewiß, daß der stolze Staatsprocurator Alles gut hieß, was seine Tochter that, daß sie eine gewisse Herrschaft über ihn ausübte, und er wohl überzeugt sein konnte, sie besitze Entschlossenheit genug, sich lieber in ein Kloster sperren zu lassen, als einen Mann zu nehmen, den sie nicht mochte.

Ihre Freundlichkeit gegen Cosimo wurde daher sehr wohl bemerkt, und bewirkte verständliche Blicke und heimliches Geflüster. Das unschöne Mädchen und der schönste Mann Venedigs an ihrer Seite mußten wohl Hohn und Neid herausfordern. Aber sie ragte geistig über viele Schönere hervor, und ihr Vater hielt seinen mächtigen Arm ausgestreckt über ihr und der ganzen Republik.

Cosimo war bei Weitem nicht der Reichste unter den jungen Nobili Venedigs, auch war er nicht der Vornehmste. Zu den höchsten und ersten Staatsämtern hatten es seine Vorfahren nie gebracht, es lag eine gewisse Dunkelheit auf dem Geschlecht, trotz seines Alters und seines Ranges. Odoardo Albergati besaß berühmtere Ahnen, großes Vermögen und dabei nicht geringe liebenswürdige Eigenschaften, dennoch aber hatte ihn Lucia Pesaro nicht begünstigt. Man wußte, daß er sich lange um sie beworben hatte, auch daß der Staatsprocurator ihm günstig gewesen, aber seine Vorstellungen hatten nichts bewirken können, als ein entschiedenes Nein seiner Tochter.

Odoardo Albergati stand auf diesem Feste von fern und beobachtete seinen Freund und die, welche ihn selbst verschmäht hatte. Er sah, wie sie lebhaft zu Cosimo sprach, wie sie mit ihren glänzenden, großen Augen ihn anschaute, während er antwortete, wie sie ihm zulächelte und ihren Fächer in der unnachahmlichen Weise spielend gebrauchte, wie Italienerinnen diesen zu gebrauchen wissen, um die Sprache ihrer Gefühle damit in bezaubernder Weise zu unterstützen. Ein Weh schnitt durch sein großmüthiges Herz, ein Seufzer bewegte seine Lippen.

Wenn Lucia Pesaro ihn einmal so betrachtet, so zugelächelt hätte, wie glücklich würde er gewesen sein. Aber nein, dies Mädchen war höher geartet, sie wollte Cosimo, und er sagte sich, daß er mit ihm sich nicht vergleichen könne. Er empfand in seiner Demuth nicht den Neid, der in gemeinen Seelen aufsteigt; eine schöne Freude überwältigte seinen Kummer bei dem Gedanken, welche Zukunft sich vor seinem Freunde öffnete, wenn er der Tochtermann des gewaltigen Procurators würde. Es gab keine Ehre und keine Würde, nach welcher Cosimo dann nicht die Hand ausstrecken konnte, und was ließ sich nicht von einem so begabten geist- und ideenreichen jungen Staatsmann erwarten.

Cosimo's Unterredung mit Lucia beschränkte sich auf den in der Gesellschaft üblichen Inhalt und wurde unter der Theilnahme anderer Personen geführt, welche sich einmischten und die Sprechenden umringten; bei alledem war es jedoch gewiß, daß Lucia an Lebendigkeit, an Urtheilsfähigkeit und Schärfe des Verstandes alle Anderen überragte, daß ihre Fragen und Antworten immer ihre Ueberlegenheit bewiesen, und daß sie ihre glänzenden Gaben geltend machte, um Cosimo zu zeigen was sie besitze, um vergängliche körperliche Reize vergessen zu machen.

Erst nach langer Zeit endete diese Vorstellung dadurch, daß jemand sie unterbrach, der sich vorgenommen hatte, auch seinerseits den Beispielen nachzukommen, welche hier gegeben wurden, obwohl er darüber empört war. Eine Hand legte sich plötzlich auf Cosimo's Arm, und als er aufblickte, sah er in Lorenzo Lambertini's Gesicht, das sich voll gemachter Freudigkeit zu ihm niederbeugte.

Mein theurer Cosimo! rief Lambertini, vergeben habe ich bis jetzt versucht Sie anzutreffen, um Ihnen meine Glückwünsche zu sagen. Fräulein Pesaro wird mir verzeihen, wenn ich es jetzt thue. Mögen Sie Alles erreichen, bester Freund, was Sie hoffen, und Alles, was ich Ihnen wünsche, in Erfüllung gehen.

Mit diesem zweideutigen und prophetischen Ausruf, den er mit einem Blick auf Lucia begleitete, schickte er sich an ihn zu umarmen, doch Cosimo wehrte dies ab, indem er sich kalt und höflich verneigte. Ich bin von Ihren freundlichen Gesinnungen für mich überzeugt, sagte er lächelnd, und gebe Ihnen diese zurück. Sie sehen so wohl und glücklich aus, wie ich es erwarten durfte.

Lambertini's wüstes und welkes Gesicht machte diese Antwort zum Spott, den die Umstehenden mit geheimem Vergnügen empfanden. In Lorenzo's Augen schimmerte der Haß, der in ihm aufstieg, aber eben so schnell unterdrückt wurde.

O! Sie haben Recht, rief er aus. Seit Sie uns verlassen haben, bin ich unendlich glücklich geworden, und obwohl ich glaube, daß Sie wissen, wie ich dies meine, wiederhole ich Ihnen, bester Cosimo, daß nichts so glücklich macht, als die Liebe einer angebeteten Frau.

Die Ihnen das Glück bereitet, das Sie, theurer Lorenzo, in so reichem Maße verdienen, antwortete Cosimo mit feiner Höflichkeit.

Der Kreis der Zuschauer war entzückt über diese Antwort, die nicht boshafter ausfallen konnte. Es war bekannt, in welcher Art Lorenzo diese schöne Frau gewonnen hatte, bekannt, unter welchem Zwang sie ihm zum Altare folgte. Bekannt genug auch sein eigenes Leben, seine entsetzliche Verschwendung, die Art, wie er seine junge Gattin gleich nach ihrer Vermählung verlassen hatte, um Tänzerinnen öffentlich nachzulaufen; wie er ihr angeboten, sich einen Cavaliere servente zu halten, und jetzt flüsterte man sich noch ärgere Geschichten zu, seit der Herzog Ferdinand sein Hausfreund geworden war.

Cosimo's Antwort war daher das Signal für zwanzig hohnvolle Blicke, welche sich auf Lorenzo richteten, er aber schien nichts davon zu fühlen.

O! wahrlich, rief er, Sie überhäufen mich mit Artigkeiten, und wie soll ich Ihnen anders dafür danken, als durch die Freude, welche es mir gewährt, Sie meiner Frau vorzustellen. Sie kannten ja Coralie Foscarini; sagen Sie ihr selbst Ihre Wünsche für ihr und unser vereintes Glück.

Cosimo folgte seinen Augen und er erblickte die geliebte Frau ihm gegenüber an der anderen Seite des Saales, umringt von Cavalieren und neben sich den Herzog Ferdinand, der sich angelegentlich mit ihr beschäftigte. Schöner als die schönsten in diesem glänzenden Kreise, sah er nur sie allein, und an dem Schlagen seiner Pulse fühlte er die unbändige Gewalt seines Blutes, das mühsam nur sich bezähmen ließ. Er hätte zu ihr eilen, sie in seine Arme schließen und in rasender Leidenschaft allen Satzungen der Kirche und allen Verhältnissen Trotz bieten mögen, und doch sollte er sie verläugnen, lügen und heucheln, während sein Herz im glühenden Verlangen zitterte. Als er in ihrer Nähe war, sah er, wie ihre Augen sich auf ihn hefteten, wie ein vergessendes Lächeln ihr Gesicht bedeckte, und plötzlich ließ sie den Herzog stehen und kam ihm entgegen.

Hier ist Graf Cosimo Vinci, meine süße Coralie, der es sich nicht nehmen läßt, Dir seine Glückwünsche zu unserem Bunde selbst zu sagen, rief Lorenzo ihr entgegen.

Ich nehme es an, erwiederte sie. Unser Bund, Graf Cosimo, bedarf des Glückes, Ihre Wünsche werden mir immer theuer sein.

Er küßte die Hand, welche sie ihm reichte, und mit äußerster Ueberwindung bewachte er jedes Wort und jede Miene. Nichts verrieth, was in ihm loderte, und dennoch war er errathen.

Lorenzo Lambertini hatte im Allgemeinen davon gehört, daß Cosimo einst häufig in das Haus der Foscarini gekommen sei und was man davon gemuthmaßt hatte. Voll eitler Bosheit lud er daher den Grafen ein, den Schatz zu betrachten, der an ihn gekommen war; als aber Coralie den Herzog stehen ließ, und als er die Blicke sah, mit denen sie Cosimo empfing, lief ein finsterer Verdacht durch seinen Kopf. Das waren keine Blicke unglücklicher Erinnerungen oder Klagen um verlorenes Glück. Es lag ein Verständniß darin; es waren Blicke voll heißer Leidenschaft, die alle Schleier zerstäubten, und nichts half es, diese schnell wieder aufzuziehen. Das Mißtrauen war aufgeweckt, der Haß sieht schärfer noch als die Liebe.

Wäre Cosimo irgend ein unbedeutender, geckenhafter Mensch gewesen, so würde Lambertini nichts dagegen gehabt haben, wenn er als dienender Cavalier ihm alle Sorge um seine Frau abgenommen hätte. Aber Cosimo war von jeher ihm verhaßt gewesen, und nichts konnte ihn heftiger erbittern als der Gedanke, welcher sich jetzt seiner bemächtigte. Hochmüthig, eitel, neidisch und von gemeiner Denkweise haßte er Jeden, der gelobt und gerühmt wurde; dieser Cosimo aber hatte ihn immer gedemüthigt, wo er es wagte ihm entgegen zu treten. Die Mißachtung, welche der Graf ihm bezeigte, gab er durch Verfolgung zurück, und jetzt in dem Augenblick, wo er sah, daß Cosimo auf dem Wege war von den mächtigsten Männern der Republik, von seinem eigenen schwachen Oheim sogar bevorzugt zu werden, jetzt drängte sich ihm der Verdacht auf, daß Coralie diesen Elenden liebe und im Einverständniß mit ihm sei.

Bei der Schlechtigkeit eines Charakters wie der seine war, hätte er eine solche Entdeckung zu anderer Zeit vielleicht mit Hohn und einer Art Genugthuung aufgenommen, jetzt jedoch war sie ihm noch durch andere Umstände unleidlich.

Nicht seine Ehre erachtete er als bedroht, seine Schande sah er in Gefahr. Herzog Ferdinand war ein mächtiger Herr, und welche Vortheile hatte es für ihn, wenn Coralie diesen begünstigte! Manche Frauen Venedigs führten einen lockeren Lebenswandel; man sah darüber fort. Die Sitte einen erklärten Hausfreund zu halten mußte solche Verhältnisse begünstigen, und einen Mann von solchem Rang und Einfluß zu benutzen, würde viele Venetianer bewogen haben beide Augen zuzudrücken.

Lorenzo Lambertini dachte nun mit tiefem Grimm daran, daß dieser Schelm, Cosimo, wenn es wahr sei, was er ahnte, allein auch die Schuld trüge, daß Coralie sich wie ein Tugendspiegel geberde; er dachte mit Furcht daran, daß, wenn der Herzog sich getäuscht sehe, er sich zurück ziehen werde, und Alles, was Lorenzo heimlich an den vortheilhaften Handel geknüpft, den er abzuschließen dachte, stürzte dann zusammen.

Er war jedoch ein Diplomat und ein Venetianer. Seine Geschmeidigkeit vermehrte sich, und mit betheuernden Artigkeiten forderte er Cosimo auf, recht bald ihn und Coralie mit seinen Besuchen zu beglücken. Unter einem Schwall von Worten umarmte er ihn jetzt wirklich und stellte ihn dann dem Herzoge vor, als seinen Freund und einen Mann, dessen große Gaben und Fähigkeiten bald die Anerkennung finden würden, welche sie verdienten.

Der Herzog hatte von Cosimo sprechen hören und Manches erfahren, was ihm nicht besonders zusagen konnte. Daß dieser neuerungssüchtige unruhige Kopf kein Freund der Interessen seines Hauses sei, schien ihm nicht zweifelhaft, aber es war deutsches offenes Wesen in dem hohen Fremdling, und Cosimo's feines Benehmen, die Würdigkeit seiner Haltung gefielen ihm eben so wohl wie dessen vortheilhafte Erscheinung seine Theilnahme erregte. Er redete mit ihm längere Zeit in huldvoller Weise und verabschiedete ihn erst, als die Musik den Beginn des Tanzes anzeigte, worauf er der schönen Coralie Lambertini seinen Arm reichte und mit ihr in die Reihen trat.

Eine Zeit lang sah Cosimo dem Beginn des Balles zu, und während seine Freunde um ihn plauderten, verlor er sich in Betrachtungen. Er wagte nicht sich seiner Geliebten nochmals zu nähern, selbst seinen Augen erlaubte er nicht sie zu verfolgen. Eine Glut brannte in seiner Brust und folterte ihn mit ihren Schmerzen. Er durfte es nicht wagen sie anzuschauen, fremd und kalt mußte er sich abwenden, während jener dort ihre Hände drücken, ihr zulächeln, leise Worte, Bitten, Schwüre vielleicht in ihr Ohr flüstern durfte, und um sich her vernahm er zischelnde Stimmen, welche nichtswürdige Anspielungen auf den Herzog und seine Tänzerin machten, Geschichten erzählten, als sei gar nicht daran zu zweifeln, daß der deutsche Herr mit dem langen Gesicht und den langsamen Augen nichts mehr zu wünschen übrig habe.

Mit dem Ingrimm und der Verachtung, die dies in ihm erregte, mischte sich ein Frohlocken über die Gewißheit, daß es Lüge sei. Er konnte diese den Verläumdern nicht ins Gesicht werfen, konnte Coralie nicht vertheidigen, aber die Glut in seiner Brust verwandelte sich in Licht. Ihn liebte sie, ihn allein! Mochten alle Fürsten und Prinzen der Welt zu ihren Füßen liegen, über sie fort umschlangen ihn ihre Arme, hörte er ihre zärtliche Stimme, die in seinem Herzen widerhallte.

Plötzlich wurde er aufgeschreckt, denn abermals kam seine Mutter, die ihm zuflüsterte, daß Lucia Pesaro keinen Tänzer habe.

Sogleich! sogleich! rief er heiter ihre Finger küssend, und nach einigen Minuten schwebte das Paar den Saal hinab. Lucia tanzte, was sie selten that; Cosimo's Triumph war gewiß.



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