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6.

Cosimo's Verlobung mit der Tochter Orzio's machte ein unerhörtes Aufsehen in Venedig. Die verspottete Lavinia war plötzlich eines Mannes Braut geworden, vor dessen Namen die giftigste Verläumdung verstummen mußte; denn konnte man glauben, daß er, der stolze bewunderte Cosimo, ein Mädchen von beflecktem Ruf wählen würde, wenn er nicht von dem Ungrund aller jener boshaften Anschuldigungen überzeugt war?

Ein großer Theil derer, die zumeist gelästert hatten, war daher auch überzeugt, daß Lavinia das Opfer einer nichtswürdigen Cabale geworden sei, und Viele, die den Prinzen Rucini kannten, behaupteten gradezu, daß er der Anstifter derselben sei. Um sein gegebenes Wort zu brechen, habe er einen gewissenlosen Elenden bestochen, der sich in Lavinia's Nähe drängen und die Rolle eines zärtlichen Liebhabers spielen mußte, den die kindliche Jungfrau in ihrer Unschuld duldete, bis er endlich absichtlich sich überraschen ließ und Geständnisse ablegte, welche es dem Prinzen leicht machten, Lavinia zu vernichten.

Erreichte Cosimo in dieser Beziehung seine Absicht, Lavinia's Ehre zu retten und die Schmach auf ihre Ankläger zu werfen, so gab es nicht wenige auch, die sein Verfahren klug nannten. Der Herzog war ein hochangesehener Mann und obwohl er niemals in der Regierung eine bedeutende Rolle gespielt hatte, auch keine hervorragenden Talente dazu besaß, so gehörte er doch zum Senate, wenigstens dem Namen nach. Seine Familie zählte zu den ersten, und sein Vermögen war bedeutend. Für Alles aber besaß er nur die einzige Erbin, die somit jedenfalls das war, was man eine gute Partie zu nennen pflegt, und diese zu machen und vor allen andern Eigenschaften bei jeder Heirath zu schätzen, war den Venetianern als einem rechnenden Volke von jeher angestammt.

Mit aller Schadenlust und heimlichem Frohlocken freuten sich jedoch die Meisten unter ihnen über die Demüthigung, welche dem stolzen Procurator von St. Marco und seiner hochmüthigen Tochter bereitet wurde. Die Auszeichnungen, welche Beide dem Grafen Vinci zu Theil werden ließen, waren so auffallend gewesen, daß Niemand zweifelte, welches Glück Cosimo erwartete; aber er hatte es nicht dazu kommen lassen. Mit einem unabänderlichen Streiche hatte er das ganze Gewebe zerrissen, alle Pläne Pesaro's zerstört, ihm gezeigt, daß er nichts von ihm wünsche und wolle. Niemand wußte, was er Cosimo angeboten, allein es verbreiteten sich Gerüchte darüber, daß der Graf an demselben Abend, wo er von dem Procurator kam, der ihm die Hand seiner Tochter antrug, zu Orzio gegangen sei und sich mit Lavinia verlobt habe.

Cosimo selbst schrieb am nächsten Morgen an Francesco Pesaro einen fein höflichen und dankbaren Brief, in welchem er erklärte, daß es ihm unmöglich sei, der Republik seine Dienste in der betreffenden Angelegenheit zu widmen. Er setzte dabei noch einmal auseinander, was Venedig von Oesterreich zu fürchten habe; wie dies dreimal schon den Krieg über die Alpen getragen, Venedig in die höchste Gefahr gebracht und es mit seinen Besitzungen jetzt umringe. Dabei deutete er wiederholt auf den inneren Verfall, auf die wachsende Verarmung sogar eines großen Theiles des Adels und auf den auflösenden Einfluß, den das System der Neutralität über alle Kraft des Staates gebracht habe. Ein Bündniß mit Frankreich und Reformen im Geiste der neuen Zeit, welche unaufhaltsam heranrücke, seien die einzigen Mittel, das Verderben, das er nahen sehe, aufzuhalten und abzuwenden, und wenn er irgend dazu beitragen könne, oder wenn die Staatsmänner, welche Venedig leiteten, in ihrer Weisheit ihn für würdig erachten sollten, eine Ausarbeitung aller seiner Gründe und Vorschläge entgegen zu nehmen, werde er eine solche Schrift den Excellenzen überreichen. Dann fehlte es nicht an Entschuldigungen und Bitten um Verzeihung seiner Kühnheit und um Verzeihung für seine Ablehnungen.

Cosimo erkannte gut genug, daß seine Tadel über die Staatspolitik, wie seine Hinweisungen auf innere Reformen und auf ein Bündniß mit Frankreich, als Verbrechen von den fanatischen Anhängern des Alten erklärt werden konnten, er war daher so schlau einfließen zu lassen, daß Se. Excellenz selbst sich ja Reformen geneigt gezeigt hätten und nicht zu denen gehörte, welche jeden Fortschritt von sich wiesen. Am Schlusse endlich zeigte er dem Procurator auch seine bevorstehende Verbindung mit Lavinia an und indem er einige Worte einfließen ließ, daß dies längst sein Entschluß gewesen, und Freundschaft wie Dankbarkeit ihn den Herzog und sein Haus von Jugend auf verehren lehrten, hoffte er, den gekränkten Stolz des mächtigen Mannes dadurch am leichtesten zu versöhnen.

Auf diesen Brief erhielt Cosimo jedoch zunächst gar keine, dann endlich eine kurze, kalte Antwort, welche deutlich bewies, daß Pesaro's Thür ihm verschlossen sei, und er einen Feind mehr besitze. Er zweifelte auch nicht und wurde es bald inne, daß damit auch die Gunst verscherzt war, welche in der letzten Zeit ihm manche der bedeutendsten unter den Regenten bezeigt hatten. Ihr kaltes Begegnen, wo er zufällig mit ihnen zusammentraf, entging ihm nicht, und sein Verstand mußte ihm sagen, daß er sich zu hüten habe, denn das Schwert der Rache schwebte von jetzt ab über seinem Haupte.

Aber Cosimo fürchtete dies nicht so sehr, um davor zu erschrecken, im Gegentheil dachte er mit größerer Energie als je vorher daran, wie seinem Vaterlande geholfen werden könne. Der Schlag, welcher sein Herz getroffen, hatte seinen Kopf gestählt, und die schwärmerische Glut für ein Weib, das ihn verrathen, machte jetzt unbestritten dem Gedanken Platz, sein Leben der Sache seines Volkes zu widmen.

Vor allen Dingen war er bemüht den Schritt, welchen er unwiderruflich gethan, zu befestigen und sich selbst jedes Wanken unmöglich zu machen. Schon am nächsten Tage war Venedig von seiner Verlobung unterrichtet, und er wußte gewiß, daß Lambertini nicht säumen würde, Coralie davon in Kenntniß zu setzen.

Am folgenden Morgen schon erschien Fra Bartholomeo bei ihm, aber Cosimo wies das Briefchen zurück, das der alte Mönch ihm überreichen wollte.

Mein Vater, sagte er, ich darf und will von dieser Frau nichts mehr hören. Ich habe meine Hand dem Fräulein Orzio zugesagt, Alles, was geschehen ist, liegt hinter mir, vor mir aber eine neue Zukunft. Sagen Sie ihr, daß sie mich vergessen soll, wie ich es thue, und daß ich ihr verzeihe.

Der Mönch entfernte sich ohne Coralie zu vertheidigen, und Cosimo athmete auf, als er fort war. Mit finsterem Lächeln legte er die Hand auf sein Herz und sagte leise:

Es ist leer, ganz leer, aber ich will es wieder füllen, und Niemand soll wissen, daß es anders geworden ist, als es war. Was haben die alten stolzen Römer von der Frauenliebe gesagt? Sie sei nichts als das Streben nach Freundschaft durch den Anblick der Schönheit geweckt. Und ist Lavinia nicht auch schön? fuhr er mit schwermüthigem Geflüster fort, ist sie nicht schön genug, um mit sorgender Freundschaft dies leere Herz zu füllen? Freundschaft ohne Kummer, ohne jene verzehrende Sehnsucht, ohne jene grausamen Qualen – ohne Leidenschaft! So will ich von jetzt an lieben, so will ich Lavinia's Glück mein Glück sein lassen. Liebe ohne Leidenschaft, ohne den Wankelmuth der Leidenschaft, so soll es sein!

Der Seufzer, der auf seinen Lippen schwebte, zerrann vor der Gewalt seiner Entschlüsse, und mit lächelnder Ruhe erschien er vor seiner Mutter, um dieser zu beweisen, mit welcher Wohlüberlegtheit er Alles bedacht und danach gehandelt habe. In einer langen Unterredung erklärte er ihr, wie es kam, daß er anscheinend plötzlich seinen Ueberzeugungen gefolgt war.

Längst schon, sagte er, war ich dazu entschieden, mit dem Herzog zu sprechen und Lavinia von ihm zu fordern, denn ich verehre ihn, und Lavinia's unverschuldetes Unglück machte sie mir noch theurer. In der ersten Kindheit hatte man sie schon dem Prinzen Rucini zugesagt; das hielt uns alle ab an eine Verbindung zu denken. Der Elende hat in schändlicher Weise sich frei gemacht, um so mehr erschien es mir Pflicht, sie zu schützen und zu erretten.

Mein edler Sohn, erwiederte die Gräfin gerührt, Gottes Segen dafür auf Dich! Aber hast Du auch an Dich gedacht, Cosimo? Liebst Du Lavinia?

Soviel ein Mann in meiner Lage an sich denken muß, theure Mutter, erwiederte er, habe ich dies nicht versäumt. Lavinia ist gut und schön, aber noch mehr, sie ist Orzio's Tochter, und die Verbindung mit ihr eine vortheilhafte. Wie weit ich auch davon entfernt bin, fuhr er lächelnd fort, bei einer Heirath nur nach Familien- oder Glücksvortheilen zu fragen, so muß der letzte Sprößling eines alten Hauses sich doch auch daran erinnern, besonders wenn er ein Venetianer ist.

Die alte Dame hörte ihn mit Verwunderung reden. Ihre Blicke hingen mit liebevoller Sorge an seinem schönen Gesicht, sie drückte seine Hände und lächelte furchtsam.

Wenn Du daran dachtest, mein Cosimo, flüsterte sie, dann wahrlich – ja, dann weiß ich nicht, warum Du Lucia Pesaro nicht wähltest.

Darüber höre mich, erwiederte er. Als ich mit dem Procurator sprach, erkannte ich deutlich, was seine Auszeichnungen bezweckten. Er machte mir verlockende Anerbietungen, deutete mir an, daß ich bald zu den ersten Männern der Republik gehören könne, allein es war gewiß, daß ich alle meine Grundsätze abschwören, ein Geschöpf der jetzigen Herren Venedigs, ein Helfershelfer ihrer Regierungskünste werden müßte. Und das will ich niemals sein, fuhr er fort, eben so wenig aber konnte ich Lucia's Gatte werden. Sie ist von großer Begabung, aber sie besitzt ein hartes, stolzes Gemüth. Ich würde unglücklich geworden sein, darum beschloß ich mit einem raschen Streiche den Knoten zu zerschneiden, ehe dieser mich erwürgte. Hätte ich den Palast der Procuratoren öfter besucht, länger die Gerüchte genährt, welche sich schon verbreiteten, so wäre ich schuldig geworden. Meine Verlobung mit Lavinia widerlegt alles Gerede. Pesaro kann nicht beleidigt sein, ich habe seine Absichten nicht genährt, keine Hoffnungen erweckt, auch Lucia wird mir leichter vergeben.

Ich wünsche, daß Du Recht hast, sagte die Gräfin leise seufzend, als er geendet hatte. Pesaro ist rachsüchtig und stolz. Man sagt ihm nach, daß er unversöhnlich sei und noch niemals eine Beleidigung vergeben habe.

Mag er mich denn hassen, wenn er nicht anders will, antwortete Cosimo, ich bin daran gewöhnt und werde mich, so gut ich kann, davor zu schützen suchen. Sei nicht so traurig, theure Mutter, sprach er weiter, als er die Betrübniß in ihren Zügen sah, es ist nicht Alles so schlimm, als es scheint. Offen werden sie mich nicht anzugreifen wagen, denn Tyrannen sind immer feige, und ich habe viele Freunde. Endlich auch müssen wir die Verhältnisse bedenken, die nicht so beschaffen sind, um ihnen großen Muth zu geben. Die Unzufriedenheit ist allgemein, trotz ihres fürchterlichen Tribunals. Seit der alte, wilde Foscarini todt ist, haben die Decemvirn ihr grimmigstes Haupt verloren. Selbst im Senat sind Männer, die anders denken, und in dem großen Rathe noch viel mehre, die an Abschaffung der Allgewalt ihrer Oberherren denken. Mocenigo ist krank, und im Geheimen wird gearbeitet, ihm einen Nachfolger zu geben, der Reformen günstig gesinnt ist. Man denkt an Paulo Renier, sogar an Carlo Pisani. Die Zeit ist gekommen, wo eine günstige Wendung möglich wird, und in Verbindung mit Orzio, unterstützt von ihm und seinen Anhängern, kann es leicht sein, daß die Reformpartei diesmal glücklicher ist, als früher.

Die alte Dame hörte dies gläubig an, denn ihr Vertrauen zu Cosimo war so groß, als ihre Liebe. Sie schloß ihn in ihre Arme und sagte beglückt:

Du bist gut und bist verständig. O! behüte Dich für Deine Mutter, deren einziger, letzter Trost Du bist. Lavinia ist noch sehr jung, aber ihr Unglück hat sie älter gemacht. Sie hat ihr ganzes Lebensheil an Deine großmüthige That gekettet, Du hast eine Seele gewonnen, die ganz und für immer Dein ist.

 

Cosimo brachte den Tag damit zu, Briefe an entfernte Freunde zu schreiben, am Abend aber ging er, um Lavinia und ihren Vater zu besuchen, die ihn mit allen Beweisen zärtlicher Zuneigung empfingen. Seine heitere Unbefangenheit und die zarte Weise, mit welcher er das verschüchterte und bedrückte Gemüth Lavinia's von allen schreckenden Erinnerungen zu befreien suchte, machten, daß sie bald mit vollem Vertrauen ihn betrachtete. Ein glückliches Lächeln schwebte um ihre Lippen, und begeisterungsvoll hefteten sich ihre Augen auf ihn, der ihr eine schöne Zukunft ankündigte.

Lange gingen sie in dem kleinen Gärtchen umher, und Cosimo erzählte ihr, daß mit dem nächsten Frühjahr ihre Hochzeit gefeiert werden solle. Bis dahin wolle er jeden Abend bei ihr sein, jeder Tag solle neue Freuden bringen, und sobald der Segen der Kirche sie ganz vereinigt habe, wolle er sie nach Neapel und auf seine Güter in der Nähe Sorento's führen, dort die schönste Zeit mit ihr zu verleben.

Lavinia blickte mit solcher Seligkeit dafür zu ihm auf, daß er sie an seine Brust drückte und sie küßte.

Er fühlte ihr leises Zittern, er sah, wie ihre Augen ihn anstrahlten, Sterne der Verkündigung, die ihr feuchtes Feuer in sein Herz warfen, das davor erschrak.

Wirst Du die arme Lavinia auch immer lieben? fragte sie furchtsam demüthig.

Immer! antwortete er mit tiefer Stimme; immer, theure Lavinia, wie in diesem Augenblick. Gott hört meinen Schwur!

O dann, rief sie leidenschaftlich den Kopf in den Nacken legend, dann, edler geliebter Cosimo, will ich nichts mehr von Allem, was die Welt geben kann. Mit Dir leben will ich, und mit Dir sterben.

Er blickte in den nächtlichen Himmel hinauf, und während seine Arme sie umfaßten, murmelte er tonlos: So sei es, Lavinia, ich bin Dir treu!

Der Herzog kam, und Cosimo blieb bei ihm, bis es spät wurde. Die beiden Männer hatten viel zu sprechen, sowohl über ihre Familienangelegenheiten wie über das, was Venedig betraf. Orzio hatte erfahren, was zwischen Pesaro und Cosimo vorgegangen, und heimlich erfreut hörte Lavinia zu, als ihr Geliebter erklärte, daß er niemals Lucia's Neigung hätte erwiedern können. Ihr Herz schlug feuriger bei diesem Geständniß, denn sie, die Geschmähte, Verlassene, war ja die Bevorzugte und Erwählte. Voll süßer Dankbarkeit hing ihre Seele sich an den theuren Mann mit allen ihren Freudenträumen, und während die beiden Nobili immer ernsthafter und leiser sich in politische Entwürfe vertieften, saß sie entzückt lächelnd und blätterte in dem Bilderbuche ihres Glücks.

Orzio war mit Allem einverstanden, was Cosimo ihm so klar entwickelte. Der gesammte Adel hatte den tiefsten Widerwillen gegen die Gewalt der Zehn und gegen die fürchterliche Tyrannei der Inquisitoren. Es kam nur darauf an, diese Unzufriedenheit zu organisiren, Plan und Ziel hinein zu bringen und die Furcht zu überwältigen, durch welche bis jetzt die Beherrscher Venedigs sich vornehmlich behauptet hatten. Denn als zuletzt es im großen Rathe zur Abstimmung gekommen war, die Zehner zu beschränken, fand man nicht weniger als zweihundert und vierunddreißig leere Zettel in der Urne.

Aus Angst vor der Rache der Mächtigen hatten so Viele nicht gewagt ihre Stimme abzugeben, doch Cosimo folgerte daraus, daß, da sich diese Furchtsamen trotz dessen nicht für die Tyrannen erklärt hatten, man ihnen nur Muth zu machen brauchte, um ihrer größtentheils gewiß zu sein. Das Ansehn des Herzogs sollte dazu helfen. Er war bereit allen Einfluß anzuwenden, um die Vorbereitungen zum gemeinsamen Handeln zu treffen, die Gemüther anzuregen und die nöthige Thätigkeit in das Gewebe zu bringen.

Cosimo dagegen wollte ihn nicht allein unterstützen und die jüngeren Köpfe unter seinen Bekannten in Bewegung setzen, er wollte auch auf die Bürger und auf die Masse einzuwirken suchen, ihnen Gedanken über ihre Zustände und über Aenderungen derselben beibringen, welche ihnen Licht verschaffen sollten.

Es schien so schwer nicht, zu günstigen Erfolgen zu kommen, und obwohl das Vorhaben von den Regierenden gewiß verdammt wurde und ihren Haß erregen mußte, so war es doch keinesweges eine Verschwörung gegen sie, sondern die Mittel, dem Rechte nach, nicht unerlaubt. Der große Rath hatte ja zu wählen, nur die herrschende Tyrannei hatte diese Rechte zu Schein und Spiel gemacht.

Dennoch blieb große Vorsicht nöthig und diese sollte auch angewandt sein. Nicht offen wollte Orzio auftreten, nur ausforschend und gelegentlich sprechend, bis ein Kern gewonnen sei, aus dem sich der Baum der Erkenntniß entwickeln lasse. Cosimo mußte ihm daher auch zusagen, nichts zu übereilen und keinen Anlaß zu einem offenen Ausbruch des Mißvergnügens zu geben, der Alles verderben konnte.

Spät erst verließ der Graf das Haus des Herzogs und die glückliche Lavinia, der er sein freudiges Wiedersehen auf morgen zuflüsterte. Dicht in seinen Mantel gehüllt, ging er an der Kirche San Georgio vorüber, als eine Gestalt ihm entgegen kam, die ihn erschreckte. Er erkannte sie, noch ehe er ihre Stimme hörte; aber ein krampfhafter Schmerz durchzuckte ihn, als sie bei ihm stand und seinen Namen nannte.

Was willst Du noch von mir – Coralie? fragte er seine Bewegung beherrschend.

Was ich will? antwortete sie, Rechenschaft, Cosimo. O, was hast Du Dir und mir gethan!

Du hast mich verrathen, Dich verrathen, sagte er, und forderst Rechenschaft?

Beweise! Beweise! flüsterte sie.

Wo sind meine Briefe? fuhr er fort. Du hast sie Lorenzo gegeben.

Nein, entgegnete sie, er hat sie mir entrissen; gewaltsam entrissen. Er wußte Alles.

Und dafür, fuhr Cosimo fort, bist Du ihm gefällig gewesen, hast Dich schmücken lassen, wie ein Opferlamm, mit dem Schmuck des Herzogs Ferdinand, hast Dich ihm an demselben Tage zuführen lassen, um zu tanzen und in seinen Armen mich zu vergessen.

Mutter Gottes! höre ihn und vergieb ihm! rief Coralie. Nicht, weil Lambertini, weil meine eigene Mutter mir mit offener Schmach und dem Klostergefängniß drohte – nein, darum nicht, Cosimo. Mochten sie mich als eine Verworfene behandeln, ich hätte es geduldet; aber weil sie Dich verfluchten, nicht eher zu ruhen schworen, bis ihre Rache Dich getroffen habe, darum nahm ich die Geschenke, darum ging ich – ging ich, Cosimo, mit dem Versprechen, frei zu sein von Zwang und Buße. Zwischen mir und ihm, sobald er erreicht, was er bezweckt, sobald er Gesandter sei und der Herzog Venedig verlassen habe, sollte eine Trennung stattfinden, und diese Trennung führte mich zu Dir. Keine Hölle hätte mich geschreckt, um sie zu kaufen. Bei Gottes Allmacht! bei Seligkeit und Verderben, Cosimo! es ist wahr. Glaube mir, ich bin unschuldig.

Sie streckte ihre Hände nach ihm aus, er ließ es einen Augenblick geschehen, aber sein Mantel öffnete sich nicht, er zog sie nicht in seine Arme. Sein bleiches Gesicht starrte in die düsteren Wolken hinauf, die Donnerschläge seiner Schmerzen verhallten vor der eisernen Gewißheit, nichts ändern zu können.

Was ich auch glauben möchte, antwortete er, die Zeit dazu ist vorüber. Wir müssen scheiden, Coralie, es giebt keinen Weg, der uns wieder zusammenführt. Ich bin Lavinia's Verlobter.

Cosimo! rief Coralie bebend, und mit verzweifelnder Leidenschaft fügte sie hinzu: Treuloser Mann! Du darfst mich nicht verlassen. Mir gehörst Du an, mir allein!

Du nicht mir, erwiederte er. Du hast Deine Würfel geworfen, Coralie. Ganz Venedig nennt Dich des Herzoge Geliebte. Seit Du seine Steine, seine Ketten nahmst, ist Dein Name befleckt. Cosimo Vinci kann nicht mehr zurückkehren.

Und wie er im harten, stolzen Tone dies gesprochen, grausame Scheideworte, die ihn auf immer von ihr trennen sollten, riß er sich los und entfernte sich von ihr.

Coralie Lambertini taumelte an das Kirchengitter, dessen Eisenstäbe sie mit ihren glühenden Fingern drückte, als wollte sie das Erz zerschmelzen. Ihre Augen blickten ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwand. Sie regte sich nicht, kein Schrei, kein flehendes Wort kam über ihre Lippen.

Dein Name ist befleckt, murmelte sie endlich vor sich hin. Ganz Venedig weiß es, und er – er ist zu stolz für meine Schande!

Ein Mann trat hinter einem der gewaltigen Pfeiler der Kirche hervor, wo er bis jetzt verborgen gewesen. Sie sah ihn kommen, ohne zu erschrecken.

Coralie, sagte er, gieb mir Deinen Arm, laß uns gehen.

Du bist da, antwortete sie, sich aufrichtend, das ist gut, Lorenzo. Hast Du gehört?

Alles, versetzte er. Er verachtet Dich und Deine närrische Liebe

Du bist ein guter Rechner, Lorenzo! rief sie hohnvoll, ein wackerer Handelsmann. Hier ist Deine Sclavin, komm, verkaufe sie. Mache den besten Preis, den Du machen kannst, ich will Deinen Handel unterstützen. Fort, laß den Herzog kommen, noch heut. Venedig weist mit Fingern auf mich, es soll ein Recht dazu haben!



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