Georg Christoph Lichtenberg
Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche
Georg Christoph Lichtenberg

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Neuntes Blatt. Hierher wieder das Blatt G.

Fleiß und Faulheit. Neuntes Blatt

Das Zimmer hier ist ein sogenannter Londonscher Keller, wo die lichtscheue Geschäftigkeit ihre kleinen und großen Galgenstreiche auch am Tage mit einiger Sicherheit ausübt, und namentlich ist dieses einer der ehemals in Blood Bowl Alley (Blut Bowl-Gäßchen, wie man sagt Punschbowl) in Fleetstreet befindlich war. Die Begebenheit, die hier vorgestellt wird, ist wie Nichols, ein kritischer Ausleger des Hogarth und ein strenger Prüfer der Wahrheit von Begebenheiten die er sich zunutze macht, versichert. Nro 1 ist Idle und (4) sein Kamerad mit dem verklebten Auge; den wir auf dem dritten Blatte bei dem Grabstein gesehen haben. Sie haben hier einen Menschen ermordet, in dessen Habseligkeiten sie sich teilen, während ein Dritter den Entleibten in ein Loch, einen Keller im Keller, mit einer Falltüre, steckt, das vermutlich für dergleichen Vorfälle besonders angelegt ist. Nro 2 ist die Fastenschwalbe, die wir schon vorher im Nest gesehen haben, welche ihren Liebling gegen einige Schillinge an die Gerichtsdiener verraten hat, die hier zur Türe herein kommen und ihn arretieren. Wer sehen will, wie tief der Mensch, das Meisterstück der Schöpfung, wie er sich nennt, und wogegen freilich die Affen, die Pudelhunde und die Elefanten wenig einzuwenden haben, fallen kann, der sehe auf dieses Blatt. Ich bin zwar nicht geneigt mit einigen Überfrommen unsre Welt für den Hospitalplaneten, unter den übrigen zu halten. Aber solches Elend! – Es erweckt Schaudern hier zu sehen, was man werden kann, wenn man einmal ein Mensch ist, und oft ist weiter nichts zu dieser Promotion nötig, als etwas schlechte Erziehung, etwas schlechte Polizei, und ein Bißchen Temperament. Jeder, der sich sicher sieht, muß bei einem solchen Anblick in Lob und Dank für die rechtschaffnen Eltern und Lehrer ausbrechen, die seinen noch lenksamen Geist auf den Pfad leiteten, der ihn zu der sichern Höhe hinführte, von welcher er auf diesen Sturm ruhig herabsehen kann. Nro 3 ist ein damals berüchtigtes Mensch, deren Nase mit der ganzen Gegend umher untergegangen ist. Man sieht kaum mehr wo Sodom und Gomorrha gestanden haben. Von einem ähnlichen Geschöpfe, das wo ich nicht irre, in einem Hospital zu Berlin herumtrieb, habe ich einen Arzt reden hören: Bei diesem war die versunkene Stelle noch ungleich größer, dabei war sie mutwillig, und besäete noch immer zum Andenken der Nase die Stelle mit Schnupftobak, wo sie vor Jahren gestanden hatte. Im Hintergrunde ist eine Prügelei, mit Knüppeln, Stühlen, Feuerschaufeln und dergleichen, vermutlich wird auch dort wieder Wild erlegt für den Keller im Keller. Mitten in diesem Mordgewühl schläft ein Kerl so sanft, wie der auf dem zweiten Blatt in der Kirche. Um aber anzudeuten, was da für ein Held schläft, und nach was für Siegen, so hängt über ihm ein Strick herab, der aus einer Wolke mit Posaunen nicht gerechter herabhängen könnte. Ein anderer neben ihm sieht so ruhig bei einer Pfeife Tabak in die Flamme des Kamins, als wäre das Feuer seine ganze Gesellschaft, und ein Dritter, ein Grenadier, steht an der andern Seite des Kamins, und zeichnet oder dichtet Zoten an die Wand, und das in einem Loche, wo ein Ermordeter versteckt wird, wo andere vermutlich so eben noch erschlagen werden und wo Mörder ihren Raub teilen. Der Strick wird wohl über alle kommen. Die Unterschrift ist dieses Mal nicht zum besten gewählt, sie ist aus den Sprüchw. Salom. Cap. 6. V. 26. Eine Hure bringet einen ums Brot, aber ein Eheweib säet das edle Leben. Im Englischen steht gar: The adulteress will hunt for the precious life. Dieser Text ist zu gelinde für die Musik die hier gespielt wird.

Fleiß und Faulheit. G.

Fleiß und Faulheit. G.


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