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13

Als ich Häfke fand, konnte er erst wenige Minuten tot sein«, begann Bertholt seinen Bericht.

Wieder saßen sie in dem gemütlichen Bibliothekszimmer neben dem Kasino. Frau Isa hatte die Gläser mit goldklarem Sherry gefüllt und eine kleine Silberschale mit Gebäck auf den Tisch gestellt. Bertholt zerkaute nervös seine Zigarre, hastig trank er sein Glas leer.

»Woher weißt du das?« fragte Güstrow ruhig.

»Als wir von unserem Ritt heimkehrten, sagte Karl, der Stallmeister habe vor wenigen Minuten erst ein Pferd abgesattelt. Und ich nehme an, daß er erschlagen worden ist, als er das Sattelzeug in die Sattelkammer gebracht hatte.«

»Wer war während der betreffenden Zeit im Stall anwesend?«

Bertholt hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. Seine Antwort kam zögernd: »Ich weiß es nicht. Ich sagte dir schon, wir beide waren ausgeritten.«

»Um diese Zeit ist meistens sehr wenig los bei uns«, erklärte Isa ruhig, »und so war es auch heute. Häfke und Karl hatten Dienst im Privatstall.«

»Und Kundschaft?«

»Ein Herr Roland war der letzte Kunde, den der Stallmeister bedient hat«, sagte Bertholt entschlossen. »Karl erzählte uns, er sei mit ihm zusammen in den Privatstall gegangen, und ich nehme an, daß Herr Roland durch die kleine Tür, die in den Hof führt, den Stall verlassen hat.«

»Die Tür war wieder nicht verschlossen?«

»Nein. Wahrscheinlich hat der Mörder auch diesen Ausgang benutzt.«

»Bestimmt.«

»Du hast noch etwas vergessen.« Isas Stimme klang belegt. »Es hat sich herausgestellt, daß Herr Roland auch gestern abend nach acht Uhr im Stall gewesen ist.«

Güstrow zog die Augenbrauen in die Höhe und sah Frau Isa erstaunt an. Aber sie zerkrümelte nervös einen Keks zwischen den Fingern und vermied es, aufzublicken.

»Das sind ja interessante Neuigkeiten! Erzählt einmal ausführlich.«

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und unterbrach Bertholts Bericht mit keinem Wort. Als jener geendet hatte, sagte er:

»Du kannst mir nachher die Adresse des Herrn Roland geben. Ich will mir den Mann doch einmal näher ansehen. Aber vorerst will ich hier warten, bis Doktor Born von seinem Ritt zurückkommt; vielleicht hat er mir etwas Interessantes zu erzählen.«

»Haben Sie Verdacht auf ihn?« fragte Isa schnell.

»Kaum. Er hat sein seltsames Benehmen von gestern abend hinreichend erklärt. Er wußte, daß Herr von Holtern einen Schlüssel zu der kleinen Tür besaß, außerdem hat er nicht viel Mut. So ist es erklärlich, daß er annahm, sein Freund sei verunglückt. Doktor Born gehört zu den Menschen, die nichts so sehr verabscheuen wie einen Skandal. Es ist beinahe seine zweite Natur, daß er stets bestrebt ist, jedes Aufsehen zu vermeiden. Wenn man das bedenkt, versteht man, daß es ihm unmöglich war, an einen Mord zu glauben, geschweige denn, davon zu sprechen.«

»Sie reden so warm von ihm, daß ich fast annehmen möchte, Sie hätten ihn anfangs im Verdacht gehabt, der Mörder zu sein«, sagte Frau Isa und lächelte.

»Vor Ihnen muß man sich ja in acht nehmen!« lachte Güstrow ohne eine Spur von Empfindlichkeit. »Sie haben genau ins Schwarze getroffen. Vor wenigen Stunden noch hielt ich ihn – wenn auch nicht gerade für einen Mörder – so doch für einen Erpresser. Aber inzwischen habe ich festgestellt, daß ich auf dem Holzwege war.«

»Mein Gott!« rief Isa entsetzt. »Da haben wir es ja mit einer Auswahl von Verbrechen zu tun! Zwei Menschen wurden ermordet, eine Brieftasche wurde gestohlen, und nun reden Sie gar noch von Erpressung!«

»Das ist noch nicht alles«, sagte Güstrow verschmitzt. »Heute morgen stieß ich bei der Verfolgung des Falles auch noch auf einen Einbruch. Der Täter hat aber bereits gestanden, und da er nicht vorbestraft ist und außerdem auch keine Beute gemacht hat, wollen wir den Fall auf sich beruhen lassen.«

»Das mußt du ausführlich erzählen.«

»Leider darf ich nicht«, sagte Güstrow bedauernd, »vielleicht später einmal, wenn alles geklärt ist und die Dinge wieder in ruhigem Fahrwasser laufen.«

Isa machte eine bittende Bewegung, sie war sehr neugierig, aber er achtete nicht auf sie. Er erhob sich aus seinem bequemen Sessel und trat ans Fenster:

»Doktor Born muß jeden Augenblick zurückkommen. Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt in den Stall hinuntergehe.«

»Nur eine Frage müssen Sie mir noch beantworten«, bat Isa und trat neben den Kommissar ans Fenster. »Sie halten es doch jetzt auch für ausgeschlossen, daß der Hengst die beiden Menschen erschlagen hat. Ich weiß das ja, aber, bitte, bestätigen Sie es mir noch einmal ausdrücklich!«

»Ja, Frau Bertholt, das halte ich jetzt für völlig ausgeschlossen«, sagte der Kriminalkommissar fest. Dann reichte er Isa abschiednehmend die Hand, und die junge Frau hinderte ihn auch nicht länger, als er zur Tür schritt, um sich in den Stall zu begeben.

Als der Kommissar den Raum verlassen hatte, trat Isa zu ihrem Mann. Sie legte ihm den Arm um die Schulter und lehnte zärtlich ihren Kopf an den seinen:

»Laß uns auch hinuntergehen«, bat sie, »wir wollen Herrn Rolands Adresse heraussuchen. Und in einer Viertelstunde mußt du Unterricht geben. Hast du daran gedacht? Für heute abend ist eine Menge bestellt.«

Bertholt zerdrückte seine Zigarre energisch im Aschenbecher und erhob sich.

»Du hast recht, Isa, laß uns an die Arbeit gehen. Das ist noch immer der beste Trost.«


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