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10.

Vom schwärzlichgrauen Himmel regnete es in Strömen herab, als Sylvester in Indien den Fuß ans Land setzte. Er war als Ersatzmann an Bord eines Walfischfängers geschickt worden.

Laue Duftwellen schlugen ihm durch dichtes Blätterwerk entgegen, als er die fremde Wunderwelt mit erstaunten Augen anblickte. Ein prachtvolles Grün überall, Baumblätter wie Riesenfedern gestaltet, und der Westwind führte Bisam- und Blumenduft auf seinen Schwingen.

Die spazierengehenden Einheimischen sahen den Fremden mit großen, samtartigen Augen an, welche die Schwere der reichen Wimpern fast zu schließen schien. Unter den Frauen gab es hier so gut wie in Brest welche, die ihn zu sich heranwinkten, bronzefarbige Gestalten mit schöngewölbten Busen unter den durchsichtigen Musselinhüllen. In diesem zauberhaften Land war aber das Entgegenkommen verlockender als anderswo; Sylvester fühlte wie es ihn durchschauerte, und trotzdem er noch zögerte, wandte er sich halb, um sie sich näher zu betrachten.

... Wie der Triller beim Vogelgesang erscholl die Schiffs-Pfeife; Sylvester konnte nur noch einen Blick auf die indischen Schönen werfen und kehrte in gestrecktem Lauf zu seinem Walfischfänger zurück, der weiter fuhr.

Nach einer weiteren Woche auf dem blauen Meer lief das Schiff an einer grünen Küste an, wo ebenfalls gerade Regen fiel. Schreiende gelbe Menschen, die Körbe voll Kohlen trugen, drängten sich sogleich auf das Schiff, das sie ganz überfluteten und mit ihrem Lärm erfüllten.

»Sind wir denn schon in China?« fragte Sylvester beim Anblick der Zopfträger.

Die Antwort war, daß er sich noch ein wenig gedulden müsse, jetzt sei man erst in Singapore. Er stieg wieder hinauf in seinen Mastkorb, um dem feinen Kohlenstaub zu entgehen, den der Wind von den Tausenden von Körben aufwirbelte, deren Inhalt mit fieberhafter Eile in den Kohlenraum geleert wurde.

Im Hafen von Turan lag die »Kirke,« die Blockade hielt; Sylvester wußte längst, daß er der Besatzung dieses Schiffes zugeteilt war, und er wurde mit seinem Gepäck dahin übergesetzt.

An Bord der »Kirke« fand er nicht nur Landsleute, sondern sogar zwei Isländer, welche bei den Kanonieren standen. An den warmen stillen Abenden, wo es nichts zu thun gab, sonderten sich die drei von den andern ab und setzten sich zusammen, um in ihrem Winkelchen die Zusammengehörigkeit und ihre Heimatserinnerungen zu pflegen.

Fünf Monate der Unthätigkeit mußten in dieser traurigen Bucht verbracht werden, ehe der ersehnte Tag zum Losschlagen kam.


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