Balduin Möllhausen
Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas – Band 1
Balduin Möllhausen

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Neunzehntes Kapitel

Ankunft des Trains – Beschwerliche Reise des Trains am Colorado hinauf – Nachrichten über den Landstrich zwischen dem Colorado und der Mormonenstraße – Aufbruch gegen Süden – Beunruhigendes Benehmen der Eingeborenen – Ankunft an Beale's Crossing – Das letzte Konzert – Feindliches Auftreten der Mohaves – Erschießen von Maultieren – Peacocks Erzählung – Der Friedensschluß – Aufbruch der »Explorer« – Abschied von den Mohaves – Aufbruch der Landexpedition

In der Gesellschaft des Doktors begab ich mich in der Frühe des 18. März auf die Jagd, und zwar schlugen wir die Richtung ein, aus der wir den Train erwarteten. Es stand fest bei uns beiden, daß wir unsere letzte Entscheidung vom Zustand der Lasttiere abhängig machen wollten. Beharrte Lieutenant Ives darauf, in der unzugänglichen Wildnis am Black Cañon hinauf weiter vorzudringen, und die Tiere waren wirklich so stark aufgerieben, wie es uns von allen Seiten beschrieben wurde, so lautete unser Entschluß: »Heimkehr auf der ›Explorer‹.« Entschied unser Kommandeur sich indessen dafür, gegen Osten abzubiegen, egal, ob nun im Cottonwood-Tal, im Tal der Mohaves oder an der Mündung von Bill Williams Fork, so waren wir bereit, bis auf den letzten Mann bei der Expedition auszuharren.

So wanderten wir unseren Weg langsam weiter, ich erzählte dem Doktor von den Gebirgsketten, die wir fern im Osten erblickten und die ich vier Jahre früher durchreist hatte, ich sprach von den vulkanischen Wüsten der Regionen der San Francisco Mountains und von den Tieren, die diese beleben, und überhaupt von dem interessanten Feld, das sich dort für unsere Arbeiten eröffnen würde; wir schauten auch nach Wild aus, doch die zahlreichen Rebhühner zogen sich bei unserer Annäherung in das für uns unzugängliche Dickicht zurück, und die auffallend wenig ergiebige Jagd am Colorado wurde der Gegenstand weiterer Unterhaltung.

Endlich erreichten uns die ersten Reiter, es waren Tipton, Taylor und Booker, ihnen nach folgten einige Soldaten, kalifornische Packknechte und ein altes Pferd, dessen einzige Arbeit darin bestand, mittels einer an seinem Hals befestigten Glocke die Zahl der Packtiere zusammenzuhalten und den etwa im Gebüsch verirrten Tieren das Auffinden der Herde zu erleichtern. Die Menschen sahen recht wohlgenährt aus, und die Reise schien sie nicht sonderlich angegriffen zu haben, dagegen boten das Pferd und die schwer bepackten Maultiere, die keuchend, eins hinter dem andern, in dem frisch gebrochenen Pfad nachfolgten, einen traurigen Anblick. Wir ließen den ganzen Train an uns vorüberziehen, und als zuletzt noch einige kranke, halbverhungerte und deshalb unbeschwerte Tiere von einem dunkelfarbigen Mexikaner vorbeigetrieben wurden, waren wir vollständig überzeugt, daß eine Reise am Cañon hinauf unmöglich für uns sein würde.

Wir kehrten ins Lager zurück und fanden dort alle damit beschäftigt, die angekommenen Gegenstände zu prüfen und zu ordnen. Vergeblich suchten wir unter den Säcken und Kisten nach unserem Privateigentum und schätzten uns überglücklich, als wir noch etwas Papier für das Herbarium und zwei Fäßchen Spiritus zu unseren Sammlungen fanden. Leichter verschmerzten wir nun den eigenen Verlust, um so mehr noch, als unter den gegebenen Verhältnissen wir selbst bald in Fort Yuma zurück zu sein rechneten. Nachdem der Bestand der Tiere und des Proviants ermittelt war und es sich herausgestellt hatte, daß sich für das ganze Personal auf keine zwei Monate mehr Lebensmittel vorfanden, beschloß Lieutenant Ives, durch die Notwendigkeit gezwungen, die Expedition zu teilen und nur mit der Hälfte derselben die Reise zu Lande fortzusetzen.

Infolgedessen sollte Kapitän Robinson, begleitet von Bielawski, Taylor, Booker, den Bootsleuten und einigen Soldaten – im ganzen mit 32 Mann –, sich auf der »Explorer« zurück nach Fort Yuma begeben und zu dieser Reise mit so vielen Lebensmitteln ausgerüstet werden, wie für die mutmaßliche Dauer derselben als notwendig erachtet wurde. Lieutenant Ives, Dr. Newberry, Peacock, Egloffstein, Tipton und ich sollten die Landexpedition bilden, die dazu bestimmt war, mit 25 Soldaten, einigen Dienern und den Packknechten – was unsere Gesellschaft auf 45 Mann brachte – und mit etwa 160 Maultieren den oberen Colorado zu erforschen. Dr. Newberry sowohl als ich gaben unseren Plan, nach Fort Yuma zurückzugehen, auf, als Lieutenant Ives uns mitteilte, daß er von Beale's Crossing aus in nordöstlicher Richtung dem oberen Colorado sich zu nähern beabsichtigte. Auch für etwas Wäsche, Kleidungsstücke, Schuhzeug und Tabak vermochten wir jetzt zu sorgen, indem die stromabwärts reisenden Kameraden uns mit der größten Bereitwilligkeit das überließen, was sie auf der Stromfahrt entbehren und in Fort Yuma leicht ersetzen konnten.

Besser, als wir nach den zahlreichen Unfällen erwarten durften, hatten sich nunmehr die Aussichten für die Zukunft gestaltet, sogar mit unserem Proviant sah es nach Hinzufügen von einigen Säcken mit indianischen Bohnen und Mais wieder besser aus, und eine fröhliche Gesellschaft bildeten wir, als wir an jenem Abend um unser Lagerfeuer saßen und beim vollen Blechbecher mit den neuangekommenen Freunden die Erzählungen der verschiedenen Reiseerlebnisse austauschten. Auch Grizzly drängte sich in unsere Reihe und gab unverhohlen seine Freude über die Wiedervereinigung von uns allen zu erkennen.

Nicht genug wußte Mr. Peacock von der schrecklichen Wüste zu erzählen, in der er sich während der letzten zwei Monate ununterbrochen bewegt hatte. Er war ein alter Reisender, der von seiner frühesten Jugend an zwischen dem Missouri und den Rocky Mountains gelebt hatte, doch solche trostlose Umgebung und solche Felsenpfade waren ihm noch nicht vorgekommen. Über hohe Bergrücken hatte er oft mit seinen Leuten mühevoll einen schmalen Weg bauen müssen; täglich waren einzelne Tiere vollständig ermattet und durch Hunger oder Sturz auf längere Zeit unbrauchbar geworden, und der Mangel an Wasser hatte Menschen und Tiere hart betroffen.

Von dem Dampfboot aus war es uns freilich nicht entgangen, daß die Beschaffenheit des Bodens und der gänzliche Mangel an Gras und Kräutern einer Landexpedition unzählige Hindernisse bieten würden, doch in so hohem Grade, als Peacock es beschrieb, hatten wir es nicht erwartet.

Im Tal der Mohaves nun, wo sich nahrhafteres Futter für die Herde fand, war die Expedition wieder durch einen kleinen Trupp Eingeborener, den der verräterische »Captain Jack« anführte, auf alle mögliche Weise belästigt worden, so daß der Sicherheit wegen die grasenden Tiere sich nicht nach Willkür zerstreuen durften. »Captain Jack« war nämlich augenscheinlich von den Mormonen zu Störungen aufgefordert worden, um dadurch einen feindlichen Zusammenstoß herbeizuführen; und daß dieser nicht erfolgte, kann nur der ruhigen Überlegung des braven Trainmeisters zugeschrieben werden. »Captain Jack« und seine Genossen hatten zum Beispiel einst, um die Herde zu erschrecken und zu zerstreuen, beim Einbruch der Nacht ringsum Feuer an das dürre Gras gelegt; Peacock, der das Unglück, das daraus entstehen konnte, vorhersah, vertrieb die bösen Gesellen durch Drohungen, während Lieutenant Tipton sich von seinem Eifer zu weit führen ließ und mit seinem Revolver auf die fliehenden Räuber schoß, ohne daran zu denken, daß eine einzige Verwundung, die nicht durch einen vorhergegangenen wirklichen Angriff der Eingeborenen herbeigeführt wurde, uns Tausende von unerschrockenen Kriegern auf den Hals bringen konnte.

Der nach dem Rio Virgin entsandte Bote war zusammen mit Navarupe wieder zu uns gestoßen, und deshalb wurde der allgemeine Aufbruch auf den folgenden Tag festgelegt. Die Nachrichten, die uns über eine Verbindung des Colorado mit der Mormonenstraße zugingen, lauteten: »Die Anlage einer Wagenstraße von der südlichen Mündung des Black Cañon nach dem nächsten Punkt der Emigrantenstraße, die ins Utah-Gebiet führt, ist möglich. Auf der Strecke von sechzehn Meilen, zwischen Kieshügeln und Schluchten hindurch, welche die östlichen Abhänge des Gebirgszuges bilden, ist das Terrain schwierig, und es bedarf zum Zweck der Eröffnung einer Kommunikation mit Wagen einiger Arbeit; vom Gipfel der Wasserscheide des Gebirgszuges eben ist es leicht, Wagen an den westlichen Abhängen hinunter- und hinaufzuschaffen. Die Entfernung eben beschriebener Strecke beträgt annähernd vierzig Meilen.«

Der Morgen des 19. März war trüb und kalt; Schnee war auf den westlichen Gebirgszügen gefallen und bedeckte bis zu einer gewissen Höhe sogar einen Teil der grauen Kiesebenen. Einen eigentümlichen Anblick gewährte dadurch diese ansteigende Fläche, auf der in der Entfernung weniger Meilen vom Fluß die horizontale Schneelinie so scharf kontrastierte.

In alter Ordnung begaben wir uns an Bord der »Explorer«; was von dem mitgebrachten Gepäck nur irgend hatte untergebracht werden können, befand sich ebenfalls auf dieser, und auf einige Tage von den berittenen Gefährten Abschied nehmend, glitten wir langsam in die Strömung. Als wir der langen Windung des Stroms folgten und um den nächsten Vorsprung bogen, gewannen wir noch einen Blick auf Peacocks Lager, wo man sich ebenfalls zum Aufbrach rüstete. Schon nach einigen Stunden gelangten wir bis zur Insel oberhalb von Jessup's Halt, und der Abend fand uns noch damit beschäftigt, das Boot an dieser vorbeizubringen. Wir übernachteten ungern auf der Insel, die sich nicht hoch genug über dem Wasserspiegel erhob, um uns trockenen Boden gewähren zu können, und nur nach mühevoller Arbeit gelang es erst, die Zelte auf einer von Geröll gesäuberten Stelle aufzurichten.

Ohne Unfall glitt die »Explorer« am folgenden Morgen über Jessup's Stromschnelle, und bald darauf befanden wir uns im Obelisk Cañon. Ein heftiger Sturm, der sich indessen in den Vormittagsstunden erhob, nötigte uns zu landen und bis gegen Abend stillzuliegen. Erst als die Schatten der westlichen Gebirge sich verlängerten und den Spiegel des Colorado bedeckten, setzten wir unsere Reise fort und fuhren noch bis ans südliche Ende des Cañons, wo wir ganz in der Nähe von Peacocks Lager übernachteten.

Schon in den Frühstunden des 21. März gelangten wir zwischen zerstreute Ansiedlungen der Mohaves, und mehrfach hatte unser getreuer Mariando Gelegenheit, sich mit den Eingeborenen zu unterhalten, die teils gruppenweise auf dem weichen Sand umherlagen, teils sich mit dem beliebten Ringspiel die Zeit verkürzten. Auffallend erschien es, daß auf beiden Ufern, sobald der Dampfer sichtbar wurde, sich einzelne Krieger schnell erhoben und voraus gegen Süden eilten. Auch befremdete es uns, daß die Eingeborenen, die einige Wochen früher uns stets mit Jubel begrüßten, jetzt von fern stehenblieben und mißtrauisch unsere Bewegungen beobachteten. Es war augenscheinlich, daß die Mormonen unter den Mohaves falsche Gerüchte über den Zweck unserer Reise verbreitet hatten, denen nur zu willig Glauben geschenkt worden war. Mariando bestärkte uns in dieser Meinung sehr und gab zu verstehen, daß nach seiner Ansicht ein Angriff der Mohaves zu befürchten sei.

Um die aufgeregten Gemüter zu beruhigen, sandte Lieutenant Ives Navarupe mit Aufträgen an Kairook und Mesikehotah und ließ beide einladen, zu uns zu stoßen, um sie persönlich zu beruhigen und sie von den durchaus friedlichen Absichten der Amerikaner zu überzeugen. Navarupe verließ uns und richtete, wie wir später erfuhren, seine Aufträge gewissenhaft aus. Mit der Absendung des Friedensbotens war natürlich die Besorgnis vor einem feindlichen Zusammenstoß noch nicht behoben. Um daher auf alle Fälle vorbereitet zu sein, erging der Befehl an die Mannschaft, die Waffen zu prüfen und stets zum augenblicklichen Gebrauch bereitzuhalten. Wir auf unserer Plattform rüsteten uns ebenfalls, und außer den Büchsen und Revolvern legten wir auch noch alle Doppelflinten zur Hand, nachdem wir diese, statt mit unschuldigem Schrot, mit einer entsprechenden Anzahl starker Rehposten geladen hatten. Wir bildeten eine Kompanie von nur 28 Mann, doch doppelt und dreifach bewaffnet, wie wir waren, hätten wir die »Explorer« ganz leicht in eine für Indianer gewiß uneinnehmbare Festung verwandeln können, wobei uns die Berghaubitze trefflich zustatten gekommen wäre. Anders verhielt es sich mit dem Train, wo im Falle eines Angriffs die Leute nicht nur sich, sondern auch die Tiere und die Lebensmittel verteidigen mußten.

Sehr erfreut waren wir daher, als wir bei unserem Landen auf dem linken Ufer an Beale's Crossing Peacock und Tipton daselbst schon gelagert fanden; mehr erfreute es uns aber noch, daß wir zahlreiche Eingeborene erblickten, die sich mit Weibern und Kindern harmlos im Lager bewegten. Es ist wahr, daß einige Krieger uns anfänglich mißtrauisch von fern beobachteten, doch als sie gewahr wurden, daß wir Tabak und Pfeifen hervorholten, mit jedem, der zu uns herantrat, rauchten, auch wohl hin und wieder etwas Tabak verschenkten, da verschwand augenscheinlich jedes künstlich hervorgerufene feindliche Gefühl, und nach alter Weise bot unser Lager wieder das bunte Bild verschiedener Rassen, die friedlich miteinander verkehrten.

Keinen Augenblick wurden indessen auf der Seite die Waffen aus der Hand gelegt, denn die Mohaves waren den Yuma-Indianern in ihrem Äußeren zu ähnlich, als daß wir ihnen nicht auch ähnliche Gefühle und ähnliche Kriegslist zugetraut hätten; und dann wußten wir ja auch die Mormonen in unserer Nähe, die es so gut verstanden, selbst harmlose Indianer zu ihren verderblichen Zwecken zu verwenden.

Man nimmt allgemein an, daß die Anwesenheit von Weibern und Kindern unter solchen Verhältnissen stets ein untrüglicher Beweis der friedlichen Absichten der Eingeborenen ist. Wie verderblich indessen ein zu blindes Vertrauen auf dergleichen Regeln werden kann, das haben die Yuma-Indianer schon mehrfach bei ihren Zusammenkünften mit den Weißen bewiesen. Eine Gesellschaft von Europäern, die einst auf der Reise nach Kalifornien das Gebiet der Yuma-Indianer berührte, wurde im Lager von einem Trupp Eingeborener besucht. Der Umstand, daß die Männer unbewaffnet erschienen und von Weibern und Kindern begleitet waren, veranlaßte sie, die gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln außer acht zu lassen und sich unbesorgt ihrer Unterhaltung hinzugeben. Die Indianerinnen, die zusammen mit ihren Männern um die Weißen herumstanden, fanden unterdessen Gelegenheit, die unter ihren Baströcken verborgenen Keulen unbemerkt hervorzuholen und den Kriegern hinzureichen, die dann plötzlich auf ein gegebenes Zeichen mordend über ihre Opfer herfielen, während die Weiber und Kinder schleunigst davoneilten. Einem so unvorhergesehenen Angriff mußte die Gesellschaft natürlich unterliegen, und nur wenige derselben entkamen, um das Los ihrer erschlagenen Gefährten verkünden zu können.

Zu einer anderen Zeit erhielt eine ähnliche Gesellschaft, die in der Nähe der Gila-Mündung über den Colorado gesetzt war, Besuch von einer Bande Eingeborener, die ebenfalls unbewaffnet waren und die, da sie vollständig unbekleidet waren, daher auch nicht heimlich Waffen bei sich führen konnten. Die Wilden zeigten sich freundlich und zuvorkommend gegen die Fremden und waren emsig bemüht, das Lagerfeuer mit schweren Pfählen und Holzscheiten zu nähren. Es war also scheinbar kein Grund zu Mißtrauen oder Verdacht vorhanden, und wiederum bemerkten die Reisenden zu spät, daß die wilden Krieger die schweren Feuerbrände ergriffen, um sich derselben als Waffen zu bedienen. Nur ein einziger entkam von den sieben oder acht Europäern, und auch der entrann nur mit knapper Not dem Untergang und mußte noch lange in der Wildnis umherirren, ehe er wieder in Berührung mit weißen Menschen kam.

Wenn man nun bekannt mit dergleichen Begebenheiten ist und dafür Sorge trägt, daß jeder im Lager diese erfährt, und wenn man bei Erzählung derselben womöglich noch einige Ausschmückungen und Beschreibungen von indianischen Martern und Lebendig-skalpiert-Werden hinzufügt, so wird es bedeutend erleichtert die allgemeine Wachsamkeit aufrechtzuerhalten, denn es gibt doch manche, und zwar vorzugsweise unter den amerikanischen Soldaten, die durch den Tod nicht zu erschrecken sind, dagegen den Gedanken an ausgesuchte körperliche Qualen nicht ertragen können. Im Lager an Beale's Crossing gewährte es mir förmlich eine Freude, unsere Leute zu beobachten, wie jeder auf seiner Hut war und sogar während des Schlafens die Waffen nicht aus der Hand legte.

Der Abend rückte heran, die Indianer wurden aufgefordert, das Lager zu verlassen, starke Wache umgab die Herde, Schildwachen standen im undurchdringlichen Schatten der hohen, weitverzweigten Bäume, und so gesichert gegen jede Überraschung, streckten wir uns gemächlich vor den Lagerfeuern hin, und da wir die Instrumente auf der Landreise nicht mehr mit uns führen konnten und unser zweiter Flötist, Mr. Carroll, sich von uns trennen mußte, so versuchten wir gewissermaßen noch im letzten Augenblick, eine musikalische Abendunterhaltung zustande zu bringen. Ewig frisch wird mir in der Erinnerung das Bild bleiben, das an jenem Abend aufgerollt vor mir lag. Es war nicht allein der beständige Wechsel der dunklen Schatten unter den dichten Bäumen und der von vielen Lagerfeuern ausströmenden Beleuchtung, sondern auch die Figuren, die in den verschiedenartigsten Kostümen und Stellungen das Ganze belebten. Die blanken Waffen ruhten im Arm der meisten oder lagen ihnen zur Seite; die mahagonifarbigen Züge, die grauen Filzhüte, die langen Bärte und die verstaubte, zerrissene Kleidung – alles deutete auf langen, schweren Dienst; und wenn auch manche in tiefem Schlaf umherlagen oder träge in die lodernden Flammen schauten, so waren doch auch wieder Gesichter zu sehen, auf denen die Freude zu wohnen schien. Bis tief in die Nacht hinein erschallten Lieder und Musik, und mit einem gewissen Widerstreben legten wir endlich die Instrumente zur Seite, von denen wir uns auf ewig trennen sollten. Ich sage auf ewig, denn kaum glaublich ist es, daß einer von uns jemals nach Fort Yuma zurückkehren wird, wo die Violine und die Gitarre in irgendeinem Winkel auf ihre Eigentümer harren.

Doch wunderbar sind oftmals die Wege, auf denen der Mensch geführt wird; als ich die Rocky Mountains zum erstenmal erblickt hatte, sandte ich einen nach meiner damaligen Ansicht letzten Scheidegruß nach ihren stolzen Gipfeln hinüber, und doch habe ich mehrfach seit jener Zeit diese Gebirgskette von verschiedenen Seiten überschritten.

Heftiger Nordweststurm sauste über die lehmigen Fluten des Colorado, als wir in der Frühe des 22. März aus unseren Zelten ins Freie traten. Ein Trupp Mohaves befand sich bei uns im Lager, doch vermißten wir Weiber und Kinder; zwar erblickten wir einige derselben in der Ferne, doch verschwanden auch diese, als Häuptling Manuel mit etwa vierzig bewaffneten Kriegern bei uns im Lager erschien, um Geschenke für sich und die Seinigen in Empfang zu nehmen. Es ist ein alter Brauch unter Reisenden, daß bewaffnete Eingeborene stets aus dem Lager gewiesen werden; leider geschah dies an jenem Morgen nicht, und ein übermütiges Benehmen der indianischen Gesellschaft, das zu einem ernsten Konflikt zu führen schien, zeigte sich als die nächste Folge davon. Es waren nämlich nicht Manuel und sein Trupp allein, die sich in unserer Nähe aufhielten, sondern zu Hunderten erblickten wir wilde, bemalte Krieger mit langen Bogen und Pfeilbündeln, die an den Abhängen der nahen Hügel umherlagen und nur auf ein Zeichen zu harren schienen, uns mit einer Ladung von steinbewaffneten Pfeilen zu überschütten. Auch das Gebüsch, das uns von allen Seiten umgab, wimmelte von Indianern, die in Trupps zu dreien und vieren sich der Maultierherde zu nähern suchten, so daß den Hütern eine Verstärkung geschickt werden mußte.

Kairook befand sich bei uns im Lager, und mit den Zeichen der Mißbilligung gewahrte er, daß sich die Mohaves immer dichter um uns zusammenzogen; er gab sich die größte Mühe, dem Kampf, der jeden Augenblick auszubrechen drohte, vorzubeugen; er sprach zu seinen Stammesgenossen, doch blieben seine Bemühungen angesichts der anderen Häuptlinge fruchtlos; er sprach zu uns, doch auch hier stieß er auf lauter ernste, entschlossene Gesichter, und mehrfach wurde ihm durch Mariando auseinandergesetzt, daß nicht eher an eine Erneuerung unseres Verkehrs gedacht werden könne, als bis die indianischen Krieger ihre Waffen beiseite gelegt und statt diesen ihre Weiber und Kinder ins Lager gebracht hätten.

Kairook war in größter Verlegenheit, als sich sein Einfluß nicht hinreichend zeigte, um dies zu bewirken; er ließ darauf seine eigene Frau rufen und veranlaßte sie, sich mit ihm zwischen den feindlichen Parteien zu bewegen und so das Schlimmste zu verhüten. Die Angst des Häuptlings bewies deutlich, daß er die Wirkung unserer Waffen wohl kannte und deshalb mehr für seinen Stamm als für uns fürchtete, trotzdem viele Hunderte von Eingeborenen uns umgaben und die Aufmerksamkeit unseres kleinen Häufchens zwischen der Herde, dem Lager und dem Dampfboot geteilt werden mußte.

Plötzlich eilte einer der mexikanischen Hüter ins Lager und überbrachte die Nachricht, daß die Eingeborenen begonnen hätten, mit Pfeilen unter die Herde zu schießen, und daß er besonders »Captain Jack« erkannt hätte. Lieutenant Tipton begab sich sogleich mit neun Mann Soldaten an Ort und Stelle und fand wirklich zwei Maultiere verwundet, von welchen dem einen der Pfeil zwischen den Rippen tief im Körper haftete. Nur mit Mühe gelang es Lieutenant Ives, den jungen, eifrigen Offizier davon zurückzuhalten, das Feuer auf die Eingeborenen zu eröffnen, denn daß gerade »Captain Jack« die Feindseligkeiten begonnen hatte, löste hinlänglich das Rätsel des so plötzlich veränderten Benehmens der Mohaves, und wir konnten nunmehr annehmen, daß die Wilden noch immer von den in der Nähe weilenden Mormonen beeinflußt wurden.

Lieutenant Ives ließ daher durch Mariando den Indianern kundtun, daß es keinem von ihnen gestattet wäre, das Lager zu betreten, ehe man nicht den Übeltäter zur Bestrafung herbeigeschafft hätte; ferner, daß der nächste Schuß auf ein Maultier mit einer Ladung aus der Kanone beantwortet werden würde und daß alle Indianer, bis auf die Häuptlinge, sich augenblicklich aus dem Bereich unseres Lagers entfernen sollten. Dieses entschiedene und dabei doch verständige Auftreten blieb nicht ohne Wirkung, und bald befanden sich außer Manuel, Kairook nebst seiner Frau und Yuckeye, einem Yuma-Indianer, der Peacock von Fort Yuma aus begleitet hatte, keine Eingeborenen mehr in unserer Nähe. Zwar erblickten wir in der Ferne noch große Haufen von ihnen, doch hatten wir nunmehr hinlänglich Raum und Ruhe gewonnen, um die Gegenstände, die nach Fort Yuma oder für die Landexpedition bestimmt waren, voneinander abzusondern und alle Vorbereitungen zu einem baldigen Aufbruch zu treffen. Auch Briefe wurden an diesem Tag noch geschrieben – es waren die letzten; denn nachdem das Dampfboot sich von uns getrennt und wir die Wüste betreten hatten, war jedes Mittel einer Kommunikation mit der zivilisierten Welt auf die Dauer der Reise abgeschnitten.

Die gänzliche Nichtachtung von unserer Seite schien die erhitzten und aufgeregten indianischen Gemüter etwas abzukühlen, und es trat der Wunsch auch bei ihnen zutage, sich uns wieder zu nähern und das alte, gute Einvernehmen herzustellen. Es begann damit, daß die Häuptlinge erklärten, wie die Verwundung der Maultiere ganz gegen ihren Willen stattgefunden habe, wie die Übeltäter geflohen seien und später von ihnen selbst bestraft werden sollten. Wenn letzteres auch etwas zweifelhaft blieb, so nahm Lieutenant Ives doch, zum besten der Expedition, die Entschuldigung an und ließ ihnen mitteilen, daß, wenn sie am folgenden Morgen wieder erschienen – und zwar unbewaffnet und begleitet von ihren Weibern und Kindern –, ferner uns einige Führer zur Reise durch die Wüste – unter diesen Iretéba – stellten, alle eine freundliche Aufnahme bei uns finden und sogar noch mit einigen Geschenken vom »Großen Großvater in Washington« bedacht werden sollten. Die Häuptlinge versprachen ihr Bestes, und als es zu dunkeln begann, entfernten sich alle Eingeborenen aus unserer Nähe; nur Kairook, der seinen eigenen Leuten und ihrer Friedfertigkeit nicht recht traute, blieb während der Nacht bei uns im Lager, um jederzeit zwischen uns und den Mohaves vermitteln zu können.

»Mr. Peacock! Spinnt uns ein Garn!« hieß es, als wir um unser Lagerfeuer versammelt waren und die meisten ihr gewohntes Nachtpfeifchen anzündeten.

»Nur Seeleute spinnen Garn«, antwortete Mr. Peacock.

»Ihr habt ja so vielfach das Grasmeer von Missouri durchsegelt«, hieß es zurück, »da werdet Ihr doch gelernt haben, ein Stückchen Garn abzuwickeln.«

Peacock schmunzelte zu der Schmeichelei, denn einem alten Präriereisenden ist nichts angenehmer, als wenn er an seine Irrfahrten und Heldentaten erinnert wird, und nach kurzem Besinnen hob er an: »So gern ich auch den Indianern immer aus dem Weg gehe und einen Kampf, in dem so wenig Ehre zu gewinnen ist, stets zu vermeiden suche, so habe ich doch den ganzen Tag darüber nachgedacht, welch allerliebstes Gefecht es hier mit den Mohaves hätte werden können, und ganz besonders hier unter den Bäumen, die so hübsch beieinander stehen, als wenn sie zum Zweck eines Gefechts gepflanzt worden wären. Um ein Ziel für unsere Büchsen wären wir bei der Menge von Wilden, die uns umgaben, wohl nicht in Verlegenheit geraten, doch es ist besser, wie es jetzt ist; um so mehr, als die Wilden keine Büchsen hatten und es von unserer Seite doch nur ein Abschlachten geworden wäre.

Anders ist es, wenn man Krieger von den Stämmen der Sioux, Arapahoes oder Cheyennes sich gegenüber hat, Männer, die teilweise mit echten Missouribüchsen bewaffnet sind und sich auch auf die Führung derselben verstehen.

Major Bridger ist Ihnen gewiß dem Namen nach bekannt, ich brauche also nur hinzuzufügen, daß er einer der besten Indianerbekämpfer, Viehzüchter und Tauschhändler ist, die jemals die Rocky Mountains überschritten. Seit wenigstens sechsunddreißig Jahren hat er nunmehr schon an den Quellen des Missouri sowie des Columbia mit den Eingeborenen verkehrt. An Blacks Fork, einem Arm des Green River, dessen Wasser also hier im Colorado an uns vorüberfließt, gründete er schon vor vielen Jahren zum Schutz seiner Leute und seiner Waren einen größeren Handelsposten, der nach ihm Fort Bridger genannt wurde. Die Emigrantenstraße zum Großen Salzsee und nach Kalifornien führt dort vorbei, und wenn jemand in Fort Bridger einkehrt, so erfreut er sich dort immer der größten Gastfreundschaft.

Fort Bridger ist also der Mittelpunkt, von dem aus der alte Major die kleineren Nebenposten, die nach allen Richtungen hin verstreut umherliegen, unterhält und von wo aus er zugleich seine Tauschhändler und Pelzjäger zu den verschiedenen Indianerstämmen entsendet. So war es wenigstens vor sieben Jahren, als ich das letztemal dort einkehrte, und ich hoffe, daß bis jetzt noch keine Änderung in dem Etablissement stattgefunden hat. Es mögen jetzt wohl fünfzehn Jahre seit der Zeit verflossen sein, als Bridger einen gewissen Henry Frappe zu seinem tätigsten Mitarbeiter und Partner zählte. Frappe hatte das Kommando einer Kompanie Freitrapper, gegen vierzig an der Zahl, übernommen und durchzog mit diesen, die in Verbindung mit ihren indianischen Frauen und Herden keine unbedeutende Karawane bildeten, jagend und tauschend nach allen Richtungen das Land zwischen den Quellen der südlichen Zuflüsse des Green River. Er hatte nicht weit von der Stelle, wo später Fort Bridger errichtet wurde, sein Lager zu einem längeren Aufenthalt gewählt, dieses daher roh befestigt, und sich vor den Angriffen der Wilden sicher wähnend, begab er sich mit dem größten Teil seiner Männer zur Büffeljagd.

Kaum hatte er sich aber entfernt, als eine Bande von ungefähr vierhundert Sioux und Arapahoes das Lager überfiel, Männer und Weiber, die sich nicht schnell genug durch die Flucht retten konnten, tötete und mit hundertfünfzig Stück Vieh davonzog. Major Bridger, der gerade im Begriff stand, am Green River einen Handelsposten zu errichten, erhielt die Nachricht von diesem Unglück fast ebenso schnell wie Frappe, und einen zweiten Überfall befürchtend, sandte er diesem den Rat, sein Lager aufzugeben und mit seiner ganzen Kompanie zu ihm zu stoßen.

Frappe, der in einem erneuten Überfall nur die Gelegenheit erblickte, sich für die erfahrenen Unbilden rächen zu können, vielleicht auch ganz an einem solchen zweifelte, beeilte sich nicht mit seinem Aufbruch, sorgte aber dafür, daß jeden Abend nach Sonnenuntergang sich alle zu seiner Kompanie gehörenden Menschen und Tiere innerhalb der roh zusammengefügten Palisaden befanden. Zehn Tage vergingen, ohne daß eine Störung vorgefallen wäre, und Frappe begann wirklich an seine Abreise zum Green River zu denken, als in den Vormittagsstunden plötzlich eine Abteilung von mehreren hundert Indianern vor dem Lager erschien und sich sogleich ohne Zögern mit wildem Kriegsgeheul auf dieses stürzte. Obgleich der Angriff zu solch ungewöhnlicher Stunde nicht erwartet worden war, so befand sich Frappe mit seinen Leuten, noch ehe die Wilden die Palisaden erreicht hatten, auf den verschiedenen Posten, und Schuß auf Schuß krachte zwischen dem Pfahlwerk hindurch den Feinden entgegen. Ein indianischer Kriegshäuptling fiel als erstes Opfer, ihm nach sanken die angesehensten Krieger, die in ungestümer Wut vorangeeilt waren; und so in ihrem weiteren Vordringen zu große Gefahr erkennend, gaben die Wilden den Angriff auf, und sich schnell um die Palisaden herum verteilend, suchte jeder ein Versteck zu gewinnen, von wo aus er mit Überlegung auf die weißen Jäger schießen konnte.

Es begann jetzt eine andere Art von Gefecht, und zwar eine weniger geräuschvolle, weil jeder sich gegen feindliche Kugeln nach besten Kräften hinter Bäumen und Steinen deckte; dafür fiel aber auch selten von seiten der Trapper ein Schuß, ohne sein Ziel zu treffen. Wo ein indianischer Arm sich zeigte oder ein bemalter Kopf sich hob, da machte eine Kugel ihn zurücksinken, und wo ein ledernes Jagdhemd oder ein Filzhut die Öffnungen zwischen den Pfählen verdunkelte, da schlugen ringsum Kugeln und Pfeile zu Dutzenden ein, und gar manche Kugel fand ihren verderblichen Weg zwischen dem Holzwerk hindurch, nicht nur einzelne der mutigen Jäger verwundend, sondern auch tötend.

Frappe, obgleich schon verwundet, handhabte seine Büchse, als wenn es einem Preisschießen gegolten hätte; seinen Hut auf den Ladestock hängend, hielt er denselben vor eine größere Öffnung, und als eine ganze Ladung von Kugeln und Pfeilen auf diesen hereingeprasselt war, steckte Frappe blitzschnell seine Büchse zwischen den Pfählen hindurch, und ein unvorsichtiger Indianer sank mit zerschmettertem Gehirn hinter einem Baumstumpf zusammen. Viermal glückte Frappe dieser Kunstgriff, und viermal stürzte ein Wilder schwer getroffen zu Boden; doch als er zum fünften Mal seine Büchse hob, drangen zwei Kugeln auf einmal in seine Brust und machten seinem letzten Kampf ein Ende.

Die Bewegung, die innerhalb der Palisaden durch den Fall Frappes entstand, war den Indianern nicht entgangen, und plötzlich aus ihren Verstecken hervorspringend, unternahmen sie einen weiteren Angriff auf die Einfriedung. Doch die Jäger waren auf ihrer Hut, denn noch waren die Wilden nicht bis zu dem Punkt gelangt, wo sie beim ersten Angriff ihre vordersten Krieger verloren hatten, als sie durch die von sicherer Hand entsandten Kugeln zur Rückkehr gezwungen wurden.

Der Kampf hatte schon Stunden gedauert, doch mit neuer Erbitterung wurde er, nachdem die Indianer sich eiligst in ihre Verstecke zurückgezogen hatten, wiederaufgenommen; die Wilden kämpften jetzt nur noch, um ihre gefallenen Krieger zu rächen, die Weißen aber um ihr Leben. Die Sonne neigte sich bereits dem Untergang zu, als die Wilden abermals einen Versuch wagten, in die Umpfählung einzudringen; sie bewiesen dabei eine seltene Kühnheit und Todesverachtung, ja sie drangen sogar bis an die Palisaden vor, doch wiederum wurden sie mit großen Verlusten zurückgeschlagen, denn wo eine Hand sich nach dem Pfahlwerk ausstreckte, um den Körper an diesem hinaufzuziehen, da war ein Beil bereit – oft nur von Weibern geführt –, diese abzuhacken, während unten, zwischen den Palisaden hindurch, ununterbrochen Kugeln in den dichten, anstürmenden Haufen gesandt wurden. Schnell wie der Angriff war auch der Rückzug, und bis in die Nacht hinein wurde das Feuern von beiden Seiten fortgesetzt. Obgleich die weißen Jäger ungefähr vierzig indianische Leichen zählen konnten, die bei den verschiedenen Angriffen gefallen waren, und die Zahl der Kampfunfähigen die der Gefallenen wohl bei weitem überstieg, so befand sich dennoch eine wenigstens fünffache Übermacht ihnen gegenüber, und nicht ohne Besorgnis gedachten sie der kommenden Nacht, in der sie einen letzten und entscheidenden Angriff der Wilden erwarteten.

Auch die Jäger hatten empfindliche Verluste erlitten, denn außer Frappe lagen noch acht der Ihrigen in der Umzäunung, die in dem grimmigen Kampf gefallen waren. Der Mut verließ indessen keinen Augenblick diese abgehärteten Menschen; konnten die Toten auch nicht mehr an der Seite der Lebenden kämpfen, so waren ihre Waffen doch noch in brauchbarem Zustand, und jedes Gewehr geladen und zum augenblicklichen Gebrauch bereithaltend, verbrachte die Besatzung die Nacht auf ihren Posten hinter den Palisaden. Gegen alle Erwartung erfolgte kein nächtlicher Angriff, man vernahm wohl mehrfach Bewegungen unter den Feinden, doch als der Tag anbrach und es hell genug war, entferntere Gegenstände unterscheiden zu können, sahen die Jäger, daß die Wilden unter dem Schutz der Dunkelheit ihre gefallenen Gefährten bis auf diejenigen, die am Fuß der Palisaden lagen, zu sich herangeholt und sich mit diesen entfernt hatten.

Ob nun der Verlust ihres Kriegshäuptlings oder der Mangel an Munition den Rückzug der Indianer veranlaßt hatte, das erfuhren die Jäger nie. Sobald sie sich aber gegen einen neuen Angriff gesichert wußten, beeilten sie sich, Frappe und die anderen weißen Gefallenen zu beerdigen, worauf sie den Posten vollständig aufgaben und dem Green River entgegenzogen, um sich dort mit Major Bridger und seinen Männern zu vereinigen.

Mein Garn ist zu Ende«, schloß Mr. Peacock seine Erzählung. Wir alle lobten ihn wegen seines Talents und fanden nur auszusetzen, daß das Stückchen so kurz gewesen, doch Peacock war unerbittlich, er erklärte, daß er für heute ausgesponnen habe, und streckte sich vor dem Feuer hin, um vor dem – wie er sich ausdrückte – Zu-Bett-Gehen sich noch ein halbes Stündchen auszuruhen.

Die Nacht verstrich ohne Störung, und mit dem Frühesten begannen wir uns reisefertig zu machen. Die nach Fort Yuma bestimmten Gegenstände waren am vorhergehenden Tag schon an Bord gebracht worden, und daher konnte der Aufbruch der »Explorer« zuerst bewerkstelligt werden. Die Eingeborenen, die jetzt erkannten, daß es wirklich unsere Absicht war, ihr Tal auf immer zu verlassen, hatten plötzlich alles Mißtrauen verloren, denn in großer Anzahl strömten sie mit Weibern und Kindern herbei und zeigten dasselbe harmlose, fröhliche Benehmen, wie wir es früher an ihnen wahrgenommen hatten. Auch Manuel stellte sich wieder mit seinen Kriegern vor, die diesmal ihre Waffen zurückgelassen hatten, und sie erhielten daher von Lieutenant Ives die versprochenen Geschenke. Mesikehotah, der erste Häuptling der Mohaves, wurde ebenfalls auf freigebige Weise bedacht, so wie mehrere Krieger, die sich stets zurückhaltend und bescheiden gezeigt hatten.

Den verräterischen »Captain Jack« erblickte ich in einem Haufen seiner Gefährten. Er hielt sich etwas entfernt von uns und wollte augenscheinlich nicht erkannt sein, denn Gesicht und Körper hatte er mit einer Farbe überzogen, die ihm eine merkwürdige Ähnlichkeit mit einer glattgefeilten eisernen Statue verlieh. Die Farbe war durch die Vermischung von feingeriebenem Bleierz mit Fett hergestellt worden, und ich kann wohl sagen, daß ich auf all meinen Reisen nie eine ähnliche und auffallendere Bemalung beobachtet habe. Ich redete den Burschen an und hielt ihm zugleich die Faust unter die Nase, doch suchte er mir durch Zeichen zu verdeutlichen, daß er ebensowenig »Captain Jack« sei, als daß er Englisch verstehe.

Eine angenehme Erscheinung war unser getreuer Iretéba, der sich eingestellt hatte, um, soweit es in seinen Kräften lag und ihm das Land bekannt war, den Posten eines Führers zu übernehmen. In seiner Begleitung befanden sich Colhokorao und Hamotamaque, zwei prachtvolle Mohave-Burschen, die ebenfalls einen Ausflug in das Innere des Landes zu machen wünschten und sich viel Vergnügen von diesem Unternehmen versprachen. Beide waren zur Reise gerüstet, das heißt in der einen Hand führten sie den langen Bogen und ein Dutzend Rohrpfeile, in der anderen einen Maiskuchen, und ein Paar Sandalen steckten im Gürtel. Ihre Kleidung war der gewöhnliche weiße Schurz, und nur Colhokorao trug als Schmuck eine ihm viel zu kurze rote Livreeweste, die sich in der Farbe kaum von den rot angestrichenen Gliedern unterschied.

Die Pfeife der »Explorer« rief endlich alle Mann an Bord, und alsbald versammelte sich unser ganzes Personal auf dem Ufer, um die letzten Grüße miteinander auszutauschen. – Es ist ein eigentümliches Gefühl, wenn man mitten in der Wildnis von alten, treuen Reisekameraden scheidet und jeder auf verschiedenen, ungewissen Pfaden einem fernen Ziel entgegenzieht. Wohlgemeintere, herzlichere Wünsche, wenn auch gehüllt in rauhe Formen, können wohl kaum zwischen Menschen ausgetauscht werden, die einander nur kurze Zeit kennen und in den meisten Fällen sich auf Nimmerwiedersehen voneinander trennen.

Die Pfeife der »Explorer« erschallte zum zweiten und dritten Mal, und noch immer befanden sich Leute auf dem Ufer, die sich gegenseitig die Hände drückten; selbst die Eingeborenen drängten sich heran und reichten ihre Hände mit den Worten: »Hau do« (How do you do) hin, bis die letzten der Fort-Yuma-Passagiere – und unter diesen unser freundlicher Mariando – an Bord sprangen und das Dampfboot langsam der Mitte des Stroms zuglitt. Die Strömung entführte schnell unsere Freunde aus dem Bereich unserer Stimmen, die Maultiere wurden ins Lager getrieben, und bald darauf war jeder emsig beschäftigt, das ihm zugeteilte Maultier zu satteln und sich zum Aufbruch bereitzuhalten. Unsere Packknechte bestanden aus Mexikanern und Kaliforniern – lauter Männer, die bei dieser Art von Arbeit aufgewachsen waren –, und mit einer unglaublichen Gewandtheit wurde daher das Gepäck auf den Rücken der geduldigen Tiere befestigt, die, aus den Händen der Leute entlassen, vergeblich versuchten, ihre Bürden in dem dichten Buschwerk wieder abzustreifen. Nach Verlauf einer Stunde war alles zur Reise bereit.

Ehe ich indessen den Colorado verließ, stieg ich noch einmal den Fluß hinab, um zum letzten Mal von den Fluten zu trinken, mit denen ich so lange in innigem Verkehr gestanden hatte; auch der Colorado kam mir jetzt wie ein alter, lieber Freund vor; ich blickte nach der dürren, wasserlosen Wüste hinüber, wo kein Colorado dem trockenen Gaumen Labung bot, ich schaute auch nach der »Explorer« hin, die in weiter Ferne ruhig auf einer Sandbank lag und schwerfällig den Kraftanstrengungen der Maschine und der Leute Folge leistete. Leb wohl, kleine »Explorer«, und fahre besser wie die »Jessup«! so dachte ich, als ich einen letzten Blick nach dem fernen Dampfboot hinübersandte und die schwarze Rauchsäule beobachtete, die wolkenähnlich dem Schlot entstieg. Ich füllte darauf meine Reiseflasche mit Wasser, trank noch einen letzten, langen Zug aus dem Strom selbst und sprang dann nach dem Ufer hinauf, wo unsere Expedition eben im Begriff stand, die Landreise anzutreten.

Wiederum folgte das Abschiednehmen, und zwar ein langes Abschiednehmen, denn es waren gar viele der braunen Hände, die uns entgegengehalten wurden, und unter diesen kleine, niedliche Mädchenhände, die in unseren Fäusten fast verschwanden und die trotz der Farbe und des Fettes, das sie umgab, immer noch hübsch blieben und mit größter Herzlichkeit gedrückt wurden. Auch in schöne, schwarze Augen blickten wir, Augen, die uns verführten, dem Händedruck mitunter eine Umarmung folgen zu lassen; und ich glaube, wenn die runden Gesichter und leider vorzugsweise die niedlichsten Indianerinnen nicht mit einer so dicken Lage von roter und blauer Farbe bedeckt gewesen wären, so würden die einfältigen Mädchen allmählich das Gefahrlose eines Kusses kennengelernt haben. Ich sah nämlich, wie ein lustiger Mexikaner seine bärtigen Lippen auf den blau tätowierten Mund einer Mohave-Schönen drücken wollte und wie diese, in der Meinung, daß der Mensch sie zu beißen beabsichtige, sich von ihm losriß und zum allgemeinen Gelächter wie eine Antilope davonsprang. Wir begnügten uns also damit, einen Teil der Farbe von den üppigen Körpern der braunen Schönen auf unsere Kleider übertragen zu haben, bestiegen unsere Maultiere, legten die Büchsen vor uns auf den Sattel, und hinauf ging es dann nach der Kiesebene, so schnell uns unsere Tiere nur tragen wollten.


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