Otto Ludwig
Die Heiterethei und ihr Widerspiel
Otto Ludwig

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Es war Mittag geworden. Der ungeduldige Hannes fragte die rückkehrende Sannel mit den Augen. Sie hatte die Heiterethei nicht getroffen. Den andern Tag war sie glücklicher gewesen. Wenigstens im Finden. Sie wußte sich was auf die Verblümtheit, mit der sie ihre Sache angebracht hatte. Die Heiterethei hatte gesagt: sie wolle den Schneider erst mit in den Zainhammer nehmen und ihn strecken lassen. Aber das würde nicht helfen. Wär' er zu strecken, so müßt' es das Ding an der Fensterwand schon lange getan haben. »Ich bin aber doch nicht still gewesen,« sagte die Sannel, »bis sie gesagt hat: und so ist's und nu ist's fertig. Hernachen ist's, als hätt's der Burgemeister unterschrieben und sein Siegel daraufgemacht. Ich kenn die Heiterethei.« Die Sannel war traurig darüber, aber sie war auch froh. Sie wußte nicht, daß der Hannes seine Gedanken, sich vor dem vierten Gebot hinter eine Frau zu retten, die stärker wäre, als seine Mutter, nicht aufgeben würde, aber auch eigentlich froh war, daß die Heiterethei nicht angebissen hatte. Wenigstens sagte er das der Sannel.

»Schon gestern ist mir's eingefallen,« sagte er. »Sie ist doch nicht, wie ich eine brauch'. Ihr Kopf könnt' um die Hälft' dicker sein und ihre Händ' und Füß' sind mir auch zu klein. Ich muß eine haben, die einen rechten Kopf hat, denn der Kopf ist doch die Hauptsach' am Menschen. Und meiner Mutter ihre Händ', die sind wenigstens noch einmal so lang. Und wenn eins so kleine Füß' hat, denkt man immer, es muß umfallen, wenn man's angreift. Und ich greif einmal zu; was ich anfass', das muß fest sein, Sannel. Ja, Sannel, es ist gut, daß sie nicht will, und es hätt' mich doch einmal gereut.«

Das nächste Mal, das sie wieder auf der Bodentreppe saßen und die Sannel die Lampe verbergend auf ihrem Schöße hielt, da war der Schneider einen Kopf länger, als er selbst. Nur mühsam hatte er etwas zurückgehalten, was ihm immer über die Zunge wollte.

»Und nun kommt das Best'. Ich hab's bis zuletzt aufgehoben,« sagte er, »wie ich's allemal mach, wenn ich eine rechte Freud' hab für dich.«

»Deinetwegen,« entgegnete die Sannel, »brauchst du dich nicht zu zwingen. Mich freut alles, was du mir sagst.«

»Nu gut; aber heut auch weiter nix. Ich hab' eine, Sannel! Weißt du? Und eine andere, wie die Heiterethei. Und nu schlaf wohl. – Aber ich will dir's doch lieber noch sagen, damit du zu Nacht davon kannst träumen. Aber freu dich nur recht, Sannel. Da setz die Lampen fort, damit du dich recht kannst freun. Und ich will die Jacken 'runter tun und die Hemdärmel zurückmachen. Aber freust du dich denn auch recht?«

Der Hannes verlangte zu viel. Aber was hätte man der Sannel zumuten können, das sie nicht ausgerichtet hätte!

»Nu, ich freu mich ja schon, gewiß, Hannesie,« sagte sie und setzte die Lampe weg und half dem Hannes seine Jacke ausziehn, damit ja dem Freuen nichts im Wege stand.

»Ich mein' gar, du flennst schon vor Freud',« sagte Hannes. Sie wischte die bittern Tropfen weg und sagte: »Ja freilich.« Sonst hätte sie ihm die Freude verdorben. Und einem Menschen die Freude verderben; so viel sie konnte, das konnte die Sannel nicht.

»Ja, guck,« sagte der Schneider, »und das ist eine andere, als die Heiterethei. Die Heiterethei ist vielleicht was länger, aber sie ist nur eine Haselgerten dagegen. Wenn meine erst ein Jahrer zehn von unsern Erdäpfeln am Erlenweg gegessen hat, hernachen ist sie wie die Gringelwirts-Valtinessin. Die hat einen andern Kopf, als die Heiterethei, und da kann man sagen: die hat Hand' und Fuß'. Daß dich der Kuckuck hätt', Sannel! Und Haar' brandschwarz und dick wie Pferdehaar' und steif wie ein gewichster Zwirnsfaden. Kann sein, daß die Heiterethei ein paar Haar' mehr hat, dafür ist ein Haar von meiner wie sechs Haar' von der Heiterethei. Und das spöttisch Wesen und das Dummgetu, davon ist an meiner nicht so viel, wie auf mein'n kleinen Finger geht. Und doch alles so resolut. Und ein Narr ist sie in mich.«

Es währte lange, eh' der Hannes zum Erzählen kam, wie er sie gefunden und die »Sache« sich gemacht. Und wie oft unterbrach er seine Geschichte wiederum mit Schilderungen! Denn die Sannel freute sich doch nicht so sehr, als er gedacht.

Die Geschichte war kürzlich die. Schon ein paar Tage her, wenn er bei Nacht am Bache hin durch die Gerbergasse ging, war ihm, als würfe jemand kleine Steine nach ihm. Er hatte die Heiterethei im Kopfe und sah sich nicht um. Heute, als er sich wieder geworfen fühlte, meint er: sollt's die Heiterethei sein, und sie hat's gereut, daß sie die Sannel abgewiesen hat? Pfiffig, wie er ist, blieb er stehn, bis wieder ein Steinchen ihn traf, und wendete sich dann, so schnell er konnte, nach der Seite zu, woher das Steinchen kam. Der Mond schien hell genug, daß er sehen konnte, die Gasse war leer; nur dort, woher der Wurf gekommen war, saß eine weibliche Gestalt auf der Steinbank vor einem Hause.

Als ein rechter Bursch, der keinem Mädle gegenüber blöd ist, warf sich der Hannes in die Brust und ging auf die Schwarzhaarige zu, die vor Kichern kaum zu Atem kam. Sie hielt zwar die Schürze vor, aber der Hannes ist nicht dumm. »Wenn dich der Kuckuck hätt', die ist's gewest. Und ist sie's gewest, so ist's nicht umsonst gewest.« Er strich mit beiden Händen seinen Backenbart nach vorn, indem er vor ihr stehen blieb und sagte: »Guten Abend, Mädle, es ist gut, daß deine Stein' nicht sind, wie dein Kopf, sonst hätt' ich sie besser gespürt. Aber daraus gemacht hätt' ich mir auch nicht mehr.« Er sagt es nicht, aber sein ganzes Wesen verriet: Er war einer und was für einer! Da frag nur einmal die Sannel bei mir! Die weiß, was der Hannes für einer ist!

Das Mädchen sagte: »Guten Abend«. Mehr konnte es vor heimlichem Lachen nicht sprechen und der Hannes sah noch immer nichts von ihr, als die schwarzen Haare und daß es eine ansehnliche Gestalt besaß. Aber die Beschuldigung, sie habe ihn geworfen, konnte sie doch nicht auf sich sitzen lassen oder sie mußte sich wenigstens dagegen wehren. Man weiß ja, wie die Mädle sind, lachte der Hannes in sich hinein, und ihm war, als wäre es nirgend schöner, als in seiner Haut. Denn nie hatte ihn ein Mädle geneckt, daß er nicht gemeint hätte, es sei bis über den Hals in ihn verliebt. Und weil sie nun doch sich zusammennehmen und reden mußte, so sah der Hannes allmählich das ganze Gesicht unter den schwarzen Haaren und er meinte, es sei nicht bitter. Die Stirn war nicht hoch, aber desto breiter, und darunter ein Paar Augen wie glimmende Kohlen. Nichts war klein in dem Gesicht, das Gesicht selber war es nicht und Ecken hatte es auch nicht, an denen man sich stoßen konnte. Die konnte es mit seiner Mutter aufnehmen, meinte der Hannes, die war nach seinem Geschmack und – wer weiß, was wird! Den großen Hund vergaß er auch nicht; er konnte nicht an eine große Frau denken, ohne daß ihm der große Hund einfiel, um sein Glück in Gedanken voll zu machen. Zu der Heiterethei hatt' er sich einen schwarzen gedacht; bei der schwarzen Frau mußt es ein weißer sein.

»Wer weiß, wer ihn geworfen hat,« sagte das Mädchen und lachte immer noch, soviel es sich Mühe zu geben schien, ernsthaft zu seinen Reden zu sehn. »Ich hab' mehr zu tun. Ich muß an meinen Schatz denken. Und der ist –« sie sang: nicht weit; wie es im Liede heißt, und lachte mehr als vorher.

Der Hannes fühlte sich bitter enttäuscht. Er nahm eine kurze »gut' Nacht«; aber als er sich kaum gewendet hatte, fühlte er sich von neuem geworfen. Und das Mädchen hörte auf zu lachen und sagte eiliger, als es scheinen sollte: »Er geht wohl zu seinem Schatz?«

Der Hannes dachte: warum hat sie nicht ausgesungen, wie's im Liede heißt? Und fragt mich nun so? Er blieb stehn, wandte sich aber noch nicht wieder nach ihr um.

»Ja, ja,« sagte sie. »Ich glaub's schon, es ist schön, wenn ein Bursch zu seinem Schatze geht. Ich hab' keinen und hab' noch keinen gehabt, aber zu glauben ist das schon.«

»Und hast doch an deinen Schatz gedacht?«

»Nun ja; es ist einer in Gedanken. Es hätt' mir nicht daran gefehlt, so wenig, als einer anderen, aber mir ist nicht jeder recht. Es muß einer sein, ich weiß wie, aber ich sag' es nicht. Er braucht nicht zu fragen. Jedem andern sag' ich's, nur ihm nicht. Und geh' er zu seinem Schatz; hätt' ich einen da drin, ich ging' auch zu ihm.«

Sie stand auf und wollte ins Haus. Der Schneider hielt sie auf. Seine Arme waren eben lang genug, sie zu umspannen. Das Mädchen wehrte sich, schlug ihm auf die Hände, wollte sich losreißen, aber er war ihr zu stark. Sie mußte sich wieder setzen. Er war glücklich, wie stark er war. Sie war fast außer Atem vom Ringen und hatte Lust zu weinen. Sie dauerte ihn.

»Ja,« sagte er, »wenn ich zugreif, da ist's nicht zum Spaß. Aber du bist keine hiesige. Die hiesigen kenne ich alle; ich hätt' längst eine, wenn ich eine hiesige möcht'. Ja, du möcht'st wissen, wo mein Schatz daheim ist? Ich hab' dir wohl weh getan, aber ich kann nicht anders. Das weiß der Guckguck, und wenn ich nur ganz leis' zugreif, da gibt's blaue Flecken. Und wo bist du denn her?«

»Von Schackigt,« sagte sie. »Aber was geht das ihn an? Er hat schon einen Ort, wo er hindenkt.«

»Hätt' dich der Guckguck, Mädle!« lachte der Schneider. »Mein Schatz ist eben daher. Und hat schwarze Haar' und – ja, ich pack' dir nicht alles auf. Aber es ist ein prächtiger, das kannst du glauben. Wenn ich mich nur setzen könnt', ich müßt' Stunden lang bei dir sitzen.«

Das Mädchen rückte zu. Es kam eben noch so viel heraus, daß der Schneider sitzen konnte. Aber sie mußte ihren Arm um ihn schlagen. »Sonst fällt der Branntwein,« sagte sie.

Wie er so neben ihr saß, lehnte sein Gesicht an ihrer Schulter und sie ragte mit dem ganzen Kopfe über ihn weg. Aber er wußte sich dennoch was Recht's. Sie hielt ihn wie ein Kind in ihrem Arm und mußte ihn manchmal an sich drücken, weil er sonst vom Stein gerutscht wäre, wie sie sagte. Dazu rauschte der Bach und von dem Wasserrad der nahen Kippelmühle schimmerte es wie geschmolzenes Silber. Der Mond neigte sich zum Wasser und das Wasser strebte spritzend hinauf zum Mond. Die dunkeln Schatten schmiegten sich so bräutlich an die Häuser, die Fenster sogen so durstig den Mondenschein ein und glänzten dann alle, als war' eine festliche Hochzeit dahinter. Dem Schneider fehlte nichts zur Seligkeit, als daß die Sannel nicht da war und sagte: »Hannesie, du bist ein Mordbursch!«

Ein Wort gab das andere, das das dritte; der Bach war gerade so laut, daß die beiden, eins das andere, aber kein drittes, die beiden verstehen konnte. Und als die Zeit des Haustürverschließens kam, da waren sie einig, was mit ihnen werden sollte. Der Hannesie mußte zur Unterender Base gehn; die mußte die Mutter stimmen, ohne davon zu sagen, daß ihr Auftrag vom Hannes kam und der schon mit dem Mädchen bekannt war; wie weit es schon zwischen den beiden gekommen, das durfte die Mutter noch weniger wissen.

»Die Bas' tut, was ich ihr sag',« meinte der Schneider, nachdem er der Sannel alles erzählt hatte. »Und Hefenklöß', hat meine gesagt – ihre Leut' haben keine gessen, als wo sie gekocht hat. Und nu nimm deine Lampen und ich will meine Jacken wieder anziehn. Und nu schlaf wohl, Sannele, und denk' dir in deinem Bett noch einmal recht aus, was ich dir erzählt hab', damit du dich recht freust.«

Das eine brauchte der Hannes der Sannel nicht einzuschärfen; aber das andere wollte nur desto weniger gelingen.

Das Unterend, so heißt ein Teil von Luckenbach; die Lage desselben hat ihm diesen Namen gegeben. Aber er führt auch noch einen andern; man nennt ihn Bettelumkehr. Diese Benennung hat er dem Umstände zu danken, daß er meist aus kleinen ärmlichen, wenigstens ärmlich aussehenden Häusern besteht, bei deren Anblick der bettelnde Arme wieder umkehre, überzeugt, hier sei für ihn nichts zu holen. Hier wohnte die Base, deren der Schneider gedachte. Sie war eine kinderlose Wittib und hatte all' ihre brachliegende Liebe in Ermangelung eines Besseren auf unsern kleinen Schneider geworfen. Er konnte unbedingt über sie gebieten. Das hatte er für seine Sach' benutzt; und so kam eines Tages die Base über die ganze Breite der Stadt zur Frau Bügel am andern Ende geschritten, um ihr mitzuteilen, daß sie ein Mädle gesehn habe, wie für den Hannes und seine Mutter geschaffen. Das geschah denn auch, aber erst nach einer langen Einleitung, wie schlimm es jetzt um die Welt und vornehmlich um die jungen Mädle bestehe, zu welchem Behuf einige Nachbarstöchter zergliedert wurden. Denn gleich auf die Hauptsache zu kommen, das wäre wie ungenötigt am fremden Tische essen, und man weiß in Luckenbach, was »schickerlich« ist.

Da war denn die Base auf einem nötigen Gang durch die Gerbergasse gekommen und da hatte sie gar nicht anders gemeint, als die Frau Bügel selberts dreißig oder vierzig Jahre vor sich zu sehn, so tüchtig, rasch und repermandierlich war das Mädle gewest; so breit gestirnt und breit gestellt, wie man die Kalben gern hat, denn solche geben einmal tüchtige Kuh'. Und hengstenmäßig hat sie geärbet.

Die Frau Bügel meinte, wenn das Mädle auch nicht ganz so wär', wie sie selbst gewesen; für den Nichtsnutz von einem Jungen brauche sie eine tüchtige; das dürfe nicht etwa so eine Ziege sein, wie sie jetzt meist wären, mit weichen Händen und langen Hörnern, die in Vergnügen und Lumpenstaat über ihr Vermögen hinauswüchsen und hernach an jeder harten Wand zerbrächen. Nun, der Metzger kaufe kein Stückchen Vieh unbegriffen, und man könne sich besehen, ehe man sie handle. Die schwarzen Kühe mögen sie sonst nicht, sie hätten alle was vom Gott-sei-bei-uns; aber keine Regel sei ohne Ausnahme. Man müsse ihr nur den Schwanz recht beschneiden.

Die Base hatte erforscht, wo das Mädchen diente; es war noch nicht lange hier. Aber es wußte, wo Bartels den Most holt; das hatte die Base aus seiner Antwort gemerkt; und war auch »von guten Leuten«.

Die Frau Bügel hatte noch denselben Tag ihren blauen Mantel, mit der weißen Schnur um den Zackenkragen besetzt, umgetan. Sie war so geheimnisvoll gewesen, daß der Schneider, der die Base fortgehen sah, erriet, was sie vor hatte. Sonst hätt' er's auch nicht erfahren. Wenn der Handel geschlossen war, da war noch Zeit genug dazu. Der Schneider machte eben ein paar Knabenhöschen. Vielleicht steht der Knabe in seinem ganzen Leben nicht so viel Furcht und Hoffnung aus, der sie tragen wird, als der Schneider, der sie nähte! Und das Tuch daran hätte sicher solche Spannung nicht ertragen.

Die Frau Bügel aber ging geraden Weges nach der Gerbergasse und zu der Dienstherrschaft der Schwarzhaarigen. Sie hatte sich einen scheinbaren Vorwand ausgedacht, und kam nur wie gelegentlich auf das zu sprechen, was sie wissen mußte. Aber die Gerbersfrau war auch nicht dumm.

»Die fragt nicht umsonst nach der,« dachte sie. »Sie wird eine Magd brauchen. Ich wollt', sie braucht' eine, da könnt' ich den schwarzen Teufel loswerden und müßt' sie nicht fortschicken. Ich hab' ihr schon zweimal aufgesagt und sie geht nicht; sie tut, als könnt' sie mich fortschicken und wär' Herr im Haus. Und mit Gewalt bring' ich sie, mein' ich, auch nicht fort. Sie bleibt doch, und hernach tut sie nur desto wilder. Ich will sie loben, so gut ich kann. Die Schneiderskätter (so hieß die Frau Bügel in Luckenbach) mag hernach sehn, ob sie sie zwingt. Da kommt ein Teufel über den andern. Sie mag hernach sehn, wie sie sie los wird.«

Die Frau Bügel glänzte im ganzen Gesicht, wie sonst nur auf der Nase, als sie das Gerberhaus verließ. Aber eine, wie sie, ging sicher. Sie stieg noch zu einer Nachbarin der Gerbersfrau hinauf. So geschickt sie ihre Sache anfing, auch die erriet, was die Schneiderskätter wollte.

»Die will mich ausholen. Die Gerbersfrau hat das wilde Tier gelobt, um sie loszuwerden. Ich werd' mir auch das Maul nicht verbrennen. Wenn ich's tät' und die erführ's wieder, wer weiß, was mir der Teufelsabbiß antät'!«

Aber das Gewissen schlug der Nachbarin doch; oder war's ihr zuwider, einen Menschen bloß zu loben? »Ja, daß sie tüchtig, fleißig und brav ist, das will ich keinen Hehl haben. Ich weiß auch nicht Schlimm's von ihr; ich müßt's lügen. Aber es steckt keiner innewendig drinne. Und man kann nur sagen, was man gehört hat, und was man selber meint. Man sagt freilich: kurzstirnige Küh' sind gern stößig. Aber das ist auch bloß Gemeint's.«

»Wenn's sonst nix wär',« sagte die Frau Bügel zu sich, als sie die Treppe hinunterging. »Das ist keine tüchtige Kuh, die nicht einmal stößt. Ich lass' mir auch nicht viel an den Hörnern herummachen. Wenn sie fleißig und brav ist, und recht ärbeten kann: das ist's, was ich will wissen.«

Und. wo sie in der Umgegend sich erkundigte, alle sprachen wie die Nachbarin der Gerbersfrau. Sie hatten alle denselben Grund.

»Der Jung' braucht eine, die tüchtige Hörner hat,« sagte die Frau Bügel auf dem Nachhauseweg. »Und mein Mann wird sie nicht sein, das ist meinem Kummer sein Geringst's. Aber der Metzger will erst seinen Griff tun, eh' er einschlägt. Die Unterender soll mir sie einmal an einem Sonntag zum Kaffee ins Haus schicken. Ich will sehn, was sie für Zähn' hat. Hernacher kann's schon was werden mit der und dem Jung'.«

Sie ging sogleich zu der »Unterender«. So erfuhr der Hannes an demselben Abend noch, seine Mutter sei gar nicht »abstinat gegen die Sach'«, und sie, die Base, solle das Mädchen für den Sonntag zu einem Kaffee bei der Mutter einladen.

»Sag' mir nur, wie's deine Mutter gern hat,« sagte abends die Schwarze zu ihm, als er wieder wie ein Kind neben ihr auf der Ecke der Steinbank saß und ihr gesagt hatte, was er wußte. »Es hat jeder Mensch so sein Apart's, und ich mach's gern jedem Menschen recht, und wer mich einmal zur Frau kriegt, der hat gewiß nichts verspielt mit mir. Sie hat's wohl gern, wenn eine hurtig ist?«

»Ja,« sagte der Schneider, »aber wenn du noch ein bißle zurücken könnt'st, das wär' mir recht.«

Die Schwarze suchte es möglich zu machen. Da es nicht ging, nahm sie den Schneider in ihre mächtigen Hände und setzte ihn mit einem Schwunge wie ein Kind auf ihre Knie. Der Schneider wollte einen Arm um ihren Hals legen; sie sagte: »ich halt' dich schon; du fällst nicht. Und dazu haben wir noch Zeit genug, was du willst. Es muß nicht immer geleckt sein. Sag' mir lieber, wie's deine Mutter hält?«

»Ja, siehste,« sagte der Schneider, »wenn du deinen Kaffee getrunken hast, hernachen mußt du gleich in die Küchen gehn und die Schalen auswaschen. Und wenn du eine Arbeit stehn siehst, mußt du dich gleich darüber hermachen. Und darfst die Küchentür nicht auflassen, sonst wird sie bös'. Und widersprechen darfst du ihr auch nicht, das kann sie absolut nicht leiden. Und darfst auch nicht so laut reden, wie sie. Und sie singt gern einen Gesangbuchvers, wenn du da den Zweiten dazu könntest singen, ich mein den Baß; da könnt'st du dich beimachen.«

»Das kann keine besser, wie ich,« meinte die Schwarze, »ich bin in einem Kantorshaus jung geworden.«

Der Schneider sagte noch mancherlei. Zum Lohne wußte sie dann so schön mit ihm zu tun, daß der Schneider nichts wünschte, als die Sannel wäre da und sähe es. Da würde sie sich anders freuen, als wenn er es ihr bloß erzählte.

»Mit meiner Mutter,« sagte der Schneider, »da lass' ich mir manch's gefallen wegen dem vierten Gebot; aber sonst, da darf mir niemand in den Weg kommen. Daß dich der Kuckuck hätt', Mädle, ich bin einer. – Nu, frag' nur die Sannel; die weiß, was ich für einer bin!«

»Ja,« sagte das Mädchen, »du bist ein Mordbursch'. Das weiß ich auch.«

»Nicht wahr?« lachte der Schneider.

»Aber wer ist denn die Sannel?«

»Das ist ein kleines Mädle,« entgegnete der Schneider; »die ist bei uns im Haus. Sie ist nicht größer, wie so hoch.« Er zeigte die Höhe eines Kindes von fünf bis sieben Jahren. »Aber einen Hund, den müssen wir haben, wie eine Kuh so groß.«

»Du sollt'st mir kommen,« dachte das Mädchen. »Er müßt' dich denn fressen. Aber erst muß ich drinne sitzen. Eine Wirtschaft muß ich haben, wo ich Herr bin und kein andrer Mensch. Und da soll mich keiner wieder herausbringen. Freilich hätt' ich gern einen Mann dazu gehabt. Aber warten kann ich auch nicht länger, bis einer kommt.« So dachte die Schwarze; aber sie sagte: »Was du willst, Hannes. Wenn wir's ermachen könnten, müßt's du auch ein Pferd haben. Wenn ich dich nur einmal sehen sollt auf einem Pferd reiten!«

»Ja, Mädle,« sagte der Schneider, »es ist eigentlich schad' um mich, daß ich ein Schneider bin. An mir ist einer verloren. Nu, frag' nur die Sannel.«

Den nächsten Sonntag darauf nach dem Nachmittagsgottesdienste sah es in der Küche bei der Frau Bügel gar nicht so aus, wie es da sonst um diese Zeit auszusehen pflegte. Da stand eine große Wanne, und allerlei Wäsche darin, und Seife dabei; und sie stand nicht etwa auf der Bank am Fenster, wohin sie gehörte, sondern auf dem Küchentisch. Auf dem Herde aber war Feuer und zwei große Töpfe dabei mit Wasser. Und sonst heimelte die Küche Sonntags um diese Zeit aufgeräumt wie ein Stübchen. Die Sannel hatte all' das beschaffen müssen, und sie hätte noch mehr getan, wenngleich Sonntag war. Aber sie hatte immer mit dem Kopfe dabei geschüttelt; und das tat sie noch.

Die Frau Bügel hatte gesagt, sie wollte ein Mädchen probieren, das heute kommen würde. Bestehe das Mädchen die Probe, dann werde es einen guten Dienst erhalten. Wo und bei wem? das sagte sie nicht. Sie hätte nicht soviel zu sagen gebraucht, denn der Schneider wie die Sannel, beide wußten ja, was sie wirklich im Sinne hatte. Aber beide durften sich nichts merken lassen. Am schwersten wurde das dem Schneider.

»Pass' nur auf,« sagte er zur Sannel, so oft die Mutter es nicht hören konnte. »Das ist eine! Die ist unter den Mädlen gerad', was ich unter den Burschen bin. Ich möcht' gleich mit dir tanzen, so bin ich aus dem Häusle. Es ist gut, daß ich jetzt nichts zu machen brauch': ich könnt' die Nadel nicht halten, so süßlich ist mir's in den Händen. Und meine Füß' kann ich nicht stillhalten; sie fangen von selber an zu hopsen.«

Die Sannel sagte nichts. Sie half ihm sich freuen, so gut sie konnte; aber im Herzen war es ihr anders. Sie sah immer nach der Türe; es war nicht bloß die Neugier, die Erwartete zu sehen. Es war ja die Türe, durch die sie hinaus mußte, wenn die andere einzog. Kam eine junge Frau herein, dann war sie übrig in dem Hause. Sie mochte den Hannes, der nicht daran dachte, in seiner Freude nicht stören. Und erinnerte sie ihn daran, hätte sie das doch getan. Denn so sehr der Hannes sie über der anderen vergessen zu haben schien, sie wußte doch, er würde sie nicht gerne gehen sehen.

Aber es hat kein Pfarrer so lange gepredigt; einmal hat er doch aufgehört. Und das geschah auch diesen Nachmittag. Man hörte die Leute aus der Kirche kommen. Der Hannes stieß die Sannel an, die mit ihm am Fenster stand. Denn da kam »Seine« mitten unter den Leuten. Sie hatte ein grünes Kleid an, und war braun unter dem schwarzen Haar wie eine gutgebackene Brotrinde. Und Schritte machte sie wie ein Soldat. Dazu hätten Augen gepaßt, die keck herauf und herunter und herüber und hinüber gefahren wären; aber die dazu gehörten, hielten sich sittig oder wenigstens klug auf den Boden geheftet. Sie wußten, daß ein Mann eine Art Kartoffel ist, und daß die am ersten einen findet, die fleißig mit den Augen auf der Erde sucht. Die Sannel dachte nur: »Die soll hübscher sein, als die Heiterethei? Da weiß ich nicht, womit der Hannes das hat gesehn; mit seinen Augen nicht!«

Aber es ist auch keine Türe, die nicht einmal aufginge, und wäre sie noch so lang zugewesen. Gepocht wurde so leise, als die Sannel den Händen von »des Hannes Seiner«, wie sie sie gesehen, nicht zugetraut hätte, daß sie könnten. Die Frau Bügel sagte: »Herein!«

Das erste, als Hannes' Mutter und seine Künftige einander gegenüberstanden, war, daß sie sich gegenseitig mit den Augen maßen, ob die andere wohl ihr Mann sei. »Die ist's nicht,« sagte jede in Gedanken zu sich. Und das war für ihre Unterhaltung gut. Sie wäre sonst zäher geflossen. Einen wunderlichen Lauf nahm sie bei alledem an. Sie ergoß sich über den Herrn Pfarrer, der den Nachmittag gepredigt hatte, floß hart an der Frau Pfarrerin vorbei, und verbreitete sich dann über allerlei Getier, wie Kühe und Ziegen, und vielerlei Dinge, als da sind: Brotbacken, Wäsche waschen und dergleichen.

Die Schwarze begann ihre Probe mit dem besten Erfolg. Sie ließ sich zum Kaffee erst im allgemeinen sechsmal, und im besonderen noch dreimal zu jeder einzelnen Tasse nötigen. Die Frau Bügel nickte sich selber zu: »Ja, von guten Leuten ist sie her; das sieht man wohl.«

Als die Schwarze zum letztenmal leer getrunken und nun mit der Tasse in die Küche ging, da fing die Nase der Frau Bügel an, überirdisch zu leuchten. Sie lachte bei sich selbst: »Das ist doch noch eine, so eine von den Besten, wie ich eine war. Ich hätt' nicht gedacht, daß man jetzund noch so eine find't.« Und die Schwarze hätte gewiß ein belobendes Lächeln von der Frau Bügel geerntet, wenn sie nur wieder hereingekommen wäre. Aber sie blieb draußen. Den Schneider fröstelte mitten in der Seligkeit ein Schauder an, denn die Frau Bügel rückte ihren Nasenklemmer. »Es ist nix,« sagte sie zu sich. »Es ist doch nix. So eine könnt' ich brauchen, die eine Stund' mit einer einz'gen Tassen zubringt. In der Zeit hätt' ich den ganzen Marktbrunnenkasten ausgewaschen.«

Aber in der Küche erhob sich ein Geräusch; da war es, als wären sechs Wäscherinnen zugleich an der Arbeit. Das patschte und spritzte und seifte und rieb. Dann goß es Wasser zu, und es schien, es wären vier Hände, die das alles täten; so schnell folgte von neuem das Patschen und Spritzen und Reiben und Seifen auf das Gießen. Die Frau Bügel schlug die Hände zusammen und begann zu singen: »Sei Lob und Ehr' dem höchsten Gut.« Und als nun draußen durch das Patschen, Spritzen, Reiben und Seifen eine tiefe Stimme ertönte, und den »Zweiten« sang zu der Frau Bügel scharfen Diskant, da ließ sie die Hände am Leibe herabsinken und eine Freudenträne zitterte auf dem zitternden Bärtchen über ihrer Oberlippe.

Als der Vers aus war, und noch einer, ging die Frau Bügel an die Küchentüre, öffnete und rief hinaus: »Aber Mädle, ich hab' dich wohl zur Wäscherin gedungen? Ob du's liegen läßt und hereingehst!« Aber sie sah doch erst eine Weile dem Waschen zu, ehe sie ihr mit Gewalt Einhalt tat. Es war wirklich ihre Absicht gewesen, zu sehen, wie der Gast mit der Wäsche umspringe; aber sie meinte nicht, daß das Mädchen ohne Aufforderung zugreifen würde.

»Nimm Sie's nur nicht für ungut,« sagte das Mädchen und wusch immer dabei, wie die Frau Bügel sich ausdrückte, als sollte sie gehenkt werden. »Aber ich kann so eine Arbeit nicht sehn; ich muß gleich zugreifen. Es ist recht grob und unschicklich von mir, daß ich da ungeheißen zugreif; das ist schon wahr, und Sie wird bös sein über mich.«

Trotz dieses Geständnisses mußte die Frau Bügel Gewalt anwenden, und da wollte die Schwarze nur wenigstens noch den einzigen blauen Strumpf da, dann nur den aber allereinzigen weißen noch waschen, und die Frau Bügel hätte sie doch lassen sollen, da sie einmal darüber gewesen wäre. Endlich aber, da die Frau Bügel fast ernsthaft wurde, was ihr aber nicht aus der Seele kam, da ließ sie schnell alles liegen, und gab nach so vielen andern auch noch die Probe freundlichen, ergebenen Gehorsams.

Als sie aus der Küche kamen, schritt die Frau Bügel so feierlich vor der Schwarzen her, als führe sie nach einem großen Siege einen Triumphzug an.

Die Frau Bügel war nahe daran, so schnell in ihrer »Sachen« mit dem Mädchen einig zu werden, als der Hannes in seiner mit ihm geworden war. Die Schwarze lief vom Tische noch einmal nach der Küchentüre, als fürchte sie, die Türe sei nicht richtig eingeklinkt. »Es ist so schlecht, wenn eine Tür aufsteht, und ich kann's gar nicht leiden,« sagte sie.

Das war zu viel für die Frau Bügel. An so viel Glück konnte sie nicht glauben, wenigstens nicht an die Dauer eines solchen Glückes. »So gar warme und heitre Tag' bringen Regen,« meinte sie bei sich. Und in solcher Lust hätte sie nicht den kleinsten Handel abgemacht, geschweige einen so großen. »Man muß über eine Sach' nüchtern werden. Der Rat, der über die ander Nacht kommt, der hat ausgeschlafen.«

»Wenn du Lust hast, Mädle, zu mir zu ziehn, und deine Herrschaft dich läßt gehn, so kannst du bei mir anziehn, wenn du willst. Red' mit deiner Frau, und ich denk', es soll dein Schaden nicht sein.« So sagte die Frau Bügel zu der Schwarzen, da diese gehen wollte und versichert hatte, nicht um die ganze Welt möchte sie nur ein Vaterunser länger vom Hause bleiben, als ihr erlaubt sei. »Eine Viertelstund' früher muß ich daheim sein, das tu' ich nicht anders.«

Die Schwarze hatte sich das Ende des Besuches anders vorgestellt. Es war alles so gut gegangen, und sie hatte schon gemeint, sie könnte nicht anders heimgehen, denn als Braut. Ihr Gesicht war viel länger geworden, als vorher, wie sie sich empfohlen hatte und die Treppe hinabging. »Zum besten lass' ich mich nicht halten,« sagte sie zu sich. »Und komm' ich nur erst darein, und sitz' nur erst fest, hernachen will ich's der alten Hex' wettmachen! Da verlaßt euch drauf!«

»Nu rück' ein bißle zu, Mädle,« sagte denselben Abend der Schneider. Er hatte die Schwarze, wie gewöhnlich, wenn er kam, auf der Bank vor ihrem Herrenhause sitzend gefunden, aber die Ellenbogen im Schoß, den Kopf auf den Händen, und das alles in eine blaue Schürze gewickelt. Wie er sein »guten Abend, Mädle« gesagt hatte, da war's gewesen, als bekäme, was unter der Schürze steckte, einen Krampf, der Schneider wußte nicht, ob vor Lachen, oder vor Weinen. »Ich weiß schon,« sagte er, »du willst hernach recht geschwind auffahren und mich auslachen, wenn ich erschreck'. Ja, pros't die Mahlzeit; damit mußt du einem andern kommen. Ich erschreck' nicht, und wenn das Rathaus einfällt; frag nur die Sannel. Wie du deine Sache heint hast gemacht! Du bist auch ein Mordmädle; aber rück' ein bißle zu.«

»Ich hab' Platz auf der Bank,« sagte das Mädchen unter der Schürze hervor.

»Ja, aber ich –« meinte der Schneider.

»Ich hab' Platz. Was geht mich ein anderer an. Ich geh' auch niemand an; um ein arm' Mädle fragt kein Mensch.«

»Wie du bist, Mädle! Und meine Mutter ist ganz närrisch auf dich.«

»Ja, sie kann mich nicht leiden,« sagte das Mädchen und schluchzte unter der Schürze.

»Nu, wenn die dich nicht kann leiden!« Der Schneider schlug die Hände zusammen. »Und hat alle Lob- und Danklieder gesungen, wo im alten Gesangbuch stehn. Auf das neu' hält sie nichts. Es wär' kein' rechte Andacht drin. Das im alten, das war' noch der rechte Herrgott, vor dem man sich fürchten könnt'. Hernacher hat sie uns erzählt, wie's ist gewesen, wo der Herr Superndent nicht anders ausgegangen ist, wie im Priesterrock, und anders ist gewest wie andere Leut'; und da war's, als red't sie von dir. Und das will was heißen, denn der gefällt nicht so leicht eine.«

Die Schwarze erhob ihr Gesicht und sagte: »Nein; sie kann mich nicht leiden, ich weiß. Und es hat sie schon gereut, daß sie gesagt hat, ich soll zu ihr ziehn. Und wenn ich zu ihr bin gezogen, hernacher wird sich schon was finden, daß sie mich fort kann schicken. Nein, ich zieh' nicht hin. Ich bin so schon im Gered'. Die Leut' sind wie die Wölf, wo so ein arm' Lamm von einem Mädle ist, die niemanden angehört und das sich alles muß lassen gefallen.«

Der Schneider erschrak. »Im Gered'? Aber mit wem denn, Mädle?«

»Nu mit wem? Ich hab' wohl zwei? Ja so ist's. Nu kommst auch du noch. Und weißt's am besten, wer mich ins Gered' hat gebracht. Was hast du mich nicht ruhig lassen sitzen nächtens? Ich hab' gut gesessen, wie ich hab' gesessen. Und nun müßt' ich nicht hören, daß du noch fragst und tust, als wär' ich schlecht, und es wären so viel, daß man sich müßt' besinnen, mit wem ich im Gered' könnt' sein.«

»Ja, mit mir, Mädle?« fragte der Schneider und war glücklich, daß ein Mädchen mit ihm im Gerede sein sollte, und zwar ein so großes. Er hätte gar zu gern gehört, was die Leute sagten; er fragte das Mädchen danach.

»Nu, sagte die, »hätt' ich's nur können denken, ich hätt' dich nicht angesehn.«

»Aber so sag' doch nur,« drängte der Schneider. »Wie sagen denn die Leut'?«

»Und willst auch noch hören, wie du bist?« sagte das Mädchen schluchzend. »Nu, daß du ein Schlimmer bist, der alle Mädle närrisch macht, und lachst sie hernacher aus. Und nun weißt du, was die Leut' reden, wenn du's nicht gewußt hast, und nun geh'. Es sind noch genug Mädle auf der Welt, die du närrisch in dich kannst machen. Ich bin nicht närrisch in dich. Und zu deiner Mutter zieh' ich nicht. Zum besten lass' ich mich nicht halten, von dir nicht und von keinem.«

Der Schneider war überglücklich. Das Mädchen mußte ihm noch einmal sagen, wie die Leute von ihm redeten. »Ich wär' ein Schlimmer? Ich hab' noch keine Mädle närrisch gemacht. Und hernacher ausgelacht hab' ich auch keine.« So sagte er, und wollte sich krank lachen, aber in solchem Tone, daß es das Gegenteil hieß. »Um mich ist noch keine krank worden. Und sich was angetan um meinetwegen, das hat noch gar keine.«

Aber er war überzeugt, alle Mädchen, die in Luckenbach krank waren, die wären das um ihn. Und er besann sich, ob nicht, seit er ein Bursche war, eine in das Wasser gegangen wäre. »O daß die Sannel da gewesen wär'! Daß die Sannel da gewesen wär'!«

Aber der Hannes hatte, so »ein Schlimmer« er auch war, doch ein gutes Herz. Die armen Mädchen dauerten ihn alle; aber er konnte nur einer helfen, der, die ihn am meisten dauerte. Und die schluchzte, daß es einen Härteren hätte erbarmen müssen, als er war.

»Ja, die Leut' haben gesehn, daß du die Abend' her bei mir gesessen hast,« sagte sie, wenn sie das Schluchzen dazu kommen ließ. »Aber nu kannst du sitzen, bei wem du willst. Ich lass' keinen mehr neben mir sitzen, als wer vor Gott und den Menschen meiner ist, wo niemand mehr darüber reden darf. So einen am allerwenigsten, wie du bist.«

»Aber Mädle, was kann denn ich dazu, daß ich so einer bin? Wenn die Mädle närrisch werden, ich hab' noch keine wollen närrisch machen. Guck', und wenn mich eine beim linken Arm zerrt', und eine beim rechten, und an jedem Fuß eine, und an jeder Haarspitzen ein Schock, du bist mir recht, du bist, wie ich eine brauch'. Und nu rück' zu, Mädle. Du bist mir gut genug. Es gibt ihrer, die noch größer sind und schöner als du; aber wo die Lieb' hinfällt, da fällt sie hin; und ich werd' deiner und keiner anderen sonsten.«

»Ja, und so sagst du jeder. Aber ich bin nicht so dumm, wie jede. Ich bin zu gut für deinen Spaß. Und ich brauch's auch nicht. Ich brauch' keinen zu bitten, er soll so gut sein und soll mich nehmen. Der Müller in Schackigt will mich. Und es sind noch andre, die mich wollen. Ich hab' keinen gewollt, aber nu muß ich ihn nehmen, daß ich aus dem Gered' komm'. Ich hab' meiner Frau aufgesagt und kann morgen gehn. Aber zu deiner Mutter zieh' ich nicht. Der Müller in Schackigt will mir's schriftlich geben, daß er mich nehmen will. Eher mag ich nichts von ihm wissen. O, man wird einmal klug. Ich will nicht noch einmal ins Gered' kommen. Und wenn man dann ledig bleibt, da sagen die Leut', man ist nichts wert gewest.«

Der Schneider erschrak von neuem. »Daß dich der Guckguck hätt', Mädle; was ein anderer tut, das tu' ich auch. Frag' nur die Sannel. Ich schreib's heute noch, Mädle. Ich hab' erst gestern früh wieder Tinten 'reingetan in mein Tintenfaß, und Papier und Feder hab' ich auch in meinem Kasten. Gewiß und wahrhaftig, aber nu rück' zu. Von dem langen Stehen wird man müd'.«

»Ist's wahr? Und ist's wirklich dein Ernst, Hannesie?« fragte das Mädchen einmal ums andre. »Nu so will ich dir nur sagen, ich hätt' mich tot gegrämt, wenn ich den Schackigter Müller hätt' müssen nehmen. Nicht öpper, weil er garstig ist. Er ist nicht ganz so hübsch, wie du, aber es sind doch nicht viel Bursch' hübscher. Und lang ist er wie eine Stangen, und in der Mitten so dünn. Aber siehst du, Hannesie, das kannst du mir nicht übelnehmen; denn lachst du mich am End' aus, so nimmt mich auch der Schackigter Müller nicht. Denn die Bursch' in der ganzen Gegend haben's auf dich. Sie wollen keine nehmen, die mit dir im Gered' ist gewesen. Das tun sie, weil sie's ärgert, daß die Mädle lieber dich wollen haben, als sie. Und eine alte Jungfer mag eine doch nicht werden. Siehst du, ich möcht' dich gleich erdrücken vor Lieb' und Freud'. Aber hernach lachst du mich doch aus am End'. Ich greif dich nicht eher an und lass' mich nicht eher angreifen, bis ich gewiß bin, daß du mich nicht auslachst.«

Und sie hielt ihr Wort. Der Mond hatte noch lange auf die beiden geschienen, wie sie dort saßen; er kann es bezeugen. Er hat gesehn, wie der Hannes gleich geschrieben hätte, wäre nur seine Tinte und Feder und Papier auf der Gerbergasse gewesen und nicht daheim im Kasten. Aber noch heute wollte er schreiben und die Sannel sollte es morgen in der Frühe zu der Schwarzen tragen, sowie sie die Kuh gefüttert hätte. Die, wenn die nur heute dabei gewesen wäre!


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