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3.

... Ich kann mir nicht versagen, von Sylvesters Begräbnis zu berichten, da ich es auf der Insel Singapore selbst geleitet habe. Während der ersten Tage der Fahrt waren viele Tote ins chinesische Meer gesenkt worden; da wir uns aber nahe jenes ungesunden Striches befanden, war beschlossen worden, Sylvester ein paar Stunden länger zu behalten, um ihn an Land zu begraben.

Der schrecklichen Sonne halber mußte man sehr früh aufbrechen; Sylvester ward in ein Boot gebracht und mit der französischen Flagge zugedeckt. Ein Karren, den der Konsul geschickt, stand schon auf dem Quai; da hinein betteten wir unseren Toten samt dem Holzkreuz, das an Bord für ihn gemacht worden war; der schwarze Lack hatte noch nicht Zeit gehabt trocken zu werden, als man in Weiß seinen Namen darauf malte; so war die Schrift leider ausgelaufen – aber Eile that not!

Die große, fremde Stadt schlief noch, als wir ans Land kamen, und wir durchschritten das Babel schon, als die Sonne aufging. Wie bewegte es aber die Herzen, wenige Schritte vom schmutzigen Gewühl der Chinesen die Ruhe einer französischen Kirche zu finden! Unter dem hohen weißen Kirchenschiff, wo ich mit meinen Matrosen allein war, tönte das Dies irae, von einem Missionspriester gesungen, wie eine sanfte, geheimnisvolle Beschwörung. Durch die offenen Thüren sah man Dinge, die dem Blick in einen Zaubergarten glichen: wunderbares Grün und ungeheuer große Palmen; der Morgenwind strich durch große blühende Bäume; ein wahrer Regen karminroter Blüten fiel von ihnen und wehte bis in die Kirche hinein.

Darauf sind wir weit, weit hinaus auf den Friedhof gegangen, der bescheidene Zug einer Handvoll von Seeleuten mit einem Sarg, den die Fahne von Frankreich bedeckte. Unser Weg führte durch die chinesischen Quartiere, wo es von gelben Menschen wimmelte wie in einem Ameisenhaufen; dann kamen wir in die malaischen und indischen Vorstädte, wo alle Arten asiatischer Gesichter uns mit erstaunten Augen vorüberziehen sahen.

Es war schon heiß, als wir das Freie erreichten und schattige Wege uns aufnahmen. Wundervolle Schmetterlinge, deren Flügel wie blauer Samt erschienen, wiegten sich in der Luft; eine verschwenderische Pracht von Blumen, Palmen und die ganze Herrlichkeit tropischer Vegetation umgab uns. Endlich erreichten wir den Friedhof mit seinen Mandarinengräbern, mit vielfarbigen Inschriften, Drachen und anderen Ungeheuern geschmückt; unbekannte Sträucher mit seltsam geformten Blättern zogen das Auge auf sich.

Der Ort, wo wir Sylvester zur ewigen Ruhe einsenkten, glich einem Stückchen der Zaubergärten von Indra. Wir haben das hölzerne Kreuzlein, das ihm eilig in der Nacht gemacht worden war, auf den Erdhügel gesteckt:

Sylvester Moan,
Neunzehn Jahre alt

stand darauf. Und so haben wir ihn denn verlassen müssen, da uns die immer höher steigende Sonne zur Rückkehr trieb, und noch einmal nach der stillen Stätte zurückgeschaut, wo sich die wunderbaren Bäume und großen Blumenkelche über das Grab des Tapferen neigen.


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