Eugenie Marlitt
Das Eulenhaus
Eugenie Marlitt

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17.

Fräulein Lindenmeyer schüttelte verwundert den Kopf unter der rotbebänderten Haube. Merkwürdig, was aus dem sonst so verlassenen Paulinental geworden war! In den Waldwegen leuchteten helle Damenkleider auf und schollen fröhliche Stimmen, es schien, als habe die ganze Stadt sich gerade diese Gegend zu ihren Sommerausflügen ausgewählt. Eine Menge eleganter Wagen fuhr seit kurzer Zeit vorüber, und in Xleben war kein Ei mehr zu haben. Alles ging nach Brötterode, dem kleinen Bade, eine halbe Stunde vom Eulenhause, wo, wie die Frau Försterin sagte, die fremden Herrschaften in diesem Jahre nur so wimmelten. Jede noch so kleine Wohnung sei vergeben und der Wirt in der »Forelle« zum Platzen hochmütig geworden, er habe zwei Grafenfamilien im ersten Stock, und im Hinterhause wohne eine Frau von Steinbrunn mit zwei Töchtern, alle hätten eigene Wagen mit und das sei ein ewiges Gefahre nach Altenstein und nach Neuhaus. –

Ja, der ganze Hofschwarm war den fürstlichen Herrschaften nachgezogen, man fand in diesem Sommer in den höchsten Kreisen der Residenz die heimischen Gebirge unvergleichlich schön, es war einmal etwas anderes als die Schweiz oder Tirol, als Ostende oder Norderney. In dem einfachen Speisesaal des Brötteroder Gasthofes, wo die Bilder des Herzogs und der Herzogin in wahrhaft empörendem Farbendruck die getünchten Wände zierten, wo man auf tannenen Stühlen an schmalen Tischen saß, trockenen Rinderbraten und Backpflaumen als Kompott aß und zweifelhaften Rotwein trank, herrschte trotz alledem eine angeregte Stimmung. Hatte man doch Aussicht auf Picknicks im Walde, auf Krocket und Lawn-Tennis im Altensteiner Park. Die Herzogin sollte sogar von einem Gartenfest gesprochen haben, einem Kostümball im Mondschein unter den Eichen des Schloßgartens.

Es versprach diese Sommerfrische nach allen Seiten hin eine ganz ungewöhnliche zu werden. Außer allem anderen war es auch schon höchst interessant, diese romantische Freundschaft Ihrer Hoheit zu der schönen Klaudine zu beobachten.

»Neulich hat man sie in ganz gleichen Kleidern gesehen«, berichtete Frau von Steinbrunn.

»Verzeihung! Das ist nicht der Fall. Die Herzogin trug rote Schleifen, Klaudine von Gerold blaue«, ereiferte sich ein junger Offizier in Zivil, der seinen Urlaub anstatt in Wiesbaden hier verlebte.

»Die Herzogin soll sie ja förmlich mit Schmuck und Kostbarkeiten überhäufen, sie sind den ganzen Tag beisammen, lesend, plaudernd und spazieren gehend, wahrscheinlich dichten sie auch miteinander. Prinzeß Helene hat vorgestern zu Isidore von Moorsleben gesagt, sie nennten sich >du

»Nicht möglich! Unglaublich!«

»Die Gerolds haben eigentümliches Glück!«

»Was sagt Seine Hoheit dazu?« fragte plötzlich die kecke Stimme eines jungen Diplomaten.

Die alte Exzellenz mit weißem Scheitel und würdevollem Gesicht am oberen Ende der Tafel räusperte sich vernehmlich und schüttelte mißbilligend das Haupt.

Man sah sich lächelnd und vielsagend in die Augen, trank schweigend seinen Wein aus, reichte längst zurückgewiesene Kompottschüsseln noch einmal herum, die weibliche Exzellenz begann nach einer Pause vom Wetter zu sprechen. Ein paar Gräfinnenmütter erfaßten mit einem Blick auf die Töchter begierig das neue Thema, »ob man es wagen dürfe, auf die hohe Warte zu steigen, einen der beliebtesten Aussichtspunkte der Umgegend?« – Und als die Tafel aufgehoben war, traten die älteren Damen zusammen und flüsterten und zuckten die Achseln und hielten die Taschentücher vor den Mund und lächelten dahinter.

Bis jetzt war es noch nicht gelungen, sich mit eigenen Augen zu überzeugen, denn bis zu diesem Augenblick hatten sämtliche um das Befinden der hohen Frau besorgte Herren und Damen sich damit begnügen müssen, ihre Namen in das Buch einzutragen, das in einem Saale zu ebener Erde des Altensteiner Schlosses auslag. Aber man hörte doch dieses und jenes, man vermutete, man kombinierte. Man war so neugierig auf den nächsten Donnerstag, denn daß die fürstlichen Herrschaften auf dem Feste des Baron Gerold erscheinen würden, ließ sich mit Bestimmtheit annehmen, man erwartete sogar ganz sicher, an diesem Tage eine große Neuigkeit zu hören, nichts geringeres als die Bekanntmachung einer längst erwarteten Verlobung.

Ja, es konnte interessant werden! Und während aller dieser Vermutungen, während aller dieser Erwartungen lebte man auf Neuhaus und Altenstein scheinbar in aller Ruhe weiter.


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