Balduin Möllhausen
Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas – Band 1
Balduin Möllhausen

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Zwölftes Kapitel

Fortsetzung der Reise der »Explorer« – Schlucht vor dem Bill Williams Fork – Mündung des Bill Williams Fork – Entenjagd – Sandsturm – Unbequemes Lager – Fischfang im Bill Williams Fork – Der Mohave-Bote – Die Sägefelsen – Das Chimehwhuebe-Tal – Die Sandbänke – Langsame Reise – Formation der hohen Kiesebene – Maruatschas Neigung zur Umkehr – Chimehwhuebe-Indianer – Ruhetag auf einer Sandbank – Die Indianer als Naturaliensammler – Die verlassene indianische Hütte – Nördliches Ende des Chimehwhuebe-Tals – Die Nadelfelsen – Einfahrt in die Schlucht – Die Stromschnelle – Übergang der »Explorer« über diese

Zur gewöhnlichen Stunde rief am 1. Februar die Dampfpfeife zum Aufbruch. Wir verließen die anmutige Insel und befanden uns bald wieder zwischen den hohen Ufern, die durch die Kiesebene gebildet wurden und nur ganz spärliche Vegetation am Rand des Wassers duldeten. Ein Felsvorsprung gleich hinter der Insel auf dem linken Ufer, der sich bis zu einer Höhe von ungefähr dreißig Fuß erhob und tief in den Strom hineinreichte, verdient besondere Erwähnung. Der Fluß bildet hier einen Winkel, infolgedessen wir diesem Punkt den Namen Corner Rock (Eckfelsen) beilegten. Der Felsen selbst steht mit der Kiesebene in Verbindung oder scheint vielmehr eine Verlängerung dieser zu sein. Deutlich erkennbar waren, als wir dicht vorbeifuhren, zwei Lagen von Konglomerat, auf welchen Kiesschichten ruhten. Die Decke bestand aus einer starken Lage Basalt, und dieselbe hatte ebenso wie die unteren Schichten eine geringe Senkung von Westen nach Osten. Eine kurze Strecke hinter dem Corner Rock drängten sich die hohen Felsmassen zu beiden Seiten mehr dem Fluß zu, bis sie einen Cañon bildeten, aus dem uns der Colorado entgegenströmte. Wir befanden uns bald in dem Felsentor, dessen Wände anfangs zwar weniger bedeutend waren, aber an Höhe und Ausdehnung in dem Grad zunahmen, als wir uns stromaufwärts bewegten. Die prachtvollsten Formationen umgaben uns endlich von allen Seiten; das Fahrwasser – obgleich reißend und wegen der verborgenen Klippen gefahrvoll – war gut, und nur zu schnell, um den Anblick einer erhabenen Szenerie vollständig genießen zu können. Wir traten, den kurzen Windungen des Stroms folgend, von einem Becken in das andere ein. Zu mächtigen Wällen und Mauern türmten sich die buntfarbigen vulkanischen Massen hoch übereinander oder bildeten mit ihren zusammengeschobenen Basen spitze Winkel, in denen das schnell strömende Wasser sich schäumend brach, während an anderen Stellen die Räume zwischen dem Gestein mit Sand ausgefüllt waren, die in den meisten Fällen siechende Weiden und Cottonwood-Bäume spärlich schmückten.

Wir landeten an einer solchen Stelle, um etwas Holz an Bord zu schaffen, und fanden dort Gelegenheit, die Felsen näher in Augenschein zu nehmen, die eine so große Verschiedenheit der Farbe trugen. Wir entdeckten Kupfer, Eisen, Granit und Quarz; die Basen der Berge dagegen zeigten vielfach roten Sandstein und Konglomerat, auf denen die verworrenen Massen basaltartiger Lava hoch übereinanderlagen.

Nachdem wir den Holzplatz verlassen hatten, steuerte Kapitän Robinson die »Explorer« vorsichtig zwischen den zahlreichen Klippen und durch die wilden Strudel dahin. Bis zu fünfhundert Fuß hoch ragten einzelne senkrechte und zum Teil überhängende Felswände aus dem Wasser empor, und da, wo diese weiter zurücktraten, erblickten wir die wunderlichsten Gebilde, die um so mehr überraschten, als sie aus festem, vulkanischem Gestein bestanden, das, unempfindlich gegen äußere Einflüsse, die unveränderten Formen seiner ersten Entstehung beibehalten hatte. Hier krönte ein Schloß mit regelmäßiger Architektur und terrassenförmig übereinanderliegenden Wällen und Mauern den Gipfel eines verwitternden Berges, dort ragte ein einsamer Wartturm oder eine freistehende, rechtwinkelige Mauer hoch empor, und wenn auch nicht gänzlich zusammenhängend, so waren diese Naturbauwerke doch durch lange Mauern miteinander verbunden, die wiederum Pfeiler und Türmchen reich schmückten. Die verschiedenen Lagen des Basalts und der Lava, die mit einer geringen Senkung gegen Osten bald säulenähnlich, bald schichtweise aufeinander folgten, vermochte man weithin an den parallelen Linien zu erkennen, die an den schroffen Seitenwänden deutlich hervortraten, und eben dadurch erhielten die merkwürdigen Gebilde noch mehr das Aussehen künstlicher Bauwerke. Es lag etwas Wild-Romantisches in unserer ganzen Umgebung, doch fehlte auch nicht der beängstigende öde Charakter, den starre, vegetationslose Gebirgsmassen stets zur Schau tragen; denn die Kakteen, die wie mächtige Kandelaber oder einsame Schildwachen an den Abhängen und auf den Wällen zerstreut umherstanden, hoben eher das Leblose der ganzen Szenerie, als daß sie einige Veränderung in dieselbe hineingebracht hätten.

Mit voller Dampfkraft arbeiteten die Maschinen, als sie die »Explorer« gegen die starke Strömung schoben; schwarze Rauchwolken entstiegen dem eisernen Schlot, weißer Schaum bildete sich vor dem scharfen Bug des Fahrzeugs, und das regelmäßige Ächzen und Stöhnen der entfesselten Dämpfe weckte laut hundertfaches Echo in den dunklen, unheimlichen Klüften. Die Felsen schoben sich gleichsam in drohender Weise aneinander vorbei und neigten sich über uns hin; scheinbar bebten mächtige Blöcke und Kuppen, wir aber saßen in stiller Bewunderung auf unserer Plattform und ließen, geleitet von den verschiedenen Ausrufen des Erstaunens, unsere Blicke bald auf dem rechten, bald auf dem linken Ufer haften.

Eine Indianerfamilie begegnete uns mitten in der Schlucht; sie kauerte auf einem aus Binsen zusammengefügten Floß und ließ sich gemächlich stromabwärts treiben. Mit dem Ausdruck furchtsamer Besorgnis schauten die armen Leute auf unser »feuerspeiendes Kanu«; auch wir blickten zu ihnen hinüber und gedachten des eigentümlichen Kontrastes, den der Zufall hier zusammengeführt hatte: auf der einen Seite die Schiffahrt in ihrer allerersten Kindheit und Menschen wie Fahrzeug dem Willen des Elements untertan; auf der anderen Seite die Schiffahrt auf dem höchsten Punkt der Vollkommenheit und die Elemente gehorsame Werkzeuge in der Hand des Sterblichen, um das eine mit dem anderen erfolgreich zu bekämpfen; um beide Teile aber eine großartige, erhabene Natur, die anscheinend leblos ist, doch sich nur leise zu regen braucht, um den Menschen im Urzustand und den eitlen Jünger der Zivilisation mit all seinen Werken und den Erzeugnissen seines Geistes spurlos verschwinden zu lassen.

Vorbei schnaubte der Dampfer an dem gebrechlichen Binsenfloß, das sich willenlos auf den schäumenden Wellen hob und senkte; der nächste Vorsprung entzog es unseren Blicken, und wir befanden uns wieder allein in dem mächtigen Felsenkessel. Nur hoch oben, zwischen den Gipfeln der Berge, schwebte majestätisch ein weißköpfiger Adler; zwei Krähen versuchten es mit lautem Gekrächz, den König der Lüfte anzugreifen, der unbekümmert und gleichgültig gegen seine gehässigen Verfolger nach wie vor seine weiten Kreise beschrieb.

Etwa sechs Meilen reisten wir in dem Cañon, als die Gebirge auf dem linken Ufer, ein Tal bildend, weiter zurücktraten und wir uns der Mündung des Bill Williams Fork näherten. Der niedrige Wasserstand des Colorado, dessen Spiegel bedeutend unter dem seines Nebenflüßchens lag, war Ursache, daß letzteres nur in einem schmalen Strahl hinabstürzte. Da nun bei meiner früheren Anwesenheit an jener Stelle der Bill Williams Fork als ein fünfundzwanzig Fuß breiter Fluß in den Colorado strömte, so vermochten weder Lieutenant Ives, der ebenfalls an der Forschungsexpedition des Captain Whipple teilgenommen hatte, noch ich, diesen Punkt wiederzuerkennen, und nur hervorragende Gebirgsformen, die ich damals behutsam abzeichnete, überzeugten uns endlich vollständig, daß wir auf dem Colorado bis dahin gelangt waren, wo wir diesen vier Jahre früher zum erstenmal erblickt hatten.

Wir landeten eine kurze Strecke oberhalb der Mündung des kleinen Flusses auf dem linken Ufer, ungefähr an demselben Punkt, den Captain Whipple astronomisch bestimmte, also unter 34° 23' 10'' 10''' nördlicher Breite und 114° 06' 24'' 90''' westlicher Länge von Greenwich. Nach einer früheren Berechnung des Captain Whipple liegt Fort Yuma, oder vielmehr der Vereinigungspunkt des Gila und des Colorado, unter 32° 43' 32'' 3''' n. Br. und 114° 32' 51'' 61''' w. L. Wir befanden uns also nach einer zwanzigtägigen Reise und nach Zurücklegung von wenigstens 170 Meilen nur 26' 27'' östlich von der Länge von Fort Yuma und noch nicht ganz zwei Grad nördlich von dem obengenannten Punkte.

Der Abend war noch ziemlich weit entfernt, als die Lagerordnung hergestellt war; ich rüstete mich daher zu einem kleinen Jagdausflug den Bill Williams Fork hinauf, der bei mir wegen des zahlreichen Vogelwildes, das ich einst dort erbeutete, in besonders frischem Andenken stand. Als ich über den festen und lettigen Boden dahinschritt, entdeckte ich die Spuren von Wagenrädern und die deutlichen Abdrücke von Maultier- und Schafhufen; sie waren bereits vier Jahre alt, doch schien es, merkwürdig genug, als ob erst ebenso viele Wochen seit ihrem Entstehen vergangen wären – ein Zeichen, wie wenig die übrige Oberfläche des Bodens im Tale des Colorado, die nicht vom Fluß selbst berührt wird, einer Veränderung unterworfen ist. Die Zeichen, die mich so lebhaft an längst vergangene Tage erinnerten, waren besonders gut erhalten an solchen Stellen, wo dicht wucherndes Gestrüpp, vorzugsweise Talgholz, dieselben vor dem Flugsand geschützt hatte.

Ich erreichte bald das Flüßchen; wie damals scheuchte ich bei meiner Annäherung eine Herde Enten auf, und wie damals schoß ich einige derselben herunter. Ich blickte um mich; blätterlose Bäume und Sträucher hatten dieselben Formen und Farben wie vor Jahren; unverändert standen im Hintergrund die imposanten Felsmassen, deren zackige Linien ich einst mit soviel Genauigkeit auf dem Papier wiederzugeben trachtete; je länger ich auf diese hinblickte, desto bekannter erschienen mir ihre Formen; war es mir doch, als ob ich meiner ganzen Umgebung ebenfalls nicht fremd geworden sei, denn wie grüßend schauten die blauen Berge, die kühn aufstrebenden Felsgipfel und die einsamen Pitahajas zu mir herüber, gleichsam erfreut, einen alten Bekannten aus fernen Landen wiederzusehen. Auch ich freute mich; freilich war es bis auf einen ganz schmalen Strich nur eine Wüste, die mich umgab, aber eine Wüste, in der ich einst hungernd und nur noch mit Lumpen bekleidet stand, von der ich mit dem Gedanken, sie nie wiederzusehen, schied und in die ich mich plötzlich wie durch Zauberschlag versetzt fand. Kaum ein Tag schien mir seit jener Zeit verflossen zu sein, in Gedanken aber stürmten die Ereignisse von Jahren an mir vorüber und erinnerten mich an die Wirklichkeit; ich gedachte meiner schönen Heimat und alles dessen, was ich in derselben zurückgelassen, und – ergriff schnell mein Gewehr, um weiter zu jagen.

Ich folgte dem Flüßchen aufwärts, bis die Dämmerung mich an die Rückkehr ins Lager mahnte. Ich hatte eine gute Jagd gemacht, denn große und kleine Enten beschwerten meinen breiten Ledergürtel, und doppelt willkommen wurde ich daher von meinen fröhlichen Kameraden geheißen, als ich aus der Dunkelheit plötzlich ans flackernde Lagerfeuer trat.

Der mit düsteren Wolken verschleierte Himmel klärte sich zur nächtlichen Stunde allmählich wieder auf, zugleich erhob sich aber auch ein Wind, der mit verstärkter Gewalt an unseren Zelten rüttelte und gegen Morgen in einen förmlichen Sturm ausartete. Trotz des Wunsches von Kapitän Robinson, an jener Stelle günstigeres Wetter oder vielmehr einen glatten Wasserspiegel abzuwarten, bestand Lieutenant Ives auf der Weiterreise. Wir verließen daher am 2. Februar zur gewöhnlichen Stunde das Ufer und gelangten bald in die Mitte des Stroms, wo die »Explorer« so sehr durch Bänke von Geröll, die nur wenige Zoll unter der Oberfläche des Wassers lagen, eingeengt wurde, daß sie zuletzt kaum noch vorwärts oder rückwärts gebracht werden konnte. Wir waren froh, das rechte Ufer ohne Unfall zu erreichen, wo am Fuß schroffer vulkanischer Felsen nun eine kleine, mit Dornen dicht bewachsene Fläche zu unserem Aufenthalt diente. Der Sturm brauste unterdessen mit ununterbrochener Gewalt fort, wild kreiste der Sand in den Winkeln der Felsen, und selbst mit der größten Mühe gelang es uns nicht, eine geschützte Stelle zu schaffen, auf der wir uns hätten unterhalten können, ohne knirschenden Sand zwischen unseren Zähnen zu fühlen. Stundenlang lagen wir zwischen den Felsen und sonnten uns; sich auf vorteilhafte Weise zu beschäftigen war nicht möglich, und so schlich denn die Zeit träge und langsam dahin.

Da der Sturm gegen Mittag etwas in seiner Heftigkeit nachgelassen hatte, an einen Aufbruch mit dem Dampfboot aber noch nicht gedacht werden konnte, so entschloß ich mich, zurück zum Bill Williams Fork zu gehen, um dort nach Exemplaren für meine Sammlung zu fischen. Ich fand leicht einige Leute, die sich bereit zeigten, mich in dem Ruderboot über den Fluß zu setzen und dann in meiner Arbeit zu unterstützen. Auch Dr. Newberry beteiligte sich an der kleinen Expedition, und so erreichten wir denn nach einer kurzen Zeit sehr angestrengter Arbeit wieder das linke Ufer des Stroms, ungefähr eine halbe Meile oberhalb des erwähnten Flüßchens. Ich hatte mich mit engmaschigen Netzen versehen, und diese an Stellen gebrauchend, wo das klare Wasser die Ufer unterwühlte, gelang es mir leicht, eine hinreichende Anzahl von kleinen Fischen zu erbeuten.

Als wir zu dem Ruderboot zurückkehrten, trafen wir dort mit einigen Mohave-Indianern zusammen, die uns kleine Säckchen mit Bohnen und Mais zum Verkauf anboten. Da wir keine Tauschartikel bei uns führten, das Boot aber des aufgeregten Wassers und des noch immer sehr starken Windes wegen nicht zu sehr beschwert werden durfte, so wiesen wir sie zurück. Die Indianer nun, die Gründe wohl einsehend, die uns zu solchem Benehmen veranlaßten, legten ihre Waren in den Hinterteil des Fahrzeugs und schwammen dann durch den Fluß. Sie waren schon längst auf dem jenseitigen Ufer angekommen, als wir noch gegen die heftige Strömung kämpften, und auf dieselbe Weise kehrten sie zurück, nachdem sie ihre Lebensmittel für einige Schnüre Perlen hergegeben hatten. Unser Lager war sehr unbequem, denn kaum vermochten wir bei den starken Windstößen unsere Zelte auf dem losen Sand stehend zu erhalten. Das Wetter beruhigte sich indessen während der Nacht, und als wir in der Frühe des 3. Februar unsere Reise fortsetzten, erblickten wir den breiten Strom wieder mit einem glatten Spiegel vor uns. Obgleich die Gebirge, besonders auf dem linken Ufer, weit vom Fluß zurücktraten, so zogen sich doch nur schmale Streifen fruchtbaren, angeschwemmten Bodens zu beiden Seiten hin, während die gewöhnlichen Kiesebenen den übrigen Teil des umfangreichen Tals bildeten. Diese Fläche, die nach allen Richtungen hin vielleicht zehn Meilen im Durchmesser haben mochte, schien nur spärlich bewohnt zu sein oder vielmehr nur zeitweise den Eingeborenen zum Aufenthalt zu dienen; ich erblickte nämlich mehrere indianische Hütten, die aber von ihren Bewohnern verlassen waren. Die Formation der zackigen Gebirge, die uns von allen Seiten umgaben, war teilweise granitisch, doch erkannten wir an den Ausläufern derselben, die zuweilen bis in die Nähe des Flusses reichten, auch lavaartigen Basalt, Porphyr und Gneis. Im Norden war das oben beschriebene Tal von einer Felsenkette begrenzt, deren gekerbte Außenlinien eine entfernte Ähnlichkeit mit der Schneide einer Säge trugen, und es befand sich auf der anderen Seite derselben das fruchtbare und verhältnismäßig reichbevölkerte Tal der Chimehwhuebes.

Vielfache Hindernisse hemmten an diesem Tag die »Explorer« in ihrem Lauf, denn bald waren es Sandbänke, bald die gefährlichen Anhäufungen von scharfem Geröll im Bett des Stroms, über die das Fahrzeug hinübergewunden werden mußte, und so schlugen wir denn am Abend, nur 2½ Meilen oberhalb unserer letzten Lagerstelle, die Zelte auf dem linken Ufer auf, wo zwei halb verdorrte Cottonwood-Bäume uns einen geringen Vorrat von Holz für die Nacht versprachen. Außerdem befanden sich noch am Rand des Wassers junge Schößlinge von Weiden, während die festgetrocknete schlammige Ebene, die hier kaum eine halbe Meile breit war, reich mit Talgholzbüschen und einzelnen verkrüppelten Mesquitebäumen bedeckt war. Nicht ohne Mühe gelang es mir, durch das dichte Gestrüpp hindurch den Fuß der Kiesebene zu erreichen, und ich wurde dort überrascht durch die schmalen, schachtähnlichen Gänge, die allmählich durch niederströmende Regen in dieser Ebene ausgewaschen waren. Mehrere hundert Schritte vermochte ich denselben nachzufolgen, bis sich diese zuletzt so sehr verengten, daß ich zur Umkehr gezwungen wurde.

Außer kleinen Vögeln, die sich in der Nähe von Mesquitebäumen aufhielten, entdeckte ich kein lebendes Wesen auf meinem Spaziergang. Freilich war der Boden vielfach von kleinen Nagetieren durchwühlt und untergraben, doch mangelte mir die Zeit, ihnen nachzustellen. Später fand ich Gelegenheit, diese zu einem Handelsartikel bei den Indianern zu machen und erhielt infolgedessen für eine Anzahl von Perlenschnüren eine überaus reichhaltige Sammlung sowohl von Nagetieren als von Eidechsen.

Als ich ins Lager zurückkehrte, erfuhr ich sogleich, daß unser Mohave-Bote von Fort Yuma mit Postsachen zurückgekehrt sei, und meine Freude war unbeschreiblich, als Dr. Newberry, der ebenfalls mit Nachrichten aus seiner Heimat beglückt worden, mir einen Brief überreichte. Ich verschlang gleichsam den Inhalt desselben und war so glücklich über diese unverhoffte Freude, daß ich gar nicht wußte, wie ich dem Indianer meine Dankbarkeit beweisen sollte, und ihm ein Drittel meiner Wäsche, die nebenbei gesagt überhaupt nur noch aus drei Stücken bestand, mit einem tüchtigen Händedruck reichte. Dies war übrigens der letzte Brief, den ich während der Expedition erhielt, die nächsten Nachrichten von den Meinigen gingen mir erst wieder in den letzten Tagen des August in New York zu. Der Indianer, der sich als ein so gewissenhafter Bote ausgewiesen hatte, wurde von allen Seiten reich beschenkt und geriet durch die Freigebigkeit des Lieutenant Ives in den Besitz eines solchen Reichtums von Glasperlen und buntfarbigem Zeug, wie er sich gewiß nie hatte träumen lassen; auch die beiden Eingeborenen, die ihn bis zu uns begleitet hatten, gingen nicht leer aus; und augenscheinlich sehr zufrieden, schied die kleine Gesellschaft am folgenden Morgen von uns.

So weich und angenehm wir auch auf dem sandigen Ufer schliefen, so unangenehm war aber auch wieder die Gesellschaft, mit der wir während der Nacht unsere Betten geteilt hatten. Als wir nämlich am Morgen unsere Decken zusammenrollten, erblickten wir mehrfach große, hellgrüne Skorpione, die, aus den wärmenden Falten kommend, sich unangenehm von der kalten Morgenluft berührt fühlten und drohend ihre bewaffneten Schwänze emporreckten. Unser Koch ergriff eines dieser widerwärtigen Tiere, und es auf einer freien Stelle beim Feuer niederlegend, umgab er es mit einem Ring glühender Kohlen, die er immer dichter zusammenschob. Hier nun wurde ich Zeuge, daß das so furchtbar gequälte Geschöpf sich den eigenen Giftstachel mehrmals tief in den Leib bohrte. Die Zeit mangelte uns, die Folgen dieser Selbstvergiftung abzuwarten; ich begnügte mich daher mit dem einmaligen grausamen Schauspiel und machte nie wieder einen ähnlichen Versuch, obgleich der Mensch mir versicherte, daß diese Tiere, auf solche Weise geängstigt, jedesmal ihre Waffe gegen sich selbst anwendeten.

Der 4. Februar war hinsichtlich der Reise im Vergleich mit den früheren Tagen ein glücklicher zu nennen, denn wir legten vierzehn Meilen zurück und gelangten gegen Abend bis in die Nähe der obenerwähnten sägeförmigen Felsenkette. Der Charakter der Gegend, durch die wir hingezogen waren, zeigte keine wesentlichen Veränderungen, und wie am vorhergehenden Tag erblickten wir hauptsächlich Eruptivformationen, die teilweise auf Straten von rotem Sandstein und metamorphosiertem Konglomerat ruhten. An einer Stelle auf dem rechten Ufer, wo wir anhielten, um Holz einzunehmen, erstieg ich die nächsten lavaartigen Hügel; diese waren fast unzugänglich wegen ihrer scharfen Kruste, deren messerähnliche Auswüchse beim Gehen darauf große Stücke aus den festen Sohlen der Stiefel rissen. Das Gestein war nach allen Richtungen hin geborsten und gesprungen, und es schienen Tausende von Nagetieren in diesen Höhlen einen sicheren Zufluchtsort zu finden. Große Haufen von dürren Reisern, die mühsam an den unwegsamen Abhängen hinaufgeschleppt worden waren, bezeichneten jedesmal den Wohnsitz der kleinen Vierfüßler.

Von einem der hohen Standpunkte aus gewann ich auch den ersten Blick in das Chimehwhuebe-Tal und auf die dasselbe gegen Norden abschließenden merkwürdigen Felsen, welchen Capt. Whipple den bezeichnenden Namen Needle Rocks (Nadelfelsen) beigelegt hat. Unter den verworrenen Gebirgsmassen, die sich in geringer Entfernung vom Fluß auf dem rechten Ufer hinzogen, war ein mächtiger, fast abgesonderter Felsen besonders ins Auge fallend, sowohl wegen seiner Höhe (ungefähr 1200 Fuß), als auch seiner schönen, kühnen Außenlinien wegen; diesen benannte Lieutenant Ives zur Erinnerung an Capitain Whipple, unseren früheren gemeinsamen Kommandeur, Mount Whipple. Ein anderer Felsen, der weiter oberhalb als Insel bootförmig aus dem Strom hervorragte, wurde Boat Rock genannt, doch glaube ich kaum, daß die Sägefelsen, in deren Nähe wir auf dem rechten Ufer die Nacht zubrachten, getauft worden sind.

Durch die glückliche Reise des vorhergehenden Tages glaubten wir uns schon zu den kühnsten Hoffnungen berechtigt, und dies um so mehr, als der erste Teil der Reise uns noch zwischen zusammengedrängten Felszügen hinführen mußte, wo wir gewohnt waren, verhältnismäßig gutes Fahrwasser zu finden. Noch sahen wir aber die weißen Rauchwölkchen, die unseren niedergebrannten Lagerfeuern entstiegen, da rief plötzlich der Mann, der die Meßstange führte: »Zweieinhalb Fuß!«, und gleich darauf nagten scharfe Steine an den eisernen Planken des Schiffes. Der Kapitän kratzte sich hinter den Ohren, murmelte einen derben Seemannsfluch, und es folgten dann die gewöhnlichen Arbeiten, um das Boot wieder flottzumachen, was den größten Teil des Tages in Anspruch nahm. Erst in den Nachmittagsstunden begann die Last den vereinten Kräften nachzugeben, und Zoll für Zoll bewegten wir uns auf den krachenden Kieseln vorwärts. Was wir während dieser Zeit auf unserer kleinen Plattform empfanden, läßt sich kaum beschreiben; Langeweile war es nicht, denn gegen diese hätten wir uns durch jede Unterhaltung schützen können. Aber der Gedanke, an einer Stelle wie festgebannt zu liegen, die Ungeduld endlich, wieder loszukommen, und das Beobachten der fruchtlosen Arbeit – das war es, was uns den Aufenthalt an Bord fast unerträglich machte und den Wunsch erregte, landen zu können. Doch wir mußten ausharren.

Kaum drei Meilen reisten wir an diesem Tag, und diese Strecke brachte uns aus den Felsenschluchten an den Rand des umfangreichen Chimehwhuebe-Tals. Daß wir uns einer mehr bevölkerten Gegend näherten, war uns schon durch die Indianer kund geworden, die sich in Gruppen auf den Felsvorsprüngen versammelt hatten, von denen sie neugierig auf uns und unser Treiben niederschauten und zuweilen auch in ihrer gellenden Weise Gespräche mit unseren Dolmetschern führten. Der erste Anblick des Chimehwhuebe-Tals war der einer mit Weiden reich bewachsenen Niederung; weit gegen Norden tauchten die phantastisch geformten Gipfel der Nadelfelsen empor, welche die nördliche Grenze des Tals bezeichneten, während die blauen Gebirgszüge im Westen und im Osten weiter zurücktraten und scheinbar gegen Norden ganz verschwanden. Die Kiesebenen, die auf diese Weise bedeutend an Umfang zunahmen, blieben auch in ihrer Verlängerung gleichmäßig ansteigend, bis sie sich endlich am Fuß der Berge über dreihundert Fuß hoch erhoben. So weit entfernt diese letzteren Punkte auch von uns waren, so vermochten wir doch an den weißen horizontalen Streifen, die sich in gewisser Entfernung über die schiefen Flächen erstrecken, deutlich zu erkennen, daß Konglomerate, Sandstein und Kies in den verschiedenen Schichten abwechselnd übereinanderlagen und die sich dem Fluß zu senkenden Flächen durch den Einfluß niederströmender Wasser entstanden waren.

Wir übernachteten auf dem rechten Ufer und begannen mit dem Winden, als wir am 6. Februar unsere Reise fortsetzten. Zahlreiche Eingeborene jeglichen Alters und Geschlechts beobachteten uns vom Ufer aus; es waren Chimehwhuebes und die Bewohner des Tals. Ihre Ansiedlungen und Dörfer mußten aber in einiger Entfernung vom Fluß liegen, denn soweit wir von Bord der »Explorer« aus die Gegend zu übersehen vermochten, erstreckten sich die dichten, aber noch jungen Weidenwaldungen ins Tal hinein und schienen die Flächen, auf denen diese, ähnlich geringelten Anpflanzungen, wucherten, keineswegs Kürbis und Melonen erzeugender Boden, sondern nur ältere, vom Strom zurückgelassene Sandanhäufungen zu sein. Ich erinnere mich übrigens, auf meiner früheren Reise von den Höhen aus zahlreiche Hütten und kultivierte Felder, vorzugsweise auf dem rechten Ufer, wahrgenommen zu haben.

Nicht wenig wurden wir an diesem Tag überrascht, als Maruatscha uns durch Mariando davon in Kenntnis setzen ließ, daß er beabsichtige, heimzukehren. Unter anderem gab er auch als Vorwand an, daß er Nachrichten vom schlechten Befinden seiner Frau erhalten habe und dringend zu ihr eilen müsse. Mariandos ungläubiges Lächeln, als er dies verdolmetschte, bestärkte uns in dem Glauben, daß Maruatscha die bei Indianern gewiß ungewöhnliche liebende Sorgfalt für eine seiner Gattinnen nur erheuchle, um von uns loszukommen oder den Preis für seine Dienste, die jetzt erst anfingen, in Anspruch genommen zu werden, etwas höherzuschrauben. Ohne die zärtlichen Gefühle Maruatschas weiter zu berücksichtigen, wurde er daher zurückgehalten, um so mehr, als mit seiner Entfernung auch das Mittel, uns mit den Mohaves zu verständigen, verlorengegangen wäre. Er tröstete sich übrigens leicht über die Zurückhaltung, denn nie sah ich einen lebhafteren und glücklicheren Indianer wie unseren Dolmetscher, als wir einige Tage später mit den Mohaves und besonders mit deren jungen Mädchen zusammentrafen.

Drei Meilen legten wir noch gegen Abend zurück, nachdem wir uns den ganzen Tag über fast auf derselben Stelle befunden hatten. Wir landeten auf dem rechten Ufer und wählten zu unserer Lagerstelle, um gegen etwaige Überfälle der Indianer, deren Stimmung wir nicht kannten, gesichert zu sein, eine offene, hohe Sandbank, die aber in Verbindung mit dem weidenbewachsenen Ufer stand. Ein Trupp Chimehwhuebes empfing uns, als wir das Dampfboot verließen, und sie gaben unverhohlen ihre freundliche Gesinnung zu erkennen, indem sie uns beim Herbeischaffen von trockenem Treibholz hilfreiche Hand leisteten. Die harmlose Art, mit der diese Eingeborenen mit uns im Lager verkehrten und sich um unsere Feuer reihten, veranlaßte uns zu dem Wunsch, auch auf sie einen guten Eindruck zu machen. Wir holten daher unsere Instrumente und begannen ein Konzert, so gut wir es imstande waren, und ergötzten uns nicht wenig über das Schauspiel, das uns die Indianer in ihrer Verwunderung boten. Beim ersten Ton, den sie vernahmen, legten sie voll Erstaunen die Hände auf den Mund und stießen langgedehnte Töne aus, als sie sich aber einigermaßen an die Musik gewöhnt hatten und dann auch den Gesang kennenlernten, äußerten sie ihr Wohlgefallen auf verschiedene Weise. Einzelne schlugen Takt mit kleinen Stäbchen, andere nickten mit dem Haupt, und wieder andere versuchten leise mitzusummen. Wir baten sie vielfach, auch ihre Stimmen erschallen zu lassen, doch war unsere Mühe vergeblich, wir erhielten nur verneinende Zeichen, als ob sie nicht zu singen verständen; zugleich forderten sie uns auf, mit unserer Musik nicht innezuhalten, die ihnen so schön in die Ohren klinge. Ich glaube, wir hätten während der ganzen Nacht in den Eingeborenen aufmerksame Zuhörer gefunden, wenn wir es nicht vorgezogen hätten, gegen elf Uhr die Instrumente beiseite zu legen und erquickenden Schlaf in unseren Betten zu suchen. Wo die Eingeborenen übernachteten, als sie der allgemeinen Sicherheit wegen aus dem Lager gewiesen wurden, weiß ich nicht. Ihre Wohnungen waren zu weit entfernt, wie sie uns selbst zu verstehen gaben, um dahin zurückzukehren; doch erschienen sie am folgenden Morgen in aller Frühe wieder bei uns. Der 7. Februar war ein Sonntag und wurde daher zum Ruhetag bestimmt. Uns allen war ein solcher gewiß sehr willkommen, denn die vielen Stürme, denen wir in letzter Zeit ausgesetzt gewesen waren, hatten unsere Feldbetten und sonstigen Gegenstände so voll Sand geweht, daß wir uns von Herzen danach sehnten, endlich einmal eine Hauptreinigung halten zu können. Der Morgen war mild und klar, und wie emsige Bienen bewegte sich unser ganzes Personal auf der Sandbank durcheinander. Jeder schien mit ernsten und wichtigen Dingen beschäftigt, denen er seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmete. Da wurden Decken geschüttelt, geklopft und demnächst gesonnt; da wurde genäht, gestickt und gestopft; da wurde gewaschen und getrocknet, Gewehre sowie Revolver abgeschossen, geputzt und frisch geladen, Äxte, Beile und Messer wurden geschliffen, die Haare geschnitten, alte Briefe und Zeitungen gelesen, frische Tabakvorräte aus den verschlossenen Koffern hervorgeholt, Angeln in den Fluß gelegt und tausend andere kleine Arbeiten vorgenommen, deren Ausführung man sich eigens für den Ruhetag aufgespart hatte.

Doch auch die Indianer vernachlässigten wir nicht, denn außer daß Lieutenant Ives Mais, Bohnen und Weizenmehl, soviel sie nur immer bringen mochten, von ihnen erstand, suchte auch jeder von uns noch auf eigene Faust Delikatessen für seinen Tisch einzuhandeln, zu welchem Zweck Lieutenant Ives ebenfalls die von der Regierung gelieferten Tauschartikel zur Verfügung stellte. Vor allen Dingen kauften wir Fische, dann aber auch Hasen, welche die Eingeborenen in Fallen fingen, sowie getrocknete und frische Kürbisse. Hier belehrte ich die Indianer zum erstenmal, daß ich auch Perlen für Ratten, Mäuse, Eidechsen und Schlangen zahlen würde. Da nun die dortigen Eingeborenen dergleichen Tiere für besonders schmackhaft halten, so begriffen sie meine Unterweisungen sehr leicht und äußerten nur ihre Verwunderung, als ich nach dem Empfang einiger Mäuse diese nicht sogleich beim Feuer zubereitete und verzehrte, sondern in eine mit Alkohol gefüllte Zinnflasche warf.Die Nagetiere und Eidechsen wurden mir zuzeiten von den Eingeborenen in so großer Anzahl gebracht, daß mir nur soviel Zeit blieb, dieselben in Alkohol zu verpacken. Ich bin daher außerstande, alle verschiedenen Spezies, die ich auf diese Weise erhielt, namhaft zu machen, denn verpackt, wie sie waren, gingen sie nach Washington und dort in die Hände von Professor Baird zur Bearbeitung über.

Sehr erfreut war die ganze indianische Gesellschaft, die wegen der weiten Entfernung ihrer Wohnungen nur aus Männern und jungen Burschen bestand, als ihr junger Häuptling mit einer Decke und einigen grellfarbigen Schmucksachen beschenkt wurde, während alle übrigen dergleichen Gegenstände nur als Bezahlung für abgelieferte Waren erhielten. Sie sahen in solchem Benehmen gleichsam eine Anerkennung ihrer nationalen Einrichtungen und fühlten sich dadurch nicht wenig geschmeichelt. Was nun die äußere Erscheinung der Chimehwhuebe-Indianer betrifft, erblickte ich unter ihnen durchgehend schöne, wohlgebildete Gestalten, die indessen an Stärke und Größe denen des Mohave-Stammes bedeutend nachstanden. Ebenso wie diese neigten auch sie zu einer harmlosen, fröhlichen Sorglosigkeit, die, wenn sie mit Überlegung von den Förderern der Zivilisation ausgebeutet wird, wohl segenbringend für diese armen Kinder der Wüste werden könnte.

Der Wind, der gegen Mittag wieder aufsprang und ausgelassen mit dem beweglichen Sand spielte, verdarb uns die zweite Hälfte des Rasttags, und nur gegen Abend, als Ruhe sich auf die weite Landschaft senkte und die untergehende Sonne die scharfen Gipfel der Nadelfelsen mit einem purpurnen Duft übergoß, konnten wir uns wieder ungestört einem Genuß hingeben, den der Aufenthalt in der freien, wenn auch einer stiefmütterlich behandelten Naturumgebung so gern gestattet. Am jenseitigen Ufer auf den Sandbänken saßen Herden weißgefiederter Pelikane und schritten Kraniche mit stolzer Haltung umher, ihr durchdringender Ruf schallte zu uns herüber – sie freuten sich ihres Daseins; auch wir waren froh und gaben unsere fröhliche Stimmung durch manches bekannte Lied und durch manche heimatliche Melodie auf unseren Instrumenten kund.

Der Morgen des 8. Februar war kalt und windig, und ungeduldig lagen wir auf dem kleinen Verdeck umher, als das Dampfboot sich oft stundenlang vergeblich bemühte, über die rasch aufeinanderfolgenden Untiefen zu gelangen. Anhäufungen von Treibholz ragten nach allen Richtungen hin aus dem seichten Wasser hervor, und da uns jede andere Beschäftigung mangelte, so versuchten Dr. Newberry und ich, unter den verwitternden Stämmen und Ästen der Snags die verschiedenen Holzarten zu erkennen, und es war von Interesse für uns, starke Fichten- und Zedernstämme zu entdecken, die nur aus den Regionen der in solchem Schmuck prangenden San Francisco Mountains in Neu-Mexiko ihren Weg bis hierher gefunden haben konnten.

Als wir landeten, um Holz einzunehmen, erblickte ich eine indianische Hütte, die erst neu errichtet und in letzterer Zeit bewohnt, aber nun verlassen zu sein schien. Sie bestand aus neun starken abgeschälten Baumstämmen, die in Form eines Vierecks in den Boden gesenkt waren, über den sie fünf Fuß hoch emporragten. Oben wurden die Stämme durch starke Balken zusammengehalten, und auf diesem Gestell ruhte ein einfaches, aus Zweigen und Ästen sehr fest zusammengefügtes Dach. Es fiel mir auf, daß dieses rohe Gebäude mit soviel Mühe aufgeführt war, denn an den Enden der Balken konnte ich wahrnehmen, wieviel Arbeit das Fällen eines einzigen Baums den Indianern mit ihren unvollkommenen Werkzeugen gekostet haben mußte, und doch würden schwache Stangen die schweren Balken vollkommen ersetzt haben. Die Wohnung war aber ersichtlich auf eine lange Reihe von Jahren berechnet.

Maruatscha, der beim Holzeinladen mithalf, fand die Balken der Hütte sehr gelegen und begann schon seine zerstörende Hand an diese zu legen, als ich ihn von seinem Vorhaben zurückhielt. Er war sehr verwundert darüber und lachte über meine ihm unbegreifliche Achtung vor fremdem Eigentum. Als sich bald darauf Eingeborene mit Waren zum Tausch bei uns einstellten, bemerkte ich, daß Maruatscha ihnen mitteilte, wie ich die verlassene Hütte in meinen Schutz genommen hatte; statt aber billigende Blicke über meine Handlung wahrzunehmen, wurde ich durch schallendes Gelächter und Mienen belohnt, die mir deutlich sagten, daß die Eingeborenen, und vielleicht sogar die Eigentümer der Hütte selbst, mich nicht für den klügsten weißen Mann hielten.

Nur um zwei Meilen hatten wir uns den Nadelfelsen genähert, als die untergehende Sonne uns zwang, unser Tagewerk zu beenden. Mit schwachen Hoffnungen traten wir am 9. Februar die Reise an, denn weithin dehnte sich das niedrige Land noch aus, und vielfach war der breite Spiegel des Stroms durch sichtbare Sandbänke unterbrochen. Doch besser, als wir erwartet hatten, fanden wir das Fahrwasser; ein ziemlich tiefer Kanal, leicht erkennbar an der glatten Oberfläche des Stroms, wand sich zwischen den Inseln hindurch, und diesem folgend, gelangten wir ohne Unterbrechung schnell vorwärts. Abwechselnd berührten Weidenstriche, fruchtbares Land und Kiesebenen die eilenden Fluten, und ich erblickte in letzteren Fällen häufig Türme der übereinanderliegenden Sand- und Kiesschichten, so wie diesselben allmählich durch den Einfluß des Wassers und der Atmosphäre von der Ebene getrennt und gebildet worden waren.

Die Bevölkerung im nördlichen Ende des Tals erschien mir weniger zahlreich, denn die Ufer blieben öde und leer, und seltener wurden die schmalen, fruchtbaren Landstreifen, die sich zum Ackerbau geeignet haben könnten. Die ganze Länge des eigentlichen Chimehwhuebe-Tals beträgt ungefähr zehn Meilen, und die Breite desselben übersteigt wohl an keinem Punkt sechs bis sieben Meilen, das heißt, wenn man die Kiesebene als die Grenzen betrachtet.

Nachdem wir ungefähr sieben Meilen gereist waren, gestaltete sich unsere Umgebung wilder und trauriger; bis zu hundert Fuß hoch erhoben sich die schroffen Uferwände, und wir hatten in dieser die Formation der hohen Wüste vor uns, die ich oben erwähnte. Einer Indianerfamilie begegneten wir dort; diese befand sich auf einem großen Binsenfloß, das ihr ganzes Hab und Gut trug. Ein kleines Feuer war sinnig auf dem schwankenden Fahrzeug angelegt worden, und um dasselbe herum kauerten die kleinen nackten, braunen Gestalten von vier indianischen Kindern. Der Umstand, daß die Eingeborenen auf einem Floß den Weg durch die Schlucht der Nadelfelsen zurückgelegt hatten, hob den größten Teil der Besorgnis, die wir hinsichtlich der Schiffbarkeit des Stroms im Cañon hegten; und als bei einer plötzlichen Biegung die hohen Kiesufer weiter zurücktraten, die wunderlich geformten Türme und Kuppen der Needles dicht vor uns lagen, begrüßten wir freundlich die südliche Grenze des Mohave-Tals.

Wir erreichten bald die Einfahrt in diese gigantischen Felsmassen, doch wurde gerade dort unser Fortschreiten durch eine Stromschnelle gehemmt. Das Wasser stürzte nämlich mit einem auf zwanzig Fuß verteilten Gefälle von vier Fuß schäumend und tobend über eine Geröllbank, die selbst für unser eisernes Dampfboot gefährliche Klippen barg. Wir legten daher hinter einer Kiesbank in ruhigem Wasser bei, und während Kapitän Robinson mit seinen Bootsleuten nach einer Übergangsstelle forschte, gewannen wir Zeit, uns in den prachtvollen Anblick zu versenken, den uns die malerische Szenerie bot. Ich konnte mich kaum eines beängstigenden Gefühls erwehren, als ich auf die Einfahrt blickte und den Strom plötzlich hinter überhängenden vulkanischen Felsen verschwinden sah; die Gipfel der Berge, die mit Türmen, Brücken, Mauern, Bogenfenstern und Toren – wie sie die Natur in ihren Bauten schuf – reich geschmückt waren, drängten sich in einem so wilden Durcheinander empor, daß es zur Unmöglichkeit wurde, die Richtung zu erraten, in welche die breite Wasserstraße uns führen würde. In stiller Bewunderung und harrend der Dinge, die ich kennenlernen sollte, saß ich auf der kleinen Plattform und zeichnete, und nur zu schnell für mich vernahm ich des Kapitäns Kommando: »Los das Boot!«

Nicht ohne Mühe gelangten wir über die Stromschnelle; unsere ganze Bemannung wurde ausgeschifft, ein Tau vom Vorderteil des Dampfbootes zu ihnen hingeleitet, und langsam glitt die »Explorer« in die Strömung. Mit voller Dampfkraft arbeiteten die Maschinen, die Wellen bäumten sich hoch auf vor dem scharfen Bug des Fahrzeugs und warfen weißen Schaum auf den zischenden Kessel; die Leute hielten aber mittels des Taus das Boot in seiner Richtung, und schnaubend wie ein ungeduldiger Renner schob sich die »Explorer« Zoll für Zoll durch das wild bewegte Wasser und schoß, nachdem sie endlich den glatten Spiegel erreicht hatte, mit doppelter Schnelligkeit dahin. Die Leute sprangen wieder an Bord, und da es erst drei Uhr nachmittag war, so wurde an diesem Tag noch die Fahrt durch den Cañon unternommen.


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